Eine Predigt Luthers als Grundlage für eine neue Predigt – geht das, darf das? Wird Luthers Wort damit nicht dem der Bibel gleichgestellt und bekommt kanonischen Rang? Vor einiger Zeit hörte ich ein theologisches Referat, in dem der Referent zwar fleißíg Luther, aber nicht ein einziges mal die Bibel zitierte. Luther als Dauer-Papst? Andererseits: Luthers Predigthörerinnen und –hörer waren Menschen, wie Sie und ich und all die anderen es heute sind. Und wie sie es zu biblischen Zeiten wohl auch waren: Gut und böse, übermütig und ängstlich, von der Gesellschaft ebenso beeinflußt wie vom je eigenen Lebenslauf. Warum also nicht eine Predigt Luthers als Anregung für eine neue!

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Eine Predigt Luthers als Grundlage für eine neue Predigt – geht das, darf das? Wird Luthers Wort damit nicht dem der Bibel gleichgestellt und bekommt kanonischen Rang? Vor einiger Zeit hörte ich ein theologisches Referat, in dem der Referent zwar fleißíg Luther, aber nicht ein einziges mal die Bibel zitierte. Luther als Dauer-Papst?  Andererseits: Luthers Predigthörerinnen und –hörer waren Menschen, wie Sie und ich und all die anderen es heute sind. Und wie sie es zu biblischen Zeiten wohl auch waren: Gut und böse, übermütig und ängstlich, von der Gesellschaft ebenso beeinflußt wie vom je eigenen Lebenslauf. Warum also nicht eine Predigt Luthers als Anregung für eine neue!
Vorbemerkung

Eine Predigt Luthers als Grundlage für eine neue Predigt – geht
das, darf das? Wird Luthers Wort damit nicht dem der Bibel gleichgestellt
und bekommt kanonischen Rang? Vor einiger Zeit hörte ich ein theologisches
Referat, in dem der Referent zwar fleißíg Luther, aber nicht
ein einziges mal die Bibel zitierte. Luther als Dauer-Papst?

Andererseits: Luthers Predigthörerinnen und –hörer waren Menschen,
wie Sie und ich und all die anderen es heute sind. Und wie sie es zu
biblischen Zeiten wohl auch waren: Gut und böse, übermütig
und ängstlich, von der Gesellschaft ebenso beeinflußt wie
vom je eigenen Lebenslauf. Warum also nicht eine Predigt Luthers als
Anregung für eine neue!

An der Invokavit-Predigt Luthers fällt mir auf, dass sie in ihrem
ersten Teil den Aufbau des Heidelberger Katechismus vorausnimmt: Von
des Menschen Elend – Von der Erlösung – Von der Dankbarkeit. Letztere
besteht nach dem Heidelberger wie in Luthers Invokavit-Predigt u. a.
in „guten Werken.“ Dazu gehört nach Luther auch Rücksicht auf
die von Paulus im Römerbrief so genannten „Schwachen,“ eine Rücksicht,
die zu Konflikten mit Vertretern der „reinen Lehre“ führen kann.
Seelsorge kontra Dogmatik. Der Konflikt ist nicht neu – und wird nicht
alt. Wieviel Freiheiten dürfen wir, können wir uns um der Menschen
Willen nehmen – und wer oder was darf überhaupt ein zwingendes „Muss“ sagen?
Verwenden doch selbst die Gebote ein „Du sollst“ bzw. „Du wirst“…

Frei nehmen und sein lassen
Predigt zu Luthers Invokavit-Predigt

Nach seiner Kur ging der Pastor durch den Ort, um sich seiner Gemeinde
zu zeigen. Die Menschen sollten sehen, dass er nach vier Wochen wieder
da war. Noch nie hatte er die Gemeinde so lange allein gelassen, war
höchstens mal für eine Woche weggefahren und hatte den größten
Teil seines Urlaubs verfallen lassen. Doch dann hatte sein Arzt ihn vor
die Entscheidung gestellt, entweder eine Kur zu machen oder in Kürze
nicht mehr arbeitsfähig zu sein. „Wer sich selbst kaputt macht,
kann keinem mehr nützen,“ hatte der Arzt ihm gesagt.

Schlechten Gewissens war er schließlich gefahren, zusammen mit
seiner Frau. Auch sie engagierte sich – neben ihrem Beruf als Lehrerin – stark
in der Gemeinde. „Sie beide opfern sich auf für unsere Gemeinde,“ hatte
ein Ältester bei ihrer Silberhochzeit gelobt, und beide hatten sich über
dieses Lob sehr gefreut. Doch jetzt, nach der Kur, verstanden sie es
eher als Warnung.

