Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

1. Sonntag nach Trinitatis, 25.05.2008

Predigt zu Lukas 12:13-21, verfasst von Peter Skov-Jakobsen

Er stand vor Jesus und trat von einem Bein aufs andere, wohl ein wenig aus Wut. Er war so verärgert, wie nur ein Mann es sein kann, der seinen Willen nicht bekommt. Alle Vorübergehenden nahm er kurz zur Seite, um sie fragen, ob sie nicht auch meinten, das sei zu schlimm. Aber er glich nicht jemandem, dem etwas fehlt. Er hatte eine dunkle Ahnung, dass sein Bruder drauf und dran war, ihn in der Erbangelegenheit hereinzulegen, und deshalb wollte er hören, was ein kluger Mann zu der ganzen Sache zu sagen hätte.

             Es ist merkwürdig, wie Erbangelegenheiten uns aufbringen können! Plötzlich steht da die Gerechtigkeit und leuchtet als Begriff und stellt sich zwischen Geschwister und gute Freunde. Ich meine die Gerechtigkeit, die wir einleuchtend finden, - die Gerechtigkeit, die doch alle klar sehen müssen, - die Gerechtigkeit, gegen die sich der Bruder, die Schwester, der gute Freund vergeht.

             Ja, den meisten von uns geht es wohl so, dass wir fast nicht verstehen können, dass sie uns so etwas antun können. Und wenn wir mit ihnen reden, dann tun sie so, als wäre das, was sie tun, ganz natürlich. Wir meinen vielleicht, dass sie wenigstens etwas gedämpfter reden und nachgeben könnten, wenn sie sich nun schon so benehmen.

             Wenn wir mitten in dem Streit sind, ist es, als ob es uns niemals klar würde, dass sich die anderen selbst ganz und gar nicht als Übeltäter betrachten. Wir sind völlig allein mit unserer Auffassung. Für die anderen stellt sich die Gerechtigkeit anders dar.

             Wenn wir es überhaupt über uns bringen, auch nur eine Sekunde lang ehrlich zu sein, dann können wir, unter hartem Druck, sehr wohl zugeben, dass Gerechtigkeit nicht so selten eng verbunden zu sein scheint mit dem, was unserem eigenen Vorteil dient.

             Es war, wie wenn Jesus sie völlig aus ihren eigenen Gedanken riss an jenem Tag. Er forderte sie auf, das Leben auf eine ganz neue Weise zu betrachten.

             Er machte sie darauf aufmerksam, dass ihre Gedanken auf alles gerichtet waren, was sie an sich bringen konnten. Sie dachten nur daran zu besitzen. Sie dachten nur an ihren eigenen Kram - und sie taten es, weil sie genau wussten, dass es darauf ankommt, am meisten zu haben, denn wer am meisten hat, hat gewonnen!

             Er zögerte an jenem Tage und erzählte ihnen eine andere Geschichte vom dem Mann, der Scheunen baute - so viele Scheunen, dass er seinen ganzen Besitz darin unterbringen konnte. Er erzählte ihnen die Geschichte, um sie zu der Einsicht zu bringen, dass der Gedanke an Besitz ihr Leben vollständig durcheinander bringen konnte. Habgier kann eine Triebkraft sein; aber sie führt den Menschen vom Menschlichen weg. Plötzlich ist nur noch der Besitz wichtig. "Habgier verwandelt Liebe in Begierde, freie Zeit in Schlaffheit, Hunger in Völlerei, Ehre in Hochmut, gerechte Entrüstung in Wut und Bewunderung in Snobismus" (Bischof Jan Lindhardt).

             Wenn wir von Habgier besessen sind, entdecken wir immer erst zu spät, dass sie mehr kaputt macht, als dass sie nützt.

             Einige von uns sind glücklich, weil wir eine Arbeit haben, die uns in Anspruch nimmt, viele Herausforderungen an uns stellt und uns große Erlebnisse verschafft. Wer kann sich davon freisprechen, dass er viel für seine Arbeit opfert in der Hoffnung, dass ihm das Beförderung und Achtung einbringt? Wer kann sich davon freisprechen, dass er sich dem hingibt, nur etwas mehr zu nehmen in der Hoffnung auf mehr große Erlebnisse - und auf einmal sitzt man da und hofft auf die großen Erlebnisse und vergisst völlig, in der Sitution gegenwärtig zu sein. Wir alle kennen das, dass wir uns nicht gut genug dem Jetzt widmen und nicht hinreichend darauf aufmerksam sind, was hier und jetzt passiert, weil unsere Gedanken uns in eine "glorreiche" Zukunft hinaustragen.

             Lesen ist gut, meinen einige von uns, und verschlingen die Bücher. Aber wer kann sich völlig davon freisprechen, es unterhaltsam zu finden, wenn man über alle möglichen Bücher mitreden kann, und deshalb liest man vielleicht nicht immer aus reinem Interesse, sondern weil man Eindruck schinden will!

             Und ehrlich gesagt, wer kennt das nicht, dass man vor einer formidablen Mahlzeit sitzt - und die Gedanken suchen nach all den anderen Mahlzeiten, die hervorragend gewesen sind - und plötzlich kann man ganz versessen darauf sein, von all dem Leckren nur noch mehr zu essen. Für so manchen von uns ist nun einmal die Zurückhaltung beim Essen, weil man satt ist, die schlechteste Entschuldigung, nicht mehr zu essen!

