Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, Redaktion: R. Schmidt-Rost

Palmsonntag, 4. April 2004
Predigt über Philipper 2, 6-11, verfasst von Rolf Wischnath
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


Gehalten am 4. April 2004 [Palmarum] in der Oberkirche St. Nikolai zu Cottbus (*)

Der Name über alle Namen

I Jesus Christus, der in Gottesgestalt war,
hielt nicht fest wie einen Raub das Gottgleichsein,
II sondern Er machte sich selbst arm,
Knechtsgestalt annehmend.
Den Menschen gleich werdend
und der Erscheinung nach erfunden als ein Mensch
III erniedrigte Er sich selbst
sich gehorsam erzeigend bis zum Tod,
ja zum Tod am Kreuz.
IV Darum auch hat Gott Ihn zur höchsten Höhe erhoben
und Ihm geschenkt den Namen über alle Namen,
V damit unter Anrufung des Namens Jesu
jedes Knie sich beuge
der Himmlischen und Irdischen und Unterirdischen
und jede Zunge lobpreisend bekenne:
‚Herr ist Jesus Christus!'
- zur Ehre Gottes des Vaters. (*)

Extrem. Ganz schön extrem, liebe Gemeinde. Himmelhoch-jauchzend, zu Tode betrübt. Der in Gottesgestalt war – in der Höhe; der Gott und den Menschen Gleiche - erniedrigt bis zum Tod, ja zum Tod am Kreuz; und dieser Gekreuzig­te dann von Gott erhoben zur höchsten Höhe - mit dem Namen über alle Namen. - Paulus schreibt der Kirche in Philippi aus dem römischen Gefängnis. Er zitiert an dieser Stelle ein Lied. Es ist vermutlich vor der Abfassung des Philipperbriefes entstanden – ein Christushymnus, ein gemeinsames Zeugnis der Gemeinde und ihres Apostels. Paulus identifiziert sich mit ihm. Das zeigt: Der Apostel ist nicht theologischer Einzelkämpfer, sondern er steht in seiner Gemeinde. Mit ihr verbunden hat er Anteil an einer gemeinsamen Wahr­heit.

Aus dieser Selbstbescheidung heraus zitiert Paulus das Christus-Lied. Wir bedenken es in fünf Schritten:

I

Jesus Christus, der in Gottesgestalt war, hielt nicht fest wie einen Raub das Gott­gleich­sein.

In der Höhe setzt das Lied ein und in der Zeit vor aller Zeit. Jesus Christus ist der Gottgleiche, wird gesagt; und Er ist es in seinem Wesen (*) und von Ewigkeit her. Es gibt mithin eine Praeexi­stenz Jesu Christi, ein Vorherdasein vor der Erschaffung der Welt. Sein vorzeitliches Leben liegt im Geheimnis Gottes. Die Kirche hat versucht davon Rechen­schaft zu geben, indem sie vom innergöttlichen Sein des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes gesprochen hat. Aber so spekulativ ist der Hymnus nicht. Dennoch ist er verankert in der Höhe und in der Zeit ohne Zeit: Jesus Christus war in Gottesgestalt, in Gott-gleichem Glanz – von Ewigkeit her.

Aber eben daran hielt Er nicht fest, so wie ein Räuber seine Beute festhält. Er gibt ab, wonach Menschen streben: sein zu wollen wie Gott. Die Identität seiner selbst mit Gott dem Vater hielt er nicht fest wie einen Raub . Er gibt preis und lässt los. Er verlässt seine Höhe und stellt sein Gottgleichsein in Frage. Die Zeit ohne Zeit gibt Er auf, um sich den Bedingungen irdischer Zeit zu unterwerfen.

II

Noch mehr wird über diese Abwärtsbewegung gesagt: Er machte sich selbst arm, Knechts­gestalt annehmend. Den Menschen gleich werdend und der Erscheinung nach erfunden als ein Mensch, erniedrigte Er sich selbst.

