Jesaja 1;6

Jesaja 1;6

Fast durchgängig gereimte Faschingspredigt | Estomihi | 11.02.2024 | Jesaja 1 und 6 in Auswahl | Uland Spahlinger |

Gnade vor allem und Frieden und

Freude sei bei uns – in dieser Stund‘.

Als ich neulich ‘nem Freund erzähle,

dass ich für heute die Reimform wähle,

da fragt der: ja meinst du ehrlich?

Ist Witze machen nicht gefährlich?

Die Zeiten sind doch furchtbar öde,

die Reden fad und ziemlich schnöde,

Bei uns gibt’s keinen Feuerlurch,

der Aiwanger ist auch schon durch….

Obwohl, das muss ich rasch erzählen

und euch mit seiner Logik quälen:

Neulich war der Herr Wirtschaftsminister

In Regensburg beim Hotelierverband.

Und da nun zog er alle Register

Und verkündete unter der Hand,

dass die Ampel, die in Berlin da oben,

die Mehrwertsteuer hat angezogen,

um damit, o ja, da kriegst du die Motten,

in Bayern die Stammtische auszurotten!

Und ist der Stammtisch ausradiert,

dann wird ja nicht mehr diskutiert

und politisiert,

sich echauffiert.

Denn wenn das Bier zu teuer wird,

geht keiner mehr zum Wirt.

Herrn Aiwanger besorgt das sehr:

Wo kriegt er dann die Stimmen her?

Mann, die Behauptung, die ist kühne,

Hubert hat Angst um seine Bühne!

Doch damit nun genug genannt,

der hat sich wieder mal verrannt

und zeigt der Welt ganz unverdreht,

wie er die Politik versteht.

Der Mann ist damit nicht alleine,

die Sprücheklopfer sind Legion,

und viel zu viele haben keine

Spur von Respekt in ihrem Ton.

Sie reden kaum noch zu den Sachen,

woll’n ihre Gegner runtermachen.

Da wird gepöbelt, massakriert,

und ausgeteilt ganz ungeniert.

Denn ist der Gegner erst blamiert,

dann sind die Freunde amüsiert.

Nein, nein, mit so viel Populisten

macht’s Bürgersein nicht soooo viel Spaß.

Viel schlimmer doch sind die Faschisten,

denn die versprühen Hetz und Hass.

Und an dieser Stelle muss ich das Reimen unterbrechen, denn die Umtriebe rechtsradikaler, faschistoider Kräfte in unserem Land sind kein geeignetes Thema für den Reim. Da ist knochentrockene Prosa angesagt, also entschuldigt den Moment. Wer von „Remigration“ schwadroniert, dafür Gleichgesinnte zu einer Party nach Potsdam einlädt und horrende Summen verlangt – pro Nase 5000 Euro („Mindestspende!“), – um die Kriegskasse zu füllen, und in Wirklichkeit „Deportation“ meint: solche Leute verdienen keinen ordentlichen Reim. Du kannst Dir ja sowieso keinen Reim darauf machen, was die sich eigentlich denken: alle Menschen mit Migrationshintergrund sollen Deutschland verlassen. Wohin, bitte? Und wer bleibt dann noch da? Wer macht die Arbeit? Menschen mit Beeinträchtigungen kommen ins Fadenkreuz dieser Leute. Hatten wir schon mal, brauchen wir keinesfalls wieder. Und dann gleich noch die mit anderer Meinung als dieser verschwurbelten Blut-und Boden-Deutschtums-Ideologie: Da wird es finster braun in unserem schönen Land, da gehen dann die Lichter aus und die Vielfalt, die Freiheit der Diskussion, die bunte Kunst und Kultur werden ausgetrocknet. Eine geistige Wüste droht – auch das hatten wir schon und brauchen wir nie wieder. Nie wieder ist jetzt. Auf solchen völkischen Unfug kann ich mir keinen Reim machen, will ich auch nicht – und deshalb dieser ärgerliche Einschub!

Da lob ich mir die Demo hier (in Dinkelsbühl am 4.2.).

Vor einer Woche hatten wir

ne Kundgebung in Dinkelsbühl

gut für‘n Verstand und für’s Gefühl.

