Jesaja 29,17-24

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Jesaja 29,17-24

Schöne Aussichten | 27.08.23 | 12. So. n. Trinitatis | Jes 29,17-24 | Eberhard Busch |

Ist’s nicht nur noch ein Weilchen, so wandelt sich der Libanon zum Fruchtgefilde, und das Fruchtgefilde wird zum Wald gerechnet? An jenem Tage werden die Tauben Schriftworte hören und die Augen der Blinden aus Dunkel und Finsternis heraus sehen. Und die Elenden werden aufs neue des Herrn sich freuen und die Ärmsten unter den Menschen über den Heiligen Israels jubeln. Denn aus ists mit dem Tyrannen und dahin ist der Spötter, und ausgerottet sind alle, die auf Frevel lauern. ….Darum spricht also der Herr. der Gott des Hauses Jakobs, der Abraham erlöst hat: Dann soll Jakob nicht mehr zuschanden werden und sein Angesicht nicht mehr erbleichen. Denn wenn sie sehen, was meine Hände unter ihnen getan, so werden sie meinen Namen heilig halten, werden heilig halten den Heiligen Jakobs und den Gott Israels fürchten. Und die irrenden Geistes waren, werden Einsicht lernen, und die murrten, werden Belehrung annehmen. (Jes. 29,17-14, übers. nach Zürcher Bibel)

Wer spricht da? Wer sagt da so überaus Wundervolles zu seinen Menschen? Es ist „der Gott des Hauses Jakob, der Gott, der Abraham erlöst hat.“ Übersehen wir nur ja nicht diese Worte inmitten all der verheißungsvollen Wörter! Wenn er, dieser eine Gott, das nicht sagen würde, dann wäre all das, was da in Aussicht gestellt ist, Augenwischerei, schiere Träumerei, eine Seifenblase, die bald zerplatzt. Aber nun sagt Er das. Nun können wir uns an ihn halten. Nun hält er uns. Wir sind in seiner Hand.  Und lässt uns nicht fallen.

„Er ist nicht fern, ist in der Mitten“, heißt es bei Paul Gerhardt. „Wir haben einen Gott, der da hilft“, steht in Psalm 68. „Ist Gott für uns, wer kann dann gegen uns sein“, sagt der Apostel Paulus. Wir haben das nicht verdient. Wir haben keinen Anspruch darauf. Aber es gilt trotz dem. Und das gilt so, dass wir ohne Angst, voll Zuversicht kleine oder größere Schritte tun können. Denn das ist wahr nicht erst morgen und übermorgen. Es ist wahr schon heute, wie es schon gestern galt.

Das ist bereits dem „Haus Jakob“ gesagt, gemeint ist damit das ganze von Gott erwählte Volk  Es ist zwar durch eigene Schuld höchst bedroht (Jes 2,6, Obadja 1,18), aber es ist ihm gleichwohl von Gott zugesagt, es werde  ewig bestehen (Lk 1,33). Es ist ja der Gott, der „Abraham erlöst hat“. Er hat ihn befreit – auf kuriose Weise, so, dass Abraham dabei nicht gerade nachahmenswert getrickst hat; aber Gott hatte dabei seine Hand derart im Spiel, dass es ging nach dem Spruch: „Ihr gedachtet Böses zu tun, aber Gott hat es zum Guten gewendet.“ (Gen 50,20) So geschah die „Erlösung“ Abrahams.

Und das ist das Fundament, auf dem auch wir bauen dürfen. Ein Fundament, das nicht wankt und zerbröselt. Das ist das schmale, aber unzerreissbare Seil, an dem alles hängt, auch wenn unsre Augen das nicht sehen. Das ist die Fanfare, die allen Missklang übertönt, sogar wenn wir sie überhören. „Du bist der Gott des Heils“, wird er in den Psalmen angeredet (25,5), und er ist es, selbst wenn wir das nicht glauben. „Er ist erstanden von dem Tod, hat  überwunden alle Not“, selbst wenn wir noch so davon absehen. Aber  hoffentlich bekommen wir eines guten Tages den Elan, nicht davon abzusehen, sondern darin einzustimmen, und, sei es denn, zu brümmeln und zu murmeln.

Dazu macht unser Bibelwort uns Hoffnung. Er selbst lässt uns hoffen: er, der schon Abraham und Jakob beigestanden ist. Der Glaube an ihn wäre nicht Glaube, wenn er nicht unlöslich verknüpft ist mit Hoffnung. „Du bist der Gott des Heils, auf dich hoffen wir,“ heißt es in einem Atem in Psalm 25,5. An Gott glauben ist Hoffnung haben, eine, die sich nicht wegreden lässt. Gewiss, so manche Hoffnung, die wir haben und die wir uns machen, ist schon enttäuscht worden. „Die Hoffnung stirbt zuletzt“, pflegt man zwar zu sagen. Aber wenn sie zuletzt doch stirbt, diese Hoffnung stirbt nicht. Eher stürzt der Himmel ein, als dass sie zerbricht. Wir erhoffen nicht dies und das. Wir hoffen auf Ihn, den barmherzigen Gott seiner Geschöpfe.

