Jesaja 54, 7-10

Jesaja 54, 7-10

 


Lätare,
10. März 2002
Jesaja 54, 7-10, Silja Forsberg, Finnland

Haben Sie schon mal ein Klassentreffen mitgemacht?
Wenn man nach Jahren oder Jahrzehnten die trifft, mit denen man jemals
viele Stunden täglich zusammen verbrachte, verspürt man vielerlei
Gefühle. Wenn man dann über die eingetretenen Ereignisse zu
erzählen beginnt, stösst man auf unglaubliche Geschichten.
Wie verschieden hat das Leben die Freunde und Freundinnen desselben
Klassenraums mitgebracht! Die Eine hat viel Glück und Erfolg in
ihrem Leben gehabt, der Andere hat dagegen mit schweren und erschütternden
Sachen ringen müssen. Obgleich die privaten Lebensgeschichten sehr
verschieden sind, sind die Zeit und deren Wechsel gemeinsam. Damals
war das und das Jahrzehnt, die Brauchtümer und der Geist der Zeit
von solcher Art. Jetzt durchlebt man Eurozeit, vieles ist in der Welt
besser geworden, aber auch manche Sachen sind schlimmer als damals.
Diejenigen, die die Kriegszeit durchgelebt haben, nehmen die gemeinsamen
Schrecken und Sorgen wieder auf.

Wie kann der Mensch schwere Zeiten überleben?
Wie kann man die dunklen Stunden des eigenen Lebens aushalten?

Man lehrt uns ja heutzutage, wie man sein Leben in
Besitz nimmt. Es gibt verschiedene Kurse, in denen man die geistigen
Kraftreserven anzuwenden lernt. Aber keine Lebenskünste helfen
der innersten Furcht und Angst. Die tiefste Unsicherheit wächst
aus der Furcht, dass Gott selbst uns seinen Rücken gewendet und
uns verlassen hat. Die schweren Sachen, Krankheiten und Unannehmlichkeiten
versteht man oft als Gottes Strafe.

Es kann sein, dass unser Gewissen uns im Blick auf
eine bestimmte Sache für schuldig erklärt, die jetzt plagt
und Unsicherheit verursacht.

Im Alten Testament spricht man oft darüber, wie
das israelitische Volk schwere Zeiten durchlebte und sie als Gottes
Züchtigung für ein bestimmtes Vergehen verstand. Der Verkündigung
der Profeten gemäss kam die Babylonische Gefangenschaft des ganzen
Volkes daher, dass das Volk sich von Gott entfernt hatte. Die gottwidrige
Lebensweise hatte sich unter den Menschen weit verbreitet.

Als das Volk sein eigenes Land verlassen sollte, als
die heilige Stadt verloren war, verstand man es so, dass der Herr sein
eigenes Volk strafte. Wenn dann das Volk hörte, dass die Gefangenschaft
enden würde, erlebten alle eine mächtige Wende in ihrem Leben.
Es galt nicht nur die äussere Veränderung der Verhältnisse,
sondern auch die geistige und geistliche Verheissung.

Die prophetische Verkündigung über die göttliche
Heiswirksamkeit wollte das Volk ermutigen, das schuldbewusst war und
sich gegen Gott versündigt verstand.

Wenn der Mensch die Gnade Gottes erleben darf, wenn
die Schuld weggenommen wird, dann trauert man nicht mehr über die
Vergangenheit. Dann fühlt man die bedrückte Zeit als kurz
gegenüber der ewigen Barmherzigkeit Gottes. Gott hat die Macht,
das menschliche Leben umzuwandeln. Wir können uns auf Gottes Kraft
verlassen und für die Vergebung und für den Wandel der schweren
Sachen beten. Die Besitznahme des Lebens ist im Grunde genommen nicht
in unseren, sondern in den Händen Gottes. Unsere Tadellosigkeit
oder unser Verbrechen ändern nicht Gottes Gedanken. Gottes Wesen
und sein Handeln sind nicht von uns her bestimmt.

Gott verspricht durch den Propheten, dass die Zeit
der Bedrängnis nur eine Weile dauert. Nur eine kurze Zeit kann
es so aussehen, als ob Gott sein Angesicht abgewendet hätte, als
ob er er nicht im Leben anwesend ist.

Die ganze Botschaft der Heiligen Schrift erzählt
uns kraftvoll, dass die Treue Gottes ewig ist. Vielleicht ängstigen
wir uns über die dunklen Stunden unseres Lebens wie ein kleines
Kind, das das Angesicht seines Pflegers eine Weile lang verliert. Gott
kennt ja uns. Er überwacht uns die ganze Zeit. Der Schatten der
Hand Gottes hat die Sonne seiner Güte im Moment der Angst und des
Unglücks verfinstert. Gott hat ja einen neuen Bund geschlossen.
Schon nach der Sintflut erzählte der Regenbogen von der Obhut,
die Gott versprach. Danach vergab Gott immer aufs neue und erneuerte
sein Gelübde mit seinem Volk. Als Garantie der Liebe Gottes steht
für uns das Opfer Jesu. Die Vergebung der Sünden und das festeste
Siegel der Liebe Gottes kamen ans Licht im Ostern des Kreuzes.

Nach den Tagen Noahs hat die Sinflut nicht in gleicher
Weise das Land verheert, aber der Kampf zwischen Gott und dem Bösen
hat sich fortgesetzt. Erst die vollständige Versöhnung des
Heilands brach das Übergewicht der lebenszerstörenden Mächte.

Die Gnade Gottes ist stärker als das Grundgestein.
Gott hat in Christus Frieden geschlossen, der die ganze Lebensfülle
umfasst. Wer auf das Sühnewerk und auf die Liebe des Heilands traut,
kann innerliche Gewissensberuhigung und Verbindung mit Gott fühlen.
Gott selbst holt uns, wo wir sind. Er wendet sein Angesicht in Christus
zu uns. Er erbarmt sich unser.

Wir sind nicht abhängig von den Wünschen
oder von den Bedrohungen, sondern wir leben inmitten der Verheissungen
Gottes. Das Wort Gottes trägt uns sowohl in den Tagen der Freude
als der Betrübnis, des Erfolgs und des Unglücks, innerlicher
Friede und der Bedrängnis. Die Gnadenversicherung gibt die Hoffnung,
die sich bewährt:“Meine Gnade soll nicht von dir weichen,
und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der Herr,
dein Erbarmer.“

Hauptpastorin (i.R.), Probst Silja Forsberg, Finnland
E-Mail: juhani.forsberg@evl.fi

 

de_DEDeutsch