Freude der Buße

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Freude der Buße

Kurzpredigt zu Sacharja 9,9f | zu halten in der Universitätsgemeinde in Heidelberg am 2. 12. 2020 | verfasst von Michael Plathow |

Lied: NL 116

1. Im Kindergottesdienst hörte ich ihn; im Konfirmandenunterricht lernte ich ihn auswendig: alle Jahre wieder vernahm ich ihn im Advent: den alttestamentlichen Ruf „Du, Tochter Zion, freue dich, und du, Tochter Jerusalem, Jauchze! Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer, arm und reitet auf einem Esel, auf einem Füllen der Eselin“. Selbstverständlich bezog ich damals die Weissagung direkt auf Jesus. Später bei Bibelarbeiten der jungen Gemeinde und dann im Theologiestudium erkundete ich mit kritischem Blick den historischen Zusammenhang.

Der Prophet Sacharja war es, der diese Verheißung sprach. Mit einer Gruppe war er aus dem Babylonischen Exil heimgekehrt nach Jerusalem. Der Perserkönig Kyros, der den Zusammenbruch des Babylonischen Großreiches herbeiführte, hatte 529 v. Chr. sowohl die Rückkehr als auch den Wiederaufbau des 587 zerstörten Jerusalemer Tempels und die Rückgabe der Kultgegenstände verfügt. Die Rückkehrer erwartete aber keine blühende Landschaft. Da war nur Streit um Liegenschaften mit den Zurückgebliebenen. Da waren nur Trümmer und Schutt des zerstörten Tempels.

Das war der Augenblick, als Sacharja – wie der in Judäa verbliebene Prophet Haggai – drängte, jetzt, zügig und engagiert mit dem Wiederaufbau des Tempels zu beginnen. Bei aller Enttäuschung und Not ist es der Tempel, der den Ort der Gegenwart Gottes, Stätte der Gerechtigkeit und Hilfe, verspricht. Auch will der Tempelbau eine identitätsstiftende Gemeinschaftsaufgabe sein. Ob Sacharja seine Fertigstellung unter Serubbabel erlebt hat, wissen wir nicht.

Dieses historische Ereignis wird in der weiteren Überlieferung als heilvolle Wende und universale Erneuerung gedeutet, u. zw. durch eine Lichtgestalt. In visionären Bildern wird diese angesagt. Politische Machthaber wie der Perserkönig Kyros und dann der Sieger bei Issos 333 Alexander der Große bilden irgendwie die Folie. Doch im Sacharjabuch ist es anders, provozierend; diese Verheißung spricht von einem Anderen.

2. „Freue dich, Tochter Zion; jauchze, Tochter Jerusalem!“, ruft der Prophet. Es ist der Ruf zum freudigen Aufbruch, der Erhofftes schon jetzt anbrechen lässt. Es ist die Freude, der im Vertrauen auf Gott die Zukunft gehört. Denn in Zion und in Jerusalem ist Gott da, voller Verheißung.

Hier aber erschallt kein Triumpf der übermächtigen Sieger über die schmachvoll Besiegten, der Gewinner über die am Boden liegenden Verlierer. So bei Kyros, Alexander d. Großen, den kriegerischen Heroen. Vergänglich ist ihr Erfolg im Steingeröll der Weltgeschichte.

Diese Freude ist auf mehr gerichtet: auf einen, der Rettung und Heil, Shalom bringt. Dieser wird es sein, der Gerechtigkeit und Hilfe schafft, weil er Gerechter und Helfer ist.

Der Prophet sagt den Neuanfang in Judäa und die Zeitenwende in der Welt an: Schalom, Gerechtigkeit und Hilfe. Anders als menschliche Utopien, philosophische Entwürfe vom allgemeinen Wohl und „ewigem Frieden“. Wird da nicht schon vergessen, dass Frieden im Bewusstsein und Herzen, im Wollen und Tun von uns Menschen den Anfang hat?

Einen anderen Anfang von Schalom, Gerechtigkeit und Hilfe verheißt der Prophet. Mit ihm bricht an die Zeit des Heils: sowohl für Jerusalem, Ort von Gottes Sammlung des ganzes Volkes Israel, wie für den Tempel, Ort der Befreiung von Sünde und Schuld.