Der Gottgleiche wird zu einem unter Milliarden Menschen; zu einem der Milliarden kosmischer Staubkörner, als die wir uns in den Welten des Alls fühlen und erkennen. Das ist die Botschaft von der Menschwer­dung Gottes, die weihnachtliche Botschaft, die aus dem Staunen nicht herauskommen lässt.

„Er machte sich selbst arm“, heißt es. Er gibt alles auf. Er behält nichts in der Hand, auf das Er sich berufen, wohin Er sich zurückziehen könnte. Die Menschwerdung Gottes in Christus hat keine Rückversicherung, keine Rückfahrkarte. Und ist es der Gottgleiche, der sich arm macht, dann macht Gott selbst sich arm in diesem Menschen. Gott macht sich heimatlos und geht durch die Fremde. So wird Er zum Wegbegleiter aller Fremden und Armen. Indem Gott so mitgeht, gibt es kein menschliches Leid, keine Krankheit und kein Sterben, die Er nicht selber getragen hätte. So entsteht Hoffnung in der Tiefe und Weggenossenschaft im Leid, Heimat in der Fremde und Nähe in der Verlassenheit, Erhebung aus der Depression. (*) -

Nun allerdings wird nicht allgemein von dem Menschen im Christushymnus gesprochen. Jesus war nicht nur Mensch unter Menschen. Seine Erniedrigung war tiefer. Im Stande des Mensch­seins, selbst im Stande des Christseins, gibt es Unterschiede – und was für welche! -; der Menschengleiche allerdings wandelte nicht auf den Höhen des Men­schen­tums und auch nicht auf den Gipfeln von Religion und Kultur. Ihn sich vorzustellen bei Staatsempfängen oder in der Oper – und sei es Gounods Faust -, ihn sich auszumalen im liturgischen Gewand oder mit einem Titel – und sei es dem des Generalsuperintendenten -, wäre abwegig. Er stieg vielmehr tief hinab. Er verließ eine hohe Position. Sein Gewand wurde (von römischen Soldaten unterm Kreuz) verspielt. Und Er wurde niedriger als die meisten Menschen. Inwiefern niedriger?

Er wurde Knecht, Sklave, heißt es hier. Als solcher ist er An­ge­hö­riger der untersten Schublade, der untersten sozialen Schicht. Nach dem Verständ­nis der Oberschicht waren Sklaven keine Menschen, sondern, wie der griechische Philosoph Aristoteles es ausdrückte, ein Besitzstück mit Seele. Indem nach dem Christushymnus der menschengleiche Christus sich selbst arm macht und sich erniedrigt in den Stand der Sklaven, wird unser Blick nach unten gerichtet, nach unten hin zu den Menschen in Ar­mut und Erniedrigung. Von hieraus gibt es eine prinzipielle Parteiname der Christen für die Benachteiligten und Entwürdigten. Denn durch die Erniedrigung des Sohnes Gottes bekommen endlich auch die Armen und Sklaven ihre mensch­liche Würde unwiderruflich zurück. Sie dürfen nicht länger als Sache oder Ware angesehen und behandelt werden.

III

Das Sklave-Sein des Gottgleichen jedoch ist noch nicht der Tiefpunkt seiner Erniedrigung. Er erniedrigte sich selbst, sich gehorsam erzeigend bis zum Tod, ja zum Tod am Kreuz, heißt es. Er hätte anders können – der Sohn Gottes. Er war zu nichts gezwungen. Es war seine freie Tat. Er selbst wollte es so. Und Er wollte das nicht, weil Er dafür am Ende eine umso herrlichere himmlische Belohnung in Aussicht hatte, die göttliche Würde als Lohn aller Mühe. Nein, gerade weil Er von Anfang bis Ende diese göttliche Würde hat, vermag Er diesen Weg nach unten zu gehen.

