Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, Redaktion: R. Schmidt-Rost

Letzter Sonntag nach Epiphanias, 1. Februar 2004
Predigt übe
r 2. Korinther 4, 6-10, verfaßt von Karsten Matthis
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


Wochenspruch: Über dir geht auf der Herr, und seine Herrlichkeit erscheint über dir.
Jes. 60, 2

Gnadenspruch

Da wir nun gerecht geworden sind durch den Glauben, haben wir Frieden mit Gott durch unseren Herrn Jesus Christus; durch ihn haben wir auch den Zugang im Glauben zu dieser Gnade, in der wir stehen, und rühmen uns der Hoffnung der zukünftigen Herrlichkeit, die Gott geben wird . Röm. 5,1-2

Kollektengebet

Du Gott des Lichts, mit der Hast und Unruhe der letzten Woche sind wir in den Gottesdienst gekommen, und nun wir sitzen vor dir.
Vieles, was uns bedrückt und ärgert, haben wir noch nicht zurückgelassen. Lass uns deine Nähe spüren, denn in deiner Geborgenheit werden wir ruhig.

So öffne unsere Herzen und Ohren für dein gutes Wort in den Liedern, Gebeten und Lesungen. Schenke uns Momente der inneren Ruhe, damit das Geschenk der
Gemeinsamkeit mit dir Gott erfahren.

Wir bitten dich, himmlischer Vater, lass heute Morgen in unserem Gottesdienst den hellen Schein deines Lichts aufleuchten, damit er in unseren Herzen aufflackert durch Jesus Christus, deinen Sohn, der mit dir und dem Heiligen Geist lebt und regiert von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

Predigt

Liebe Gemeinde,

wann spüren wir einen Fingerzeig Gottes? Immer dann wenn wir Glück, Zuversicht und Geborgenheit erfahren. Gott schenkt uns Augenblicke von Schönem und Glück in unserem Leben:

Ein Ehepartner, ein langjähriger Freund, der vorbehaltlos zu einem hält, dies ist großes Glück.

Ein quicklebendiges kleines Kind, das fröhlich über Pfützen springt, da erleben wir die kindliche Freude voller Lebendigkeit.

Ein schöner warmer Sommertag, der die Natur und unsere Umgebung in schönstes Licht taucht, dann erfahren wir Geborgenheit und erleben die Schönheit der Schöpfung.

Diese glücklichen Momente möchten wir festhalten, diese Zipfel vom Glück nicht mehr loslassen; aber es gelingt uns nicht, denn es gibt Tage, in denen unser Leben trist und grau erscheint. An denen die Gleichförmigkeit des Arbeitsalltages uns niederdrückt. Tage an denen Traurigkeit und seelische Probleme uns belasten. Stunden, in denen es Abschiednehmen heißt von Angehörigen und Freunden.

In unserem Leben erfahren wir: Glück und Leid liegen wie selbstverständlich eng beieinander. Wohl dem Menschen, der eine positive Lebenseinstellung besitzt, sein Leben bewusst lebt und schöne Stunden froh genießt. Wohl dem, der in seinem Leben Gottes Spuren feststellt und dafür ihm dankt.

Liebe Gemeinde, im heutigen Predigttext aus dem 2. Korinther Brief werden uns Höhen und Tiefen eines Lebens uns nahegebracht. Der Apostel Paulus hat ein spektakuläres Leben gelebt mit allen Höhen und Tiefen. Sein Leben spiegelt sich in seinen Zeilen an die Gemeinde in Korinth. Der zweite Brief des Paulus an die Korinther ist wohl sein persönlichster Brief. Paulus schreibt:

