Epheser 3, 1-13

Epheser 3, 1-13

Deswegen ich, Paulus, der Gefangene des Christus Jesus für
euch, Menschen aus den Völkern –
Ihr habt ja gehört von dem Plan der Gnade Gottes, die mir für
euch gegeben worden ist:
Durch eine Offenbarung ist mir das Geheimnis kundgemacht worden, wie ich euch
zuvor in Kürze geschrieben habe.
Daran könnt ihr, wenn ihr’s lest, meine Einsicht in das Geheimnis des
Christus erkennen.
Dieses Geheimnis ist in anderen Generationen den Menschenkindern nicht kundgemacht
worden, wie es jetzt seinen heiligen Aposteln und Propheten im Geist offenbart
worden ist:
Dass nämlich die Menschen aus den Völkern mit erben und mit zum Leib
gehören und mit Teil haben an der Verheißung in Christus Jesus durch
das Evangelium.
Dessen Diener bin ich geworden durch das Geschenk der Gnade Gottes, die mir
gegeben worden ist, und in ihr wirkt seine Kraft.

(Übersetzung mit Hilfe von M. Luther, H. Schlier, R. Schnackenburg)

1.
Geheimnis – ist ein Schlüsselwort in diesem Text.
Die Gedanken des Apostels umkreisen es. Ihn selbst hat das Geheimnis
berührt.
Es begründet die Beziehung zu den Menschen, an die der Apostel hier schreibt.
Lebensverhältnisse sind durch das Geheimnis verändert worden.

Geheimnis.
Noch haben wir vielleicht von unserem Weihnachten her das Wort im
Ohr. Auch das Evangelium des 6. Januar, an dem die östlichen Kirchen
Weihnachten feiern, erzählt davon: Im Osten haben himmelskundige
Männer einen Stern aufgehen sehen und sind ihm nachgereist. Um den
neugeborenen König der Juden zu finden.
Das Geheimnis dieses Kindes, das den Frieden Gottes bringen – ja selbst in
Person der Friede sein soll.

Davon haben wir vielleicht noch einen Nachklang im Ohr. Eine Sehnsucht. „Eia,
wärn wir da!“

Es mögen aber auch manche von uns sagen und viele empfinden: Ich habe
keinen Zugang zu diesem Geheimnis.

Wie willst du denn ein Zugriff darauf haben? Es geht hier doch um Gottes Geheimnis.
Da kannst du nicht einfach rein.
Es hat aber, so hören wir, dieses Geheimnis eine Dynamik in sich selber.
Es hat sich aus seinem Inneren heraus geöffnet. Mitten in menschlicher
Lebensgeschichte auf der Erde.
Das Geheimnis ist aufgegangen wie der Stern am Himmel, den die weisen Männer
im Osten gesehen haben, und der Stern ist ihnen voran gegangen, und sie ihm
nach – hin zum Ziel, das sie erst suchten, auf Wegen, die sie nicht kannten.
Das Geheimnis ist offenbart worden. Enthüllt, was vorher verhüllt
war.
Das hat eine Auswirkung gehabt. Menschen sind dadurch zu Boten des Friedens
geworden, zu heiligen Aposteln, zu Propheten in Gottes Heiligen Geist. Das
Heilige ist über sie gekommen, indem sich ihnen das Geheimnis Gottes enthüllt
hat.
Da, als der Jude Jesus geboren wurde und sein Menschenleben in Gott lebte auf
unsrer Erde und starb am Kreuz, und Gott erweckte ihn von den Toten – da ist
von Gott her das Licht aufgegangen. Unter allen, die es nicht begriffen haben,
hat das Licht einige ergriffen und hat sie zu Boten gemacht: Ihr seid das
Licht der Welt
. Licht vom Licht.
So auch Paulus. Und der spätere Apostel, der hier in seinem Namen schreibt.
Und nach ihnen viele andere . Bis zu uns heute. Ihr seid das Licht der
Welt
. Sagt Jesus zu seinen Jüngern.

Das ist mehr als ein Zufall der Weltgeschichte. Gottes Plan liegt hier
zu Grunde. Der Apostel schreibt, Gott habe ihm einen Auftrag an die Gemeinde
in Ephesus gegeben – vielleicht verbergen sich hinter dem Namen dieser
Stadt mehrere Gemeinden in Kleinasien. Weil Gott sich an euch wenden
wollte, hat er mir, dem Apostel, das Geheimnis offenbart.
Ich habe euch von diesem Geheimnis in meiner Schrift schon geschrieben. Ihr
könnt’s da nachlesen.

