Hebräer 1,7.13-14

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Hebräer 1,7.13-14

 


18. Sonntag nach Trinitatis,
29. September 2002
Predigt über Hebräer 1,7.13-14, verfaßt von Paul Kluge

Michael – Wer ist wie Gott? (hebr.)

Hebr. 1,7.13-14
7 Von den Engeln spricht er zwar (Psalm 104,4): „Er macht seine Engel
zu Winden und seine Diener zu Feuerflammen“,
13 Zu welchem Engel aber hat er jemals gesagt (Psalm 110,1): „Setze
dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde zum Schemel deiner Füße
mache“?
14 Sind sie nicht allesamt [a] dienstbare Geister, ausgesandt zum Dienst
um derer willen, die das Heil ererben sollen?
a) Ps 34,8; Ps 91,11-12

Liebe Geschwister,

„Woran einer sein Herz hängt, das ist sein Gott.“ Diese
Feststellung Martin Luthers gilt heute, da Menschen ihr Herz an Hab und
Gut hängen, an Beruf und Karriere, an Fußballhelden und Fernsehstars.
Die Feststellung Luthers galt auch schon lange vor seiner Zeit, zum Beispiel
im zweiten Jahrhundert, als vermutlich der Hebräerbrief entstand:
Da gab es die griechischen und ihnen entsprechende römische Götter
mit ihren Kulten, und viele Menschen hatten ihr Herz an wenigstens einen
der Götter, an einen der Kulte gehängt. Dann gab es den römischen
Kaiser, der wie ein Gott verehrt werden wollte. Manche machten das als
Pflichtübung, andere waren glühende Verehrerinnen und Verehrer
des Kaisers, wenige – und das waren Christen – verweigerten diesen Gehorsam.
Deshalb ging der Staat, gingen seine Diener in vorauseilendem Gehorsam
gegen Christen vor.

Denn die Christen fielen unangenehm auf: Sie hatten ihre eigene Ordnung,
nach der auch Sklaven stimmberechtigt waren, Frauen nahmen Leitungsverantwortung
war, Wohlhabende teilten mit armen Schluckern – das alles brachte die
staatliche Ordnung durcheinander. Nicht die Zahl der Christen war für
den Staat bedrohlich, es war ihre so ganz andere Art zu leben, miteinander
und mit anderen umzugehen, die die herrschende Ordnung in Frage stellte.

Mit der Zeit nahm der Druck zu, aus Schikanen wurden immer offenere Verfolgungen,
es kam auch zu kurzen Prozessen und Verurteilungen, sogar zu Hinrichtungen.
Und das blieb nicht ohne Wirkung auf die Gemeinden: Manche fühlten
sich herausgefordert, entwickelten Bekennermut, wurden durch das, was
sie erlitten und erduldeten, in ihrem Glauben gestärkt. Andere –
und das waren die meisten – zogen ihre Köpfe ein und wurden vorsichtig.
Ihr Sinn stand nicht nach Gefängnis, Folter und Tod, sie wollten
leben, wollten überleben. Darum tauchten sie ab in die Unauffälligkeit,
nahmen – zum Schein, wie sie sich vorgaukelten – gelegentlich an den heidnischen
Kulten teil und am Kaiserkult. Dabei blieb nicht aus, dass sie Gefallen
daran fanden, mit der Zeit ihr Herz wieder an heidnische Götter,
gar an den Kaiser hängten.

Also mussten sie an den einen wahren Gott erinnert werden, der in Christus
Mensch geworden war, der die Menschen von Gesetz und Sünde befreit
hatte. Immer wieder sollten sie hören, dass kein Gott außer
dem einen sei, der Himmel und Erde gemacht hat und alles, was darin ist,
auch die weltlichen Herrscher.

So hatten es die Propheten gehalten, so hatten es Paulus und die Evangelisten
gemacht, so wollte es auch der Verfasser des Hebräerbriefes tun und
nichts unversucht lassen, die Christen bei ihrem Glauben zu halten, sie
in ihrem Glauben zu stärken und sie vor Abfall vom Glauben zu bewahren.