Wenn Er sich aber gehorsam erzeigte bis zum Tod – wie hier steht -, dann muss man auch sagen: Es war der Wille Gottes, der ihn in diesen Tod führte. Aus Gottes ewigem Rat ist es geschehen. Das ist befremdlich und anstößig. Es ist immer wieder unbegreiflich und unerträglich. Wie sollen wir uns das vorstellen? Warum Jesus sterben musste, damit wir leben können und unsere Welt eine Hoffnung hat, und warum Gott diesen Weg zu unserem Heil wollte, lässt sich unmittelbar einleuchtend nicht erklären; das kann auch theologische Logik nicht einfach fassen und ausdrücken. Weichen wir dem nur nicht aus: dass der Glaube von einer ärgerlichen Unerklärlichkeit ausgeht, die darin besteht, dass Gott selber Erniedri­gung und Gehorsam, Leiden und Tod Jesu Christi wollte und wir nicht sagen können, warum Er zu unserem Heil diesen Weg gehen musste.

Jedoch ist nunmehr die tiefste Stufe der Erniedrigung nicht bloß im Tod zu sehen, sondern im schmachvollen Kreuzes tod. Der Kreuzestod ist Sklaventod, Inbegriff schändlicher Erniedrigung und schlimmste Todesart in römischer Zeit. Man kann über den amerikanischen Film „Die Passion Christi“ sehr unterschiedlicher Meinung sein und man kann dazu viel Kritisches sagen. Aber die ihn in seiner überzogenen Realistik gesehen haben, wissen jetzt wenigstens, dass eine Verwendung des Kreuzes als Schmuckstück, Orden oder Rangabzeichen die Wirklichkeit des Todes Jesu mehr verzeichnen kann als dieser Film. „Ich kann mein Schmuckkreuz nicht mehr tragen“, sagte eine Jugendliche, nachdem sie den Film gesehen hatte, „das Kreuz ist doch Folter“. In der Tat, das Kreuz ist Galgen und Folterwerkzeug, nicht Kennzeichen ständischer Macht und Würde. Und der Tod Jesu am Kreuz ist der einsame und unmenschliche, der qualvolle Verbrechertod eines Unschuldigen.

Der Hymnus gibt zu verstehen: Darum ging es, als der Gottgleiche die Herrlichkeit des Himmels verließ. Das ist Ziel und Ende seines Weges: die Schande und Entehrung durch das Kreuz. Hier ist der äußerste Kontrast zur göttlichen Macht.
Die Erniedrigung zum Tod am Kreuz ist jedoch zugleich Mittelpunkt des Christushym­nus. An dieser Stelle liegt das Gewicht. Und Paulus steht mit seiner Exi­stenz dafür ein, dass das Kreuz auch Mittelpunkt seiner Gemeinden und der einzelnen Christen bleibt. Eine solche Existenzbestimmung durch das Kreuz ist – wie das Leben des Paulus zeigt - eher ein Abstieg als ein Weg nach oben, eher nach unten als in die Höhe. Darum warnt der Apostel seine Gemeinden vor Ehrgeiz und Prahlerei, vor Selbstdarstellung und Überheblichkeit. Er mahnt sie, sich nicht aus dem Schatten des Kreuzes zu stehlen.

Wir wissen von Paulus, dass er selbst die Versuchung eines dem Kreuz entgegenstehenden sog. „christlichen“ Hochmuts kennt, eines Hochmuts, der gerade denjenigen zu verführen droht, der sich tiefer theologischer Erkenntnis und reicher geistlicher Erfahrungen erfreut. Paulus ist an diesem Widerstreit von Kreuzesexistenz und geistlichem Stolz krank geworden. Das hat ihn schwer belastet. Und er hat selbst wie­der und wieder Gott gebeten, diese Krankheit von ihm zu nehmen. Aber die Bitte ist ihm nicht erfüllt worden. Er hat sich statt­dessen sagen lassen müssen: „Lass Dir an meiner Gnade genügen, denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig“ (2. Korinther 12, 9). Darum kann der kranke Apostel – eben in Folge einer durch das Kreuz bestimmten Existenz – barmherzig mit seinen Näch­sten umgehen; und er kann es als Gefangener ohne Verbitterung ertragen, dass christliche Brüder hinterhältig und aus Recht­haberei und Selbstbehauptung mit ihm konkurrieren und ihn, den Gefangenen in Rom, demütigen wollen (Phil. 1, 15ff).

