„Himmelfahrtskommando“

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„Himmelfahrtskommando“

„Himmelfahrtskommando“,

Predigt zu Lukas 24, 45-49,
verfasst von Eike Kohler (21.5.)


„Himmelfahrtskommando“

Liebe Gemeinde,

„die Welt zu Gast bei Freunden“ – unter diesem Motto bereitet sich unser Land zur Zeit darauf vor, einen großartigen Wettbewerb darüber auszutragen, welches Team am besten in der Lage ist, das Runde mit Hilfe von Strategie und spielerischem Können ins Eckige zu befördern. Dass die Begleitung und Motivation ihres Teams nicht für einige der angereisten Fans zu einem Unternehmen ohne Wiederkehr wird, das können wir angesichts der bekannten Probleme mit Hooligans und besonders angesichts der jüngsten Ereignisse nur hoffen und dafür beten, genauso wie viele in Deutschland auf einen Sieg unserer Mannschaft hoffen und vielleicht auch dafür beten.

Diese beiden Wagnisse hatte ich allerdings nicht im Sinn, als ich vor einigen Monaten den Begriff „Himmelfahrtskommando“ als Titel für den heutigen Gottesdienst ausgesucht habe.

Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit heute auf einen anderen Wettbewerb richten, der ebenfalls den Titel „Weltmeisterschaft“ verdient. Dieser Wettbewerb dauert allerdings nicht nur ein paar Wochen, und die Disziplin ist ebenfalls eine ganz andere – es geht nicht um Fußball oder Basketball oder Eishockey, auch nicht um die Weltmeisterschaft im Schachspiel oder im besten Pop-Song. Es geht schlicht um „die“ Weltmeisterschaft überhaupt – um den Wettbewerb darin, wie wir diese Welt meistern können, wie wir mit dieser Welt am besten umgehen, wie wir unser Leben in ihr am besten gestalten können. Das ist vielleicht noch schwieriger, als die Herausforderung, besser als alle anderen das Runde ins Eckige zu treten. Besonders, weil wir diesen Wettbewerb nicht bequem zuhause vor dem Fernseher verfolgen können, auch nicht von den Rängen der Fankurve aus – wir sind selbst dabei, mitten auf dem Spielfeld, und müssen sehen, wie wir unser Team im Spiel halten.

Wie kann das gehen? Der Text aus dem Lukasevangelium, den wir vorhin gehört haben, stellt meines Erachtens so etwas dar wie die letzten Worte des Trainers, bevor er seine Mannschaft allein auf Spielfeld ziehen lässt. Nachdem der Auferstandene sowohl den Aposteln in Jerusalem wie auch den beiden Jüngern auf dem Weg nach Emmaus begegnet ist, erscheint er abermals in der Runde der versammelten Jünger – ich vermute, es waren auch Jüngerinnen dabei – und spricht mit ihnen, bevor er mit einem Segen von ihnen Abschied nimmt. Ich lese erneut die Verse 45 bis 49 aus dem Bericht des Lukas:

45 Da öffnete er ihnen das Verständnis, so daß sie die Schrift verstanden, 46 und sprach zu ihnen: So steht’s geschrieben, daß Christus leiden wird und auferstehen von den Toten am dritten Tage; 47 und daß gepredigt wird in seinem Namen Buße zur Vergebung der Sünden unter allen Völkern. Fangt an in Jerusalem, 48 und seid dafür Zeugen. 49 Und siehe, ich will auf euch herabsenden, was mein Vater verheißen hat. Ihr aber sollt in der Stadt bleiben, bis ihr ausgerüstet werdet mit Kraft aus der Höhe.

Drei Themen entdecke ich in diesen Worten Jesu, auf die wir achten sollten: Wahrnehmen – Mitspielen – Durchhalten.

1. Wahrnehmen

Beginnen wir zunächst mit dem Wahrnehmen. Das Wahrnehmen steht am Anfang, kommt vor aller eigenen Tätigkeit der Jüngerinnen und Jünger. Zunächst geht es um das Wahrnehmen der Schrift, also von Gesetz, Propheten und Psalmen, wie es im vorausgehenden Vers heißt. Auf diese Urkunden des Willens Gottes für sein Volk verweist der Auferstandene die Jünger: So steht’s geschrieben! Was da steht, ist freilich nicht so unmittelbar einleuchtend, wie wir Protestanten es manchmal gerne hätten: es braucht eine Verstehenshilfe.

