Epheser 4, 22-32

Epheser 4, 22-32

Eph. 4, 22-32
22 Legt von euch ab den alten Menschen mit seinem früheren Wandel,
der sich durch trügerische Begierden zugrunde richtet.
23 Erneuert euch aber in eurem Geist und Sinn
24 und zieht den neuen Menschen an, der nach Gott geschaffen ist in
wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit.
25 Darum legt die Lüge ab und redet die Wahrheit, ein jeder mit
seinem Nächsten, weil wir untereinander Glieder sind.
26 Zürnt ihr, so sündigt nicht; laßt die Sonne nicht
über eurem Zorn untergehen,
27 und gebt nicht Raum dem Teufel.
28 Wer gestohlen hat, der stehle nicht mehr, sondern arbeite und schaffe
mit eigenen Händen das nötige Gut, damit er dem Bedürftigen
abgeben kann.
29 Laßt kein faules Geschwätz aus eurem Mund gehen, sondern
redet, was gut ist, was erbaut und was notwendig ist, damit es Segen
bringe denen, die es hören.
30 Und betrübt nicht den heiligen Geist Gottes, mit dem ihr versiegelt
seid für den Tag der Erlösung.
31 Alle Bitterkeit und Grimm und Zorn und Geschrei und Lästerung
seien fern von euch samt aller Bosheit.
32 Seid aber untereinander freundlich und herzlich und vergebt einer
dem andern, wie auch Gott euch vergeben hat in Christus.

Liebe Geschwister,
der Silberschmied Renatus machte oft einen abendlichen Bummel am Hafen
entlang. Er mochte die friedliche Abendstimmung nach der Geschäftigkeit
das Tages, hörte dem Schlagen der Wellen gegen die Schiffsrümpfe
zu, dem Knarzen des Tauwerks, sog den Geruch von Tang und Teer, von
Fisch und frischem Wind tief in seine Lungen. Gern setzte er sich auf
einen Poller und sah ins Wasser, freute sich über die bewegten
Spiegelungen des Mondes in den Wellen. Hier konnte er sich von des Tages
Müh‘ und Hitze trennen, konnte, was ihn bedrückte, verwehen
lassen.

So saß er eines Abends wieder am Kai, dachte an gar nichts und
fühlte sich eins mit allem, das ihn umgab. Auf dem Deck eines nahe
liegenden Schiffes erschien ein Mann und kam an Land. Blieb stehen und
sah zu Renatus herüber. Ging ein paar Schritte, blieb wieder stehen,
um zu Renatus zu blicken. Dem wurde etwas unwohl: Wollte der Fremde
etwas von ihm, wollte er ihm gar etwas antun? Renatus blickte angestrengt
in die Ferne und überlegte sich einen Fluchtweg. „Änäas!“
reif der Fremde. Renatus reagierte nicht. „Änäas, du
bist doch Änäas!“ Renatus kannte die Stimme; sie klang
nach seinem Jugendfreund Leander. Er sah zu dem Rufer hinüber:
Es war Leander. Renatus sprang auf, die Freunde begrüßten
sich herzlich, und sofort war die alte wortlose Vertrautheit wieder
da. Schon als Kinder waren sie dadurch aufgefallen, dass sie sich ohne
Worte verstanden und, wie es schien, auch verständigten.

Bei dem ersten „Wie-geht’s-dir-und-was-machst-du-denn?“ redete
Leander seinen Freund immer wieder mit „Änäas“ an,
bis dieser schließlich sagte: „Du, ich heiß nicht mehr
so. Ich heiße jetzt Renatus.“ – „Wieso das denn?“
wollte Leander wissen und erfuhr, dass sein Freud sich hatte taufen
lassen. „Das musst du mir erklären,“ forderte Leander,
denn von Taufe hatte er noch nie gehört, und auch mit dem Wort
„Christ“ konnte er nichts anfangen. „Das ist eine lange
Geschichte,“ begann Renatus. – „Dann lass uns irgendwo einen
Wein trinken, ich bin völlig ausgetrocknet.“