Es kamen viele – wir waren verwundert,

die Polizei schätze so 700,

doch andre Leute wollten nicht sparen,

die meinten, dass es wohl 1000 waren.

Egal, ihr Leut, eine stolze Menge,

wir hatten sogar ein bisschen Gedränge.

Vor allem, und das ist nicht einerlei,

es waren so ziemlich alle dabei:

Parteien, Kirchen und Vereine,

Kultur und Sport, Große und Kleine,

Verbände und Privatpersonen,

auch solche, die woanders wohnen;

viele Senioren und auch nicht minder

und richtig toll: ganz viele Kinder.

Die hielten uns in das Gesichte

So richtig kultige Gedichte.

Die machten froh,

zum Beispiel so:

Der Fuchs ist schlau und stellt sich dumm,

bei der AfD ist’s andersrum.

Auf einem andren Schild, da stand,

was ich ja noch viel schöner fand:

Lilifee

Statt AfD.

Und damit, Herr und Knecht und Magd,

ist eigentlich alles gesagt.

Ja, vieles scheint doch ziemlich erregt,

weil uns die Zeit den Atem verschlägt.

Drum lohnt es, Fakten zu ergründen,

die eigne Mitte auch zu finden

und dann erst den Diskurs zu suchen,

argumentieren statt zu fluchen,

gewiss, das kostet Zeit und Kraft,

was deshalb auch nicht jeder schafft.

Jedoch das lohnt, ihr lieben Leut,

als Mittel gegen Blödigkeit.

Dazu ein Schuss Gelassenheit,

ich sage euch: so was befreit.

Wir brauchen Freiheit der Gedanken,

doch die soll, meinen manche, wanken;

doch selber denken, immer neu:

das ist kein Luxus, meiner Treu!

Die Welt ist komplex, das muss man sagen.

Die Dinge sind oft ganz schön verdreht.

Da musst du auch neue Gedanken wagen,

wenn’s mit den alten so nicht mehr geht.

Doch wer dann nur mit platten Fragen

den Lösungen im Wege steht,

oder mit Jammern und mit Klagen

andauernd Tatsachen verdreht,

und sich dann überdies ganz ungeniert

als Opfer des Establishments geriert,

dem muss man wohl, anstatt zu fliehen,

die Maske von der Fratze ziehen.

Denn noch einmal: der Kindermund

tut unverstellt die Wahrheit kund:

Lilifee

Statt AfD.

Schee.

Aber nicht genug

Gegen Volksbetrug.

Nun fragt mich mancher: Herr Dekan,

ja ficht Sie denn nun gar nichts an?

Dem Aiwanger den Stammtisch spotten,

und dann selber, ganz hartgesotten,

die Kanzel instrumentalisieren

und unverhohlen politisieren?

Tun Sie das mal unterlassen

Mit Gottes Wort ist nicht zu spaßen!

Die Frage ist nicht unberechtigt,

denn manchmal ist es schon verdächtig,

dass nicht nur das Dankgebet

und Lobpreis zur Debatte steht.

Manchem macht es fast Verdruss,

dass man so vieles bitten muss.

Nun gilt für Christen allerort:

Am Anfang steht das Gotteswort.

Das Gotteswort hat Schöpferkraft,

die in der Schöpfung Leben schafft.

Doch hat es noch nen andren Zweck:

Es gibt uns Weisung auf den Weg.

Nehmen wir mal die zehn Gebot –

die sind ein Grundstock gegen Not.

Und dann, in aller Deutlichkeit:

Barmherzig- und Gerechtigkeit!

Ich habe mich, mit viel Bedacht

Aufs Neue dazu schlau gemacht.

Bedenken tat ich und auch beten

und schaute dann in die Propheten.

Und bin in den vielen weisen Worten

Beim alten Jesaja fündig geworden.

Der hatte einen Auftrag, richtig,

– Gott war da etwas unnachsichtig –

und dieser Auftrag war auch wichtig,

doch nicht vergnügungssteuerpflichtig.

Schlagt auf das Buch und schaut doch bloß:

Es geht gleich ohne Warnung los.

Nen Gruß von Gott an euch hienieden:

ich bin mit euch sehr unzufrieden!

Gar alles hab ich euch gegeben,

was ihr so braucht zu eurem Leben,

Und ihr? Ihr dreht euch einfach weg,

als wär mein Wort der letzte Dreck.

