Exodus 33,18–23

Exodus 33,18–23

Vom Angesicht Gottes zum Antlitz des Anderen (des Nächsten) | 2. So. n. Epiphanias | 15.01.23 | Ex 33,18–23 | Thomas Bautz |

Liebe Gemeinde!

Zwei große Themen markieren das kulturelle Gedächtnis der „Erzählgemeinschaft Israel“: der Exodus und die Wüstenwanderung: Befreiung aus der Sklaverei in Ägypten und das Ringen um das Geleit in der Wüstenwanderung durch JHWH[1] oder durch den Propheten, Wundertäter, politischen Führer Mose. Die „Erinnerungsfiguren“ Exodus und Mose bieten als „Erzählungen über eine mögliche Vergangenheit einen Deutungsrahmen“ zur Vergewisserung der eigenen Identität und „Modelle zur Deutung der Gegenwart“. Man aktualisiert Erzähltraditionen wie den Exodus, um neuen Erfahrungen der Fremdherrschaft, Ausbeutung und Unfreiheit etwa durch die Assyrer, die Babylonier, die Perser dennoch mit Hoffnung begegnen zu können.[2]

Überlieferungen zum Exodus sind „erzählerische Verdichtung geschichtlicher Erfahrungen“, „somit zeigt sich, dass sich in den Texten die zeitgenössische Lebenswelt“ der Erzählgemeinschaft „spiegelt“. Die „Gemeinde“ nach dem Exil bezieht „die notwendigen Anweisungen für ihr kultisches und ziviles Leben vom Sinai“ und von der Exodustradition und nicht nur das: „sie entwirft ihre ganze Existenz in die Gottesbegegnung mit Mose hinein.“[3] „Im babylonischen Exil und in persischer Zeit werden die Exodusüberlieferungen neu erzählt.“ Nun sollen diese Erzählungen dazu auffordern und ermutigen, aus dem Leben im Exil „aufzubrechen und auszuziehen, um im eigenen Land leben zu können.“ Der Streit um neue Organisationsformen der Gemeinschaft und deren Legitimation durchzieht als „Frage nach Leitungsstrukturen die gesamte Exodus- und Wüstenwanderungsüberlieferung.“[4]

Die Suche nach der eigenen Identität und deren dauerhafte Gefährdung spiegelt sich im Exil wie auch in der Erzählwelt der hebräischen Bibel: die Befreiung aus Ägypten, die Gottesoffenbarung am Sinai, die Zehn Gebote, die Stiftung der Pesachfeier – bis heute Zentrum jüdischen Lebens – die Epiphanien (Erscheinungen) JHWHs – sie führen in keine Sicherheit, sondern „in die Unsicherheit der Wüste“.[5] Gegenüber diesem wie jenem Mangel an Sicherheit bedarf es eines verlässlichen Führers, den Mose als Leitfigur repräsentiert. Aber Mose verlangt nach unmittelbarer Zwiesprache mit JHWH; er will mit Ihm Klartext reden, von Mann zu Mann, „von Angesicht zu Angesicht“.[6] Und er will „Gottes Geleit“.[7]

In der Wüste stellt Mose abseits des Lagers „das Zelt der Begegnung“ auf, um mit JHWH zu reden, dessen Erscheinung (Epiphanie) sich als „Wolkensäule“ vor dem Zelteingang zeigt, für das Volk Israel Anlass zur Huldigung und Verehrung. Das Zelt fungiert nicht nur als Ort der Kommunikation, sondern auch als „Zelt der Gegenwärtigkeit“ und als „Zelt der Zusammenkunft“. JHWH erneuert seinen Bund mit Israel, realisiert seine Treue neu, wobei die Verfehlungen des Volkes mit Nachdruck in Erinnerung gerufen werden.[8] Sie sind auch (vorerst?) der Grund dafür, warum JHWH nicht mehr persönlich das Geleit durch die Wüste übernimmt (Ex 33,3b.c): „Ich selbst werde nicht in deiner Mitte hinaufziehen, denn du bist ein halsstarriges Volk. Ich könnte dich sonst auf dem Weg vernichten.“ Harte Worte!

