Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, Redaktion: R. Schmidt-Rost

Estomihi, 22. Februar 2004
Predigt über 1. Korinther 13, verfaßt von Hansjörg Biener
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


1. Korinther 13
1 Wenn ich mit Menschen- und mit Engelzungen redete und hätte die Liebe nicht, so wäre ich ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle.
2 Und wenn ich prophetisch reden könnte und wüßte alle Geheimnisse und alle Erkenntnis und hätte allen Glauben, so daß ich Berge versetzen könnte, und hätte die Liebe nicht, so wäre ich nichts.
3 Und wenn ich alle meine Habe den Armen gäbe und ließe meinen Leib verbrennen, und hätte die Liebe nicht, so wäre mir's nichts nütze.
4 Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie bläht sich nicht auf,
5 sie verhält sich nicht ungehörig, sie sucht nicht das Ihre, sie läßt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu,
6 sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sie freut sich aber an der Wahrheit;
7 sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles.
8 Die Liebe hört niemals auf, wo doch das prophetische Reden aufhören wird und das Zungenreden aufhören wird und die Erkenntnis aufhören wird.
9 Denn unser Wissen ist Stückwerk, und unser prophetisches Reden ist Stückwerk.
10 Wenn aber kommen wird das Vollkommene, so wird das Stückwerk aufhören.
11 Als ich ein Kind war, da redete ich wie ein Kind und dachte wie ein Kind und war klug wie ein Kind; als ich aber ein Mann wurde, tat ich ab, was kindlich war.
12 Wir sehen jetzt durch einen Spiegel ein dunkles Bild; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen, wie ich erkannt bin.
13 Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen.”

0. Das Hohelied der Liebe

Damit wir Paulus recht verstehen, / will ich mit Euch zuerst durchgehen,
was Paulus zu nichts nütze nennt, / wenn darin keine Liebe brennt.
Der Paulus schätzt die gute Rede / und, dass zu Gott man häufig bete.
Er schätzt den geisterfüllten Rat, / wenn jemand vollen Durchblick hat.
Er schätzt das Spenden für die Armen,
/ lebt doch ein Christ aus Gott‘s Erbarmen,
und sicher soll mit guten Werken, / die Christin Gottes Reich hier stärken.
Das ist zwar alles gut und wichtig, / doch ohne Liebe wird‘s nicht richtig.
So kann der Paulus gar nicht loben, / wenn Egos hinter Gaben toben.
Der Paulus nennt die Geistesgaben: / “An ihnen sollst privat dich laben.
Du magst in Himmelssprachen singen, / doch ohne Liebe wird‘s nicht klingen.”

Wenn jeder sich der Größte ist, / dann baut ein jeder größten Mist,
auf keinen Fall jedoch Gemeinde, / so wie sie Gott am Anfang meinte.
Sie soll ein Ort des Dienstes sein, / an dem sich alle bringen ein
mit dem, was sie zu geben haben / an großen und an kleinen Gaben.
Der Paulus schreibt an treue Christen,
/ und mahnt, als ob die‘s nicht schon wüssten.
Doch offenbar ist das schon richtig. / Die Liebe ist vor allem wichtig,
wenn die Gemeinde wachsen soll / und alle finden‘s in ihr “toll”.
Wenn sie sich sichtbar unterscheidet / und jeden Hauch von Selbstsucht meidet,
wird sie zum Zeichen in der Welt, / dass, wenn man nur zusammenhält,
es möglich ist, mit Gottvertrauen / für alle etwas aufzubauen.

Auch Paulus musste das erst lernen, / denn er gehörte zu den Sternen
an Wissen und Gelehrsamkeit. / Als Schriftgelehrter seinerzeit
ist Paulus ein gefragter Mann, / der sich mit jedem messen kann,
studiert die Schriften ganz geduldig, / bleibt kaum einmal die Antwort schuldig.
Doch ändert sich sein ganzes Streben, / als Jesus Christus trat ins Leben.
“Gott selber war als Mensch auf Erden,
/ um Mensch den Menschen hier zu werden.
Gott war es wichtig, nicht zu thronen.
/ Er wollt als Mensch bei Menschen wohnen.
Das Leben will Gott mit uns teilen / und damit allen Schaden heilen.”
So hat der Paulus das gelernt, / dass Größe ohne Lieb entfernt
von dem, was Gott sich hat erwählt. / Die Liebe ist‘s, die vor Gott zählt.