Habgierig, eitel, eigensüchtig

Seid ihr nur für euch selber tüchtig.

Vergesst die Witwen und die Waisen,

wollt auch nicht mehr die Armen speisen,

den Fremden verwehrt ihr das Dach überm Kopf,

fresst über das Maß in den eigenen Kropf.

Nicht nur im Palast, da lungert das Laster,

nein: jeder grabscht nach dem Mammon, dem Zaster!

Ihr meint wohl auch: jeder denkt nur an sich –

An mich – an mich – da denke nur ich!

Ja, die Heuchelei ist groß,

das Problem ist klassenlos.

Hört zu, sagt Gott, mir platzt der Kragen,

echt: wohin soll ich euch noch schlagen?

Hört auf mit frömmelndem Getue

Lasst mich mit Opfertier’n in Ruhe,

die stinken mir, damit ihr’s wisst,

solang’s so schändlich bei euch ist.

Satt hab ich eure Eitelkeit,

was ich will, ist Gerechtigkeit

Bescheidenheit

Barmherzigkeit.

I c h  b i n  e s  L e i d.

So muss Jesaja den Leuten sagen,

die – wen wundert’s .- zurück gleich schlagen

und den Mann Gottes energisch befragen:

Wer gibt das Recht dir, sowas zu sagen?

Wie kommst du dazu sowas zu verkünden?

Wir sollten das schleunigst unterbinden.

Jesaja geht’s also, ihr Leut,

wie auch verschied’nen Pfarrern heut,

die am liebsten predigen sollen,

was die Leute gern hören wollen.

Das ist nun leider etwas dumm,

denn das ganze Drumherum

mit Ausbildung und Studium

erbringt Erkenntnis wiederum

und im nächsten Schritt dann schon

dann, bei der Ordination,

versprichst du, zu Mahnung und Segen,

das Gotteswort redlich auszulegen.

Nichts anderes, so hört und seht,

tat damals auch unser Prophet.

Und konnte, ganz ohne zu dichten,

von einer Vision berichten.

Und das war nun kein kleines Ding,

Jesaja, der Prophet, der hing,

vielleicht kennt ihr das ja schon,

zwischen Erd und Gottes Thron.

Wir sind ja, das soll im Glauben wohl gelten,

in Wirklichkeit Wesen zwischen zwei Welten.

Auf der Erde, um zu gestalten,

und bei Gott – von ihm gehalten.

Jesaja hat das mit viel Bedacht

So richtig prächtig aufgemacht.

Da ist er schon

Vor Gottes Thron

Und schaut und stiert

Etwas geniert

Auf seine ungeputzten Schuh:

Ach Gott, das lässt mir keine Ruh –

Ich bin nicht rein, nicht gut genug

Und jetzt, jetzt bin ich zu Besuch

bei dir, das kann ich wirklich fühlen:

ich muss mir jetzt den Mund mal spülen,

sonst fühl ich mich so unerbeten,

in deinen Thronsaal einzutreten.

Ein Engel kommt mit einem Mal

Und macht mit ihm ein Ritual.

Ob du das wolltest, weiß ich nicht,

mir ständ’s wohl nicht gut zu Gesicht.

Er brachte ein Stück Kohlenglut

Mit einer Zange – schön und gut

Und heiß – wohl an der Lippen Rand

Hat er, was unrein, rausgebrannt.

Ich denk‘ mir, dass das schmerzhaft war,

doch davon steht kein Wörtchen da.

Die Wahrheit Gottes, soll sie siegen,

ist manchmal nur mit Schmerz zu kriegen.

So hing er zwischen Erd und Himmel,

mit Thronsaal dort und hier Getümmel,

und hatte nur die eine Pflicht:

Gnad zu verkünden und Gericht.

Sollt‘ mahnen, trösten, Wege weisen

In lauten Tönen und in leisen,

damit auf der schönen, gefährdeten Welt

die Menschen so leben, wie’s Gott wohlgefällt.

Und damit, Freunde hab’n wir schon

Den Auftrag und die Tradition,

in die auch wir hineingestellt

in dieser Welt und für die Welt.

Zweiter ungereimter Einschub:

Wir sind dabei, als die Institutionen „evangelische Landeskirchen“ unsere Glaubwürdigkeit in der Wahrnehmung unseres Auftrages zu verspielen.