Eine von Mose und sicher auch vom Volk ersehnte dauerhafte Gegenwart (Erscheinung) JHWHs wäre total ambivalent; sie würde sich nicht nur gegen potentielle Feinde Israels, sondern auch gegen sein eigenes Volk richten. Sollte JHWH das Volk begleiten, dann aber mit der Erinnerung an das Ziel des Exodus, „so daß sie erkennen werden, dass ich JHWH, ihr Gott bin, der ich sie aus dem Land Ägypten herausgeführt habe, um in ihrer Mitte zu wohnen, ich, JHWH, ihr Gott“ (Ex 29,46). Das Wohnen wird  sich aber nicht mehr als ein Wohnen in Person gestalten: „Kein Mensch kann Gott schauen und am Leben bleiben.“ „Gott sehen und sterben müssen“, darin wird die fundamentale „Differenz zwischen Gott und Mensch“ ausgesagt.[9] Auch Mose bildet darin keine Ausnahme – „und doch bleibt auch für ihn, den Mittler, Gott in einer geradezu unnahbaren Distanz.“[10]

Wie ein roter Faden zieht sich die ambivalente, aber auch reziproke Beziehung zwischen JHWH und seinem Volk durch die hebräische Bibel: eine gewisse „Gegenseitigkeit von Gott und Mensch“. Sie zeigt sich auch darin, dass sich JHWH „seinerseits dem Sich-Nahen des Mittlers [Mose] gefügt“ hat. Man mag es als eine Art Hassliebe bezeichnen, aber es ist eher ein „Verhältnis zwischen göttlichem und menschlichem Verlangen und Erwarten, Leiden und Geduldüben“; „es gibt ein menschliches Leiden um Gott, aber auch mit Gott.“[11]

JHWH und Mose schließen einen Kompromiss (Ex 33,14): „Mein Angesicht [Presence][12] wird euch vorausgehen“. Man kann auch übersetzen: „Ich werde in Person [persönlich] vorangehen“[13] („Irai-je en personne“; „ma face ira-t-elle“) und sogar „leibhaftig“ assoziieren. Die Septuaginta gibt Angesicht auch prompt mit Prósopon (modern: Person) wieder.[14] Das Geleit JHWHs während der Wanderung durch die Wüste ist Mose überaus wichtig; die Zusage seines Gottes ist ihm immer noch nicht genug. Er insistiert daher (Ex 33,18): „Lass mich Deine Herrlichkeit sehen!“ Mose erhält die konkrete, aber offenbar auch allgemein gültige Antwort (Ex 33,20): „Du kannst mein Angesicht nicht sehen, denn ein Mensch kann mich nicht sehen und am Leben bleiben.“[15]

Die Herrlichkeit Gottes (kavod JHWHs) wird zum Standardbegriff für Epiphanien im Buch Exodus, findet sich aber auch bei Propheten wie Jesaja und im Psalter und steht für die Erscheinungsweise JHWHs, die für Menschen mehr oder weniger wahrnehmbar ist: die Güte, Vergebungsbereitschaft oder allgemein seine Werke.[16] „Herrlichkeit Gottes“ (kavod JHWHs) und „Angesicht Gottes“ (panim JHWHs), werden sie synonym verwendet?[17] Bei der Zwiesprache JHWHs mit Mose, dem politischen, charismatischen Führer, wird dieser mit seinem Wunsch, den kavod JHWHs sehen zu wollen, nicht abgewiesen. Mose wird nicht widersprochen, aber die Erfüllung des Wunsches bleibt offen.

JHWH unterstreicht aber Seine bleibende Güte und Barmherzigkeit, die an Mose vorüberziehen und durch Ausrufen Seines Namens bestätigt und bekräftigt wird, wobei es einzig JHWH überlassen ist, ob er weiterhin barmherzig handelt. Dann scheint es, als wolle der Erzähler JHWH erahnen lassen, dass Mose mit einem noch weiter- und tieferreichenden Wunsch aufwarten könnte. Daher (Ex 33,20):  „Du kannst mein Angesicht nicht sehen, denn ein Mensch kann mich nicht sehen und am Leben bleiben.“ „Nicht wirst du Mein Antlitz schauen können; denn nicht sieht mich ein Mensch und lebt.“[18]