IV

Wir haben gesehen: Im Gedankengang von Philipper 2 entspricht der höch­sten Höhe des Gottgleichseins die Tiefe der Erniedrigung. Der tiefsten Tiefe des Kreuzes jedoch ent­spricht nun wiederum die höchste Höhe: Darum auch hat Gott ihn zur höchsten Höhe erhoben und ihm geschenkt den Namen über alle Namen.

Es bis heute etwas Unerhörtes, das hier zur Sprache gebracht wird: Gott hat Jesus – den Liquidierten und Ausgemerzten, den Beseitigten und Entsorgten – erhöht und damit über alles gesetzt, weil nichts höher gedacht werden kann als eine solche Erhöhung. Sofort ist zu sagen: Diese Erhöhung meint kein hierarchisches Machtgefälle von oben nach unten. Sie ist kein Imperialismus. Ist es der Gekreu­zigte, der erhöht wird, dann trägt der Erhöhte die Nägelmale des Kreuzes; und dann werden in seiner Erhöhung Angst und Schmerz des Gefolterten genommen. Gott kommt dem aus der menschlichen Gemeinschaft Entfernten und Verlassenen nahe. Der gewaltsam Umgebrachte erhält ein neues Leben. Das gebrochene Rückgrat wird wiederaufgerichtet und die verletzte Ehre wiederhergestellt. Mit der Erhöhung Christi sind Hoffnung und Verheißung neu in Kraft gesetzt. Auch wir sollen wissen: Eine Existenz im Schatten des Kreuzes ist nicht das letzte Wort. Erniedrigte werden aufgerichtet und Niedergeschlagene atmen auf.

Wenn wir das sagen, gehen wir nicht leichtfertig über eine leidgeprüfte Welt hinweg. Im Gegenteil: im Blick auf die Erhöhung des Gekreuzigten halten wir diese Welt „in ihren tausend Plagen und großen Jammerlast“ (*) aus und stellen uns ihr. Immer wieder werden wir unser Leben erleiden und versuchen, dagegen anzugehen – bis zum Scheitern. Aber der Blick auf den Ge­scheiterten und Erhöhten, auf den Gekreuzigten und Emporgehobenen sieht: Gott rechnet anders und die Ähnlichkeit zur Erniedrigung Christi lässt schon jetzt aufsehen und aufstehen.

Denn dieser Erniedrigte steht mit Gott auf einer Stufe. Dass er nichts geringeres bekommt als das, was allein Gott zusteht, besagt der Ausdruck des Hymnus, Gott habe ihm geschenkt den Na­men über alle Namen. Der Ausdruck „der Name über alle Namen“ ist Umschreibung des hochheiligen Gottesnamens Israels, der hochheiligen hebräischen Buchstaben, die auch in dieser Kirche gleich zweimal zu finden sind – auf dem Altar in der Höhe und über der Kanzel. Diesen Namen bekommt nach Philipper 2 der gekreuzigte und erhöhte Christus. Und so wird deutlich: Christus gehört ganz auf die Seite Gottes; und als der Menschgewordene gehört Er ganz auf die Seite der Menschen, so dass wir sagen können, was der Schluss­choral des Weihnachtsoratoriums singt: „Nun seid ihr wohl gerochen / an eurer Feinde Schar. / Denn Christus hat zerbrochen, / was euch zuwider war. / Tod, Teufel, Sünd', und Hölle / sind ganz und gar geschwächt, / bei Gott hat seine Stelle das menschliche Geschlecht“.

V

Wir fragen zum Schluss: Wozu geschieht dies alles? Die „Warum-Frage“ können wir nicht beantworten, aber auf die „Wozu-Frage“ lässt sich Antwort geben. Welche Absicht, welches Ziel steckt hinter allem? Worauf hinaus dies alles?

