2. Samuel 12, 1-10.13-15a

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2. Samuel 12, 1-10.13-15a

 


11. Sonntag nach Trinitatis,
11. August 2002
Predigt-Entwurf über 2. Samuel 12, 1-10.13-15a, verfaßt von
Karsten Matthis

Liebe Gemeinde,

eine Skandalgeschichte steht in 2. Samuel 12, die sich vor gut 1.000
Jahren im Königshaus zu Jerusalem ereignet hat. Wenn sich diese Story
in unserer Zeit ereignete, begeistert hätte die Boulevardpresse diese
Affäre aufgegriffen. Wochenlang würden die Blätter der
Regenbogenpresse die Leser über alle Details des Skandals informieren.
Niemand könnte sich dieser marktschreierischen Berichterstattung
entziehen. Unsere Blicke fielen immer wieder auf die roten Balkenüberschriften
der Boulevardpresse, wie „König schickt Nebenbuhler in den Tod“.

In der Familie, im Büro und im Sportverein wäre der Ehebruch
Davids ein großes Thema. Da würden der erzwungene Rücktritt
des Telekom-Chefs Ron Sommer, die Miles & More-Affäre einiger
Bundestagsabgeordneten oder die Trennung des „Fußballkaisers“
Franz Beckenbauer von seiner Frau als harmlose Geschichtchen verblassen.
Ehebruch und Mord am Hauptmann Uria, das wäre doch ein Stoff von
der Qualität der Barschel-Affäre oder könnte sich mit den
tragischen Ereignissen um Lady Diana im Königshaus der Windsors messen.

Es ist schon peinlich, wie sehr ein großer Teil des Journalismus
von diesen tatsächlichen oder vermeintlichen Skandalgeschichten lebt.
Aber zu dieser Berichterstattung gehören immer zwei: Hand auf’s Herz!
Wir nehmen diese Storys auf und reden über sie. Wäre es nicht
an der Zeit, wenn wir sagten: Stopp! Schluss damit. Wir möchten diese
Skandalgeschichten nicht mehr mit allen Details über Fußballstars,
Tennisspieler und Schlagerstars hören. Wir sind es müde, die
ständig neuen Enthüllungen in den europäischen Königshäusern
zu erfahren. Wir sind es auch Leid, immer nur wieder Tratsch und Klatsch
in gewissen Teilen der Presse zu lesen. Es gibt einfach Wichtigeres, Dinge
die uns tatsächlich angehen. Probleme in Staat und Gesellschaft,
die dringend angepackt werden müssen. Unrecht muss benannt und tatsächliche
Straftaten aufgedeckt werden. Dies wäre Aufgabe für einen kritischen
und informativen Journalismus, der verantwortlich schreibt und publiziert.

Überaus kritisch und offen ging es am Hofe Davids zu. Ganz offensichtlich
ließen sich die Vergehen Davids nicht verschweigen. Obwohl sich
König David intensiv bemüht hatte, seinen Ehebruch zu vertuschen,
war die Geschichte ans Tageslicht gekommen. Der treue Hauptmann Uria,
loyal bis in den Tod, wurde von David an der Front geopfert, um einen
lästigen Zeugen beiseite zu schaffen. Ruchbar wurde der Skandal,
als Batseba ein Kind erwartete und Uria nicht der leibliche Vater gewesen
sein konnte.

Stets war David listig und politisch umsichtig gewesen, hatte sich Stufe
um Stufe nach oben gekämpft. Wie ein packender Roman liest sich die
Aufstiegsgeschichte des Hirtenjungen David. Einst verstoßen vom
Hofe Sauls, kämpfte er mit einer Handvoll Männer mal auf der
einen und mal auf der anderen Seite der orientalischen Mächte. So
konnte er sich geschickt dem Untergang Sauls entziehen und mit einigen
Söldner, eine Macht in Israel werden. Durch großes diplomatisches
Geschick brachte David es fertig, die bis dahin verfeindeten Stämme
aus Nord und Süd zu einen. Vielmehr noch – die Stämme Israels
waren bereit, ihn zum König zu wählen und zu salben.

Dem jungen König gelang ein kluger Schachzug nach dem anderen. Mit
der Eroberung Jerusalems und der Errichtung der Hauptstadt legte David
die Grundlage für ein Großreich. Israel war nun nicht mehr
Spielball politischer Mächte, sondern wurde selbst zum Machtfaktor
im Orient. Mit diesem sagenhaften Aufstieg und Entfaltung seiner Herrschaft
hatte David sich einen festen Platz in der sich gerade entwickelnden Geschichtsschreibung
gesichert.