Wenn Mose die bleibende, sichtbare Gegenwart Gottes, die dauerhafte Präsenz seines Angesichts, seines Antlitzes, begehrt, stößt er auf heftigen Widerstand, ein für allemal! Im Unterschied zu dem kavod (zur Herrlichkeit) mit sichtbaren Erscheinungen ist „panim Gottes persönliche Gegenwart“, „Er selbst (LXX: autós)“, „visuell nicht festzustellen, doch nicht minder präsent.“[19] „… du wirst hinter mir her sehen. Mein Angesicht aber wird nicht zu sehen sein“ (Ex 33,23b.c). Steht dem die Erzählung vom Bundesschluss am Sinai (Ex 24) im Wege?[20] Es wird erwähnt (24,10f), dass Mose und Aaron mit 70 (Symbolzahl) Ältesten den „Gott (Elohim) Israels sehen“, Er aber sie am Leben lässt: sie schauen Gott (Elohim) und lassen es sich gut sein (essen und trinken). Die unterschiedlichen Bezeichnungen für „Gott“: JHWH vs. Elohim weisen auf zwei Erzähler hin, die sich wohl durch voneinander abweichende Auffassungen auszeichnen.[21]

Die Frage der Sichtbarkeit (eines) Gottes[22] führt uns über die Exodustraditon mit Mose als Hauptfigur weit zurück in die ägyptische Religion. Die Ägypter verehren einen „Ersten Gott“ als den Höchsten. Er gilt ihnen als „unsichtbar und verborgen“, vor und „unabhängig von der Welt, zugleich aber auch als die Welt [identisch mit der Welt?].“[23] Ferner ist diese unsichtbare höchste Gottheit unfassbar und wird häufig als „Unsichtbare Finsternis“ bezeichnet und gepriesen.[24] Unsichtbarkeit ist verbunden mit Verborgenheit als Kehrseite. Wer diese Gottheit(en) wahrzunehmen versucht, „sieht“ sie verschleiert. Daher heißt es im Hinblick (!) auf die Göttin Sais auf der Inschrift an ihrem Tempel: „Ich bin alles, was war, ist und sein wird, und meinen Peplos oder Schleier hat kein Sterblicher je aufgedeckt“: Schleier als Symbol einer Unterscheidung zwischen Außen und Innen, Äußerem und Sichtbarem und „Etwas Verborgenem und Erhabenem, Unsichtbarem und für Sterbliche Unfaßlichem.“[25]

Daher insistiert JHWH: Nicht wirst du Mein Antlitz schauen können; nicht sieht mich ein Mensch und lebt. Wer glaubt, das unverhüllte Wesen der Gottheit schauen zu können, „wird geblendet werden von der transzendenten Ausstrahlung der Gottheit und dem Glanz ihrer Strahlen.“[26] Wollten wir uns darauf einlassen, unsere Vorstellung(en) von „Gott“ auf diese ehrfürchtige Distanz zwischen uns und „Gott“ einzustimmen, würde es uns vor mancher Vereinnahmung bewahren. Glaube, Gottvertrauen hieße dann „Suche nach Gott“, Spurensuche, und wir bräuchten nicht zu befürchten, dass die Suche sinnlos wäre. Wohl aber hieße es, in der Spur zu bleiben und möglichst nicht abzuweichen. Für den Juden ist die Tora, die hebräische Bibel, dabei eine lebenswichtige Hilfe, obwohl oder gerade weil ihre Auslegung immer wieder mühevoll ist und Menschen sprachlos machen kann.

Man bleibt auf der Suche nach der Bedeutung des Unsagbaren, nach dem Sinn des Unbegreiflichen; man wähnt sich auf der Spur des Undenkbaren, des Unaussprechlichen. Spur wird bei Lévinas zu einem philosophischen und religiösen Begriff. Das Religiöse, das Mysterium war vorübergehend [!] da, hinterließ eine Spur – jemand oder etwas.[27] „Die Spur ist nicht ein Zeichen wie jedes andere.“ Sie vermag „zu bedeuten, ohne in die Erscheinung zu rufen […].“ Betrachtet man die Spur als Zeichen, ist Lévinas Folgendes wichtig: „Ihr Bedeuten ist unabhängig von jeder Intention, ein Zeichen zu geben […].“ Doch ist diese Art Spur authentisch und „stört die Ordnung der Welt.“ Sie ist als Zeichen „vorbeigegangen“: „Sein auf die Weise des Eine-Spur-Hinterlassens ist Vorbeigehen, Aufbrechen“.[28]