Auch wir können es da nachlesen. In unsrer Bibel, in der dieser
so genannte Brief an die Epheser steht. Das gehört mit zu dem Geheimnis.
Wir können darüber nachlesen in der Bibel, die durch Gottes
Gnade in unsere Hände gekommen ist. Eine Gnade, eine besondere Gnade,
ist in diesem Buch bis zu uns hingekommen.

Es könnte uns gut tun, daran erinnert zu werden. An den Schatz
im Bibelbuch, von dem Menschen seit Jahrtausenden zehren. Und zehren
ihn nicht auf.
Noch wir können uns von ihm nähren, können selbst da nachlesen.
Uns vorlesen lassen. Uns selbst vorlesen. Oder anderen. Alten. Jungen. Lesen
und vorlesen. Selbst lesen.

Nicht Worte, die vom Himmel gefallen sind, lesen wir da. Meine Einsicht
in das Geheimnis, könnt ihr da lesen. Schreibt der Apostel. Seine
Einsicht. Andere haben in anderen Lebenssituationen andere Einsichten
gehabt. Gottes Offenbarung kommt zu uns über menschliche Einsichten
und Worte. Durch diese Menschen ist Gottes Offenbarung hindurch gegangen
und sie hat von diesen Menschen verschiedene Formen und Farben angenommen.
Wir begegnen darin dem Geheimnis, das sich in dem Evangelium von Jesus
dem Juden offenbart hat. Eingekleidet in die Einsicht und in das Verständnis
der biblischen Zeugen zu je ihrer Zeit.

2.
So schreibt der Apostel des Epheserbriefes von seiner besonderen Einsicht in
das Geheimnis. Legt es so dar, wie gerade er es versteht und verstehen muss
in seiner besonderen Zuspitzung auf die Menschen, für die er sich beauftragt
weiß.
Das Geheimnis besteht darin, dass Menschen aus der Völkerwelt mit erben, mit zum
Leib gehören, mit Teil haben an der Verheißung in Christus
Jesus durch das Evangelium. So schreibt er an Menschen in kleinasiatischen
Christengemeinden, die selbst aus der Völkerwelt stammen. Also nicht zu
Gottes erwähltem Volk Israel gehören. Menschen aus der Völkerwelt,
auch ihr erbt mit , gehört mit zum Leib, habt mit Teil
an der Verheißung. Ihr mit Israel.
Dieses Geheimnis hat mir Gott für euch kundgemacht. Euch gilt es.

Und ich, durch Gottes Gnade beauftragter Apostel, gebe euch das weiter.
Durch das Evangelium von Jesus Christus. Denn in ihm ist das Geheimnis
wie begründet so jetzt offenbart. Und hat euch erreicht.

Was ist an daran besonders, was so geheimnisvoll, dass es offenbart
werden musste?
Gott ist uns nahe – das sagen heute doch viele, die religiös
empfinden – Menschen aller möglichen Kulturen und Traditionen in unsrer
Stadt und rund um die Erde.
Versteht es sich für uns alle nicht von selbst: Gott ist uns nahe?

Ja, es ist wahr, würde der Apostel uns antworten. Gott ist euch
nahe und ihr seid ihm nahe. Nur von selbst versteht sich das nicht. Ihr
seid nahe geworden.

Eine besondere Geschichte hat sich an euch und mit euch vollzogen.
Die Geschichte des Jesus Christus. Er hat euch da aufgesucht, wo ihr wart.
Fern von Gott. Allein mit euch selbst, ausgeliefert an das, womit ihr im
Leben nicht fertig werdet.
Wo eure Gottesferne am dichtesten ist – im Tod, da ist er euch am nächsten
gekommen. Dahin hat er euch Gott gebracht. Gott ist euch da so nahe gekommen
wie keiner sonst. Das ist seine Wahrheit. Und ist nun eure Wahrheit geworden.
Diese Geschichte ist nicht vergangen. Sie ist vielmehr lebendige Geschichte
für Gott und für euch. Geschichte des Evangeliums, die heute durch
die Welt geht.
Gottes Geheimnis ist diese Geschichte. Und hat den Namen Jesus Christus und
ist in ihm offenbart worden: Ihr seid bei Gott, weil er bei euch ist.