Aber auf dem Höhepunkt seiner Macht begeht David einen schwerwiegenden
Fehltritt. Zerstört die Ehe eines Dritten und schreckt nicht zurück,
den loyalen Staatsdiener Uria zu opfern. Nicht nur am Hofe wurde Davids
Ehebruch und Mord bekannt. Da tritt ein wortgewaltiger Mann mit großer
Zivilcourage, der Prophet Nathan, auf. Er war nicht nur mutig, sondern
ausgesprochen klug. Er wusste darum, dass der mächtige König
die Weisheit liebte und erzählte ihm eine Parabel vom armen Mann,
dem sein Lamm geraubt wurde.

Nathan riss David, dem scheinheiligen Gönner von Musik und Kultur,
von Wissenschaft und Religion, die Maske vom Gesicht: „Du bist der
Mann. Du hast den armen Mann beraubt. Du selbst, David, bist der Räuber
und Mörder“. Mit dieser Bloßstellung Davids, der sich
zuvor selbst der Tat bezichtigte, hatte Nathan nach gängigen orientalischen
Maßstäben sein eigenes Todesurteil gesprochen. An anderen orientalischen
Königshöfen wäre dieser Oppositionelle liquidiert worden.
Widerspruch oder gar Widerstand wurden nicht geduldet.

Doch nach den Worten Nathans, die Davids Schuld schonungslos aufdeckten,
zeigte sich David überraschend schuldbewusst und bewies menschliche
Größe. Er unternahm keinen Versuch der Verteidigung. David
ging offen mit seiner Schuld um. Nicht nur aus Angst kehrte er um und
bekannte sich zu seiner Schuld. Auf die Bloßstellung des Propheten
reagierte er nicht mit den üblichen Methoden. Nein, er kehrte um
und versuchte zu retten, was zu retten ist. Er nahm Batseba zu sich und
bekannte sich zu ihr.

David hatte erkannt, dass es sein größtes Unrecht war, sich
so verhalten zu haben, als gebe es Gott überhaupt nicht. Er hatte
geglaubt, die Gebote Gottes seien für ihn nicht in Kraft. So sind
die Worte des 51. Psalm Worte, die David hätte sprechen können:
„An dir allein habe ich gesündigt und übel vor dir getan“
(Psalm 51, 6). Er bat Gott um Verzeihung, weil er wusste, dass Gott seinen
Lebensweg begleitet hatte und ihn auf den Thron gebracht hatte.

Die Affäre wurde zu einem Wendepunkt in seinem Leben. Das mit Batseba
gezeugte Kind starb kurz nach der Geburt. Ein dunkler Schatten lag nun
auf seiner Herrschaft.. An seinen Händen klebte Blut, und erst sein
Salomo durfte den Tempel in Jerusalem bauen. Wirren um seine Nachfolge
brachen aus. Nord- und Südreich strebten auseinander.

Dennoch: David wird von seinen Nachfolgern und von Generationen nach
ihm, von Juden und Christen, hoch geehrt. Für Juden ist er einer
der großen Stammväter Israels, für Christen ein Vorfahre
Jesu Christi. Alle späteren Könige Israels müssen sich
an David messen. Nur noch der fromme König Josia kann es mit ihm
aufnehmen. Mittelalterliche Herrscher des Abendlandes berufen sich auf
David und stellten sich in seine Tradition.

David hatte durch sein Schuldeingeständnis seine Herrschaft gerettet
und einen Rest Glaubwürdigkeit behalten. Durch den Spruch Nathans
hatte Gott ihm die Chance zur Buße und Umkehr gegeben. Der Gott
Israels hatte in die Lebensgeschichte des Davids eingegriffen und ließ
Unrecht nicht Unrecht sein. Durch das Wort des Propheten schärfte
er das Gewissen des Volkes und rief den Menschen David zur Umkehr von
seinen Irrwegen und Abwegen auf.

Gott hob das Todesurteil, welches David selbst über sich gesprochen
hat, auf. Der Gott Israels löschte eine böse Geschichte aus,
die sich in Davids Leben ereignet hatte und bot ihm die Chance zum Neuanfang.
Das ist das Wunder des göttlichen Verzeihens. Sein Verzeihen tilgt
auch die größte menschliche Schuld. Seine Vergebung und Barmherzigkeit
gilt auch uns, durch die wir leben. Und so dürfen wir beten mit einem
Micha Wort: „Er wird sich unser wieder erbarmen, unsere Schuld unter
die Füße treten und alle unsere Sünden in die Tiefe des
Meeres werfen“ (7, 19).

Amen

Literatur:

Gottfried Vogt: Die lebendigen Steine, Homiletische Auslegung der Predigttexte
der Reihe VI, 11. Sonntag nach Trinitatis, 2. Aufl. Berlin 1989, S. 331-337.

Stefan Heym: Der König David Bericht, Neuauflage 1998, btb/Goldmann
Verlag

 

Karsten Matthis, Dipl. Theol.
Hochheimer Weg 11a
53343 Wachtberg
karsten.matthis@t-online.de

 

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