2. Thessalonicher 3, 1-5

2. Thessalonicher 3, 1-5

 

Göttinger

Predigten im Internet

hg. von Ulrich Nembach und Johannes Neukirch


5. Sonntag nach Trinitatis, 30. Juni 2002
Predigt über 2. Thessalonicher 3, 1-5, verfaßt von Michael
Nitzke


1 Weiter, liebe Brüder, betet für uns, dass das Wort des Herrn
laufe und gepriesen werde wie bei euch 2 und dass wir erlöst werden
von den falschen und bösen Menschen; denn der Glaube ist nicht jedermanns
Ding. 3 Aber der Herr ist treu; der wird euch stärken und bewahren
vor dem Bösen. 4 Wir haben aber das Vertrauen zu euch in dem Herrn,
dass ihr tut und tun werdet, was wir gebieten. 5 Der Herr aber richte
eure Herzen aus auf die Liebe Gottes und auf die Geduld Christi.

Liebe Gemeinde!

„Der Glaube ist nicht jedermanns Ding.“ Das sagt sich so locker
flockig daher, „Der Glaube ist nicht jedermanns Ding.“ So, als
wenn ich sagen würde: „Schwimmen ist nicht jedermanns Sache“,
oder „Tanzen ist nicht jedermanns Sache.“ Oder wie man heute
unter Jugendlichen sagen würde, „inline-skating ist nicht meine
Kiste“.

Was es ist, und wie es gesagt wird, ist dabei eigentlich egal. Es wird
ausgedrückt, dass es bestimmte Dinge gibt, die für den einen
etwas sind und für den anderen nicht.

Ganz normal, sagen wir. Es kann sich ja nicht jeder für alles interessieren.
Es gibt eben immer so’ne und solche. Der eine guckt Fußball, der
andere liebt Tennis. Die eine interessiert sich für moderne Kunst,
für die andere gibt es nur den Hirsch über dem Sofa. Der eine
ist Raucher, die andere Nichtraucherin, der eine musikalisch, der andere
unmusikalisch, Frühaufsteher oder Morgenmuffel, der eine gläubig,
der andere ungläubig…

Aber da hört es für viele auf. Viele Menschen, die regelmäßig
in die Kirche kommen, horchen hier auf. Menschen, denen der Glaube soviel
bedeutet, dass sie auf kirchliche Begleitung nicht verzichten möchten,
werden hier stutzig. Gläubig oder ungläubig steht auf der selben
Stufe wie Tee- oder Kaffeetrinker? Das geht doch nicht. Man muss doch
glauben?!

Ja, das finde ich auch, aber manche finden das nicht, und dann sagt man
eben wieder: „Der Glaube ist nicht jedermanns Ding.“ Luthers
Übersetzung, dieses Pauluswortes ist ein geflügeltes Wort geworden.
So geflügelt, dass es dann auch für ganz andere Dinge gebraucht
wurde: eben Rosen sind nicht mein Ding oder Nelken sind nicht mein Ding.

Ob das so sein muss ist ja die Frage. Was führt denn einen Menschen
dazu, dass dieses oder jenes sein Ding ist? Oft sind es Familientraditionen,
die dazu führen, dass sich jemand im Fußballverein oder im
Kleingartenverein engagiert. Aber es kann ja auch andere Gründe haben.
Vielleicht sind körperliche Gründe ausschlaggebend, dass jemand
nicht zum Sportverein geht. Und dann fragt man sich, gibt es solch eine
Veranlagung für den Glauben auch? Eine alte Frage: Gibt es ein Organ
für den Glauben? Oder muss man eine Antenne dafür haben?

