Durch seine Wunden sind wir …

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Durch seine Wunden sind wir …

Durch seine Wunden sind wir geheilt | Karfreitag, den 2. April 2021 | Sprechmotette für zwei Lesende zu Jesaja 52,13 – 53,12 | von Udo Schmitt |

[ Noch einmal sehen ]

A: Siehe, meinem Knecht wird’s gelingen, er wird erhöht und sehr hoch erhaben sein.

B:  Er wird erhöht.

A:  Er wird erhöht und sehr hoch erhaben sein.

B:  Er wird erhöht und sehr hoch erhaben sein.

A:  Wie sich viele über ihn entsetzten, weil seine Gestalt hässlicher war als die anderer Leute
und sein Aussehen als das der Menschenkinder,…

B: Hässlich! Wie sieht der denn aus!

A: …so wird er viele Heiden besprengen, dass auch Könige werden ihren Mund vor ihm zuhalten.
Denn denen nichts davon verkündet ist, die werden es nun sehen,
und die nichts davon gehört haben, die werden es merken. …
Er hatte keine Gestalt und Hoheit. Wir sahen ihn, aber…
da war keine Gestalt, die uns gefallen hätte.

B: Nein, mein Schatz! Da war keine Gestalt, die uns gefallen hätte.

A: Wir sahen ihn, aber da war keine Gestalt, die uns gefallen hätte.

B: „Tun Sie sich das nicht an!“, sagte man zu der Mutter.
Und meinte es ja nur gut mit ihr. Aber sie musste ihn noch einmal sehen, ihren Sohn, der verunglückt war.
So jung! Sie musste ihn noch einmal sehen, sonst konnte sie es nicht glauben.

A: Er war der Allerverachtetste und Unwerteste, voller Schmerzen und Krankheit.

B:  Noch einmal ihn sehen. Das hatten sie sich auch gewünscht – seine Frau und seine Kinder.
Er war eingeliefert worden, sofort auf die Intensiv. An der Beatmung. Es ging alles so schnell.
Ein Anruf am Telefon. Die Ärztin. Eine mit professioneller Freundlichkeit vorgetragene Mitteilung verkündete das Unfassbare. Nein, tut uns leid, sie können ihn nicht noch einmal sehen. Sie müssen verstehen.

A: Er war der Allerverachtetste und Unwerteste, voller Schmerzen und Krankheit.
Er war so verachtet, dass man das Angesicht vor ihm verbarg;
darum haben wir ihn für nichts geachtet.

B: Du sollst dir kein Bildnis machen!
Das gilt. 364 Tage im Jahr. Aber heute nicht.
Sieh hin! Verbirg dein Gesicht nicht vor ihm!
Ecce homo – seht diesen Menschen an.
Sieh hin! Gott selbst hat dieses Bild gewählt. Für sich.
Am Kreuz können wir ihn erblicken. Gott hat dieses Bild – gewählt.
Eins, das um Atem ringt. Eins, das den Atem raubt.

[ Ins Schweigen gehen ]

A: Fürwahr, er trug unsre Krankheit und lud auf sich unsre Schmerzen.
Wir aber hielten ihn für den, der geplagt und von Gott geschlagen und gemartert wäre.
Aber er ist um unsrer Missetat willen verwundet und um unsrer Sünde willen zerschlagen.
Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt.

B: Durch seine Wunden.

A: Sind wir geheilt.

B: Geheilt von den blinden Flecken. Geheilt von der dunklen Seite in mir.
Die wir – wenn überhaupt – nur beim anderen sehen. Uns selbst aber, nicht eingestehen.
Ich hab doch nichts gemacht. Nichts Schlimmes. Ich bitte Sie, wegen mir…
wegen mir hätte er nicht sterben müssen. Oder?

A: Um unsrer Missetat willen verwundet und um unsrer Sünde willen zerschlagen.

B: Vielleicht kennt er uns besser. Besser als wir selbst uns kennen.
Sein Blick geht tiefer, durchdringt Unschuldsmiene und Schutzbehauptung.
Wer will mit ihm richten? Wer will ihn vor Gericht zerren und verklagen?
Wer ohne schuld ist. Der werfe den ersten Stein.

A: Wir gingen alle in die Irre wie Schafe.

B: Wir gingen alle.

A: Wir gingen alle in die Irre wie Schafe, ein jeder sah auf seinen Weg.
Aber der HERR warf unser aller Sünde auf ihn.
Als er gemartert ward, litt er doch willig und tat seinen Mund nicht auf
wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird;
und wie ein Schaf, das verstummt vor seinem Scherer,
tat er seinen Mund nicht auf.