Nach dem Christushymnus ist alles geschehen, „damit unter Anrufung des Namens Jesu jedes Knie sich beuge der Himmlischen und Irdischen und Unterirdischen und jede Zunge lobpreisend bekenne ‚Herr ist Jesus Christus!' – zur Ehre Gottes des Vaters“.

Zum Ende hin blickt der Hymnus aus auf ein Geschehen das einmal kommt. Der Tag wird kommen, an dem alle – die Himmlischen und Irdischen und Unterirdischen, d.h. die Engel und die Lebenden und die Toten - die Herrschaft Jesu Christi anerkennen. Der Tag wird kommen, an dem Menschen nicht mehr vor ihren Beherrschern in die Knie gehen, sondern sie werden sich beugen allein vor dem, der sie befreit hat. Dieser erhöhte Christus wird dann selbst seine Fein­de dadurch überwinden, dass er sie (in Liebe) gewinnt.

Aber das ist nun nicht nur eine Vision für die letzte Zukunft, schon jetzt sind dem Gekreuzigten in seiner Erhöhung alle Bereiche des Kosmos übergeben worden. Jedes Menschenkind gehört ihm. Und außer ihm gibt es keine anderen rechtmäßigen Herren mehr. Am Ende werden das alle sehen – sagt der Hymnus -, so dass jede Zunge bekennen muss: „Herr ist Jesus Christus.“ Aber es steht schon jetzt fest; es steht schon jetzt in Geltung.

Ob wir noch etwas spüren von der Provokation , die in diesem Bekenntnis enthalten ist? In den Ohren der kleinen Häuflein von Christen zur Zeit des Apostels musste es wie blanker Hohn erklingen, dass dem gekreuzigten Jesus mit der Benennung „Herr / Kyrios“ ein Titel beigelegt wurde, der die Umschreibung des Gottesnamens war, zugleich aber auch von orientalischen Herrschern und vom Caesar in Rom in Anspruch genom­men wurde. Die Übertragung des Titels „Herr / Kyrios“ auf diesen Erniedrigten ist die rigorose Infragestellung aller unmenschlichen Herrschaftsansprüche: all der Ansprüche, mit denen sich die sog. „Herren der Welt“ zu Beherrschern über andere glauben aufschwingen zu können. Und hier liegt der Anstoß bis heute:

Die Botschaft, dass Jesus Christus der Herr ist, ist unerhört in einer Welt, in der man wie zu keiner Zeit zuvor vor dem Geld, vor wirtschaftlicher und politischer Macht und vor dem sichtbarem Erfolg in die Knie fällt? Diese Kniefälle werden hier verworfen. Und es ist vor allen anderen die Kirche, der zugemutet wird, nicht in die Knie zu gehen vor den Gesetzen des Mammons, vor jenen „Herren der Welt“, die sich an die Stelle Gottes gesetzt haben und alle Lebensbereiche nur noch nach wirtschaftlichen und politischen Gesetzen formen wollen. Das letzte Wort, so ist der Christushymnus zu verstehen, haben sie nicht, denn die eigentliche Herrschaft hat schon jetzt der erhöhte Jesus. Dieser scheinbar Ohnmächtige ist stärker als alles. Und Gott wird dafür sorgen, dass das Bekenntnis zu ihm nicht verstummt. Es wird viel­mehr allen Widerständen zum Trotz endlich zu einem gewaltigen Chor anschwellen, in den alle Kreatur einstimmt. (*)

Wer diesem Ziel entgegensieht, der wird auf Erden in der Tat die Knie nicht beugen vor den Baalen und das eigene Kreuz nicht krümmen. Sondern er wird frei sein in seinem Denken und Tun. Er wird es wagen zu widersprechen und nicht zu kuschen. Er wird Zivilcourage zeigen und ein bisschen Kühnheit im Alltag. Er wird freimütig und furchtlos sein. Und er wird seine Straße nicht mit gesenktem, sondern mit erhobenem Haupt ziehen.