Der Paulus schrieb der kleinen Schar, / die damals schon am Glauben war.
Doch gilt die Botschaft auch den andern, / die heutzutag auf Erden wandern.
Die Menschen stellen viele Fragen / nach dem, was kann im Leben tragen.
Der Paulus sagt, was wirklich zählt, / privat, beruflich, in der Welt.
Es soll zunächst nun darum gehen / wie wir privat zur Liebe stehen.
Im zweiten Teil zum Arbeitsleben / will ich Gedanken weitergeben,
wie hier die Liebe nützlich ist, / weil sie die andern nicht vergisst.
Zuletzt geht's um die Politik / und die Gesellschaft, die sich schick
und mick zur High Society gern zählt, / die Welt am Fernsehn unterhält,
wo man mit Staunen dann betrachtet, / wie sehr die Liebe wird verachtet.

1. Liebe privat

Zuerst zu denen, die schon wissen, / was wir von Liebe wissen müssen.
Die Machos buchstabieren‘s S, E, X. / Doch nur mit Sex wird‘s eher nix.
So einer schaut nach vielen Frauen, / anstatt mit einer aufzubauen,
was wirklich für das Leben bleibt. / Mit möglichst vielen er es treibt
und denkt, das sei das wahre Leben. / Doch ohne Liebe ist‘s ein Streben
nach immer neuen Sex-Rekorden, / bis er dann älter ist geworden.
Dann muss er sich dies Leben kaufen / oder am Abend sich besaufen,
damit die Nacht er übersteht, / weil ohne Wärme es nicht geht.
Wer nur im Plural “Liebe” lernt, / hat sich von Liebe weit entfernt.
Der kluge Mann ist früher schlau, / sucht sich fürs Leben eine Frau.

Doch die Entwicklung, o wie dumm, / läuft mittlerweile andersrum.
Hat Mann sich früher aufgegeilt, / wird nun der Anspruch aufgeteilt.
Auch sie sucht nun “Sex in the City” / und bleibt allein, “o what a pity”.
Wer immer nach dem neuen jagt, / weil‘s einem nachts nicht mehr behagt,
lässt ständig seine Lebenskraft / und hat am Ende nichts geschafft.
Folgt man allein dem Liebestriebe, / bekommt vom Leben man viel Hiebe.
Die Partnerschaft wird schneller alt,
/ das Herz am Schmerz wird schließlich kalt,
und hat, wenn‘s je zur Hochzeit läutet, / all seine Kraft schon ausgebeutet.
Denn eines hat man nicht gelernt: / Wie man sich nicht sofort entfernt
und selber sich im Zaume hält, / wenn mal ein andrer gut gefällt.

Die Liebe hat die große Kraft, / die wahres Lebensglück erst schafft.
Das Lebensglück kann man nicht kaufen. / Für Paare aber kommt‘s in Haufen.
Man kümmert sich ums gute Leben. / Zusammen kann man dem nachstreben,
was Mann und Frau gemeinsam nützt, / weil man im Leben sich fest stützt.
Es soll die Liebe Partner leiten / in guten und in schlechten Zeiten.
Die Liebe lässt uns da nicht ruhn, / zu tun, was nötig ist, zu tun,
damit's gemeinsam besser geht / und man einander gut versteht.
Die Liebe trägt bei zu der Treue, / dass man sich mühe stets aufs Neue,
am andren intressiert zu sein, / von Herzen und nicht nur zum Schein.
Selbst wenn‘s im Alltag mal nicht klappt:
/ Ihr wisst schon, was ihr an euch habt.