Nachdem er mit ein paar Zeilen an die Gleichheit von Gott und Christus
erinnert hatte, kam ihm ein guter Gedanke: Er wollte aus Worten der Psalmen
und Propheten ein neues Lied zusammenfügen, ein Lied, dass Gottes
Größe und Herrlichkeit besingt. Weil die Empfänger seines
Schreibens wie ihre heidnische Umgebung den Himmel von vielerlei Gestalten
belebt glaubten, wollte er Gott und Christus als die obersten, die höchsten
herausstreichen – und sich dazu der Engel bedienen.

Denn die waren als Boten Gottes bekannt, sie kamen von Anbeginn in der
biblischen Überlieferung vor, mal helfend, mal strafend, mal als
Überbringer einer Nachricht – und zuletzt als Künder der Auferstehung
Jesu. Sie waren schon bedeutende Wesen, diese Engel, waren auch sehr beliebt,
und besonders in der Volksfrömmigkeit spielten sie eine große
Rolle. Sie schienen den Menschen näher zu sein als Gott in seiner
Größe, die bisweilen als Ferne empfunden wurde. Auch entsprach
es den Gepflogenheiten an weltlichen Höfen, dass die Potentaten durch
Sprecher, durch Abgesandte mit ihren Untertanen sprachen – und diese mit
ihnen. Es gehörte einfach in die damalige Vorstellungswelt, dass
es zwischen Herrscher und Volk Mittelsmänner gab.

Dabei hatten diese Mittelsmänner oft großen Einfluss, sowohl
als Berater ihrer Herren – hatten sie doch das Ohr am Mund des Volkes
– als auch als Überbringer von Bitten, Anträgen und Petitionen
– lag es doch an ihnen, was sie wie an den Herrscher weitergaben.

Diese Engel, sagt der Schreiber des Hebräerbriefes den Gemeinden,
diese Engel sind nichts weiter als dienstbare Geister, und das in zweifacher
Hinsicht: Einerseits stehen sie im Dienst Gottes, im Dienst Jesu Christi
als ihrem Herrn, und andererseits im Dienst der Kinder Gottes, die das
Heil erben sollen.

Das bedeutet zum einen: Jesus Christus herrscht als König, alles
ist ihm untertänig, alles legt ihm Gott zu Fuß. … Fürstentümer
und Gewalten, Mächte, die die Thronwacht halten, geben ihm die Herrlichkeit;
alle Herrschaft dort im Himmel, hier im irdischen Getümmel ist zu
seinem Dienst bereit. (EG 123).

Und das bedeutet zum anderen: Gott ist deine Zuversicht und Zuflucht
in Gefahren. Der Allerhöchste täuschet nicht, er wird dich treu
bewahren. Der Herr wird seiner Engel Wacht auf deine Wege senden, die
tragen dich in Gottes Macht auf ihren treuen Händen. (EG ERK Reimpsalm
91,4).

So gibt das Lied am Anfang des Hebräerbriefes den Leserinnen und
Lesern, den Hörerinnen und Hörern das gute Gefühl der Geborgenheit
bei Gott; zeigt ihnen Gott als den, auf den Verlass ist, weil er sich
um die Menschen kümmert, ihnen wohl will, sie liebt; macht ihnen
Mut, weil sie in Christus einen Herrn haben, der über allen und allem
anderen steht. Das Lied am Anfang des Hebräerbriefes vergewissert
die Christen ihres Glaubens, immunisiert sie gegen das, woran andere ihr
Herz hängen und was sie zu ihren Göttern machen. Das Lied, fast
ganz aus Bibelstellen zusammengefügt, bindet ein in die Geschichte
Gottes mit seinem Volk, erinnert an Erfahrungen des Volkes mit seinem
Gott und stellt – in Ablehnung aller anderen Götter und Vergötterungen
– klar: Es gibt keinen Gott außer dem einen Gott, Vater, Sohn und
heiligem Geist.