Gott, der sprach: Licht aus der Finsternis soll hervorleuchten, der hat einen hellen Schein in unsere Herzen gegeben, dass durch uns entstünde die Erleuchtung zur Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes in dem Angesicht Jesu Christi. Wir haben aber diesen Schatz in irdenen Gefäßen, damit die überschwängliche Kraft von Gott sei und nicht von uns. Wir sind von allen Seiten bedrängt, aber wir ängstigen uns nicht . Uns ist bange, aber wir verzagen nicht. Wir leiden Verfolgung, aber wir werden nicht verlassen. Wir werden unterdrückt, aber wir kommen nicht um. Wir tragen allezeit das Sterben Jesu an unserem Leibe, damit auch das Leben Jesu an unserem Leibe offenbar werde.“ 2. Kor. 6, 4 -10

Liebe Gemeinde, als Paulus seinen zweiten Brief nach Korinth sandte, stand für ihn viel auf dem Spiel. Seine Autorität und sein Ansehen drohte in Korinth zerstört zu werden. Kritiker außerhalb der Gemeinde waren laut geworden: „Paulus kann niemals ein von Gott beauftragter Apostel sein. Schaut ihn doch euch einmal an. Schwach und krank ist er , beim Reden zittert der Paulus sogar. Ein Trübsalbläser ist das! Aus ihm kann nicht der Geist Gottes sprechen.“ Vermutlich hatten so oder ähnlich umherziehende Wandermissionare Stimmung gegen Paulus gemacht.

In Korinth, einer im Altertum lebendigen Stadt, da brodelte es nur so von den Gedanken der Philosophen und umherziehenden Wanderpredigern. Die Bevölkerung von Korinth war aufgeschlossen für alles Neue, für „neue Lehren“ wie die Menschen damals sagten. Der traditionelle Glaube an die Götter war erschüttert, einfach zu menschlich erschienen Zeus und die Götterfamilie. Zu durchsichtig waren die Erklärungsmuster der alten Religion. Die Menschen in Korinth suchten nach einem neuen wahrhaftigen Glauben, der Antworten auf das Leben gab und eine Orientierung bot. Nun gehörte es zu dieser Zeit unter den Griechen zum guten Ton, dass über Religion und Philosophie öffentlich auf dem Marktplatz debattiert wurde. Die Menschen strömten zusammen und lauschten Rednern aus unterschiedlichen Regionen.

Die noch kleine, aber schnell wachsende christliche Gemeinde in Korinth war ebenfalls offen und bereit, Predigern ihr Ohr zu schenken, welche die Lehre von Paulus auf den Kopf stellten. Von Wanderpredigern wurde insbesondere Paulus für seine Worte vom Kreuz angegriffen. Dass Christus für die Menschen am Kreuz leiden musste, damit sich Gott mit den Menschen versöhnte, dies war ein tiefgründiger Gedanke, der nicht jedem behagte. Dass der Mensch ganz und gar auf Christus angewiesen ist und allein durch den Glauben gerettet wird, hörte sich nicht für jedermann gefällig an.

Der Apostel musste sich gegen die falschen Propheten verteidigen, die seine Lehre bestritten. Ihm war die Gefahr bewusst, dass die Gemeinde in Korinth vom Evangelium drohte abzufallen. Und Paulus antwortete beherzt auf die Einwände seiner Gegner:

Paulus erinnerte die Glieder der Gemeinde in Korinth daran, dass Gott es war, der ein helles Licht in ihren Herzen hat aufleuchten lassen: „Gott hat euch vom Dunkel befreit und damit seid ihr neue Menschen in Jesus Christus geworden. Die Herrlichkeit Gottes habt ihr erfahren. Nicht aus euch selbst heraus!“

Mit Bildern und Vergleichen versuchte Paulus, den Korinthern es klar zu machen: „Gott hat die Welt durch sein helles Licht geschaffen. Er hat die Welt geordnet und Leben geweckt. Ohne sein Licht wäre die Welt aus dem Chaos nicht entstanden. Das war Gottes erste großartige Schöpfung. Gottes zweite Schöpfung geschah durch den hellen Stern über der Krippe von Bethlehem. Durch seinen Sohn hat er die Menschen erneuert, indem er ein helles Licht in ihren Herzen hat aufleuchten lassen.“