B: Wir gingen in die Irre.

A: Ein jeder seinen Weg.

B: Und er hat geschwiegen.

A: (Nicken).

B: Und er hat geschwiegen, als sie ihn verklagt haben. Gejagt haben. Ausgelacht. Gefoltert…

A: (schweigt).

B: „Warum nur?“

A: (schweigt). 

[ Hinsehen! ]

B: „Warum nur?“, fragte der Leidende: „Was habe ich denn getan?!“
Und die Nachbarn sagten sich: Wo Rauch ist, da ist Feuer.
Und pflegten ihre Gärten und die Selbst-schulds-Vermutung:
– Selbst schuld! Hätte er mal nicht so viel geraucht!
– Warum musste sie sich auch so freizügig bekleidet auf dieses Fest begeben?
– Früher hat sie sich über die Muttertiere lustig gemacht, jetzt kann sie keine Kinder bekommen!
– Sie hat ja auch während der Schwangerschaft…, und nun ist das Kind, na ja!
– Er meinte immer, alles besser zu wissen, nun hat ihn sein Mundwerk hinter Gitter gebracht!
Selbst schuld!

A: Als er gemartert ward, litt er doch willig
und tat seinen Mund nicht auf.

B: Und wir? Sollten wir nicht auch die Hand auf den Mund legen? Und schweigen?
Das Schweigen Gottes. Das Schweigen Gottes zu diesem Leid… teilen?

A: Er ist aus Angst und Gericht hinweggenommen. Wer aber kann sein Geschick ermessen?
Denn er ist aus dem Lande der Lebendigen weggerissen…

B: Mitten aus dem Leben gerissen.

A: …da er für die Missetat meines Volks geplagt war.
Und man gab ihm sein Grab bei Gottlosen und bei Übeltätern, als er gestorben war,
wiewohl er niemand Unrecht getan hat und kein Betrug in seinem Munde gewesen ist.

B: „Zerfließe mein Herze, in Fluten der Zähren. Dem Höchsten zu Ehren.
Erzähle der Welt und dem Himmel die Not. Dein Jesus ist tot!“
[von J.S. Bach, Johannespassion, Nr.35 – eventuell gesungen oder eingespielt?]

A: Er ist aus Angst und Gericht hinweggenommen…
Weil seine Seele sich abgemüht hat, wird er das Licht schauen und die Fülle haben.
Und durch seine Erkenntnis wird er, mein Knecht, der Gerechte,
den Vielen Gerechtigkeit schaffen; denn er trägt ihre Sünden.

B: Mein Jesus ist fort.

A: Darum will ich ihm die Vielen zur Beute geben und er soll die Starken zum Raube haben,
dafür dass er sein Leben in den Tod gegeben hat und den Übeltätern gleichgerechnet ist
und er die Sünde der Vielen getragen hat und für die Übeltäter gebeten.

B: Mein Jesus ist tot.

A: Er ist aus Angst und Gericht hinweggenommen.

B: Sein Grab ist bei den Gottlosen.

A: Sie haben ihn gesucht. Und sie konnte ihn nicht finden.

B: Mein Jesus ist fort.

A: Wohin habt ihr ihn gelegt? Wo kann ich ihn finden?

B: Seht hin!

A: Seht hin.

B: Wo finde ich ihn?

A: In der Natur, im Wald? Im Kreis der Sänger, in lieberschlossener Freundesrunde?

B: Sieh hin!

A: Wo finde ich ihn?

B: Seht hin! Ihr erblickt ihn.
In jeder gequälten Kreatur, in jedem geschlagenen Kind, gefolterten Gefangenen.
In jedem gequälten Lächeln. Seht hin!

A: Fürwahr, er trug unsre Krankheit und lud auf sich unsre Schmerzen.

B: Seht hin!

A: Die Strafe liegt auf ihm,…    B: auf dass wir Frieden hätten,…

A: und durch seine Wunden    B: sind wir geheilt.

Liedvorschläge:

EG 81 Herzliebster Jesu, was hast du verbrochen

EG 82 Wenn meine Sünd mich kränken

EG 85          O Haupt voll Blut und Wunden

EG 90 Ich grüße dich im Kreuzesstamm

Udo Schmitt, geb. 1968, Pfarrer der Evangelischen Kirche im Rheinland, von 2005-2017 am Niederrhein, seit 2017 im Bergischen Land.

Dorfstr. 19 – 42489 Wülfrath (Düssel)

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