Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, J. Neukirch, C. Dinkel, I. Karle

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2. Sonntag im Advent, 10. Dezember 2006
Predigt zu Jesaja 35, 3–10, verfaßt von Gunda Schneider-Flume
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


Advent, liebe Gemeinde, die Christenheit feiert die Erwartung und die Ankunft Gottes. Aber, was ereignet sich eigentlich, wenn Gott kommt? Und wer kommt, wenn Gott kommt? Alle Jahre wieder Festvorbereitungen, Trubel, Hektik, Vorfreude oder Stöhnen ob der vielen Arbeit. Manch ein Kind zählt aufgeregt an den Toren des Adventskalenders die Tage bis Weihnachten, manch ein Geschäftsmann streicht die schon vergangenen Tage auf dem Kalender ab und überblickt sorgenvoll die wenigen noch verbliebenen. Alle, die Vorbereitungen treffen, stehen unter Druck, weil die Tage bis zum Fest verfliegen. Alle Jahre wiederholt sich das. Verschärft wird das dieses Jahr dadurch, dass auch die Adventssonntage zum Ein- und Verkauf freigegeben sind. Nicht für alle Beteiligten sind das fröhliche Weihnachtsvorbereitungen.

Der Leipziger Bahnhof ist schon seit vielen Wochen geschmückt wie für einen großen Bahnhof. Der Watteschnee auf den Tannenbäumen glitzert. Aber ich hörte in der Passage ein Gespräch junger Leute, die angesichts der Dekoration zum großen Bahnhof feststellten: „Ich brauche kein Weihnachten. Geschenke bekomme ich so, aber Weihnachten brauche ich nicht. Was soll’s.“

Liebe Gemeinde, was wird denn ‚nicht gebraucht‘, wenn es heißt: Ich brauche kein Weihnachten? Weihnachten, Advent – was ereignet sich eigentlich, wenn Gott kommt? Wer kommt, wenn Gott kommt? Nur jeder fünfte in Leipzig, so die Statistik, weiß, was an Weihnachten gefeiert wird.

„Ich brauche kein Weihnachten. Ich habe alles, und was ich nicht habe, bekomme ich, oder ich kaufe es mir. Weihnachten brauche ich dafür nicht. Man muss realistisch sein, Wunschschlösser und Träumereien darf man nicht haben. Aber man kennt doch die Grenzen, über die hinaus man nicht denken darf. Realistisch muss man sein, damit es keine Enttäuschungen gibt. Früher hatte man noch Wünsche und Träume und Hoffnungen, aber mit dem Erwachsenwerden und den Enttäuschungen sind sie gestorben.“ So mögen die Begründungen klingen dafür, dass man Weihnachten nicht braucht.

Aus Enttäuschungen und unerfüllten Hoffnungen sind die Mauern aufgeschichtet, die die Welt eng machen, Menschen beschränken und ihre Wünsche verdrängen. Hinter diesen Mauern nistet man sich ein in den eigenen Gewohnheiten und Vorurteilen, in den erstorbenen Wünschen und Enttäuschungen. „Ich brauche kein Weihnachten, das bringt meine Welt nur durcheinander. Lieber keine Wünsche als enttäuschte. Lieber ist es mir, ich weiß, was ich habe und was ich sicher bekomme. Lieber kein Fest, das doch wieder Enttäuschungen bringt, das doch wieder langweilig, unendlich langweilig wird.“ So mag der Gedankengang derer weitergehen, die Weihnachten nicht brauchen.

Eine Variante des „Ich brauche kein Weihnachten“, lautet: „Mir ist nicht nach Weihnachten zumute.“ Man kann dafür sogar Verständnis haben. Die Nachrichten der vergangenen Tage versetzen einen nicht gerade in Weihnachtsstimmung, sondern eher in Angst und Schrecken. Und die eigene Situation, wann ist es da nach Weihnachtsstimmung? Wenn Angst oder Trauer einen beklemmen? Eine Familie pflegt die Mutter bis zum Tode. Kann man da Advent und Weihnachten feiern? Wenn Sorge einen ganz und gar in Anspruch nimmt, ist kein Raum für Adventsstimmung. Und doch feiern wir Advent jedes Jahr.

