Matthäus 25,14–30

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Matthäus 25,14–30

9. So. n. Trinitatis| 14. 8. 2022 | Mt 25,14–30 | Hansjörg Biener |

Nötige Vorrede

Der heutige Predigttext hat deutliche Spuren in der deutschen Sprache hinterlassen. Wir reden von „Talenten“, die einem anvertraut sind und die man nutzen muss. Wir kennen die Redewendung „Heulen und Zähneklappern“. Und die Feststellung „Wer hat, dem wird gegeben.“ stammt auch nicht aus Wirtschaft und Politik, sondern aus dem heutigen Predigttext. Ein Reicher, der auf Reisen war, verlangt von drei Knechten Rechenschaft über das ihnen anvertraute Kapital.  Der Evangelist Matthäus versteht das als Gleichnis für die Rechenschaft, die Gott eines Tages von uns verlangt. Das wird an kleinen Details im Text erkennbar. Vor allem aber hat der Evangelist dieses Gleichnis mit anderen Vorstellungen vom Gericht zusammengestellt. Rechenschaftsablagen, wie Abfragen im Schulrecht heißen, sind schon in der Schule nichts, wozu man sich drängt. Rechenschaft über sein Leben abgeben zu sollen, das ist eine noch bedrohlichere Vorstellung. Damit Sie jetzt nicht „schreiend aus der Kirche rennen“, noch eine letzte Vorbemerkung: Das heute auszulegende Gleichnis geht wohl im Kern auf Jesus zurück (Schweizer, 1973, S. 309, Luz, 1997, S. 497), liegt aber im Neuen Testament in drei Varianten vor. In einer Bibelstunde könnten wir die nun vergleichen und herausfinden, was zum Beispiel gerade Matthäus an dem Gleichnis wichtig ist. Aber das hier ist eine Predigt, und ich kürze ab: Die Bibel bietet keine einheitliche Vorstellung von einem Endgericht. [Das kann man auch an den in Matthäus 25 zusammengestellten Gleichnissen von den klugen und törichten Jungfrauen (1-13), von den anvertrauten Talenten (14-30) und vom Weltgericht (31-46) sehen.] Angesichts der Vielfalt biblischer Endzeit- und Gerichtsvorstellungen sind Theologie und theologische Urteilsbildung gefragt. Man soll den biblischen Texten nichts von ihrem Ernst nehmen. Aber: Es ist eine Entscheidung der Verkündiger, ob sie Furcht predigen oder „die gute Nachricht“. „So bitten wir nun an Christi statt: Lasst euch“ nicht ängstigen, sondern „versöhnen mit Gott!“ (2. Korinther 5,20).

Predigttext

14 Es ist wie mit einem Menschen, der außer Landes ging: Er rief seine Knechte und vertraute ihnen sein Vermögen an; 15 dem einen gab er fünf Zentner Silber, dem andern zwei, dem dritten einen, jedem nach seiner Tüchtigkeit, und ging außer Landes.

Sogleich 16 ging der hin, der fünf Zentner empfangen hatte, und handelte mit ihnen und gewann weitere fünf dazu. 17 Ebenso gewann der, der zwei Zentner empfangen hatte, zwei weitere dazu. 18 Der aber einen empfangen hatte, ging hin, grub ein Loch in die Erde und verbarg das Geld seines Herrn.

19 Nach langer Zeit kam der Herr dieser Knechte und forderte Rechenschaft von ihnen. 20 Da trat herzu, der fünf Zentner empfangen hatte, und legte weitere fünf Zentner dazu und sprach: Herr, du hast mir fünf Zentner anvertraut; siehe da, ich habe fünf Zentner dazugewonnen. 21 Da sprach sein Herr zu ihm: Recht so, du guter und treuer Knecht, du bist über wenigem treu gewesen, ich will dich über viel setzen; geh hinein zu deines Herrn Freude! 22 Da trat auch herzu, der zwei Zentner empfangen hatte, und sprach: Herr, du hast mir zwei Zentner anvertraut; siehe da, ich habe zwei dazugewonnen. 23 Sein Herr sprach zu ihm: Recht so, du guter und treuer Knecht, du bist über wenigem treu gewesen, ich will dich über viel setzen; geh hinein zu deines Herrn Freude!

