Eine andere Weihnacht für mich!

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Eine andere Weihnacht für mich!

2. Weihnachtstag, 26.12.2019 | Predigt zu Matthäus 1:18-25 | verfasst von Andreas Pawlas |

Die Geburt Jesu Christi geschah aber so: Als Maria, seine Mutter, dem Josef vertraut war, fand es sich, ehe sie zusammenkamen, dass sie schwanger war von dem Heiligen Geist. Josef aber, ihr Mann, der fromm und gerecht war und sie nicht in Schande bringen wollte, gedachte, sie heimlich zu verlassen.

Als er noch so dachte, siehe, da erschien ihm ein Engel des Herrn im Traum und sprach: Josef, du Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria, deine Frau, zu dir zu nehmen; denn was sie empfangen hat, das ist von dem Heiligen Geist. Und sie wird einen Sohn gebären, dem sollst du den Namen Jesus geben, denn er wird sein Volk retten von seinen Sünden. Das ist aber alles geschehen, auf dass erfüllt würde, was der Herr durch den Propheten gesagt hat, der da spricht (Jesaja 7,14): 23 »Siehe, eine Jungfrau wird schwanger sein und einen Sohn gebären, und sie werden ihm den Namen Immanuel geben«, das heißt übersetzt: Gott mit uns.

Als nun Josef vom Schlaf erwachte, tat er, wie ihm der Engel des Herrn befohlen hatte, und nahm seine Frau zu sich. Und er erkannte sie nicht, bis sie einen Sohn gebar; und er gab ihm den Namen Jesus.

 

 

Liebe Gemeinde!

Ist das nicht irritierend, wenn wir in diesem Bericht des Hl. Apostels Matthäus nicht noch einmal den gleichen Wortlaut hören dürfen, wie wir bereits vorhin nach den Worten des Hl. Apostels Lukas, und wie wir ihn zur Weihnachtszeit von Kinderzeiten an gewohnt sind, und der doch so altvertraut beginnt: „Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde.“? Ja, wie viele kostbare Erinnerungen hängen an diesem altbekannten Text.

Wenn damals natürlich die heiss erwartete Weihnachtsbescherung im festlich geschmückten häuslichen Wohnzimmer stattfand, so gehörte doch der Kirchgang einfach zum Weihnachtsfest, so wenig wir auch manchmal von seinen Einzelheiten verstanden. Und weil wir in der Kirche eben genau diesebedeutungsschweren Worte aus dem alten Bericht des Hl. Apostels Lukas immer wieder hörten, so hat sich der Bericht des Lukas in unseren Kinder- und Erwachsenen-Seelen festgemacht und mit der Weihnachtszeit innig verbunden. Und ganz bestimmt können und dürfen wir dafür dankbar sein! Aber dennoch tritt uns da jetzt dieser ganz andere Bericht gegenüber, der uns nicht so vertraut ist, in dem sogar von Schande die Rede ist und der irgendwie gar nicht zu unserer heimeligen Kinderzeit gehören will.

Doch halt! Vielleicht ist das ja gar nicht so schlecht, dass wir dadurch plötzlich an diesem Heiligen Abend aus vertrauten Kindheitserinnerungen unsanft heraus gerissen werden. Denn so wunderbar diese Erinnerungen auch sind, sie sind doch schon eine ganze Weile vorbei. Jedoch keinesfalls vorbei ist, dass unser Gott einem jeden von uns in Jesus Christus, eben in dem Kind in der Krippe, ganz persönlich nahe kommen will.

Wenn man – möglicherweise auch ungern – bereit ist, sich derart auf das Weihnachtsgeschehen zu konzentrieren, dann fällt uns gereiften und lebenserfahrene Menschen vielleicht eines auf: Unser Gott wählt, um bei uns in Erscheinung zu treten, nicht die üblichen und uns bekannten Wege der Mächtigen dieser Welt. Denn, erinnern wir uns: auf welche Weise präsentieren sich die Machthaber dieser Welt der gaffenden Menge? Doch mit großem Aufmarsch und Platzkonzert am Besten mit Kanonendonner und Feuerwerk! Und alle erschauern und erbeben dann vor diesem Machtgetöse. Und viele wollen schnell wieder nach Hause, um solchem Machtgehabe nicht ausgeliefert sein zu müssen.

Doch wie völlig anders ist das hier! Denn wie wird es uns hier vom Hl. Apostel Matthäus überliefert? Der Apostel berichtet uns hier nüchtern von einer ganz jungen Frau, die kaum begreift, was mit ihr geschieht. Und dann ist da ein Verlobter, der sie nicht in Schande bringen und sie deshalb heimlich verlassen will.