Manchmal klingt das so, wenn jemand, der in einer bestimmten Situation
resigniert und keinen Trost finden kann, die Antwort erhält: „Dir
fehlt wohl der Glaube.“ Doch solch eine Antwort ist falsch und unsensibel.
Man sagt ja auch nicht jemandem, der trotz aller Anstrengung beim Dauerlauf
immer der letzte ist: „Du bist eben unsportlich.“

An der fehlenden Antenne kann es also nicht liegen, dass es Menschen
gibt, die nicht glauben. Eine solche Antenne gibt es nicht. Und auch die,
die den Glauben haben, sollten lieber dankbar sein, dass sie ihn haben,
als sich als sich anderen gegenüber zu überheblich zu zeigen.

„Der Glaube ist nicht jedermanns Ding.“ Das ist eher eine Zustandsbeschreibung
als eine Ursachenforschung. Paulus hat eben damals schon das erkannt,
was wir heute noch krasser vor Augen haben. Es glaubt eben nicht jeder,
damit ist noch nicht gesagt, woran das liegt.

Und der Briefschreiber will sich mit diesem Zustand auch nicht zufrieden
geben.
31 Weiter, liebe Brüder, betet für uns, dass das Wort des Herrn
laufe und gepriesen werde wie bei euch.

Ein Aufruf zu Mission. Wo gibt es das heute noch. Mission, damit verbinden
viele ein Spende für Afrika, um den Ungläubigen in der Ferne,
die Erlösung zu bringen. Doch heute ist der Weg oft umgekehrt. Wir
sind Missionsland geworden und können uns befruchten lassen von den
unverbrauchten Ideen der jungen Kirchen in der Ferne. Das hat sich heutzutage
auch in der Organisationsform unserer Missionsgesellschaften deutlich
gemacht. Nicht mehr Mutterkirchen und unmündige Tochterkirchen, sondern
gleichberechtigte Partner sind da vereint in gemeinsamer Mission.

Auch unser Land ist Missionsland, und es zeigen sich Anzeichen, dass
viele wieder sagen können, „der Glaube ist mein Ding“.

In der Kirchenzeitung las ich einmal einen Artikel über Gemeindepflanzungen.
Hört sich komisch an, hat es vielleicht etwas mit dem eingangs zitierten
Kleingartenverein zu tun?
Vielleicht! Auch da wächst Glaube. Aber zunächst geht es darum,
da Glauben entstehen zu lassen, wo bisher keiner war. Quasi die Urbarmachung
der Wüste. So hat man in Plattenbauwüsten und Neubaugebieten
begonnen, ganz zaghaft Gemeinde entstehen zu lassen. Da wurde kein Dom
gebaut, sondern mit kleinen Gesprächskreisen oder diakonischer Arbeit
zaghaft angefangen. Und das, was mir Mut macht, ist, dass dort nicht eine
ganz neue Kirche entsteht, sondern das diese zarten Pflänzchen in
die oft als verkrustet angesehene bestehende evangelische Kirche hineinwachsen.
Von anderen Bewegungen hat man da schon anderes gehört.

Das Beispiel zeigt, dass Glaube durch Menschen, die sich für ihn
einsetzen, weitergegeben werden kann. Dafür braucht man kein Organ
oder eine Antenne, sondern Menschen, denen man anmerkt, dass der Glaube
ihr Ding ist, und das Sie sich für dieses Ding voll und ganz einsetzen.

Aber mit den Menschen, deren Ding nicht der Glaube ist, meinte der neutestamentliche
Briefschreiber ja nicht die, die aufgrund der Umstände vom Glauben
entfremdet wurden, sei es durch politische Umstände oder Maßnahmen
des modernen Wohnungsbaus. Nein, er meint die bösen Menschen damit.

Die Frage ist heute, „Wer ist das? Wer ist eindeutig ein böser
Mensch?“ Viele beklagen, dass der Mensch in seinem moralischen Handeln
nur als Produkt seiner Umwelt beschrieben wird und dass die Verantwortung
für das eigene Tun nicht mehr bei dem Menschen selbst gesucht wird.