2. Liebe im Beruf

Doch nicht allein im Liebesleben / gilt es, der Liebe nachzustreben:
Egal, ob Chef, ob angestellt, / auch im Beruf die Liebe zählt.
Sie achtet auf Gemeinschaftssinn / und führt die Menschen dazu hin,
dass man auch auf die andern achtet / und sie als Mitmenschen betrachtet.
Reißt man die Stunden nur herunter, / geht der Betrieb den Bach hinunter.
Mit Dienst nach Vorschrift sich nichts tut, / und so wird überhaupt nichts gut.
Soll's vorwärtsgehn im Arbeitsleben, / muss man auch etwas Herzblut geben.
Wo Firmen mit viel Geld jonglieren / lässt sich manch kleiner auch verführen.
Wer nur auf Geld und Aktien schaut, / sein Leben ziemlich schlecht aufbaut.
und fühlt sich dann schnell abgezockt, / wenn's Management mal was verbockt.

Es macht die Maut uns Riesenkummer / und deutsche Technik zur Lachnummer.
Obwohl es auch das “Pickerl” tut, / ist das anscheinend noch nicht gut.
Weil Großkonzernen das wohl nützt, /
auf High-Tech Deutschlands man sich stützt.
Es reitet sie der Größenwahn / dass man es so viel besser kann.
Das Management spuckt große Töne, / damit der Steuerzahler löhne,
und bleibt auch dann noch ungeniert, / wenn es zuletzt nicht funktioniert.
Ob Elchtest oder toll-collect, / die Technik in der Krise steckt.
Wer ständig so die Arbeit macht / hat nur verdient, dass alles lacht.
Die Liebe zum Detail ist wichtig, / nur dann geht's in der Technik richtig.
Es lernt der Stift schon durch das Feilen: / Es steckt der Teufel in Detaillen.

Ein großer Feind ist die Routine. / Man macht zu allem gute Mine
und lässt die Dinge einfach laufen. / Für andre ist‘s zum Haare raufen.
Den Ärzten helfen keine Titel: / Ohne die Liebe sind sie “mittel”,
Patienten werden irritiert: / “Der ist ja gar nicht intressiert.”
Die Liebe schaut den Menschen an, / damit man gut beraten kann,
verzichtet auf das schnelle Wort, / macht sich nicht schnell aus Nöten fort.
Das gilt natürlich auch für Pfarrer: / Es wird der Kirchgang ganz schnell rarer.
Es muss das Herz dabei auch sein, / sonst ist man ganz schön schnell allein.
Wer wird zum Arzt noch wiederkommen? /
Die ernsthaft Kranken! Bei mir die Frommen,
weil‘s ihnen um den Glauben geht, / egal welch lahmer Kerl vorn steht!

Es zeigen Tests uns immer wieder, / das Bildungswesen liegt darnieder.
Es ist die Liebe, die uns treibt, / dass wirklich etwas hängen bleibt,
und sei der Lehrer noch so schlau: / Ohne die Liebe bleibt er mau.
Die Klasse gähnt nach zehn Minuten. / Entfernt man sich von allen guten
Vorsätzen, die man einst gehegt, / wird man auch selber nicht gepflegt.
Die Schule wird zum Jammertal, / sind Schüler Lehrern ganz egal.
Doch umgekehrt gilt es schon auch: / Sind Lehrer Schülern Schall und Rauch,
hat sich die Klasse, ungelogen, / die Lehrer ganz schnell so gezogen,
dass diesen bald das Herzblut fehlt, / und jeder die Minuten zählt,
bis ihre Stunden sind herum. / So bleiben Deutschlands Schüler dumm.

3. Liebe in der Welt

Zuletzt ein Blick noch in die Welt. / Wie ist es denn nun hier bestellt
mit Lieb und Nächstenlieb auf Erden? / Fast will da einem bange werden.
Es lässt die Welt sich zu viel bieten, / denn die gerissenen Eliten
bereichern sich an dieser Welt. / Millionen haben fast kein Geld.
Es ist schon blöd, dass reüssiert, / wer andre besser demontiert.
Wenn ein Konzern den andern schluckt, / wird eine Prämie ausgespuckt
fürs Management der andern Seite, / dem kleinen Mann bleibt nur die Pleite.
Zu viele sind hier arbeitslos, / weil auf dem Arbeitsmarkt nichts los.
Wird einer mal vom Amt entbunden, / wird er mit viel Geld abgefunden,
Die Arbeitslosen sind egal, / dem Steuerzahler wird's zur Qual.