Ich sah in der Bahnhofspassage eine Frau auf einer Bank sitzen. Sie blickte auf die Weihnachtsdekoration und lauschte auf die aus den Lautsprechern tönenden Weihnachtslieder. Tränen rollten über ihre Wangen. Was hatte sie in Bewegung gebracht? Waren es Erinnerungen an eine heile Kindheitswelt, an die Geborgenheit in einem zu Hause oder neue Hoffnungen?

Liebe Gemeinde, wenn Gott kommt, geraten Menschen in Bewegung, denn Erwartungen und Hoffnungen werden geweckt, Sehnsüchte und Wünsche, und was für welche! Der Predigttext aus dem 35. Kapitel des Jesajabuches erzählt davon.

Jesaja 35, 3–10
3 Stärket die müden Hände und macht fest die wankenden Knie!
4 Saget den verzagten Herzen: „Seid getrost, fürchtet euch nicht! Seht, da ist euer Gott! Er kommt zur Rache; Gott, der da vergilt, kommt und wird euch helfen.“
5 Dann werden die Augen der Blinden aufgetan und die Ohren der Tauben geöffnet werden.
6 Dann werden die Lahmen springen wie ein Hirsch, und die Zunge der Stummen wird frohlocken. Denn es werden Wasser in der Wüste hervorbrechen und Ströme im dürren Lande.
7 Und wo es zuvor trocken gewesen ist, sollen Teiche stehen, und wo es dürre gewesen ist, sollen Brunnquellen sein. Wo zuvor die Schakale gelegen haben, soll Gras und Rohr und Schilf stehen.
8 Und es wird dort eine Bahn sein, die der heilige Weg heißen wird. Kein Unreiner darf ihn betreten; nur sie werden auf ihm gehen; auch die Toren dürfen nicht darauf umherirren.
9 Es wird da kein Löwe sein und kein reißendes Tier darauf gehen; sie sind dort nicht zu finden, sondern die Erlösten werden dort gehen.
10 Die Erlösten des Herrn werden wiederkommen und nach Zion kommen mit Jauchzen; ewige Freude wird über ihrem Haupte sein, Freude und Wonne werden sie ergreifen, und Schmerz und Seufzen wird entfliehen.

Die Wüste blüht, es gibt Wasser in Fülle, Lebensstoff, die Blinden sehen, die Lahmen springen, es gibt einen Weg in der Unwegsamkeit der Wüste und in der Aussichtslosigkeit der eigenen Verzweiflung. Was sind das für Hoffnungsbilder, die der alte Prophet ausruft. Man kann in der Bibel, insbesondere im Buch Jesaja, verfolgen, wie die großartigsten Hoffnungsbilder gesammelt werden, um die unfassbare Erfahrung zu fassen, dass Gott zu den Menschen kommt. Da wird Licht sein in der Finsternis, Friede zwischen Menschen und zwischen Menschen und Tieren, da wird ein Weg durch die Wüste sein. Nur die Erwähnung der Rache bringt einen anderen Ton in die Heilsankündigung. „Seht, da ist euer Gott! Er kommt zur Rache.“ Das klingt fremd und bedrohlich. –

Jesus von Nazareth hat mit den prophetischen Heilsbildern aus dem Jesajabuch das Wesen seines Auftrags umschrieben. Auf die Frage Johannes des Täufers: „Bist du es, der kommen soll, oder sollen wir auf einen anderen warten?“ antwortet Jesus mit einem Zitat aus unserem Predigttext: „Blinde sehen und Lahme gehen“, und er fährt fort, „Aussätzige werden rein und Taube hören, Tote stehen auf, und Armen wird das Evangelium gepredigt.“ Wo Gott zur Welt kommt, ereignet sich eine Überfülle von heilem Leben, alle bekannten Hoffnungsbilder können das kaum zur Sprache bringen. Wenn Gott kommt, werden Erwartungen und Hoffnungen geweckt, Sehnsüchte und Wünsche. Die Mauern, hinter denen wir uns eingerichtet haben, werden durchbrochen, abgebaut werden die Schutzwälle, die gegen Neues und gegen Bewegung aufgeschüttet sind, weil Menschen sich längst realistisch abgefunden haben in einem: ‚Es ist halt so, weil es immer schon so war.‛