Bald saßen sie in einem halbwegs passablen Lokal in der Nähe
des Hafens, und Renatus erzählte. Beim Silberschmied Demetrus habe
er sein Handwerk gelernt – Leander erinnerte sich an den begnadeten
Künstler – und dann auch bei ihm gearbeitet. Er habe gut verdient,
denn Demetrius hätte vor allem Souvenirs für Touristen angefertigt,
Artemistempel und Artemisstatuen in Silber, manchmal auch vergoldet,
aber auch in Bronze. Dann sei ein Mann namens Paulus in der Stadt aufgetaucht,
habe einen neuen Glauben gepredigt und gegen die Göttinnen und
Götter der Griechen gewettert. Er habe so viel Zulauf gehabt, dass
Demetrius um sein Geschäft fürchtete und gegen Paulus vorgegangen
sei. Immerhin mit dem Erfolg, dass Paulus abgezogen sei. Doch seine
Predigt habe so gewirkt, dass in der Stadt eine kleine Gemeinde entstanden
sei. Ihn, Renatus, damals noch Änäas, habe die Sache interessiert,
er sei zu den Versammlungen der Gemeinde gegangen, habe dort herzliche
Aufnahme gefunden und schließlich erkannt, dass der neue Glaube
besser sei als alles, was er bis dahin kannte. Ob er nicht ganz dazugehören
wolle, habe ihn eines Tages jemand gefragt, und er habe gern „Ja“
gesagt. „Und dann habe ich mich taufen lassen,“ schloss Renatus
seinen Bericht, doch Leander wollte noch wissen, was das denn sei. „Einige
Älteste haben mich an ein Wasserbecken geführt,“ fuhr
Renatus fort, „dann habe ich mich zu Christus als meinem Herrn
bekannt, mein altes Gewand abgelegt und bin ins Becken gestiegen. Drei
mal musste ich untertauchen und dann auf der anderen Seite wieder heraussteigen,
wo ich ein neues Gewand bekam. Damit war ich gleichsam ein neuer Mensch
– daher auch der neue Name.“

Leander verstand die Handlung, doch was die Taufe für seinen Freund
bedeutete, war ihm nicht ganz klar. „Bist du noch bei Demetrius?“
fragte er, um auf ein anderes Thema zu kommen. „Das ging nicht
mehr,“ setzte Renatus seinen Bericht fort, „als Christ durfte
und wollte ich keine Artemisstatuen mehr herstellen. Wie ich auch alles
sein lasse, was vor meiner Taufe normal war. Wenn du wüßtest,
wie ich jetzt lebe – du würdest meinen, das ist ein anderer. Und
das bin ich ja auch. Wir haben zehn Regeln, an die wir uns halten, und
glaub mir: Damit lässt sich sehr gut leben.“ – „Und womit
verdienst du jetzt dein Geld, du hast doch sicher Frau und Kinder zu
versorgen, oder?“ Nach seiner Taufe, gestand Renatus mit belegter
Stimme, hätte ihn seine Frau mitsamt den Kindern verlassen. Aber
er käme ganz gut alleine zurecht, und von dem Schmuck, den er nun
schmiede, könne er einigermaßen leben. Auch bekäme er
Aufträge von christlichen Gemeinden aus der Gegend. Schließlich
wollten auch sie für ihre Gottesdienste schönes und wertvolles
Gerät.
Leander hatte, während Renatus erzählte, einiges an Wein getrunken.
Nun wollte er – nach so vielen Wochen auf See – mal wieder eine Frau
umarmen. Er lud seinen Freund ein, doch der winkte ab: „Schlaf
dich aus und komm morgen zu uns in die Versammlung,“ schlug Renatus
vor, „das ist besser für dich.“

Unvermittelt knallte Leander seine Faust auf den Tisch: „Woher
willst du wissen, was für mich gut ist!“ polterte er mit schwerer
Zunge. Es folgten einige Kraftausdrücke, dann wankte er davon;
Renatus übernahm seine Zeche und ging nach Hause.

Als er am nächsten Abend wieder zum Hafen kam, war das Schiff ausgelaufen,
von dem Leander gekommen war. Sie würden sich wohl nicht wiedersehen,
dachte Renatus, und stellte mit Wehmut fest, dass er einen Freund verloren
hatte. Doch dafür hatte er durch die Gemeinde neue Freunde gewonnen,
Menschen, die dachten und lebten wie er. Unter denen es zwar auch Sympathie
und Antipathie gab, auch Meinungsverschiedenheiten; die zwar auch ihre
Schwächen und Fehler hatten, die aber insgesamt sich bemühten,
einander und andere die Vergebung spüren zu lassen, die sie selbst
erfahren hatten. Diese Gemeinschaft tat einfach gut. Amen

Paul Kluge
Paul.Kluge@t-online.de

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