In den ersten Tagen der Kur war es beiden schlecht gegangen: Da war
niemand, um den sie sich kümmern, nichts, was sie organisieren mußten.
Der Tagesablauf war vorstrukturiert, sie wurden versorgt. Doch es fiel
ihnen schwer, das anzunehmen. Und sie fühlten sich allein. Seit
die Kinder aus dem Haus waren, war die Gemeinde, waren deren Menschen
ihr gemeinsames Thema gewesen. Worüber konnten sie nun miteinander
reden?

Allmählich hatten sie sich eingestanden, dass die Kur ihnen gut
tat, hatten die Anwendungen, die Versorgung als Wohltaten zu akzeptieren
gelernt. Hatten in gleichem Maße ihr schlechtes Gewissen verloren,
für das eigene Wohlergehen die Gemeinde allein gelassen zu haben.

Nun waren sie also zurück, gestärkt an Leib und Seele, auch
in ihrem Verhältnis zueinander, und er spazierte durch den Ort,
um sich seiner Gemeinde zu zeigen. Die Menschen auf der Straße
grüßte freundlich, und wo er eine Gardine sich bewegen sah,
winkte er einen Gruß zum Fenster.

Hinter ihm klingelte ein Fahrrad, er drehte sich um – einer der Gemeindeältesten
stieg vom Rad. „Haben Sie schon gesehen, was wir gemacht haben?“ fragte
der mit Stolz in der Stimme und der Erwartung von Dank und Anerkennung. „Ich
weiß nicht, was denn?“ fragte der Pastor, während sie sich
die Hände schüttelten. Er schätzte diesen Ältesten
wegen seiner Einsatzbereitschaft, die gelegentlich allerdings auch etwas
sehr forsch sein konnte. „Wir haben endlich die Gedenktafel aus der Kirche
entfernt. Haben ja lange genug darüber geredet und nun auch gehandelt.
Das freut Sie doch, Herr Pastor?“ Seine Stimme klang nicht mehr ganz
so selbstsicher, denn der Pastor sah ihn schweigend an, bis er schließlich
fragte: „Und wie reagiert die Gemeinde?“

Da gäbe es, erfuhr der Pastor, viel Zustimmung. Der Krieg sei schließlich über
fünfzig Jahre her, auf jedem Friedhof wäre längst jedes
Grab eingeebnet und der Stein entfernt worden. „Das Presbyterium war
voll dafür,“ sagte der Älteste, „bis auf einen, Sie wissen
schon, wer. Doch nun muss ich weiter, die Kleine vom Kindergarten holen.
Wir sehen uns Sonntag!“ Und weg war er.

Der Pastor ging noch etwas weiter, nahm dann aber den Weg zur Kirche.
Was das Presbyterium in seiner Abwesenheit mit der Tafel gemacht hatte, überlegte
er, war vollkommen richtig. Aber war es auch gut? Oft hatten sie die
Frage diskutiert, auch im Gemeindeblatt aufgerufen, mit zu diskutieren.
Nur wenige hatten sich gegen die Entfernung der Tafel ausgesprochen.
Diese wenigen aber hatten den Pastor bewogen, die Tafel noch hängen
zu lassen. Keinem der Befürworter des Vorhabens war sie ein Ärgernis,
lediglich ein Relikt aus vergangenen Zeiten und ohne künstlerischen
Wert. Den Gegnern des Plans aber war das Entfernen der Tafel mit Sicherheit
ein Anlass sich zu empören, und sie würden ihre Empörung
lautstark äußern. So richtig er das Handeln des Presbyteriums
auch fand: Es war wohl nicht gut gewesen. Man hätte den Andersdenkenden
Zeit lassen sollen, sich an den Gedanken zu gewöhnen, vielleicht
sogar den Schützenverein in seinem Vorhaben unterstützen, das
heruntergekommene „Kriegerdenkmal“ zu restaurieren – das ging sogar bis
1870/71 zurück, enthielt aber auch die Namen der im letzten – hoffentlich
letzten – Krieg Umgekommenen. So hätte man die jetzt gewiß entstandenen
Verletzungen vermieden, zumindest verringert.

Er war an der Kirche angekommen, die Tür war offen, die Küsterin
saugte zertretene Blumen aus dem Kokosläufer. „Gab es eine Hochzeit?“ fragte
der Pastor. Die Küsterin erschrak heftig, erholte sich rasch, begrüßte
ihn und beantwortete seine Frage sehr detailliert. Doch er hörte
kaum zu, sondern sah auf die frisch geweißte Stelle, wo einmal
die Tafel hing. Die frische Farbe würde noch lange an die Tafel
erinnern und bei einigen Gemeindegliedern Schmerzen verursachen. Auch
bei ihm, wie er überrascht feststellte. Zwar hatte er immer und
grundsätzlich das Entfernen der Tafel befürwortet, doch nun
fehlte sie ihm wie ein vertrautes Bild an der Wand.