Biograph Salomon Malka vermutet, Lévinas verdanke diesen Leitbegriff, einen der tragenden Pfeiler seines Denkens, der bedeutsamen Erzählung: Exodus 33,12–23; wo Mose begehrt, die Herrlichkeit JHWHs zu sehen, wird ihm entgegnet: „Du wirst meine Spur sehen, aber mein Angesicht kann man nicht sehen.“[29] (Nach Zürcher Bibel): „Du wirst hinter mir her sehen […].“[30]

In De visione dei versteht Cusanus „Gott“ wesentlich als den Unendlichen und hält alle „endlichen Begriffe“ über ihn für unangemessen.[31] „Gott“ entzieht sich, ist aber als Spur wahrnehmbar im Antlitz des Anderen. Wieder verweist Lévinas auf Exodus 33, indem er nahezu paradox formuliert:[32] „Der geoffenbarte Gott unserer jüdisch-christlichen Spiritualität bewahrt die ganze Unendlichkeit seiner Abwesenheit, die in der personalen Ordnung selbst ist [besteht]. Er zeigt sich nur in seiner Spur, wie in Kapitel 33 des Exodus. Zu ihm hingehen heißt nicht, dieser Spur, die kein Zeichen ist, folgen, sondern auf die Anderen zugehen, die sich in der Spur halten.“

Lévinas vermag Begriffe wie Antlitz (Angesicht), Spur, „Herrlichkeit des Unendlichen“[33] und „Antlitz des Anderen“ in seiner Ethik (und Ersten Philosophie) zu verbinden. „Die Idee des Unendlichen […] ereignet sich konkret in der Gestalt einer Beziehung mit dem Antlitz.“ Das „Unendliche setzt das Endliche, das es unendlich erweitert, voraus“.[34]Der Begriff des Antlitzes, auf den sich das ganze Werk von Lévinas stützt, „führt uns zu dem Gedanken eines Sinnes, der meiner Sinngebung vorausgeht und daher von meiner Initiative und meinem Können unabhängig ist.“ Und die Idee des Antlitzes erlaubt, „den Gedanken des Unmittelbaren zu beschreiben.“ „Das Unmittelbare ist der Anruf“, „Imperativ der Sprache“, „ist das Von-Angesicht-zu-Angesicht“.[35]

Lévinas entwirft Ethik als das Angesprochensein durch das Antlitz des Anderen. Der Andere ist der „Ort der metaphysischen Wahrheit und für meine Beziehung zu Gott unerläßlich.“ „Die Dimension des Göttlichen öffnet sich vom menschlichen Antlitz aus.“ Das „Transzendente“ fordert uns: „Die Nähe des Anderen, die Nähe des Nächsten, ist im Sein ein unerläßliches Moment der Offenbarung“. „Die eigentliche Epiphanie des Anderen besteht darin, uns durch sein Elend im Antlitz des Fremden, der Witwe und des Waisen zu fordern.“ „Der unsichtbare Gott – das bedeutet nicht nur einen Gott, der unvorstellbar ist, sondern einen Gott, der zugänglich wird in der Gerechtigkeit. Die Ethik ist die spirituelle Optik.“[36]

Das Antlitz fungiert bei Lévinas „nicht als Zeichen für einen verborgenen Gott, der mir den Nächsten aufnötigen würde“; vielmehr bedeutet das Antlitz als Spur „die Einladung zum großen Wagnis der Annäherung“ und damit auch des „Ausgesetztseins des Einen gegenüber dem Anderen“.[37] Die Nähe zum Anderen, „von Angesicht zu Angesicht und Gemeinschaft“: „der Begriff des Antlitzes drängt sich hier unweigerlich auf.“ Es bedeutet Angesicht „des Anderen, jedes Anderen, in seiner Alltäglichkeit“, es meint „das Einmalige, Uneinnehmbare, das mir gegenüber Andere und Fremde“, das sich an mich wendet, „in einer Beziehung der ethischen Forderung“. „Der erste Sinn des ‚visage‘ ist, daß jemand mich anblickt und damit mich ethisch betrifft.“[38]

Ein durch das Antlitz erwecktes Denken dominiert Wissen oder Erfahrung; es ist „älter und wacher“. Es ist dem Anderen nicht gleichgültig: „nicht ein Denken von …, sondern von vornherein ein Denken für …“.[39] Die Nähe des anderen Menschen ist für Lévinas verbunden mit Verantwortlichkeit für ihn. Das Antlitz des Anderen in seiner Fremdheit wird mir geradezu auferlegt; ist „dieses Mir-Obliegen des Fremden nicht die Weise, in der ein Gott ‚auftritt‘ [erscheint] oder in mein Denken einfällt, der den Fremden liebt und mich durch dessen Forderung in Frage stellt […]?“ Das Für-den-Anderen  bedeutet dann aber auch „das Zu-Gott“ in aller Nüchternheit.[40]