Schon auf dem Weg nach Emmaus hatte der Auferstandene den beiden Jüngern ausführlich erklären müssen, wie die schrecklichen Ereignisse, die sie aus Jerusalem vertrieben haben, zu dem Heil passen, das Gott seinem Volk durch Moses und die Propheten verheißen hat. Und auch in dieser großen Runde muss Jesus erst einmal eine Bibelarbeit ansetzen, den Jüngerinnen und Jüngern die Augen öffnen für ein neues, anderes Verständnis dessen, was ihnen allen längst so vertraut schien.

„So steht’s geschrieben“ – nämlich „dass Christus leiden wird und auferstehen von den Toten am dritten Tage“. Dass auch Jesu Tod am Kreuz im Einklang steht mit dem Willen Gottes, ja dass gerade durch dieses schreckliche Ereignis das von Gott verheißene Heil für sein Volk und die ganze Welt Wirklichkeit werden soll – das war alles andere als selbstverständlich für die Menschen damals. Haben doch selbst heute nach 2000 Jahren Christentum viele Menschen noch große Schwierigkeiten, es zu verstehen.

Und doch gelingt es dem Auferstandenen, seine Jüngerinnen und Jünger zu einer neuen Sicht zu führen. Er öffnet ihnen die Augen für die Hinweise auf Leiden und Tod an vielen Stellen, an denen die Hoffnung auf den kommenden Messias und sein Friedensreich ihren Halt findet. Eine neue Wahrnehmung ermöglicht es den Jüngern, an der alten Hoffnung festzuhalten, trotz allem, was passiert ist. Es ist kein Gespenst, das hier zu ihnen spricht, sondern wahrhaftig der auferstandene Messias. Der Tod am Kreuz ist nicht das Ende, sondern der Anfang von Gottes Heil für alle Menschen. Dies ist die erste Lektion, die sie lernen müssen auf dem Weg zu dem Team, das bald zum global player werden soll im Wettbewerb um den wahren Gott und die beste Weise, im Einklang mit seinem Willen zu leben.

Aber es gibt noch mehr wahrzunehmen. Jesus bleibt nicht bei der Erklärung der Vergangenheit stehen, er lenkt den Blick auf die Zukunft. „Dass gepredigt wird in seinem Namen Buße zur Vergebung der Sünden unter allen Völkern“, darum geht es im zweiten Teil der Bibelarbeit für Jesu Jüngerinnen und Jünger. Die Umkehr aller Völker am Ende der Zeit von ihren bösen Wegen zum Dienst für den einen, wahren Gott Israels ist eine Hoffnung, die schon im Buch des Propheten Jesaja und an manchen anderen Stellen der Schrift zu finden ist. Nun ist diese Zeit gekommen, und die Jüngerinnen und Jünger sollen daran mitwirken. Die Völker sollen erfahren, was Gott von ihnen erwartet, sie sollen zur Umkehr gerufen werden, zur Abwendung von ihren bösen Wegen und zur Hinwendung zu dem Gott, der allein Heil schenken kann: der Gott Abrahams und Isaaks, der Gott Israels.

Zwischen dem, was Gott bereits getan hat durch Jesus und dem, was er noch tun will durch sie selbst, stehen Jesu Jüngerinnen und Jünger kurz vor dem Abschied von Jesus und müssen lernen, Vergangenheit und Zukunft neu zu sehen, damit sie bereit werden für ihre Aufgabe in der Gegenwart – Zeugen zu sein für das, was Gott getan hat, und Zeugen für die Hoffnung auf das, was Gott noch tun will in der Zukunft. Uns geht es ähnlich heute – zwischen Ostern und Pfingsten stehen wir erneut vor der Aufgabe wahrzunehmen, was Gott bereits getan hat, und was er noch tun will – für uns, mit uns und durch uns. Zeugen sein können wir nur für das, was wir selbst wahrgenommen haben, aber damit wir Gottes Handeln wahrnehmen können, brauchen auch wir eine Verstehenshilfe, brauchen wir jemanden, der oder die uns die Augen öffnen für die verborgenen Hinweise auf Gottes Heil mitten im Unheil unserer Welt. Der Glaube kommt aus dem Hören, und so sind wir angewiesen auf Menschen, die vor uns hingehört haben, und die nun an uns weitergeben, was sie wahrgenommen haben.