Gott gibt Grund zur Hoffnung, Hoffnung, dass er erweist, dass ihm die von ihm geliebte Welt nicht entglitten ist, dass er die Vergessenen nicht vergessen hat, so dass die Verkürzten nicht mehr zu lurz kommen und die Übersehenen nicht mehr übersehen werden. Er ist mit ihnen am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag.  Das ist uns vorderhand verborgen, zugedeckt von all dem, was wir in der Zeitung lesen, zugedeckt von dem, was in den Krankenhäusern und Notunterkünften geseufzt wird. Trotz dem hoffen wir, dass dieses Zugedeckte uns und allen eines guten Tages aufgedeckt wird, nach einem „Weilchen“.  „Dann werd ich das im Licht erkennen, was ich auf Erden dunkel sah, das wunderbar und heilig nennen, was unerforschlich hier geschah, da sieht mein Geist mit Lob und Dank / die Schickung im Zusammenhang.“ (Gellert)

Denn was kommt da zum Vorschein? Dies, dass denen, die nicht hören wollen, das Ohr dennoch geöffnet wird, so dass sie ge-horchen, und dies, dass die, die blind sind für das Rechte, aus ihrem Dunkel befreit werden. Er verspricht kein Himmelbett und kein Schlaraffenland. Er verheißt uns mehr und anderes und besseres: dies, dass Elende Boden unter ihren Füßen bekommen, so dass sie sich freuen an ihm und Ärmste über den Retter Israels jubeln. Und damit sorgt er dafür, dass Irrende zum Verstand kommen und dass widerspenstige Maulhelden sich belehren lassen. Damit nimmt er Diktatoren den Wind aus den Segeln, zieht ihnen die Matte unter ihren Füßen weg und stopft Spöttern ihr ungewaschenes Maul. Das alles tut er nicht mit Gewalt, er tut’s im Einsatz für Frieden ohne Waffen. Damit beweist er sich als der Eine, von dem Paul Gerhardt singt: „Der aber, der uns ewig liebt, / macht gut, was wir verwirren, / erfreut, wo wir uns selbst betrübt / und führt uns, wo wir irren. / Und dazu treibt ihn sein Gemüt / und die so reine Vatergüt, in der uns arme Sünder / er trägt als seine Kinder.“

Auf ihn hoffen wir. Nicht auf etwas, sondern auf dich, Du treuer Gott. Er ist die Hand, die uns hält, nicht eine selbstgebastelte Hoffnung. Wir hoffen nicht aufs Gratewohl. Er hält sich an seine Zusage. Der ist es ja, der es mit uns hält, an unser Seite steht und für uns einsteht. Wenn sonst keiner, dann Er. Während Menschen starren auf die nächste Mondlandung, führt ihn sein Weg in dieTiefe, ja,, in den Abgrund, hin zu denen, die drunten sind. Der ist groß m Kommen.

Unterdes gibt es für uns etwas zu tun. Der Reformator Calvin spricht von Vorauferstehungen, die dem Kommen des Einen vorangehen und es ankündigen. Ich verstehe diesen Ausdruck so: Wenigstens Einige stehen auf und lassen sich nicht verbiegen und nicht verkrümmen. Sie haben gelernt, dass über dem Morgen das Heute nicht vergessen werden darf. Sonst stolpern wir in ein Loch wie der Hans-Guck-in-die-Luft. „Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen.“ Aber sie vergessen auch über dem Heute nicht das Morgen, das noch nicht da ist, aber kommt, so sicher, wie es am nächsten Tag wieder hell wird. Es geht ihnen rüstig um Nachhaltigkeit. Hoffnung heißt dabei nicht: etwas auf die lange Bank schieben. „Morgen, morgen, nur nicht heute, sagen alle faulen Leute.“ Hoffnung heißt für uns: parat sein zum Zupacken.

Im Buch der Sprüche (31,6 ) sind wir eingeladen: „Tue deinen Mund auf für die Stummen“. Für die Bedrohten, für die Ratlosen und Wehrlosen, für die Ertrinkenden. Es gibt da Einiges zu tun. Kleine Voranmeldungen des Kommenden, kleine Revolutiönchen, Ausbesserungen, an diesem und jenem Stück. Wenn nicht Frieden, so zumindest Waffenstillstand. Wird Gottes Namen noch nicht geheiligt, so bitten wir doch darum: „Dein Name werde geheiligt.“ Es ist längst nicht alles in Ordnung. Aber wir dürfen ruhig ein bisschen mutig sein. Es geht ja darum, den Einen anzukündigen, „der all unser Leid verwandeln wird in Freud“.

Im Süden der USA erlebte ich, wie Christen Ärmste der Armen regelmäßig einluden –  solche, die auf der Straße leben mussten, die bei weitem nicht genug hatten, sich zu kleiden und sich zu nähren. Sie bekamen zuerst eine nahrhafte Mahlzeit, die sie aufstellte, und dann versammelten sich alle an einer Mauer. An ihr wurden die Namen derer geschrieben, die letzthin auf der Straße gestorben waren. Man nannte laut ihre Namen und gedachte ihrer im Schweigen. Bis jemand zu singen anfing: “O when the Saints go marching in / I want to be in that number.” Das heißt sinngemäß: Wenn diese armseligen Tröpfe von Gott als Heilige begrüßt und aufgenommen werden, o da möchte mich ihnen anschließen. Da möchte ich dabei sein, nicht nur ich, auch Andere, für deren Ernährung ich sorge. Es gibt eine Hoffnung, Gott ist die Hoffnung, die Hoffnung für die Hoffnungslosen. Und vereint mit ihnen ist er die Hoffnung auch für uns. Guter Gott, lass uns bitte dabei sein. Amen

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