Amen

Paul Kluge, Provinzialpfarrer im
Diakonischen Werk in der
Kirchenprovinz Sachsen e. V.
Paul.Kluge@t-online.de

Zur Information:

MICHAEL
wird als der – schon vor Beginn der Schöpfung – Luzifer stürzende
Kämpfer dargestellt. Er war nach der Überlieferung der Engel
mit dem Schwert, der Adam und Eva aus dem Paradies trieb und den Lebensbaum
bewachte (1. Mose 3, 23 – 24) und der Seth einen Zweig vom Baum der Erkenntnis
reichte. Er zeigte Hagar, der von Abrahams eifersüchtiger Frau Sara
vertriebenen Magd, die Quelle zur Rettung ihres und ihres Sohnes Leben
(1. Mose 16, 7 – 12). Michael gilt als einer der drei Männer, die
Abraham besuchten (1. Mose 18, 1 – 16), er hinderte Abraham, den Isaak
zu töten (1. Mose 22, 11 – 18), und er rang mit Jakob (1. Mose 32,
24 – 29). Michael teilte demnach das Rote Meer beim Auszug aus Ägypten
(2. Mose 14, 19 – 22), führte Israel ins gelobte Land und kämpfte
mit dem Teufel um die Seele von Mose. Rettend erschien er den Jünglingen
im Feuerofen bei Daniel (Daniel 3, 25 – 26), er erschien Daniel in dessen
endzeitlichem Kampf gegen das Perserreich (Daniel 10) und hielt Habakuk
an den Haaren über die Löwengrube.
Martin Schongauer: Michael und der Drache, 1470

In den Darstellungen der Johannes-Offenbarung erfüllt Michael seine
besondere Aufgabe beim jüngsten Gericht: seine Posaune erweckt die
Toten aus den Gräbern, er befreit die Frau mit dem Kinde und tötet
im endzeitlichen Kampf – in mächtiger Bewegung, gerüstet und
mit großen Flügeln – den Drachen zu seinen Füßen
(Offenbarung 12, 4 – 7). Michael wird auch als der Engel identifiziert,
der den anderen Drachen in den Abgrund stürzt (Offenbarung 20, 2
– 3), er wird nach Kommentaren zur Apokalypse beim Erscheinen des Antichrist
auch diesen töten. Er gilt als der Seelengeleiter – der ältesten
Vorstellung vom ägyptischen Thot und dem Hennes in griechischer Mythologie
entsprechend – und hält die Seelenwaage; noch heute wird er deshalb
im Totenoffizium der katholischen Kirche angerufen mit der Bitte, „dass
der Bannerträger Sankt Michael die Seelen ins heilige Licht führe“.
Michael empfängt demnach die Seligen im Paradies, so wie Petrus an
der Himmelspforte.
Michael war der „Fürst der Synagoge“ und gilt als der „Fürst
der Kirche“. Mit Raphael, Gabriel und Uriel ist Michael einer der
vier Erzengel.

Schon Mitte des 5. Jahrhunderts weihte Papst Leo I. die Kirche S. Michele
in Rom. Michael war der Schutzherrn des Heiligen Römischen Reichs
Deutscher Nation. Viele Kirchen und Bergkapellen sind ihm geweiht, die
bekannteste ist vermutlich die der Überlieferung nach 709 unter Bischof
Autbert auf Michaels Geheiß entstandene und nach ihm benannte Kirche
Mont Saint Michel in der Normandie. Michaels Fest wurde auf dem Konzil
von Mainz 813 durch Ludwig, den Frommen, festgelegt auf die bisher der
Verehrung des Wotan geheiligten Woche von Herbstbeginn an. Als typisches
Motiv in der Gegenreformation wurden Siegesdarstellungen des Michael vielfach
gegen politische und religiöse Gegner verwandt. Die Gestaltung des
Satans und der gefallenen Engel als hermaphroditische Monster bezichtigte
die protestantischen Gegner auch sexueller Ausschweifungen.

Als Wetter- und Lostag zum Ende des Vierteljahres war der Michaelistag
den Bauern wichtig, vielerorts Anlass für Feste, am bekanntesten
ist wohl der Dürkheimer Michaelismarkt, auch Wurstmarkt genannt.
Seit 1969 wird zum Michaelistag auch der Erzengel Gabriel und Raphael
gedacht.
Aus: www.Heiligenlexikon.de

 

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