Für Lévinas bedeutet „Offenbarung Liebe zum anderen Menschen“; sie vollzieht sich „in der Nähe […] des fremden und möglicherweise nackten, mittellosen und nicht begehrenswerten Menschen, aber auch in seinem Antlitz, das mich fordert, in dem unabweisbar mir zugewandten Antlitz, das mich in Frage stellt. – All das beschreibt lediglich den Umstand, unter dem der eigentliche Sinn des Wortes Gott ins Denken einfällt […].“[41]

Mögen wir von Lévinas lernen, dass die Spurensuche nach „Gott“, nach dem „Angesicht Gottes“ nur nach ethischen Maßstäben erfolgen kann, die uns das Antlitz des Anderen, des Nächsten nahelegt. Das Antlitz stellt uns und somit auch unsere Freiheit in Frage und ruft uns in die Verantwortung. Andererseits gibt es eine gemeinsame Basis für den Anderen und das Ich: „Die Weise des Anderen, sich darzustellen, indem er die Idee des Anderen in mir überschreitet, nennen wir nun Antlitz.“[42] Das setzt freilich voraus, dass ich für ihn oder sie offen bin und möglichst ohne Vorurteile. Was unsere Nähe zu Gott betrifft, vermeidet Lévinas ein – aus christlicher Sicht mögliches – Missverständnis: „Der Andere ist nicht die Inkarnation Gottes […].“[43]

Vermutlich wird uns versagt, das „Antlitz Gottes“ zu schauen, damit wir ihn nicht vereinnahmen  wollen, wobei die bei uns in Kirche und Theologie verwendeten „Gottesbegriffe“ sich dem Ansinnen gefährlich nähern! Lévinas theoretisiert äußerst selten direkt „über Gott“, ihm liegt daran, wie wir Menschen, besonders den Notleidenden so begegnen, dass ihnen Gerechtigkeit widerfährt.[44]

Amen.


Pfarrer Thomas Bautz

Bonn

E-Mail: bautzprivat@gmx.de; th-bautz@t-online.de


[1] Zur Führerschaft JHWHs, s. Martin Mark: „Mein Angesicht geht“ (Ex 33,14). Gottes Zusage personaler Führung, HBS 66 (2011): (9) Das „höchstpersönliche“ Engagement JHWHs (548–584): (9.1) Die Antithese Elohim (acharim) – panim JHWHs [dort hebräisch], 548–552.

[2] S. insgesamt Barbara Schmitz: Geschichte Israels (2., aktual. Aufl. 2015): (6.2.) Ex–Dtn: Mose, der Auszug aus Ägypten und die Wüstenwanderung, 132–138.

[3] B. Schmitz: Geschichte Israels (2015), 137.

[4] B. Schmitz: Geschichte Israels (2015), 136f.

[5] B. Schmitz: Geschichte Israels (2015), 132.

[6] Ex 33,11 sicher eine Redewendung (ähnlich wie „von Mann zu Mann“); daher kein Widerspruch zu Ex 33,20.

[7] Das Thema „durchzieht das ganze Kapitel 33“; Gerhard von Rad: Theologie des AT, Bd. I: Die Theologie der geschichtlichen Überlieferungen Israels (81982): (V.) Die Wüstenwanderung, 293–302: 298.

[8] Kornelis Heiko Miskotte: Wenn die Götter schweigen. Vom Sinn des Alten Testaments (1966): (3. Teil) (II.) Das Angesicht, 386–394: 388–389.

[9] Hubert Pfeiffer: Nähe und Entzug Gottes in der Lichtung des Seyns. JHWHs Vorübergang (Ex 32–34) und der Gott des unendlichen Verhältnisses in Heideggers Wort vom Geviert, Epistemata. Philosophie 600 (2019): Biblischer Teil (3.) JHWHs Theophanie in Ex 32,30–34,9: (3.3.) Das Problem der Präsenz JHWHs inmitten seines Volkes und die Un-Möglichkeit JHWHs Antlitz zu sehen, 60–62.