24 Da trat auch herzu, der einen Zentner empfangen hatte, und sprach: Herr, ich wusste, dass du ein harter Mann bist: Du erntest, wo du nicht gesät hast, und sammelst ein, wo du nicht ausgestreut hast; 25 und ich fürchtete mich, ging hin und verbarg deinen Zentner in der Erde. Siehe, da hast du das Deine. 26 Sein Herr aber antwortete und sprach zu ihm: Du böser und fauler Knecht! Wusstest du, dass ich ernte, wo ich nicht gesät habe, und einsammle, wo ich nicht ausgestreut habe? 27 Dann hättest du mein Geld zu den Wechslern bringen sollen, und wenn ich gekommen wäre, hätte ich das Meine wiederbekommen mit Zinsen.

28 Darum nehmt ihm den Zentner ab und gebt ihn dem, der zehn Zentner hat. 29 Denn wer da hat, dem wird gegeben werden, und er wird die Fülle haben; wer aber nicht hat, dem wird auch, was er hat, genommen werden. 30 Und den unnützen Knecht werft hinaus in die äußerste Finsternis; da wird sein Heulen und Zähneklappern.

Erklären

Vielleicht haben Sie sich beim Hören gefragt: „Wo sind denn da die Talente?“ Die stehen im griechischen Bibeltext und vielen Übersetzungen. Martin Luther hat wohl gemeint, das Zentner anschaulicher ist. Ein Talent, so eine gängige Gleichsetzung (Luz, 1997, S. 496, Münch, 2007, S. 244), entsprach rund 6000 Denaren oder Tageslöhnen eines Arbeiters. Um es mit den Worten meines Vaters zu sagen: „Da muss Dein Vater lange für arbeiten.“ Je nach Vermutung, wie viele Tage im Jahr ein Arbeiter in der Jesus-Zeit Arbeit hatte, mindestens 20 Jahre, wenn man mal mit 300 Tagen Arbeit großzügig schätzt. Bei 5 Talenten explodiert das auf 100 Jahre. Damit wird auch klar, dass jemand schon bei einem Talent Angst haben kann, etwas zu verlieren. Er könnte nie wieder ausgleichen, was für Superreiche und Superreichste peanuts wären. So hat König Herodes einmal dem Kaiser Augustus 300 Talente geschenkt.

Sie merken: Wir müssen das Erzählte noch einmal durchgehen, um die Hintergründe besser zu verstehen.

Ein Mann geht für eine Zeit ins Ausland und vertraut drei Knechten ein Vermögen an. Die ersten Hörer und Hörerinnen werden hier an die Superreichen gedacht haben. Die lebten in Jerusalem oder einer Großstadt des Mittelmeerraums. Nur gelegentlich erschienen sie auf ihren Besitzungen, um sich mit neuen Mitteln für das Stadtleben auszustatten. Sie mussten darauf setzen, dass in ihrer Abwesenheit alles funktionierte. Es wird eine spannende Situation gewesen sein, wenn ein solcher „Herr“ mal wieder „nach dem Rechten“ sah. Beiderseits! Auf der Seite des Reichen, der Erträge braucht, um seinen Lebensstil zu pflegen, und auf der Seite seiner Knechte, die Rechenschaft ablegen müssen. Ein bisschen von der Spannung in der Luft kann man in dem Gleichnis spüren.

Die Stunde der Abrechnung ist da. Dabei stellt sich heraus: Zwei Treuhänder haben das Startkapital verdoppelt. Zehn Zentner Silber statt fünf und vier Zentner Silber statt zwei. Wie das geschehen sein könnte, wird nicht erzählt. Den ersten Hörern und Hörerinnen ist klar: Ein so hoher Gewinn verlangt entschlossenes Handeln, Risikobereitschaft – und Glück. Die erfolgreichen Knechte würden auf riskante Handelsexpeditionen gesetzt haben, vielleicht auch auf Bodenspekulation oder ein ganzes Netzwerk von Zollstationen! Mit Bankgeschäften wäre so viel Gewinn nicht zu machen gewesen. Wie auch immer: Die erfolgreichen Wirtschafter werden gelobt, und der Gutsherr sichert sich ihre Tüchtigkeit und Treue. Zweimal heißt es:

„Recht so, du tüchtiger und treuer Knecht, du bist über wenigem treu gewesen, ich will dich über viel setzen.“

Die Frage, die das Gleichnis mit den ersten beiden Knechten stellt: Würdest nicht auch du ein Treuhänder sein wollen, der, in diesem Fall von Gott, gelobt wird?