Es war in meinen Augen nicht sehr überraschend, aber durch und durch entsetzlich, dass das eklatante Versagen evangelischer kirchlicher Institutionen festgestellt wurde im Zuge der Aufdeckung und Verfolgung sexuellen Missbrauchs durch kirchliche Mitarbeitende. Die Untaten sind Verbrechen, die verfolgt und bestraft werden müssen. Ich müsste viel mehr dazu sagen, kann das aber an dieser Stelle nicht in der gebotenen Gründlichkeit tun – aber es ist Teil der Wirklichkeit, es ist alles, nur nicht heiter. Unfassbares Leid, beschämend. Und muss weiter aufgedeckt, wo möglich verfolgt und gesühnt werden. Und auch hier gilt: Nie wieder ist jetzt – nie wieder muss jetzt sein und jetzt bleiben. Jeden Tag neu.

Nur zögernd wag ich mich zurück

in den gereimten Überblick.

Jesaja zeigt den Weg uns an,

auf dem ein(e) jede(r) lernen kann,

wie Gott ursprünglich haben wollte,

dass unser Leben laufen sollte.

Wir könnten da noch weitersuchen

und viele Themen noch verbuchen:

Traktoren auf der Autobahn,

ein Elon Musk im Größenwahn.

Verspätungen beim ICE,

Lokführerstreik- o Jemineh!

Fast möcht‘ man jubeln, in der Tat,

dass Dinkelsbühl kein‘ Bahnhof hat.

Gelogen!!! Und so was sag ich nie mehr!

Wahr ist: ein Bahnhof muss unbedingt her.

Entscheidungen nehmen oft seltsamen Lauf,

zehn Jahr in Dinkelsbühl wart‘ ich jetzt drauf!

Die neu’ste Nachricht noch zum Schluss,

weil die jetzt auch noch kommen muss:

In Berlin vor allen Dingen

Fängt man langsam an zu ringen,

Kandidat:in zu erküren,

die Regierung anzuführen.

Und hierbei fragt sich der fromme Christ,

ob hinter der Maske nicht Wahrheit ist

Denn Leute, wartet, schaut und seht:

der Söder schon als Kanzler geht

(fränkische Fasnacht in Veitshöchheim)

Durchatmen, Leute, seid nicht dumm:

Am Aschermittwoch ist des rum.

Bleibt wachsam, Leut‘, und bleibt gelassen,

im Tal und droben auf der Höh,

Gott führe Euch auf Friedensstraßen.

Und bitte: Wählt nicht AfD.

Gott hat die Schöpfung bunt gemacht.

Das Blut in jedem Mensch ist rot.

Vielfalt macht stark – wär doch gelacht –

und stärkt und hilft aus vieler Not.

Und fordert Kraft

und gibt uns Kraft,

zu suchen, was das Gute schafft.

Werte Herren, liebe Damen – Amen.

Dekan Uland Spahlinger, Dinkelsbühl

spahlinger.uland@elkb.de

Dinkelsbühl ist eine allermeist liebenswerte, etwas verträumte mittelalterlich geprägte Kleinstadt mit etwa 12.000 Einwohnern. Die Region um den Hesselberg/Westmittelfranken hat im III. Reich politisch keine rühmliche Rolle gespielt, auf dem Hesselberg hielt der Nazidemagoge Streicher seine „Frankentage“ ab. Braunes Gedankengut wabert immer noch in manchen Köpfen.

Um so wichtiger war, dass unter Mitwirkung von an die 30 Gruppierungen des öffentlichen Lebens unserer Kleinstadt und mit organisatorisch sehr kurzem Vorlauf am 4.2. zwischen 700 und 1000 Menschen zu einer Kundgebung für Demokratie und Vielfalt an zentraler Stelle in der Altstadt zusammenkamen – friedlich, fröhlich, entschieden und bunt. Auf diese Versammlung bezieht sich ein größerer Teil meiner gereimten Predigt. Dass ich das Reimen zweimal unterbrochen habe, ist – so hoffe ich – selbsterklärend.

Für die Musik sorgt unser Posaunenchor mit zeitgenössischer, „beswingter“ PC-Literatur.

de_DEDeutsch