Liebe Gemeinde, wenn Gott kommt, bleibt nichts ‚halt so‛, weil Menschen neu in Bewegung geraten. Das ‚immer so weiter‛, das Langeweile und Gleichgültigkeit produziert, wird unterbrochen. Wer wunschlos ist, der ist nicht glücklich, sondern verstorben, hat einmal ein kluger Politiker gesagt. Wer wunschlos ist, der ist nicht glücklich, sondern verstorben, denn er hat sich vergraben in einer Weltsicht ohne Perspektive, ohne Horizont. Das ist in der Politik nicht anders als im persönlichen Leben. „Ich brauche kein Weihnachten.“ In einer solchen Weltsicht ist die Hoffnung ein Störfaktor.

Wenn Gott kommt, wird diese Weltsicht aufgebrochen, denn Gott provoziert Erwartungen und Hoffnungen, Sehnsüchte und Wünsche. Die Wüste beginnt zu blühen, weil Wasser vorhanden ist. In Israel kann man das sehen, wie aus Wüste fruchtbare Obstgärten geworden sind, wo Wasser hingeleitet wurde. Das ist wie eine Vision: Wasser in Wüstenregionen, davon können Menschen und Tiere leben. Sauberes Quellwasser, Kinder müssen nicht mehr an verunreinigtem Wasser sterben. Für die weltweit größer werdenden Dürregebiete in China, Australien und Afrika muss man das um des Überlebens der Menschen willen hoffen, von dieser Hoffnung bewegt mögen Ingenieure über Lösungen der Wassergewinnung sinnen und forschen.

Aber Hoffnungsbilder müssen sich Kritik gefallen lassen. Vermitteln sie nicht Utopien oder Illusionen, zu schön, um wahr zu sein? Die blühende Wüste, in der sich Teiche erstrecken, wo Dürre war, und Brunnen erschlossen werden, wo nichts mehr wachsen konnte? Gewiss, das sind überschwängliche Hoffnungsbilder, aber sie können annähernd fassen, was sich ereignet, wenn Gott kommt: neue Lebensmöglichkeiten, wo wir keine Möglichkeiten mehr sehen. Diese Bilder malen mehr als alles.

Die Wüste beginnt zu blühen, Wachstum breitet sich aus, neues Leben, neue Kraft, denn Menschen werden aus der Wüste ihrer erstorbenen Wünsche, ihrer versteinerten Herzen, ihrer verlorenen Hoffnungen herausgeholt. Die Frau weinte, etwas hatte sie in Bewegung gebracht. Ein Stück heile Welt leuchtete auf angesichts der Weihnachtsmusik und der Dekoration im Bahnhof von Leipzig.

Geht es uns nicht auch so gelegentlich in der Adventszeit? Irgendwo durch Musik und Lichterglanz eine kurze Erinnerung an ein Weihnachtsfest, Erfahrung von Menschenfreundlichkeit und Freude. Gottes Kommen weckt Wünsche und Hoffnungen. Menschen dürfen wünschen wie Kinder.

Die Augen der Blinden werden aufgetan, die Ohren der Tauben werden geöffnet. Menschen sehen und hören wieder, denn es kommt ihnen jemand entgegen, der ihr Leiden bemerkt, die Enge ihrer Welt wahrnimmt und sie aufbricht. So wirkt Gott. Nichts sehen und hören können, heißt normalerweise ausgeschlossen sein, isoliert und übersehen werden. Menschen, die immer wieder übersehen werden, senken den Kopf, aus Scham oder aus Wut, nun sehen sie nichts mehr, normalerweise geht man über sie hinweg.

Liebe Gemeinde, wo Gott kommt, gibt es kein ‚normalerweise‛. Wunderbarerweise gibt es neue Sehkraft, wunderbarerweise gibt es neue Hörkraft. Wunderbarerweise werden Menschen verändert. Sie erheben ihren Kopf. Sie sehen neue Möglichkeiten, sie hören, was ihnen vorher verschlossen war. Ist das Utopie, Wunschbild im Nirgendwo? Es ist überschwängliches Hoffnungsbild für Erfahrungen, die Menschen machen, wenn Gott kommt.