Ohne Pracht, gewaltfrei kommt der Verheißene „durchbohrt“, wie der Prophet anzeigt (12, 10f). Er ist es, der Rettung und Vergebung von Sünde und Schuld bringen wird. Und in Jerusalem, Haus des Friedens und Ort des Heils, werden die Völker zusammenkommen, um mit Israel Gott als den alleinigen Herrn anzurufen.

3. Liebe Gemeinde, „da wohnt ein Sehnen tief in uns, o Gott, …“ ; um mehr Gerechtigkeit und Hilfe, um mehr Schalom bitten wir (NL 116).

Welches Sehnen bewegt uns? Welche Erwartung jetzt im Advent?

Gewiss der gewünschte Impfstoff gegen Corona. „Brot für die Welt“ gegen den Hunger von Kindern. Gelingen friedlicher Revolutionen gegen diktatorische Systeme. Mehr Solidarität, Demut und Liebe in unserer Gesellschaft. Mehr Glaube und Hoffnung, da, wo Menschen und Völker sich von der Geschichte Gottes mit seinem Volk Israel faszinieren lassen und zu Israel sagen: „Wir wollen mit euch gehen; denn wir haben gehört: Gott ist bei euch“ (8, 23).

Das Neue Testament stimmt hierin ein mit der Erzählung von Jesu Einzug in Jerusalem (Mt 21,5).  Durch Jesus bleibt die christliche Kirche mit Israel verbunden. Und in Christi Advent schenkt sich der Schalom Gottes, „der höher ist als unsere Vernunft“. Es ist der Friede dessen, der, „durchbohrt“ am Kreuz und auferstanden am dritten Tag, ewiges Heil bringt, Schalom, in der Hoffnung auf das zukünftige Jerusalem.

Friede mit Gott und Erneuerung der Welt.

4. Liebe Gemeinde, Krippe und Kreuz, Buße und Freude begleiten den Advent des Heilands der Welt. Durch ihn sind wir gerufen, umzukehren zu Gott im Hören auf seinen Willen: kehrt hin zu Gerechtigkeit und helfender Liebe, „kehrt um!“. Und “wenn ihr mich von ganzen Herzen suchen werdet, so will ich mich von euch finden lassen“.

„Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist herbeigekommen“.

„Freut euch“.

Es ist die Freude, die Erwartetes schon voraus erlebt, weil sie aus Gottes Freude an seiner Welt entspringt.

Es ist die „Freude der Buße“ im Advent über den, der auf einem Esel kommt, gewaltfrei. Und doch ist seine Liebe die alles Zusammenleben beeinflussende Macht, Lebenselixier.

„Die Reiche der Welt vergehen“. Die Macht der Sorge um die Pandemie ist letztlich gebrochen. Die Stricke der Sünde und des Todes sind entzwei. Gott „ist da“, schenkt sein Heil. In Jesus, „Gott hilft, Gott rettet“, ist Gott Helfer, der Gerechtigkeit verheißt und schafft.

5. „Freude der Buße“, liebe Gemeinde, indem wir uns neu zu Gott kehren, indem wir zum Wohl von Mitmenschen und Mitwelt unseren Lebensstil, Haltung und Verhalten, ändern. Demut vor Gott und Liebe zum nahen und fernen Nächsten ziehen da Spuren von mehr Gerechtigkeit und helfender Liebe in Kirche und Gesellschaft, oft Spurenelemente.

„Macht die Tore weit und die Türen in der Welt hoch“, dass der Heiland einziehe in unsere Herzen, in die Konflikte der Familien, in die Spannungen unserer Gesellschaft, in die Zerrissenheit der Völker und der Mitwelt.

Welch eine Verheißung! Welch eine Hoffnung!

Freut euch, kehrt um und das Antlitz der Erde wird neu.

Liebe Gemeinde, durch die historischen Erinnerungen des alten Sacharja-Wortes vergegenwärtigt sich mir persönlich die Verheißung neu, spricht zu mir, berührt mich. Sie bringt mich in Bewegung: „Freue dich, jauchze! Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer, arm auf einem Eselsfüllen“.

„Unser Herr kommt!“. Amen.

michael@plathow.de

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