Beim dritten Knecht ist es anders. Der bringt seinen Zentner – und nur diesen Zentner.

„Herr, ich wusste, dass du ein harter Mann bist: Du erntest, wo du nicht gesät hast, und sammelst ein, wo du nicht ausgestreut hast; und ich fürchtete mich, ging hin und verbarg deinen Zentner in der Erde. Siehe, da hast du das Deine.“

Das hört sich an, als würde er seinem Herrn das Silber vor die Füße knallen. Es ist eine Flucht nach vorn, in einer Mischung von Vorwurf, Trotz und Angst. Über den Wahrheitsgehalt seiner Worte könnte man streiten. Ist es wirklich so gewesen, dass der „Herr“ nichts gesät hat? Hat er nicht auch diesem Knecht etwas zugetraut und ihm einem Zentner Silber anvertraut? Aber der „Herr“ nimmt den Fehdehandschuh anders auf. Er wiederholt einfach die Vorwürfe:

„Wußtest du, daß ich ernte, wo ich nicht gesät habe, und einsammele, wo ich nicht ausgestreut habe? Dann hättest du mein Geld zu den Wechslern bringen sollen, und wenn ich gekommen wäre, hätte ich das Meine wiederbekommen mit Zinsen.“

Man könnte das auch so übersetzen: „So, so. Ich bin also so sehr auf Gewinn aus, dass man Angst haben muss, etwas zu verlieren. Wenn das stimmt: Warum hast du das Startkapital, das ich Dir anvertraut habe, dann nicht auf die Bank gebracht? Da hätte ich wenigstens ein paar Zinsen gehabt.“ Danach kassiert er seinen Zentner Silber wieder ein, und schmeißt den Knecht raus. Man könnte das in die Bibelsprache so zurückübersetzen:

„Siehe, da hast du das Deine.“

Nämlich gar nichts. Kein Wunder, dass nun das Heulen groß ist und das Zähneknirschen vor Wut, denn eigentlich steht im griechischen Bibeltext Zähneknirschen und nicht Luthers Zähneklappern. Vielleicht hatte er da Menschen vor Augen, die alles verloren haben und sich nun im Wald durchschlagen. Die dürften viel gefroren haben.

Es ist eine sehr kapitalistische Welt, in die wir mit dem Gleichnis geführt werden. Da gibt es Reiche und ganz Reiche, die ernten, wo sie nichts gesät haben. Da gibt es Nachgeordnete, die mit aller geschäftlichen Härte wirtschaften. Und es gibt solche, die vor Angst um Arbeitsplatz und Unterkunft kaum handlungsfähig sind. Ganz zu schweigen von denen, die Opfer in einer solch gnadenlosen Welt sind und im Gleichnis gar nicht erwähnt werden. Naheliegenderweise haben manche Ausleger gefragt: „Wie kann so eine Welt zum Gleichnis werden, um etwas über Gott und seinen Umgang mit den Menschen zu lernen?“ Der Evangelist Matthäus jedenfalls war dieser Meinung, Jesus, auf den die Grundidee zurückgeht, offenbar auch. Man kann das Gleichnis unpassend finden, aber Jesus war definitiv nicht weltfremd.

Bedenken

Ich fasse das Bisherige mal so zusammen: Wir haben jetzt in einen Abgrund gesehen und müssen nun das ganze Bild von Gott und den Menschen wieder in den Blick bekommen. Wenn wir einen Gewinn aus dem Gleichnis ziehen wollen, müssen wir uns über zwei Dinge klarer werden. Erstens: Wenn das Gleichnis religiös transparent sein soll, was ist dann der verlangte Umgang mit dem anvertrauten Talent? Und zweitens: Wie steht es um unseren Gott? Wie weit kann man ihn mit dem Kapitalisten des Gleichnisses vergleichen? Diesen beiden Fragen will ich im Folgenden nachgehen.