Und dazu will mir spontan nur einfallen: Wie bitter! Klingt das nicht fast genauso wie die Irrungen und Wirrungen unserer Tage, wo so vieles an und um uns geschieht, das wir nicht begreifen, oder wo man am liebsten weglaufen möchte? Wo man sogar Albträume hat und in aller Dunkelheit keinen Rat mehr weiss? Denn in unserer Zeit, in dieser Jahreszeit und dieser Weltzeit, da scheint es dunkel zu sein, dunkel in uns und um uns, SeelenfinsternisGottesfinsternis.

Um so wichtiger, dass uns da der Hl. Apostel in seinem Bericht mitnimmt und die Dunkelheit so aufreisst als würde er uns einen Vorhang aufziehen. Denn er zeigt uns, dass es da eine ganz andere Welt, in uns und um uns herum gibt, die Welt Gottes, in der alles, was wir nicht begreifen können, trotzdem mit einem Male klar und alles Dunkle hell wird.

Er zeigt uns, dass wir darum nicht in den Irrungen und Wirrungen unserer Familiengeschichten, unserer Beziehungsdramen, unserer politischen Verdrehungen hilflos gefangen sind. Er zeigt uns, dass es da wirklich ganz andere Gedanken und Pläne für unser Leben gibt – und auch für das Leben unseres Volkes, auch für alle Völker der Erde und auch für den ganzen Kosmos. Er zeigt uns, dass Entscheidende für Dich und mich und für die ganze Welt nicht unsere Ideen, sondern allein Gottes Gedanken, Planungen und Fügungen sind.

Und nach diesen ganz anderen Gedanken will uns unser Gott eben nicht in einem Palast mit prachtstrotzendem Gefolge erscheinen – wie sollte das auch gehen, denn wer von uns normalen Menschen hätte auch schon Zugang zu einem Palast oder allein schon zu den Vorzimmern oder zu den dort verschanzten Wächtern der Macht? – Nein, Gott kommt so zu uns in unsere Welt, Gottes Heiligkeit zieht so in unsere Welt, wie wir alle auf diese Welt kommen: eben als Kind, in aller Hilflosigkeit, völlig angewiesen auf den Schutz, die Liebe und Barmherzigkeit einer Mutter.

Kein Wunder, dass sich die Christenheit zu allen Zeiten darüber Gedanken gemacht hat, was das wohl für eine besondere Mutter, was das wohl für eine besondere Frau gewesen sein muss, dass unser Gott sie für diese Aufgabe ausgesucht hatte, die Heiligkeit Gottes unter uns normale Menschen zu bringen. Aber das muss jetzt nicht unser Thema sein. Über Jahrhunderte haben begabte Maler versucht, uns diese Maria vor Augen zu stellen in wunderbaren und ergreifenden Bildnissen. Auch das muss jetzt nicht unser Thema sein, weil es auch nicht das Thema des Hl. Apostels Matthäus ist. Dagegen schildert er uns, wie wenig auch der gute Josef von allem versteht, was da so geschieht. Wie sollte er auch? Und würde uns das nicht genauso ergehen? Vielleicht hätten wir genauso wie er versucht, uns allem Undurchschaubarem zu entziehen und uns irgendwohin wegzuschleichen.

Aber was dann stattdessen geschieht, das ist schon traumhaft, wirklich traumhaft! Wie? Jetzt sagt jemand, er träume nie, und deshalb kann das alles nicht sein und sollte man nicht darüber reden? Nun gewiss, die Bedeutung des Träumens ist zu unterschiedlichen Zeiten auch unterschiedlich bewertet worden. Und sicherlich gibt es auch Träume, die „Schäume“ sind. Das kennen wir alle. Aber trotzdem ist die Menschheitsgeschichte voll davon, wie Menschen träumen, wie Menschen Wunderbares im Traum erleben. Und sollte nicht besonders die Weihnachtszeit traumhaft schön sein?

Ja, die Menschheitsgeschichte ist voll davon, wie Menschen nicht nur träumen, sondern wie Menschen in Träumen auch Weisung erhalten, Gottes Weisung, nein, nicht selbstausgedachte Weisung. Denn das wäre dem biederen und gerechten Joseph auch niemals selbst eingefallen, dass da ihm mit einem Male ein Engel erscheint und ihn anweist, seine Maria trotz allem zu sich zu nehmen, weil das, was sie empfangen hat, vom Heiligen Geist ist, und dass sie einen Sohn gebären wird, der den Namen Jesus tragen soll, weil er sein Volk retten wird von dessen Sünden.