Es war entweder das Elternhaus, die Gesellschaft, oder der Alkohol, der
den Angeklagten schuldunfähig gemacht hat. Aber werden nicht durch
die Chancengleichheit jedem Menschen genügend Möglichkeiten
geboten, sich von dem Schatten anderer zu befreien, und ist nicht jedem
der zur Flasche greift bewußt, dass er nach ihrem Genuß nicht
mehr derselbe ist?

Ja, es gibt auch noch Menschen, die wirklich böse sind, oder sagen
wir besser, die Böses getan haben, für das sie sich selbst verantworten
müssen. Die Frage ist nur, „Wo reihen wir uns ein?“ Natürlich
bei den Guten!? Natürlich zu denen, die auf der Sonnenseite stehen!?
Vielleicht werden wir von manch anderen auch als die Bösen bezeichnet,
die dem Glauben Hindernisse aufstellen.

Wir sollen uns zurückziehen, von denen die unordentlich leben, heißt
es etwas weiter im Text. Das setzt voraus, dass wir ordentlich leben.
Tun wir das? Reicht dazu ein gebügeltes Oberhemd oder ein gepflegter
Vorgarten aus? .

3 Aber der Herr ist treu; der wird euch stärken und bewahren vor
dem Bösen
Wenn wir diesen Satz hören, dann müssen wir uns bewußt
machen, dass wir es nötig haben, dass Gott uns vor dem Bösen
bewahrt. Und zwar nicht nur vor dem Bösen, das in Gestalt von Gesetzesbrechern
uns bedroht, sondern auch vor dem Bösen, das sich schleichend unserer
bemächtigt und uns selbst im Umgang mit dem Gesetz und den Mitmenschen
dazu verleiten will, mal fünfe gerade sein zu lassen und seinen eigenen
Gesetzeskommentar zu schreiben, der dann natürlich alles das als
rechtmäßig anerkennt, was uns in den Kram passt.

3 Aber der Herr ist treu; der wird euch stärken und bewahren vor
dem Bösen
Wenn wir uns bewußt sind, dass wir selbst sowohl für den Glauben
als auch für das Böse empfänglich sind, dann dürfen
wir uns diesen Satz auf die Fahnen schreiben und darum beten, dass der
Herr uns trotz allem vor dem Bösen bewahrt.

Denn dieses „trotz allem“, dieses „aber“ ist es worauf
wir stolz sein können. Es ist nicht unsere mögliche Antenne
für den Glauben, die uns stolz macht. Es ist auch nicht unsere Tradition,
in die wir nur zufällig hineingestellt worden sind. Sondern das Gott
trotz allem an uns festhält kann uns stolz werden lassen. Auch dem
gegenüber, dem es an Glauben fehlt, auch dem ist Gott treu. Im griechischen
Urtext wird daraus sogar eine Art Wortspiel gemacht. Man könnte übersetzen:

„Nicht aller Ding ist es, dem Herrn zu trauen, treu aber ist der
Herr. Mögen einige auch nicht glauben, an sie aber glaubt aber der
Herr.“

Doch wie erfahren wir das? Wie bekommt das jemand mit, für den der
Glaube nicht sein Ding ist?

Zwei Worte stecken für mich noch in dem Text, die es wert sind,
sie zu bedenken, und die uns auch weiterführen: Das eine Wort ist
„Vertrauen“. Vertrauen bringt der Briefschreiber der entfernten
Gemeinde entgegen, dass sie das festhalten, was er ihnen im Auftrag Gottes
nahebringt.

Vertrauen, das fehlt uns oft. Wir wollen oft nur auf uns selbst vertrauen.
Und manchmal noch nicht mal das.

Ein erzählte Berufsschulpfarrer einmal auf einem Seminar über
kirchliche Radioarbeit folgende Geschichte: Er wollte in seiner Klasse
eine Vertrauensübung machen. Ein ganz normale Methode, die in jedem
religionspädagogischen Buch steht. Der eine bekommt die Augen verbunden
und der andere führt ihn durch den Raum. Der eine Vertraut auf den
anderen und hinterher werden die Rollen getauscht, dann ist der der sogenannte
Blindenführer, der vorher selbst geführt wurde.