Blinde brauchen zuverlässige Führer, auf die sie sich verlassen können. Mit dem Vertrauen zu denen, die sie führen, lernen sie neu sehen, bis sie einst ganz geheilt sein werden. Geht es uns nicht auch so? Es gibt Tage, da sehe ich nichts mehr, es ist alles dunkel, aber es kommt jemand, nimmt mich an der Hand, führt mich und schiebt mir buchstäblich einen Weg unter die Füße. Langsam, Schritt für Schritt, sehe ich wieder Licht, weil ich nicht meiner Blindheit vertraue, sondern dem anderen.

Wir können Spuren des Lichtes, das Menschen aufgeht, wenn sie einander vertrauen und ihnen so Sehvermögen mitgeteilt wird, und Spuren der Fülle, die sie erfahren, wenn sie hören, was ihnen zuvor verschlossen war, auch in unserer vorweihnachtlichen Stadt entdecken. Wo Gott kommt, wächst Vertrauen, so dass Menschen neu sehen und hören.

Der Prophet malt ein weiteres Hoffnungsbild: Da wird eine Bahn sein, ein Weg, der orientiert, auf dem keine Toren laufen. Die prophetischen Verheißungen haben diesen Weg unterschiedlich dargestellt. Es ist der gerade Weg, den Menschen Gott bereiten sollen: „In der Wüste bereitet dem Herrn den Weg, macht in der Steppe eine ebene Bahn unserm Gott!“ Oder es ist der Weg, auf dem es kein Umherirren und keine Gefahr von reißenden Tieren gibt, die in der Wüste Palästinas bedrohlich gegenwärtig waren. Der verheißene Weg ist Weg in der Wüste, wo es ‚normalerweise‛ keinen Weg gibt, Orientierung in der Orientierungslosigkeit. Anders schildert der Evangelist Lukas den Weg in der Weihnachtsgeschichte. Die Eltern suchen eine Bleibe, wo das Kind zur Welt kommen kann, „denn sie hatten keinen Raum in der Herberge“.

Gottes Weg ist ein Weg in der Weglosigkeit, in der Raumlosigkeit, in der er wunderbar Raum schafft auch für die, die desorientiert sind und keinen Weg wissen, die Weihnachten nicht brauchen, weil sie keine Wünsche mehr haben und ihnen vermeintlich nicht mehr zu helfen ist. Nicht auf dem roten Teppich kommt Gott, und in der Regel kommen Menschen auch nicht auf einer mit rotem Teppich ausgelegten Bahn zum Vertrauen auf Gott, aber Gott kommt dahin, wo kein Raum ist und kein Weg, und schafft Raum und Weg. So war es Israel gegangen, als in der Verbannung, weit entfernt von Jerusalem, sich Hoffnung auftat auf einen neuen Weg der Befreiung und der Rückkehr nach Jerusalem. Das war ein weiter, gefährlicher Weg, aber wenn man nicht eingenistet blieb in dem: ‚Es ist halt so‛, dann konnte die Mutlosigkeit durch Vertrauen überwunden werden. So war es den Hirten gegangen in der Nacht, als sie, die gesellschaftlich ganz am Rande lebten, ein Licht sahen und überwältigt wurden von dem Hoffnungsschimmer, der von der Geburt eines Kindes ausgeht. Sie sahen Lebenschancen, wo zuvor nur Resignation, ‚es ist halt so‛ geherrscht hatten. Sollte es so nicht denen gehen, die einen Weg zum Frieden suchen in der Friedlosigkeit der Welt? Es ist nichts zu sehen als Hass, es ist nichts zu hören als Granaten und Militäraktionen. Die Friedensucher und Friedensstifter finden sich damit nicht ab. Insofern sind sie wahrhaft keine Realisten. Sie suchen mehr, einen Weg, auf dem Vertrauen wächst und gegenseitige Solidarität, Frieden. Wo die Suche nach diesem Weg beginnt, ereignet sich das Kommen Gottes.

So geht es in unserer Stadt da, wo Menschen, die Weihnachten vermeintlich nicht brauchen, etwas aufgeht von Zuwendung, Vertrauen und Liebe, ereignet sich Gottes Kommen. Nicht anders als durch ein menschliches Wort, das jemanden anspricht, den wir nicht mehr für ansprechbar halten, kommt Gott. So entsteht Raum zum Aufatmen in der Raumlosigkeit, Mut in der Mutlosigkeit. Man kann nicht sagen, dass man das braucht. Aber wenn man etwas von der Zuwendung erfährt, bemerkt man einen Schimmer von gutem Leben, den wir mehr als alles brauchen.