Zunächst zu den Zentnern Silber, oder zu den sprichwörtlich gewordenen Talenten. Fünf, zwei und einen Zentner hat „der Herr“ ausgeteilt und den Auftrag gegeben, sie gut zu verwalten. Unterschiedliche Mengen, – so wie ganz offensichtlich auch die Talente unter den Menschen verschieden verteilt sind. Wir denken bei „Talent“ an besondere Begabungen, Fähigkeiten oder Eigenschaften, die jemanden herausheben und von anderen unterscheiden. Und so kommen wir schnell auf die besonders Leistungsfähigen: Sportler und Sportlerinnen, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Künstlerinnen und Künstler, Aktivisten und Influencerinnen. Und in der Tat rechnen dann manche auch umgekehrt: Das habe ich nicht, das kann ich nicht, und gut aussehen tue ich auch nicht. Das kann bitter machen. Das ruft jene Mischung von Zorn, Trotz und Angst hervor, mit der der dritte Knecht seinem Herrn die Stirn bot. Und doch wird man wenigstens das eine feststellen: Dass auch er nicht nichts hatte. Er hatte seinen Zentner Silber, mit dem er etwas anfangen sollte. Das ist der Mainstream der Auslegungen. Trotzdem glaube ich nicht, dass man für eine religiöse Deutung der anvertrauten Talente von allgemeinmenschlichen Eigenschaften ausgehen sollte. Ich würde eher sagen, dass Gott uns das Saatgut Glauben anvertraut hat und Früchte des Glaubens sucht. „Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut, Keuschheit“ (Galater 5,22) kann man üben. „Glaube, Liebe, Hoffnung“ (1. Korinther 3,8) kann man hegen und pflegen, indem man sich darum bemüht.

Und nun zum Gottesbild. Zunächst kann man das ganz gut vergleichen: Der Herr ist außer Landes, und die Knechte sollen mit dem wirtschaften, was sie haben. So kann man die Welt ja auch erleben: Wir finden uns ungefragt in der Welt vor und müssen unser Leben mit dem meistern, das wir haben. Ob es einen Gott gibt, kann man schnell fragen. Unbestreitbar bleibt aber die Herausforderung, aktiv etwas aus unserem Leben zu machen. Bei Strafe des Heulens und Zähneklapperns, wenn wir beispielsweise mangels Ausbildung und Arbeit auf der Straße landen. Das ist ganz so wie bei den Knechten, die aus ihren Zentnern etwas machen sollten. Da spielt es für den Alltag keine Rolle, wie lange der Herr schon weg ist, wie oft man sich an ihn erinnert oder ob man gerüchteweise hört, er sei gestorben. Wie ja manche auch deklamieren, „Gott ist tot.“. Sich auf Gerüchte verlassen zu haben, hilft nichts, wenn der Herr trotzdem wiederkommt und Rechenschaft verlangt. So weit kann man das Gleichnis problemlos auf die Beziehung der Menschen zu Gott übertragen. Doch gilt das andere auch? Kann man Gott vorwerfen, was der dritte Knecht seinem Herrn vorwirft? „Du forderst nur und setzt nichts ein.“ Wie wir auf diese Frage antworten, bestimmt auch die Art und Weise, wie wir mit Gott und unserem Leben umgehen. Wer meint, er habe nichts zum Leben mitbekommen, der wird sich selbst der Nächste bleiben, denn so wird er sagen: „Mir wurde ja auch nichts geschenkt.“

Anders der Mensch, der an den Gott der Christenheit glaubt: Er oder sie weiß sich mit seinem Leben beschenkt. Um es mit Luthers Kleinem Katechismus zu sagen: „Ich glaube, daß mich Gott geschaffen hat samt allen Kreaturen, mir Leib und Seele, Augen, Ohren und alle Glieder, Vernunft und alle Sinne gegeben hat und noch erhält; dazu Kleider und Schuh, Essen und Trinken, Haus und Hof, Weib und Kind, Acker, Vieh und alle Güter.“ Er, sie weiß um die in Jesus gegebene Zusage, dass nichts zwischen Gott und uns stehen soll. Luther benutzt dafür noch die alte Opfersprache, die in vielen Kulturen und lange auch im Christentum einleuchtend war: „Ich glaube, daß Jesus Christus […] sei mein Herr, der mich […] erlöset hat […]; nicht mit Gold oder Silber, sondern mit seinem heiligen, teuren Blut […]; damit ich sein eigen sei und in seinem Reich unter ihm lebe und ihm diene in ewiger Gerechtigkeit, Unschuld und Seligkeit, gleichwie er ist auferstanden vom Tode, lebet und regieret in Ewigkeit.“ Ein Mensch, dessen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft bei Gott aufgehoben ist, wird auch in der Lage sein, aus Lebensmut und Gottvertrauen heraus von seinem Leben zu geben und zu teilen. Er wird die Erfahrung machen, wie sich sein Leben vervielfacht. Während der, der mit seinem Leben knausert, erlebt, wie auch das Leben mit ihm knausert.