Ein Mädchen sagte darauf hin, „Da mache ich nicht mit! Ich
habe zu niemandem Vertrauen.“ Man höre auf die Begründung.
Nicht weil ihr das zu kindisch wäre, oder nicht cool genug, sondern
weil sie zu niemandem Vertrauen hat, deswegen wollte sie nicht mitmachen.
„Aber du hast doch an so vielen unbewussten Stellen Vertrauen“,
sagte ihr der Pfarrer. „Du vertraust dem Architekten dieser Schule,
dass dir die Decke nicht auf den Kopf fällt, du vertraust einem Autofahrer,
dass er sich an die Regeln hält, und dich nicht überfährt,
du vertraust deinem Chef, dass er dir den Lohn für deine Ausbildung
zahlt.“

Noch viel mehr Beispiele wurden genannt, bis das Mädchen erkannte,
dass es im täglichen Leben oft unbewusst Vertrauen schenkt. Schließlich
beteiligte sie sich an dem Spiel.

Aber hat das ihre Grundüberzeugung geändert. Können wir
wirklich Vertrauen? „Vertrauen ist gut Kontrolle ist besser.“
Dieser Ausspruch des Sowjetführers Lenin ist vielen so geläufig,
dass sie ihn für einen Bibelspruch halten.

Doch in der Bibel steht: „Wir haben aber das Vertrauen zu euch in
dem Herrn.“
Ohne Vertrauen geht es nicht und wer das Vertrauen missbraucht, mag zwar
kurzfristigen Erfolg haben, aber er richtet sich schließlich selbst.

Das andere Wort, dass uns weiterhilft ist „Geduld“.
5 Der Herr aber richte eure Herzen aus auf die Liebe Gottes und auf die
Geduld Christi.
Vertrauen, braucht oft Geduld, weil Kontrolle schneller ist. Aber mit
Geduld ist nicht einfach das Warten darauf gemeint, dass sich ein Problem
von selber löst. „Geduld haben“, heißt nicht „Probleme
aussitzen“.

Und die Geduld Christi hat dazu noch etwas mit „dulden“ zu
tun. Oder besser „erdulden“. Die Geduld Christi zeigte sich
darin, dass er das Misstrauen und die Glaubenslosigkeit der Menschen erduldete,
ja dass er darunter litt, und erst als alle sahen, wohin das führte,
nämlich zum Tode am Kreuz, konnte er zeigen, wie er mit Glauben und
Vertrauen dies alles überwunden hat und wie seine Auferstehung den
Weg zur Befreiung des Menschen zeigen kann.

Und so geht es auch oft in unserem Leben. Oft läßt sich ein
Problem nur dadurch lösen, bis alle soviel erduldet haben, und bis
sich soviel Leidensdruck aufgebaut hat, dass manche erkennen, dass überhaupt
ein Problem da ist. Und dann kann man sich daran machen Lösungswege
zu finden, die alle gemeinsam gehen können, im Vertrauen darauf,
dass es der richtige Weg ist.

Doch woher kommt diese Geduld?
5 Der Herr aber richte eure Herzen aus auf die Liebe Gottes und auf die
Geduld Christi.
Gott ist es selbst, der uns dazu befähigt geduldig und vertrauensvoll
zu sein, Gott ist es selbst, der den Glauben zu unserem Ding macht.

„Der Glaube ist nicht jedermanns Ding.“ Wenn wir uns von dieser
nüchternen Zustandsbeschreibung nicht bange machen lassen wollen,
sondern mit Geduld und Vertrauen auf die Liebe Gottes reagieren, dann
erkennen wir:
Der Glaube ist zwar nicht jedermanns Sache, aber jeder Mann, jede Frau
und jedes Kind sind Gottes Sache.
Dieses Vertrauen und diesen Glauben möge Gott in unsere Herzen pflanzen,
darauf warten wir mit Geduld. Amen.

Michael Nitzke
www.nitzke.de

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