„Schön“, entgegneten die Wanderprediger dem Paulus, „warum gibt es denn noch immer Not und Elend? Warum werden Christen krank und werden von ihrer römischen Obrigkeit verfolgt? Das Sein in Christus muss doch mehr sein als ein heller Schein in den Herzen, der dann und wann einmal aufflackert. Wo bleibt der Frohsinn und die Hoffnung auf das ewige Leben. Wir glauben an die totale Überwindung der Finsternis hier und jetzt.“

„ So einfach ist es nicht“, antwortete Paulus, „mir ist Leid nicht fremd, aber ich gebe nicht auf.“ und Paulus reagierte auf die Angriffe mit einem weiteren Vergleich: „Wir haben diesen Schatz nur in tönernen Gefäßen! Die Schätze unseres Lebens , das, was unser Leben schön und reich macht, befinden sich in zerbrechlichen Tonkrügen. Ja, wir Menschen sind selbst zerbrechliche Tonkrüge: Wir sind von der Erde genommen und kehren wieder zu ihr zurück. Jeder Krug geht irgendwann zu Bruch, wie wir unser Leben einmal ein Ende nimmt. Unser Leben ist zerbrechlich. Es bekommt Risse und Sprünge und wird manchmal nur notdürftig gekittet. Ein Tonbecher, der oft benutzt wird, hat bald angeschlagene Stellen, so tragen wir an manchen Stellen unseres Körpers und auch an der Seele Narben.“

Paulus schärft den Korinthern ein: „Uns Menschen widerfährt beides, das Schöne und das Schwere, das Dunkle und das Helle. Lasst euch von falschen Predigern nicht täuschen, es gibt nicht nur das Schöne und das Helle. Nein, wie jede Münze zwei Seiten hat, so hat unser Leben zwei Seiten einer Medaille. Ihr Wanderprediger seht die Welt nicht wie sie ist. In der unerlösten Welt gibt es das Ineinander von Dunklem und Hellem, eben einen raschen Wechsel von Glück und Leid.“

Liebe Gemeinde, was da Paulus mit den Korinthern und Wanderpredigern debattierte, ist aktuell. In den Buchläden stapeln sich die Bücher mit Anleitungen zum Glücklichsein. Da gibt es Tipps und Ratschläge wie das Schlechte in unserem Leben einfach weggedacht wird. Ohne Bedenken wird zur Kunst geraten, ein hemmungsloser Egoist zu sein. Von diesen angeblichen Wegen zum Glück bleiben natürlich Christen nicht unbeeindruckt und so wird gerade diskutiert, ob das Christentum eine Anleitung zum Glücklichsein ist.

„Nein“, würde Paulus antworten, „ein Christ weiß um das Ganze im Leben, eben um Freud und Leid, um Erfolg und Stress, um Begeisterung und Depression. In allen Lebenssituationen wissen wir uns aber getragen von Gott.“

Paulus weiß, wo von er spricht. Er hat Höhen und Tiefen in seinem Leben erfahren: Als Verfolger der Christen wird er vom hellen Licht und Stimme Jesu niedergeworfen. Aber dieses „Damaskus-Erlebnis“ lässt ihn vom Saulus zum Paulus werden. Wenig später als Missionar löst seine Verkündigung Begeisterung für das Evangelium aus, aber er erlebt wiederum, dass seine Gemeinden wankelmütig werden und wieder abfallen. Finstere Stunden durchlebt Paulus mit üblen Anfeindungen und Verfolgungen. Bittere Enttäuschungen widerfahren ihm, aber immer wieder öffnen sich neue Türen mit überraschende Wendungen.