Es kommen stets aufs Neu Experten / und wolln von außen das bewerten,
was so nicht zu bewerten ist, / wenn man nicht auch den Alltag misst.
Die nehmen für den Tag das Geld, / das mancher brave Mann erhält,
wenn er den ganzen Monat kam / und 30 Tage auf sich nahm.
Mit viel Tamtam evaluiert, / wer grad fünf Jahr hat ausstudiert.
Wer selber ist noch jung an Jahren / und insgesamt noch unerfahren,
will kenntnisreich nun unterscheiden / woran denn die Betriebe leiden,
wie's mit den Schulen aufwärts geht / und wie man international besteht.
Selbst in der Kirche man nicht traut / dem Geist, der die Gemeinde baut,
wer die Gemeinden will gut lenken, / der muss in andren Bahnen denken.

In diesem Jahre gibt‘s oft Wahlen. / Man meint, man hört sie jetzt schon prahlen
mit allen ihren guten Werken / und allen ganz besondren Stärken.
“Wähl mich!”, so ruft‘s von den Plakaten, / und unsereiner ist am Raten,
ob sie nun christlich, ob sozial. / Die Wählerschaft sieht keine Wahl,
wenn alles scheinbar ist zu spät / und es dem Land nur schlechter geht,
wenn jeder gute Tat ist teuer, / weil alles kostet unsre Steuer.
Warum nun jeder werben muss, / ist klar: Es geht um 18 plus -
Prozent an Wahlbeteiligung, / der Wählerschaft fehlt jeder Schwung.
Denn schon das Schulkind sagt ganz frech: / “Die ganze Bande redet Blech.
Ein Jahr lang tun sie uns versprechen, / was sie vier lange Jahre brechen.”

Es sprach der Kanzler zur Nation: / “Vertraut mir nur, ich mach das schon.”
So hat man ihn noch mal gewählt, / auch wenn ihm die Fortune fehlt.
Es folgt ihm nicht die SPD, / weil die Reformen tun sehr weh.
Wer wirklich was bewegen will,
/ der braucht auch Macht. Sonst hilft‘s nicht viel.
Doch sag ich eins den MdL-en, / auch MdB-s will ich‘s bestellen:
Man kann sehr leicht den Finger heben,
/ doch muss man auch sein Bestes geben.
Erfolg bei Wahlen dann gebührt, / wenn man sich wirklich intressiert,
Liebt euer Land und eure Stadt, / weil‘s dann auch seine Ordnung hat:
Dann liebt euch auch das Publikum / und bringt mit euch die Amtszeit rum.
Es lässt euch eures Amtes walten: / Das Wohl des Landes zu gestalten.

Die Fernsehsender machen Quoten / mit Sensation und auch mit Zoten.
Sie zeigen uns ganz “exklusiv”, / wie mancher Mensch fällt heute tief.
Ob “Leute heute”, ob “brisant”, / man wird als Vorbild schnell bekannt,
wenn man als Star herum nur pöbelt / und Gäste in der Bar vermöbelt.
Es ist der Ruhm doch bald verblasst, / wenn er nicht zu dem Menschen passt.
Man denkt, man kann sich etwas holen, / und endet nur bei Dieter Bohlen.
Manch einer wollte oben stehen, / und alle haben zugesehen,
und wer besonders durchgeknallt, / der wird als Star erst recht schnell alt,
und geht mit seinen 19 Jahren / mit denen, die schon lang nichts waren.
“Holt mich hier raus, ich bin ein Star”, / für manche letzte Chance war.

4. Fazit

Der Paulus spricht nach alter Weise, / doch ist die Predigt keine Reise
in die antike Zeit allein. / Sie muss für heute deutlich sein.
Die Liebe, ist sie recht verstanden, / hilft uns, aus dem, was uns vorhanden,
das Beste für uns all zu machen, / in großen und in kleinen Sachen.
Wenn dir es geht um tolle Taten, / dann bist du noch nicht gut beraten.
Nach außen magst du super sein. / Ohn echte Liebe bleibst du klein.
Was mit den Menschen fest verbindet, / von wahrer Größe allen kündet.
Wer liebt, kann machen, was er will, / es hat in Groß und Kleinem Stil.

Amen.

Dr. Hansjörg Biener
Neulichtenhofstr. 7
DE-90461 Nürnberg
Hansjoerg.Biener@asamnet.de

 


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