2. Mitspielen

Weitergeben, was sie wahrgenommen haben – damit sind wir beim zweiten Thema der Abschiedsrede: dem Hinweis auf die Art und Weise, wie die Jüngerinnen und Jünger mitspielen sollen. Anders als Matthäus in seinem sogenannten „Missionsbefehl“ spricht Lukas nicht vom erwünschten Ergebnis, Menschen zu Jüngern zu machen, sondern legt den Fokus ganz darauf, wie die Jünger handeln sollen: sie sollen Zeugen sein. Nicht Macher, nicht diejenigen, die Gottes Werk selbständig auf der Erde erledigen, wie man die Formulierung bei Matthäus verstehen könnte, sondern lediglich Zeugen, Menschen, die etwas wahrgenommen haben und davon sprechen. „Wir können’s ja nicht lassen, von dem zu reden, was wir gesehen und gehört haben“, so schildert Lukas in der Apostelgeschichte die Verteidigung des Petrus und des Johannes gegenüber demHohenpriester und den Ältesten, als man sie wegen ihrer Predigt zur Rede stellt.

Diese etwas bescheidenere Perspektive des Lukas auf das Thema Mission ist vermutlich einer der Gründe, warum die Missionstheologie sich nach den schlechten Erfahrungen mit den kolonialistischen Formen von Mission in der Vergangenheit heute verstärkt der Erzählung von den Emmaus-Jüngern als Basis für moderne Mission zuwendet. Das nächsten Monat in deutscherÜbersetzung erscheinende Diskussionspapier des Lutherischen Weltbundes ist dafür ein gutes Beispiel. Wie viele andere seit der Mitte des 20. Jahrhunderts geht dieses Dokument davon aus, dass Mission zum Wesen von Kirche gehört, aber nicht als eigenständiger Auftrag, sondern als Teilhabe an der sogenannten missio dei, an Gottes Mission, als Mitwirken an Gottes Handeln zur Verwirklichung seines Reiches in dieser Welt.

Dabei geht es natürlich auch darum, zu erzählen, was wir von Gottes Handeln durch Jesus Christus und in der Welt wahrgenommen haben. Zum Zeuge sein gehört der Bericht über das Wahrgenommene unabdingbar dazu. Im Unterschied zu früheren Zeiten haben die Worte aber an Gewicht verloren. Gegenstand des Zeugnisses ist nicht mehr so sehr das vergangene Handeln Gottes in Jesus Christus allein, als vielmehr das Handeln Gottes in Jesus Christus als Teil des Handelns, mit dem Gott sein Reich in dieser Welt aufrichten will. In den Worten des 1. Petrusbriefes: Seid allezeit bereit zur Verantwortung vor jedermann, der von euch Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die in euch ist“. Von dieser Hoffnung Zeugnis zu geben, braucht aber nicht nur Worte, sondern vor allem Taten.

Wenn wir glaubwürdig von unserer Hoffnung auf das kommende Reich Gottes reden wollen, dann muss auch unser Handeln von diesem Reich der Gerechtigkeit und des Friedens Zeugnis ablegen können, so der Tenor des Diskussionspapiers des Lutherischen Weltbundes. Dafür werden drei große Kriterien benannt: Veränderung, Versöhnung und Befähigung. Auch die Kirche ist längst noch nicht vollkommen, bedarf der weiteren Veränderung, um ein immer deutlicherer Hinweis auf die Gerechtigkeit und den Frieden werden zu können, die Gott uns verheißen hat. Die Versöhnung mit Gott, die uns in Christus angeboten ist, muss auch auf die Versöhnung mit unseren Mitmenschen ausstrahlen. Und unsere Nächstenliebe darf nicht dazu beitragen, Menschen in neue Abhängigkeiten zu führen, sondern muss sie zu mehr Selbständigkeit und einem aufrechten Gang befähigen, wenn sie ein Abbild der Liebe Gottes zu uns Menschen sein will. All dies gehört zum Zeuge-Sein unabdingbar hinzu. Nur indem wir an Gottes befreiendem und versöhnendem Handeln teilhaben, können wir davon glaubwürdig Zeugnis geben. Oder wie es ein anglikanischer Bischof einmal formuliert hat: „Gebt Zeugnis von der Hoffnung, die in euch ist – wenn nötig, auch mit Worten!“ Zeuge zu sein, bedeutet, mitzuspielen bei Gottes Mission in dieser Welt, nicht im Abseits zu stehen und zu warten bis Gott sein Reich verwirklicht hat. Eine der Gemeinsamkeiten zwischen dem Fußball und der Weltmeisterschaft, von der wir reden, ist es, dass die Abseitsregel gnadenlos zur Anwendung kommt. Nur wer mitspielt, dessen Zeugnis wird glaubwürdig sein, nur wer selbst die Umkehr vollzogen hat und sich von Gottes Willen leiten lässt, kann andere dazu aufrufen – sei es mit Worten, oder durch seinen Lebensstil.