[10]  Christoph Dohmen: Studien zu Bilderverbot und Bildtheologie des AT, SBAB 51 (2012): Gottes unerkennbare Gegenwart. Der Spannungsbogen zwischen Offenbarung und Mysterium, 144–153: 144.

[11] Miskotte: Wenn die Götter schweigen (1966), 389.

[12] Holy Bible. New International Version (1978), z.St., S. 96.

[13] Traduction œcuménique de la Bible (TOB). Édition intégrale. Ancien Testament (1986), z.St., S. 187.

[14] Septuaginta. AT, ed. Alfred Rahlfs, Bd. I: Leges et historiae (91935): LXX, z.St. (S. 145) : Ex 33,20.23. Stets zu empfehlen sind die Online-Bibeln: https://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/ueber-die-online-bibeln/.

[15] Man mag an Jakobs Kampf am Jabbok (Gen 32,23 –33) denken: Jakob erhält den Namen Israel, denn er hat mit Gott und Menschen gestritten und hat gesiegt (32,29b). Und Jakob nannte die Stätte Peniel; denn (sagte er): „Ich habe Gott von Angesicht zu Angesicht gesehen und bin mit dem Leben davongekommen“ (V. 31), Zürcher Bibel (2007), S. 49; TOB, S. 95 (s. Anmerkungen). Der Name Peniel (Penuel) bedeutet „Antlitz des El (Gottes)“, „since he has ‘seen Elohim face-to-face, yet his life has been preserved’ (32,31).” Der unbestimmte “Jemand” (“einer rang mit ihm”) ist augenscheinlich “an anthropomorphic manifestation of El/Elohim”; Michael Hundley: Yahweh among the Gods. The Divine in Genesis, Exodus, and the Ancient Near East (2022): (6) Yahweh, 203–253: Jacob’s Wrestling Match with the Man at Penuel, 228–234: 231; “von Angesicht zu Angesicht ist ebenfalls als Redewendung, wie “von Mann zu Mann”, empfunden. Cf. Jerusalemer Bibel (151979), z.St. (Anmerkung), mit Verweis auf Ex 33,20 (S. 53) – dazu: op.cit. (1979), S. 122 (Anmerkung); Zürcher Bibel (2007), S. 49.

[16] Cf. Thomas Hieke: Epiphanie AT (2015), wibilex, (2.6.) Die Herrlichkeit (kavod) JHWHs, S. 9.

[17] Cf. das Abwägen bei Roland Gradwohl: Bibelauslegungen aus jüdischen Quellen 1 (1986): „Mein Antlitz kannst du nicht schauen“ (Ex 33,17b–23), S. 108–117: 111.

[18] Gradwohl: Bibelauslegungen aus jüdischen Quellen 1 (1986), 108.

[19] Gradwohl: Bibelauslegungen aus jüdischen Quellen 1 (1986), 111.

[20] Cf. Hundley: Yahweh among the Gods (2022): (6) Yahweh, 249f.

[21] Es geht uns nicht um harmonisierende, Widersprüche nivellierende Exegese, vielmehr wollen Unterschiede bei den komplexen, vielfältigen Überlieferungen der hebräischen Bibel ernstgenommen werden. „Eine sichere Entschlüsselung der Chiffren ‚Herrlichkeit‘, ‚Antlitz‘ […]“ steht nach Auffassung des Rabbiners Gradwohl daher noch aus, „und sie wird angesichts des Textes – vielleicht des schwersten der ganzen hebräischen Bibel – auch nie gelingen.“ Gradwohl: Bibelauslegungen aus jüdischen Quellen 1 (1986), 111.

[22] Zur Problematik, s. Dohmen: Studien zu Bilderverbot und Bildtheologie des AT (2012): „Nicht sieht mich der Mensch und lebt“ (Ex 33,20). Aspekte der Gottesschau im AT, 122–140.

[23] Jan Assmann: Moses der Ägypter. Entzifferung einer Gedächtnisspur (1998, 2000): (III) (4) Hen kai pan – Ägyptens geheime Theologie nach Ralph Cudworth, 118–130: 124–125, 127; Or.: Moses the Egyptian. The Memory of Egypt in Western Monotheism (1997); beste für Ralph Cudworth (1617–1688) verfügbare Quelle war Plutarch: Über Isis und Osiris (124).