             Wir wissen nur zu gut, dass sich der Genuss vom Inhalt trennen lässt. Und wir wissen auch, dass es so nicht weitergehen kann - wir wissen, dass es ein Ersatz für den Mangel an etwas anderem ist. Wir wissen, dass wir uns der Verflüchtigung hingegeben haben.

             Als ich in England wohnte, wurde mir eines Tages klar, dass da im Laufe nur weniger Jahre etwas geschehen war. Tagtäglich kam ich auf meinem Weg zu den Schiffen durch ein sehr hübsches Stadtviertel. Die meisten Häuser stammten aus den 20'er und 30'er Jahren. Sie waren schön, individuell, und niemand konnte daran zweifeln, dass hier Menschen wohnten, die Erfolg gehabt hatten. Auch die Gärten zeugten von Sorgfalt und Schönheit. Mitten in diesem Viertel hatte man eine Häusergruppe gebaut. Die waren groß, in der Technik der Fertighäuser errichtet, glichen alle einander, sie waren einfach hässlich - aber sie ließen auf Reichtum schließen. Sie stellten einen krassen Gegensatz zu den übrigen Häusern dar. Die anderen Häuser erinnerten daran, dass man sich einmal Reichtum erwarb, ihn in Schönheit umsetzte, einen Möbeltischler einige ganz besondere Möbel für die gute Stube anfertigen ließ und mit seinem Reichtum dazu beitrug, die Umgebung zu verschönern und anderen Menschen etwas Schönes zum Beschauen und Genießen zu bieten. Jetzt ist Reichtum plötzlich ein Massenphänomen geworden, und jetzt investieren wir auch nicht mehr so sehr in die Schönheit, sondern wir lieben es, Geld in der Bank anzuhäufen - wir investieren und wir versuchen, Mittel zu schaffen, die uns retten können, wenn es einmal trübes Wetter geben sollte.

              Es ist der Gedanke an das "Mehr", der uns stört. Dies "Mehr" ist uns so wichtig, dass wir gern alle unsere Beziehungen aufs Spiel setzen. Wir kennen das so gut, dass wir so viel Arbeit haben, dass die Familie uns aufgibt; wir wissen doch, dass unsere Gedanken ganz woanders sein können, und deshalb geben die, die uns nahestehen, es auf, zu uns zu sprechen. Wir wissen, was es bedeutet, dass wir eine völlig verkehrte Auffassung von unseren Mitmenschen bekommen, wenn wir sie beneiden. Wir können sie fast nicht sehen, weil sich schwarze Filter vor unsere Augen schieben, und wir können unsere eigenen Gedanken nicht aushalten. Kleinlichkeit frisst sich so oft in unser Gemüt und verletzt es furchtbar - und wir fühlen uns in dem Augenblick ganz und gar nicht reich!

             Macht euch reich bei Gott, sagte Jesus an jenem Tag, und seitdem haben wir mit der Frage gekämpft, was das wohl bedeuten mag. So manche sind ins Kloster gegangen, andere führen ein einfaches Leben, überall aber ist es, wie wenn es zu einer Frage des Ansehens werden kann, und dann kann man auch in dieser Lage nach "mehr" streben.

             Aber sich bei Gott reich machen bedeutet wohl, dass man sich die Demut auferlegt. Das heißt, man lernt, so sehr an die anderen zu denken, dass man sich darüber fast selbst vergisst. Es mag schwer sein, aber die meisten Menschen geben wohl zu, dass die schönsten Minuten in einem Leben diejenigen sind, in denen man nicht an sich selbst denkt. Kinder geben uns unablässig die Möglichkeit dazu. Sie stellen immerzu unsere Welt mit ihren Bemerkungen auf den Kopf - sie lehren uns, was wichtig ist, und bei ihnen fühlen wir eine Erwartung der Fürsorge und Liebe, die uns auf das Leben aufmerksam macht. Derjenige, den wir lieben, und unsere Freunde lehren uns mit ihrem Vertrauen, dass es andere Dinge in der Welt gibt als Reichtümer anzuhäufen.

             Sich Schätze bei Gott sammeln kann man wohl am besten dadurch, dass man den Kranken besucht, den Traurigen aufmuntert, sich mit dem jubelnd Glücklichen freut. Man sammelt sich wohl am besten Schätze, indem man am Protest der Liebe teilzunehmen wagt in einer Welt, die so oft glaubt, man könnte sich zurechtfinden. Man sammelt sich am besten Schätze, wenn wir denen geben, die Hilfe nötig haben, wenn wir darauf verzichten, andere auszunutzen und zu unterdrücken. Man sammelt sich Schätze, wenn man sich selbst nicht zu einem Teil der Leere und Eitelkeit macht, sich nicht von Hochmut, Tollkühnheit, Verschwendung und Snobismus beherrschen lässt. Man sammelt sich Schätze, wenn man zu glauben wagt, dass es nützen kann, in der Welt Verantwortung zu übernehmen und zu lieben - und auf die Weise Platz schafft für das Mitgefühl, das lebensnotwendig ist. Amen.



Pastor Peter Skov-Jakobsen
København (Dänemark)
E-Mail: pesj(a)km.dk

Bemerkung:
Übersetzung aus dem Dänischen: Dietrich Harbsmeier


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