Anita Lasker-Wallfisch, die Cellistin von Auschwitz, erzählt, dass sie im Gefängnis in Breslau, als sie auf ihren Prozess wartete, in einem Karton das Arbeitsmaterial in die Zelle gereicht bekam. Gelegentlich fand sie unter dem Material ein Stück Brot, einmal sogar einen Kuchen. Die Überbringerin des Kartons traute sich sogar, unerlaubt und heimlich Worte mit der jungen Gefangenen zu wechseln. Die Worte bedeuteten mehr als alles vor dem Weg nach Auschwitz. So ereignet sich Gottes Kommen in der Aussichtslosigkeit.

Vertrauen und Leben wachsen, wenn Gott kommt, neue Sehkraft und Orientierung, Mut und Hoffnung entstehen. Es ereignet sich das, was der Beter des Psalms beschreibt: „Mit meinem Gott kann ich über Mauern springen“, wankende Knie werden fest und müde Hände stark.

Aber wer kommt, wenn Gott kommt? Nur wenn wir Gottes Lebensweg in Jesus von Nazareth verfolgen, können wir das erahnen. Der Weg führt von der Krippe zum Kreuz, dem Ort, an dem sich alle Lebenszerstörung, alle Lebensfeindschaft, alle Lieblosigkeit zusammenballen. Der Weg Gottes führt von der Geburt des Kindes, die Freude und Jubel provoziert, zu dem durch Hass und Neid und Gottvergessenheit verursachten Tod auf Golgatha. Sollte das nicht Rachegedanken und Rachewünsche aufkommen lassen?

Gott kommt zur Rache? Liebe Gemeinde, ist das das Ende? So kennen wir es längst aus Erfahrungen, das ist uralt, bei uns alle Tage und in Kriegsregionen, in denen monatlich 3500 aus Rache ermordete Zivilisten zu beklagen sind. Menschen üben Rache, normalerweise unerbittlich. Die Geschichte Gottes lässt eine andere Wirklichkeit erkennen. Der Prophet Jesaja ebenso wie das Alte Testament sprechen davon, dass Gott Rache übt, damit sie Menschen entzogen ist und Menschen nicht selbst rächen. Und doch greifen Menschen immer wieder zum Racheschwert oder zu anderen Waffen, und sie sinnen Vergeltung. Sie definieren sich geradezu als Rächer. Das verstehen sie als ihren Lebenssinn. Am Kreuz Jesu Christi ereignet sich anderes. Da ist auch die alte prophetische Verheißung noch einmal überboten worden. Der, dessen Weg zum Kreuz führt, übt nicht Rache, er gibt sich den Rachegelüsten, dem Hass und der Gottvergessenheit der Menschen hin, damit Rache, Vergeltung und Gottvergessenheit ein für alle Mal überwunden werden.

Der da kommt, kommt nicht zur Rache, und er kommt nicht mit Gewalt, sondern mit der Macht der Liebe. So eröffnet sich ein neuer Weg, eine wunderbare Bahn. Die Rache bleibt hinten, abgetan bleibt der Hass, überwunden. Auch das ist wie ein Traum unter Menschen. Aber so ist Gott. Er löst Menschen aus Hass und Rache und Lebensfeindschaft, damit sie neu leben können.

„Die Erlösten des Herrn werden wiederkommen … ewige Freude wird über ihrem Haupte sein; Freude und Wonne werden sie ergreifen, und Schmerz und Seufzen wird entfliehen.“

Deshalb können wir Advent und Weihnachten feiern. Gewiss, gelegentlich sind wir noch verzagt. Advent, Weihnachten? – Aber es spielt sich uns ein Lied zu, ein altes Weihnachtslied, wo auch immer, aus dem etwas von der Freude und dem, was mehr ist als alles, aufklingt. Es klingt bis in die tiefste Finsternis und erleuchtet sie. Amen.

Prof. Dr. Gunda Schneider
Leipzig
dr.gunda.schneider@t-online.de

 


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