[24] J. Assmann: Moses der Ägypter (2000), 125. Wäre es nicht ein Übergriff (Metabasis) in das Gebiet (Genos) der modernen Kosmologie, möchte man an „Dunkle Materie“ als (nur) postulierte Form der nicht sichtbaren Materie denken.

[25] J. Assmann: Moses der Ägypter (2000), 126. Bekannt ist die verhüllte Götterstatue der Isis bzw. der Göttin von Sais, die schon in der Antike als eine göttliche Verkörperung angesehen wird.

[26] J. Assmann: Moses der Ägypter (2000), 126.

[27] Salomon Malka: Emmanuel Lévinas. Eine Biographie (2003): Die Spur, 94.

[28] Emmanuel Lévinas: Die Spur des Anderen (31998), 230–231.

[29] Nach Malka ist diese Übersetzung durchaus vertretbar und sinnvoll (op. cit., 94).

[30] S. Pfeiffer: Nähe und Entzug Gottes (2019): (3.4.) Sehen Gottes im Nicht-Sehen – „hinter JHWH her“, 62–65; Brian C. Howell: In the Eyes of God. A Metaphorical Approach to Biblical Anthropomorphic Language (2013), 248 (“After”).

[31] Ulli Roth: Suchende Vernunft. Der Glaubensbegriff des Nikolaus Cusanus (2000), 213.

[32] Lévinas: Die Spur des Anderen (31998), 235.

[33] Lévinas: Jenseits des Seins oder anders als Sein geschieht (42011): (III. 6. e.) Nähe und Unendliches, 209–212: 211; cf. Lévinas: Autrement qu’être ou au-delà l’essence (1978): (III. 6. e.) Proximité et Infini, 148–150 : 150.

[34] Lévinas: Totalität und Unendlichkeit (52014): (III. B.) Antlitz und Ethik (1.) Antlitz und Unendlichkeit, 277–283: 280–281; cf. Lévinas: Totalité et infini (1971): Visage et éthique (1.) Visage et infini, 215.

[35] Lévinas: Totalität und Unendlichkeit (52014): (I.) Das Selbe und das Andere (A.) Metaphysik und Transzendenz (5.) Die Transzendenz als Idee des Unendlichen, 59–66: 65 „Sinngebung“ im Original; Lévinas: Totalité et infini (1971): Le même et l’autre (A. 5.) La transcendance comme idée de l’infini, 39–45 : „L’immédiat, c’est le face à face“ (44).

[36] Lévinas: Totalität und Unendlichkeit (52014): (I. B.) Trennung und Rede (6.) Die Metaphysik und das Mensch-liche, 105–109: 106–108.

[37] Lévinas: Jenseits des Seins (42011), 210–211; cf. Lévinas: Autrement (1978): „Le visage comme trace“ (150).

[38] Lévinas: Wenn Gott ins Denken einfällt. Diskurse über die Betroffenheit von Transzendenz (31999): Thomas Wiemer erwägt etymologisch: das Wort „Ant-litz“ könne ursprünglich „das Entgegen-blickende“ meinen: (8.) Bemerkungen über den Sinn (195–228): Jenseits der Intentionalität, 207–215: 208–209 (A. m).

[39] Lévinas: Wenn Gott ins Denken einfällt (31999), 209.

[40] Lévinas: Wenn Gott ins Denken einfällt (31999): Der Sinn des Menschlichen, 220–222: 220–221.

[41] Lévinas: Wenn Gott ins Denken einfällt (31999), 222.

[42] Lévinas: Totalität und Unendlichkeit (52014), 63.

[43] Lévinas: Totalität und Unendlichkeit (52014), 108.

[44] Literatur zur Vertiefung: The Cambridge Companion to Levinas (2002): (3) Levinas and the face of the other (Bernhard Waldenfels), 63–81; The Oxford Handbook of Levinas (2019): (11.) Levinas and the Face of the Other (Diana Perpich), 243–258; Alexander Schnell: En face de l’extériorité. Levinas et la question de la subjectivité (2010): (VIII) Le visage, 125–136 ; James R. Mensch: Levinas’s Existential Analytic. A Commentary on Totality and Infinity (2015): (9) The Face, Totality and Infinity, III, A–B, S. 114–130; Levinas: Ethik als Erste Philosophie (2022): „Die Nähe des Anderen ist Aussagekraft des Antlitzes“ (28).

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