Diese besondere Geschichte bindet euch mit Gottes Volk Israel zusammen,
aus dem Jesus kam. Denkt und sprecht nie so allgemein von Gott, dass
ihr die Juden vergesst. Sonst seht ihr vor Bäumen den Wald nicht.
Sonst sägt ihr den Ast ab, auf dem ihr sitzt.

Der Apostel will uns sagen: So wie Israel von Gott erwählt ist,
so sind jetzt wir, Deutsche, Palästinenser, Menschen aus allen anderen
Völkern, Traditionen, Kulturen der Welt, mit erwählt
mit den Juden.
Was Gott ihnen verheißen hat: Ich will euer Gott sein und ihr sollt
mein Volk sein
, das ist nun uns mit verheißen. Zusammen
mit den Juden sollen wir sein eines Volk sein. Zusammen mit Menschen aus Gottes
Volk Israel sind wir, Menschen aus den anderen Völkern, einer, nicht zwei,
der eine Leib Jesu Christi.
Er ist unser Friede, der aus beiden eines gemacht hat…

Friede ist ein anderes Wort für Versöhnung. Jesus Christus
hat uns versöhnt, uns miteinander und uns mit beide mit Gott.

Die Kirche als der eine Leib Jesu Christi ist die Vorhut für
die Welt . Um Welt geschichte geht es hier nämlich.
Nicht nur um Kirchengeschichte. Es geht um die Versöhnung der Welt .
Im Geheimnis Jesu Christi ist beschlossen: Gott will die Welt, den Kosmos,
die Einheit von Himmel und Erde. So ist es von Gott her wahr und wirklich in
Jesus Christus.

Seine Versöhnungs- und Friedensgeschichte umfasst nicht nur die
Kirche. Schon uns Alle. Auch wenn Israel und die Völker der Erde
noch nicht einig miteinander leben und beten und die Völker unter
sich auch nicht und die Kirche und Israel auch nicht.
Aber Jesus Christus ist lebendig und in ihm diese Versöhnungs- und Friedensgeschichte.
Und ist voller Dynamik. Was in ihm ist, vollzieht sich in der Weltgeschichte.
Zieht Kreise. Seine Geschichte wirkt in die Menschheit hinein. Apostel, Propheten,
Jüngerinnen und Jünger werden in ihr engagiert. Die Friedensgeschichte
Jesus Christi geht durch sie hindurch. Dazu ist die Kirche da. Wir sind von
unserem Herrn in den Dienst dieser Geschichte genommen: Ihr seid das Licht
der Welt.
Und: Selig sind, die Frieden stiften, denn sie werden Gottes
Kinder heißen.

3.
So sollen wir der Welt bekannt machen, was Gott mit ihr beschlossen hat: Den
Frieden, die Versöhnung, die Einheit.
Wir stoßen damit aber auf Widerstand.
Gott selbst erfährt den Widerstand. Sein Jesus wurde ans Kreuz geschlagen.
Sein Apostel ins Gefängnis geworden, wie es hier heißt. So ist es
vielfach weiter gegangen bis heute.

In unsrer Welt setzt sich scheinbar Anderes durch und hat Erfolg: der
Egoismus, die Gier, der Krieg, die Unversöhnlichkeit, der Hass,
die Gewalt.
Manchmal geht uns erschreckend auf, dass diese Mächte nicht nur von außen
auf uns zukommen, sondern tief verwurzelt und stark sind in uns selbst.
Dann müssen wir kämpfen nach außen und nach innen.
Ist das ein aussichtsloser Kampf?

Es gehört zum Geheimnis der Geschichte Jesu Christi in unsrer Welt,
dass Gottes eigene Kraft in seinen Boten wirken will. So ist seine Gnade,
in der er Menschen ruft.
Keiner von uns soll denken, Gott lasse ihn hier auf sich allein gestellt.
Auf unsrer Seite ist da oft genug nur große Schwachheit.
Wie sollen wir denn wirken in unsrer harten Welt? Nicht mit denselben Mitteln
wie die Mächte gegen uns. Sondern durch die Liebe . In ihr sollen
wir wahrhaftig sein. Das heißt dann erst recht: schutzlos und schwach.
Aber die Liebe – sie ist Gottes eigener Weg und in ihr wirkt wohl Gottes Kraft
besonders. Es ist die Kraft, die Tote zum Leben erweckt. An Einem ist das schon
geschehen uns zur Hoffnung. Amen.

Dr. Hans Theodor Goebel, Köln
HTheo_Goebel@web.de

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