Nein, das kann sich doch keiner ausdenken! Und das ist eindeutig zu viel! Für den armen Joseph genauso wie für uns heutige Menschen! Dabei hätten es doch klugen Menschen wissen müssen, dass das alles durch Gottes Wort und Weisung bereits vorausgesagt ist. Denn vor langen langen Zeiten, da hatte doch schon der Propheten Jesaja in Gottes Namen vorausgesagt: »Siehe, eine Jungfrau wird schwanger sein und einen Sohn gebären, und sie werden ihm den Namen Immanuel geben«. Und genau das wird nun mit einem Male und genau zum richtigen Zeitpunkt erfüllt.

Ja, soll es das wirklich geben können, das sich dort damals und genauso hier und heute etwas genau zum richtigen Zeitpunkt erfüllt? Ja, soll es das wirklich geben können, das sich auch alles, was wir uns von Weihnachen erträumen, genauso hier und heute und damit genau zum richtigen Zeitpunkt erfüllt?

Aber, was erträumen wir uns denn wirklich? Nein, wir sind doch keine Kinder mehr, die sich einen neuen Ball, eine neue Puppe, ein neues vielleicht sogar elektronisches Spiel erträumen. Ja, was ist es denn wert, sich zu erträumen?

Frieden, Gerechtigkeit, Liebe, Partnerschaft? Oh, da wissen wir schon, wie kompliziert das heute alles in dieser verdrehten Welt ist. Da wissen wir auch, wieviele sich mühen und rackern, um diese hohen Träume zu erreichen. Und weiter wissen wir, wie häufig diese Mühen umsonst sind, weil da manche ihre persönlichen Interessen mit Macht und Geschick an die erste Stelle zu stellen wissen.

Aber müsste nicht alles ganz anders sein, wenn alle nicht mehr mit Macht um ihr eigenes Leben, um ihren eigenen Vorteil, oder darum, geliebt zu werden, kämpfen müssten? Aber müsste nicht alles ganz anders sein, wenn das Leben nicht mehr so unvollkommen wäre, wenn da nicht so eine große Trennung zwischen dem, was wir erträumen, und der bitteren Wirklichkeit wäre?

Aber halt, jetzt sind wir genau wieder bei Jesu Geburt! Denn der Verheissung nach soll er doch das Volk retten von dessen Sünden. Und Sünde heißt ja Trennung.

Aber wie sollte denn so ein kleines Kind eine solche schlimme Trennung überwinden können, sei es noch so heilig?

Ob diese Frage allein deshalb auftauchen kann, weil wir uns als „heilig“ nur so etwas wie eine goldverzierte Putte an einer verschnörkelten Kirchenwand vorstellen können? Aber wie wäre es denn, wenn wir als „heilig“ das verstehen könnten, was allein von Gott kommt, was darum alle Möglichkeiten und erschütternde Kraftin sich birgt; das, was alle Erfüllung und Tröstung bis in Ewigkeit bedeutet und bewirken kann?

Wenn wir so etwas denken und fühlen könnten, und wenn uns nun das alles auch wirklich in dem Jesus-Kind in der Krippe heute erscheinen will, wie sollte man dann etwa noch raffen oder geizen können, niederdrücken oder verachten? Ja, wie sollte selbst Krankheit und Tod noch Macht über uns haben können, wenn mit dem Jesus-Kind in der Krippe alle Macht im Himmel und auf Erden uns halten und vollenden will? Wäre das nicht traumhaft? Dieses Wunderbare, Traumhafte, ja, das gehört zur Heiligen Nacht, in der sich Himmel und Erde berühren! Wer wollte da nicht ganz erfüllt sein und staunen – sprachlos und dankbar !

Und was tat nun der Josef damals? Als er vom Schlaf erwachte, tat er, wie ihm der Engel des Herrn befohlen hatte, und nahm seine Frau zu sich. Und dem Sohn, den sie gebar; gab er den Namen Jesus, den Namen Jesus, der heißt „Gott hilft“, weil Gott mit uns ist in dem neugeborenen Kind in der Krippe. Und tatsächlich hilft Gott, wenn wir ihm glauben. Nicht immer so, wie wir es uns ausmalen. Aber so, dass es uns rettet und vollendet, wie es nach seinem Willen gut ist. Das dürfen wir glauben. Genau um dieses neugeborenen Kindes in der Krippe willen. Gott sei Dank! Amen.

 

 

Pastor i.R. Prof. Dr. Andreas Pawlas
Kl. Offenseth-Sparrieshoop, Schleswig-Holstein, Deutschland
E-Mail: Andreas.Pawlas@web.de
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