An dieser Stelle möchte ich gerne noch etwas konkreter werden. „Fangt an in Jerusalem“, so lautet der Aufruf des Auferstandenen an seine Jüngerinnen und Jünger. Ich lese das als Hinweis, dass Mission nicht ein großer Akt sein muss, nicht eine herausgehobene Tätigkeit jenseits des normalen Alltags. Nein, Zeugen für die Hoffnung auf Gottes Reich des Friedens und der Gerechtigkeit sind wir vor allem da, wo wir ganz alltäglich leben und handeln. Dort, wo deutlich wird, dass wir uns darum bemühen, Menschen gerecht zu werden, auf Versöhnung zwischen Menschen hinzuwirken und Menschen nicht klein zu machen, sondern als Kinder Gottes mit ihren Gaben und Fähigkeiten wertzuschätzen und zu unterstützen.

Das gilt für uns als einzelne, aber auch als Institution. Hier an der Universität sind wir ja ständig damit befasst, Menschen in ihren Lern- und Entwicklungsprozessen zu fördern und zu unterstützen. Dabei stehen wir immer wieder vor der Frage, ob wir den Menschen mit ihren unterschiedlichen Voraussetzungen und Fähigkeiten gerecht werden mit unserem Unterricht und unseren Prüfungen. Und natürlich stellt sich uns als Institution auch die Frage, ob wir mit unserem Verhalten zu wachsender Ungerechtigkeit in der Welt beitragen, wenn wir z.B. ab dem kommenden Semester Studiengebühren von den Studierenden fordern, oder wenn wir unsere Forschungsergebnisse in Zeitschriften publizieren, die wegen ihres hohen Preises nur von wenigen Menschen gelesen werden können. Wir stehen hier vor der Herausforderung, trotz ungünstiger Bedingungen auch denen einen Zugang zur Bildung zu ermöglichen, die mit geringen Ressourcen ausgestattet sind, sei es durch Stipendien, sei es durch die Konzeption von berufsbegleitenden Bildungsmaßnahmen, sei es durch die Nutzung und Förderung von Initiativen zur freien Veröffentlichung von Forschungsbeiträgen, die derzeit weltweit im Wachsen begriffen sind.

Nur wenn wir auch in unserem Handeln danach trachten, der Hoffnung auf Gottes Reich der Gerechtigkeit und des Friedens zu entsprechen, wird unser Zeugnis glaubwürdig sein, werden wir zu Mitspielern in der großen Weltmeisterschaft um das wahre gottgemäße Leben in dieser Welt. Dies ist die konsequente Weiterführung des zweiten Gedankens, den der Auferstandene nach Lukas an seine Jüngerinnen und Jünger vermittelt: Fangt an in Jerusalem, und seid Zeugen für Gottes Handeln in dieser Welt. Seid Zeugen, und werdet so Mitspieler, jede und jeder an dem Ort, an dem er oder sie steht und lebt. Alles weitere ergibt sich dann aus dem Spielgeschehen.

3. Durchhalten

Freilich, dieses Mitspielen ist nicht so einfach, und damit sind wir beim dritten Thema: dem Durchhalten. Wie schaffen wir es, gegen alle Widrigkeiten dem ursprünglichen Auftrag treu zu bleiben? Was hilft uns, angesichts der Ungerechtigkeit und des Unfriedens in der Welt die Hoffnung auf Gottes Reich der Gerechtigkeit und des Friedens nicht aufzugeben?

Auch hier macht sich die Bescheidenheit des Lukas bezahlt, weil sie uns den Blick schärft für dieÜberforderungen, die wir uns oft zumuten: Wir müssen es ja nicht selbst machen. Gott gibt uns nicht einen Befehl und verschwindet dann, um irgendwann an einem fernen Ort unsere Erfolgsmeldung abzuwarten. Es bleibt Gottes Angelegenheit, sein Reich auf dieser Welt zu errichten. Wir sind nicht seine Macher, sondern seine Zeugen. Wo uns sein Wort trifft, wo wir etwas wahrnehmen von dem, was er mit uns und unter uns tun will, da packt uns die Sehnsucht, vielleicht auch die Begeisterung, und wir können fast gar nicht anders, als mitzuwirken an Gottes Werk.

Solange das aber nicht geschieht, sollten wir nicht etwa in frommem Leistungsdruck auf eigene Faust loslegen, sondern das beherzigen, was der Auferstandene seinen Jüngern ans Herz gelegt hat: Bleibt in der Stadt, bis ihr ausgerüstet werdet mit der Kraft aus der Höhe. Bleibt an eurem Platz, haltet Augen und Ohren offen, und wartet, bis ihr erkennt, wozu Gott euch gebrauchen will, wartet, bis das Feuer der Begeisterung in euren Herzen entflammt. Erst dann ist der richtige Zeitpunkt.