„Sieht schlimm aus,“ sagte die Küsterin, zeigte mit ihrem spitzen
Kinn Richtung Farbfleck und berichtete von Leuten, die die Kirche „nie
mehr“ betreten wollten, sogar mit Austritt gedroht hatten. „Muß man
die Leute denn so vor den Kopf stoßen?“ – „Das Presbyterium ist
in seinen Entscheidungen frei,“ antwortete der Pastor salomonisch und
bekam zu hören, dass Freiheit immer auch die Freiheit der Andersdenkenden
sei. Das habe sie, erzählte die Küsterin, früher einmal
bei den „Falken“ gelernt, und das gelte ja wohl erst recht in der Gemeinde. „Und
Sie haben einmal über Starke und Schwache gepredigt, und dass die
Starken auf die Schwachen Rücksicht nehmen und Geduld mit ihnen
haben sollen.“

Der Pastor kam wieder auf die Hochzeit zu sprechen, dann verabschiedete
er sich. Auf dem Weg nach Hause überlegte er, ob er am kommenden
Sonntag über diesen Abschnitt aus dem Römerbrief predigen solle,
entschied sich aber dagegen. Damit würde er den vorhandenen Konflikt
wohl eher verstärken, und das wollte er vermeiden. Dann kam ihm
eine Idee: Mit der Einladung zur nächsten Presbyteriumssitzung wollte
er die erste Invokavit-Predigt Luthers verschicken. Luther ging darin
auf die Abschaffung der Messe ein, die die Wittenberger während
einer längeren Abwesenheit Luthers durchgesetzt hatten. Luther,
ein klarer Gegner der Messe und erklärter Feind des Messopfers,
erwies sich darin als seelsorgerlicher Anwalt derer, denen diese Gottesdienstform
lieb war. Das Presbyterium kannte solche dezenten Hinweise von seinem
Pastor, darum würden sie den Text wohl verstehen.

Der Gedanke gefiel ihm, und beschwingt schritt er heimwärts. Seine
Frau empfing ihn mit zwei Kinokarten für den Abend; sie hatten sich
vorgenommen, wenigstens einmal in der Woche sich etwas Schönes zu
gönnen. „Freiheit von den Zwängen,“ hatte der Pastor das genannt,
in Erinnerung an ein Buch, über das er als Student einmal eine Seminararbeit
geschrieben hatte. Von wem es war und was darin stand, wußte er
nicht mehr, aber der Titel war ihm in der Kur wieder eingefallen. Von
dieser Freiheit wollten er und seine Frau nun Gebrauch machen, und sei
es mit Kinobesuchen. Amen

Gebet : Guter Gott, oft leiden wir unter einem zwingenden Muß,
das uns treibt und nicht zur Ruhe, nicht zu uns selbst, nicht zu dir
kommen läßt und das uns kaputt macht. Manchmal sehen wir nicht,
dass wir selbst uns zwingen und unter Druck setzen, weil wir Freisein
schwer aushalten. Oder weil wir uns wichtiger nehmen als wir sind, uns
für unentbehrlich halten und gern den Ruhm genießen, uns für
etwas oder jemanden aufzuopfern. Wir bitten dich um Mut, uns von solchen
Zwängen zu befreien und auch uns selbst Gutes zu tun.

Und manchmal, guter Gott, setzen wir mit Eifer durch, was uns richtig
erscheint. In unserem Eifer vergessen wir dann bisweilen jene Menschen,
die anders denken, anders empfinden als wir. Da kann es passieren, dass
wir diese Menschen kränken und verletzen, und anstatt sie für
das Richtige zu gewinnen, bringen wir sie auf Abstand. Wo wir das getan
haben, bitten wir diese Menschen und dich um Vergebung. Schenke du uns
Geduld mit Menschen, die aus unserer Sicht schwächer als wir selbst
sind, dass wir ihnen Gutes tun.

Denn, guter Gott, als Menschen sind wir alle von Tod und Sünde
bedroht. Du aber hast uns erlöst, und dafür können wir
dir mit unserem Leben danken.

Gesänge : Wenn meine Sünd mich kränken, EG 82; Holz auf
Jesu Schulter, EG 97; Das ist mir lieb, EG 292; Hilf, Herr meines Lebens,
EG 419

Paul Kluge, Pastor i. R.
Magdeburg
Paul.Kluge@t-online.de

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