Denn trotz allem, was dagegenspricht, trotz allem, was uns so deprimiert und den Glauben ausreden will, wir dürfen es schon jetzt sagen:

Die Entscheidung ist gefallen.
Die Herrschaftsfrage ist entschieden.
Und die Zukunft steht fest.

Denn die in Christus offenbare Liebe Gottes wird einmal über alle recht behalten. Und aller Welt Enden werden die Herrlichkeit Gottes sehen – zum Lobpreis des Gekreuzigten und zur Ehre Gottes des Vaters.

Generalsuperintendent Dr. Rolf Wischnath
Seminarstraße 38, 03044 Cottbus
generalsuperintendent.cottbus@t-online.de

Verwendete Literatur:

Johannes Calvin, Auslegung der kleinen Paulinischen Briefe. Übersetzt und bearbeitet von Otto Weber. Siebzehnter Band der Gesamtausgabe von Calvins Auslegung der Heiligen Schrift. Neue Reihe. Neukirchen-Vluyn 1963.

Otfried Hofius, Der Christushymnus Philipper 2, 6-11. Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament 17. 2., erweiterte Auflage. Tübingen 1991.

Walter Kreck, Die Hoheit des Erniedrigten / Predigt in der Friedenskirche Bonn, Palmsonntag 1971. In: Walter Kreck, ... dass ich ein Feuer anzünde auf Erden – Predigten, Neukirchen 1975, S. 80 –87

Anmerkungen:

* Die Predigt ist die Abschiedspredigt des Verfassers, der aus Krankheitsgründen aus seinem Amt ausscheidet.

* Übersetzung von Otfried Hofius – in: Otfried Hofius, Der Christushymnus Philipper 2, 6-11, 2. A. Tübingen 1991, S. 136

* „Ich gebe freilich zu, dass Paulus das göttliche Wesen Christi nicht erwähnt; daraus folgt jedoch nicht, dass diese Stelle nicht genüge, um die Gottlosigkeit der Arianer abzutun, die (sich) Christus als einen geschaffenen Gott erdichteten, geringer als der Vater; seine Wesensgleichheit (mit dem Vater) bestritten sie. Denn wo gibt es Gleichheit mit Gott ohne Raub, außer allein im Wesen Gottes? Er bleibt immer derselbe Gott, der durch Jesaja ausruft: ‚Ich lebe, ich werde meine Herrlichkeit keinem anderen geben' (Jesaja 48, 11).“ Johannes Calvin, Auslegung der kleinen Paulinischen Briefe. Übersetzt und bearbeitet von Otto Weber. Siebzehnter Band der Gesamtausgabe von Calvins Auslegung der Heiligen Schrift. Neue Reihe. Neukirchen-Vluyn 1963, S. 234

* „Denn wenn das wahr ist, dass in diesem Jesus Gott selber zu uns kommt und sich so tief erniedrigt, dann hat niemand mehr Grund zu verzweifeln. Dann ist Gott nicht wider uns, sondern für uns. Indem er den dunkelsten Ort dieser Welt aufgesucht hat und an unsre Stelle trat, hat er uns alle aufgefangen in unsrer Verlorenheit. Dann kann uns nichts mehr scheiden von der Liebe Gottes, keine Krankheit, kein Scheitern in dieser Welt, keine noch so schwere Schuld, kein Tod. Weil das Wort vom Kreuz eine befreiende Botschaft ist, können wir wirklich aufatmen, denn es ist Grund, ‚dass jeder nun der Furcht entsage, ‚sich freue, weil Gott Freude gibt'.“ (Walter Kreck, Predigt über Philipper 2, 5-11. In: Walter Kreck, .... dass ich ein Feuer anzünde auf Erden. Predigten. Neukirchen 1975, S. 82f.

* Paul Gerhardt, Wie soll ich dich empfangen , Strophe 5.

* W. Kreck, a.a.O., S. 84

 


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