Wir sind nicht verantwortlich für das Reich Gottes, wir sind nur Zeugen, Mitspieler im großen Prozess seiner Verwirklichung hier in dieser Welt. Wenn wir uns das immer wieder vor Augen halten, können wir auch Zeiten der Erschöpfung und des Zweifels ertragen, weil wir wissen: wir müssen nicht durchhalten um jeden Preis. Wir dürfen auch schwach sein wie Elia, wir dürfen uns wie er in der Wüste unter den Busch legen und warten, bis wir neue Stärkung erhalten und uns von neuem der Ruf ereilt, das Feuer packt. Zeuge sein heißt, dass wir Augen und Ohren offen halten, aufmerksam sein sollen für das, was Gott unter uns tut und tun will. Was darüber hinaus nötig ist, das wirkt sein Geist in uns, die Kraft aus der Höhe, die Gott uns verheißen hat.

„Bleibt in der Stadt, bis ihr ausgerüstet werdet mit Kraft aus der Höhe“ – das bedeutet für mich auch: Zieht euch nicht zurück, bleibt in Gemeinschaft miteinander. Auch das ist eine Quelle von Kraft und Ermutigung, und in der Gemeinschaft fällt die Wahrnehmung leichter, weil wir uns gegenseitig die Augen öffnen können für das, was Gott unter uns tut. Schon Augustin hat sich den Geist als Redner vorgestellt, der uns mit Begeisterung erfüllt durch das Wort Gottes, das uns verkündet wird. Auch wenn der Geist Gottes weht, wo er will: Wenn uns das Wort Gottes treffen soll, wenn wir uns anstecken lassen wollen vom Geist Jesu Christi, dann sollten wir uns dort aufhalten, wo sein Wort verkündet wird, wo Menschen weitergeben, was sie von Gott wahrgenommen haben: in der Gemeinschaft der Glaubenden und Hoffenden. Das muss nicht immer eine Kirche sein, schon wo zwei oder drei zusammenkommen, hat Gott ihnen seine Gegenwart verheißen.

Darin also liegt die Kraft zum Durchhalten: dass wir nicht selbst alles leisten müssen, sondern auf Gottes Geist warten dürfen, und dass wir immer wieder Orte finden, an denen wir auf diesen Geist warten können bis er uns von neuem trifft.

4. Himmelfahrtskommando

Wahrnehmen, mitspielen, durchhalten – mit diesen drei Begriffen lässt sich die Mission beschreiben, in die Gott uns hinein nehmen möchte – seine Mission, die Aufrichtung seines Reiches in dieser Welt. Es ist keine einfache Mission, keine, die man rasch hinter sich lässt, um sich dann neuen Aufgaben zuzuwenden. Sie ist eher das, was man im Englischen ein „one-way-ticket“ nennt und im Deutschen mit „Himmelfahrtskommando“ übersetzt: eine Reise ohne Wiederkehr, ein Auftrag, der uns beschäftigt bis zum Tod. Heute wird das nur in seltenen Fällen ein gewaltsamer Tod um unseres Auftrags willen sein – früher war das anders, im griechischen Begriff „Märtyrer“, den wir als „Zeuge“ übersetzen, klingt das noch nach. Heute können wir das Himmelfahrtskommando positiver sehen: Es ist nicht nur der letzte Auftrag Christi vor seiner Himmelfahrt, sondern auch ein Auftrag, der uns alle dem Himmel ein Stück näher bringen soll, indem wir dazu beitragen, dass der Himmel auch auf der Erde Wirklichkeit wird. „Er wurde Mensch, damit wir vergöttlicht werden“ hat die Ostkirche zu dieser Einsicht formuliert. Lassen wir uns begeistern von diesem Angebot Gottes, warten wir darauf, dass auch uns die verheißene Kraft aus der Höhe erfasst und hineinzieht in ein Leben zur Ehre Gottes – damit wir Weltmeister werden, Meisterinnen und Meister darin, in dieser Welt so zu leben, wie es Gottes Willen entspricht.

Gott sei Dank dafür, dass er uns diese Möglichkeit schenkt! Amen.


Dr. Eike Kohler
Wiss. Assistent für Praktische Theologie
an der Evang.-Theol. Fakultät der Universität Bonn
eikekohler@uni-bonn.de

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