Konsequenzen ziehen

Bedenken wir zum Abschluss ein paar Konsequenzen: Wir haben in einen Abgrund geschaut, denn wer könnte am Ende seines Lebens erfolgreich Rechenschaft ablegen. Vielleicht haben wir etwas aus unseren Talenten, unserer Lebenszeit und unserem Glauben gemacht. Aber wie sähe die Gegenrechnung aus? Kennen wir nicht auch Gedanken, dass wir zu wenig aus unseren Möglichkeiten gemacht haben? Jeder, der schon einmal Lebensbilanzen gezogen hat, wird wissen, womit er Lebenszeit vertan hat und wie wenig Zeit bleibt, um wirklich etwas nachzuholen oder Neues zu machen. Und nicht zuletzt kann man fragen, wie sehr bei uns „Glaube, Liebe, Hoffnung“ genährt wurden.

„Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut, Keuschheit“ kann man an vielen Stellen des Alltags üben. „Glaube, Liebe, Hoffnung“ aber sind besonders gut in einer christlichen Gemeinde zu pflegen. Nehmen wir jemanden, der gerne mit Menschen zusammen ist. Warum sollte er oder sie dieses Kapital nicht auch zum Aufbau des Reiches Gottes nutzen und in einer Gruppe mitarbeiten. Oder jemand, der Sympathie und Wärme verbreitet. Warum sollte der sich nicht vornehmen, Menschen im Gottesdienst zu begrüßen, die er noch nicht kennt. Auch in der Kirche ist es wie bei vielen ehrenamtlichen Organisationen. Man kann immer noch Leute brauchen, die es halten wie die beiden ersten Knechte und sagen: Ja, diese oder jene Verantwortung will ich und kann ich übernehmen. Und die dann im Fall der Kirche etwas für das Himmelreich anpacken. Jedes ehrliche ehrenamtliche Tun hat seinen Preis, aber womöglich auch seinen Segen. Es ist, als würde sich die Gabe in der Anwendung vermehren, so wie jene Zentner Silber im Gleichnis durch den Einsatz verdoppelt wurden. Ist es nicht so, dass manches Tun schon seine Belohnung in sich trägt: Die Leitung einer Kindergruppe oder eines Jugendkreises, die eine Berufswahl wachsen lässt oder auch den eigenen Kindern den Glauben nahe bringt. Am Nachmittag oder Abend in einem Kreis Gemeinschaft erleben statt einsam zu Hause sitzen. Mit anderen etwas erleben und den Pulsschlag des Lebens spüren anstatt Reality TV am Fernseher zu verfolgen oder fake stunts auf YouTube. Wenn ich eines aus dem dritten Knecht im Gleichnis herausholen kann, ist es das. Keiner sollte sagen: Ich verstecke, was ich habe, weil ich nichts verlieren will. Denn andernfalls könnte man die Rüge aus dem Gleichnis so übersetzen: Wenn Du schon keine Eigeninitiative gehabt hast, so hättest du dich wenigstens einspannen lassen können.

Amen.


Dr. Hansjörg Biener (*1961) ist Pfarrer der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern und als Religionslehrer an zwei Nürnberger Gymnasien tätig. Außerdem ist er außerplanmäßiger Professor für Religionspädagogik und Didaktik des evangelischen Religionsunterrichts an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.


Zitierte Literatur:

Luz, Ulrich: Das Evangelium nach Matthäus (Mt. 18-25) (EKK I/3), Zürich/Neukirchen-Vluyn 1997.

Münch, Christian: Gewinnen oder Verlieren (Von den anvertrauten Geldern) Q 19,12f.15-24.26, in: Zimmermann, Reuben, u. a. (Hg.): Kompendium der Gleichnisse Jesu, Gütersloh 2007, S. 240-254.

Schweizer, Eduard: Das Evangelium nach Matthäus (NTD 2), Göttingen 13. Auflage (1. Auflage einer Neufassung) 1973.

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