Liebe Gemeinde, der Lebensweg des Paulus deckt sich mit unserer Lebenserfahrungen: Unsere Biographien sind zwar nicht so dramatisch, aber die Abfolge von Höhen und Tiefen begleitet auch uns durch das Leben. Wir reifen mit Niederlagen, gar durch Schicksalsschläge. So haben wir gelernt, dass aus Bitterem etwas Neues und Schönes erwachsen kann. Menschen haben Überlebensstrategien entwickeln, um mit dem Dunkeln im Leben fertig zu werden. So bekommt das vermeintlich banale Sprichwort: „Scherben bringen Glück.“ einen überraschenden Hintersinn, den wir mit unseren eigenen Lebenserfahrungen füllen können. Auch wenn manches zu Bruch geht, aus Scherben kann sich überraschend Gutes entwickeln.

Gott hat uns seinen Schatz, sein helles Licht, in ein irdisches Gefäß gegeben. Noch einmal, liebe Gemeinde, dass bedeutet: Wir sind zerbrechlich und können oft dem Außendruck nicht standhalten. Aber selbst wenn wir an einer Stelle zu Bruch gehen, bleiben wir in Gottes Hand behütet und geborgen. Gott gibt uns unserer Trübsal und Angst nicht preis. Sein heller Schein weckt in uns Lebenskräfte. So schließt unser Glaube sowohl die Hoffnung auf das ewige Leben als auch unweigerlich das Kreuz ein. Ohne Karfreitag wäre Ostern ein unverständliches Fest. Und ohne die Osterkerze wäre die Welt dunkel. Menschliches Leben ist nicht spannungsfrei und wir können den Lasten nicht entkommen, aber der Glaube, Gottes helles Licht, gibt uns Orientierung und weist uns über unser eigenes Leben hinaus, auf eine Welt in der Gott alle unsere Tränen abwischen wird, da er uns erlöst hat. Amen

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle menschliche Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.

Fürbittengebet

Gott, du Schöpfer des Lichts,
wir danken dir für das Licht unserer Augen,
für die schönen und hellen Momente unseres Lebens,
die Schönheit der Natur und der Kunst.

Wir bitten dich,
dass wir auch in dunklen Zeiten unseres Lebens
die Schatten annehmen und uns dein Licht eine
feste Orientierung bleibt. Lass uns deinem hellen Licht
folgen, dass wir in Freude und Zuversicht durch das
Leben gehen.
Wir bitten dich: Erhelle und erleuchte uns, erfreue und ermutige
uns in der vor uns liegenden Woche.

Gott, du legst uns Lasten auf und hilfst uns sie zu tragen.
Wenn wir in Bedrängnis sind, hilf uns und nimm von uns
unsere Angst.

In der Stille beten wir vor deinem Angesicht
für die Menschen, die uns nahe sind, und deinen Trost und Beistand
so bitter nötig haben.

Du nimmst uns in unserer Unvollkommenheit an.
Deine unfassbaren Schätze füllen unsere Herzen,
aber auch das Leben der Kirchen und Gemeinden.
Wir bitten dich, dass jedermann erkennbar ist,
welche Schätze uns anvertraut sind.

Lass die Christen überall und deine weltweite Kirche Licht und Salz der
sein Welt sein.
Wir bitten: Erhelle und erleuchte uns, erfreue und ermutige uns.

Als Bitten legen wir in das Gebet, welches dein Sohn uns gelehrt hat.
Vater unser.....

Lieder

Morgenlicht leuchtet, eg 455, 1-3

Herr Christ, der einig Gotts Sohn, eg 67, 1-5

O Jesu Christi, wahres Licht, eg 72, 1-6

Wir haben Gottes Spuren festgestellt, eg 648, 1-3

Zieht in Frieden eure Pfade eg 258

Texte:

Epistel: 2. Kor. 4, 6-10
Evangelium: Math. 17, 1-9

Karsten Matthis, Dipl.Theol.
Karsten.Matthis@t-online.de


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