Jesaja 55, 10-12a

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Jesaja 55, 10-12a

Sexagesimae, 11. Februar 2007
Predigt zu Jesaja 55, 10-12a, verfaßt von Antje Marklein


Vorbemerkung: Im Gottesdienst sollten sowohl die Epistel (Hebr. 4, 12f) als auch das Evangelium in der langen Fassung (Lk 8, 4-15) gelesen werden.

Liebe Gemeinde!
Welch eine Vielfalt der Bilder bieten uns die Texte dieses Sonntags: Bilder vom Wort Gottes.

Lebendig, kräftig und schärfer als ein Schwert ist das Wort Gottes in der Epistel beschrieben worden – vielleicht haben Sie schon die Losung des kommenden Kirchentages herausgehört?

Das Wort Gottes ist wie der Same, den der Sämann aussät in die Natur. Und wo er hinfällt, bringt er Frucht – oder nicht. So sagte es das Evangelium.

Jetzt hören wir im Predigttext bei Jesaja: Das Wort Gottes ist wie Schnee und Regen, der die Erde fruchtbar macht und auf ihr etwas wachsen lässt.
Hören wir Jesaja 55, 10-12a: Jörg Zink hat so übersetzt:
So spricht Gott:
Wie der Regen, der Schnee vom Himmel fällt
und nicht wieder dorthin zurückkehrt,
ohne dass er die Erde feuchtet
und fruchtbar macht
und sie sprossen lässt,
ohne dass sie Samen dem Sämann gibt
und dem Essenden Brot,
so ist’s mit dem Wort, das von mir ausgeht:
Es kehrt nicht ohne Wirkung zu mir zurück,
sondern tut, was mir gefällt,
und richtet aus, wozu ich es sende.“
Ja, in Freuden sollt ihr ausziehen
Und in Frieden geleitet werden.

Gottes Wort wirkt, Gottes Wort setzt eine Wirklichkeit! Es verändert, es schafft Neues, es wirkt.
Gottes Wort? Was meint es in der Bibel, was meint es in unserer Sprachwelt?
Im Alten Testament, insbesondere bei den Propheten ist das Wort Gottes das, was als Botschaft Gottes durch den Mund der Propheten an sein Volk ergeht: Drohworte, Mahnungen und Verheißungen, die Propheten dem Volk Israel in unterschiedlichsten politischen und sozialen Zusammenhängen sagen. Diese Worte schaffen Realitäten! Die Propheten und das Volk Israel können sich ihnen nicht entziehen. Wenn Gott spricht, dann geschieht das, was er sagt. Diese Erfahrung steht hinter einem solchen Satz: Das Wort Gottes ist wie Schnee und Regen, der die Erde fruchtbar macht und auf ihr etwas wachsen lässt.
Im Neuen Testament, zunächst in den Evangelien, meint „Wort Gottes“ die christliche Heilsbotschaft, die Botschaft, die Gott durch Jesus Christus in seine Welt gegeben hat. Also ist die christliche Botschaft wie der Same, den der Sämann aussät und er bringt unterschiedlich viel Frucht, je nachdem, worauf er trifft.
Schließlich der Hebräer-Text, einer der jüngsten Briefe im Neuen Testament, der wiederum versteht die ganze Bibel als „Wort Gottes“. Lebendig, kräftig und schärfer spricht die Bibel zu den Menschen, mit all ihren Geschichten, Verheißungen, Geboten und Predigten.

Das Wort Gottes wirkt, es verändert, es schafft eine neue Wirklichkeit.
Diese Wirklichkeit aber hängt ab von dem Menschen, auf den das Wort trifft: Es macht einen Unterschied, ob Menschen im 6.Jh. vor Christus im babylonischen Exil sind und von Gott gesagt bekommen: Mein Wort kehrt nicht ohne Wirkung zu mir zurück. Oder ob frisch getaufte Jugendliche das im Jahr 2007 hören. Und wieder anders wirkt dieser Satz auf Menschen, die in Einsamkeit und Trauer gefangen sind und Trost brauchen.

Ich stelle mir den Zusammenhang vor, in dem dieser Text entstanden ist: Die erste Generation der nach Babylon in das Exil verschleppten Israeliten hatte noch an den Ufern der Flüsse gesessen und geweint – by the rivers of Babylon – Die zweite Generation hat sich jetzt eingerichtet. Sie haben eigene Häuser, können sich relativ frei bewegen, haben Arbeit und Auskommen. Die Hoffnung auf Rückkehr ist längst entschwunden, ja die Menschen zweifeln am Wert ihrer eigenen Religion. Die babylonische Religion und die einheimischen Bräuche üben Faszination aus. Da tritt ein neuer Prophet auf, der zweite Jesaja. Ihr werdet zurückkehren nach Jerusalem, sagt er den Israeliten. Kehrt auch zurück zu eurem Gott. Ihm und nur ihm dürft ihr vertrauen. Und dann sagt der Prophet:
Wie der Regen, der Schnee die Erde feuchtet und macht, dass sie fruchtbar wird, so, genau so wirkt Gottes Wort bei uns.
So verlässlich wie Schnee und Regen, wie Samen und Brot ist Gott – sagt der Prophet. und ruft doch zugleich die Menschen dazu auf, das gerade verlässlich Gewordene zu verlassen, sich wieder aufzumachen zu neuen Ufern. Wie schön, mögen die Israeliten sagen, wie schön wäre es doch, wenn Gott so verlässlich wäre wie Schnee und Regen, wie Samen und Brot. Aber wir haben uns doch gerade so gut eingerichtet. Ein Aufbruch zu neuen Ufern, jetzt? Wer sagt uns, dass das gut geht? Dass Gott so verlässlich ist?
Lasst euch drauf ein, sagte der Prophet. Gottes Wort wirkt.
Wie leicht lassen sich diese Worte auf unsere Zeit und Situation übertragen.
Worte wirken. Das erleben wir. Jeden Tag.
„Wie gut dass es dich gibt.“ oder „Du bist die beste Mutter der Welt.“ „Welch ein Segen, dass Sie gekommen sind.“ „Du bist mein bester Freund.“ „Ohne Sie würde hier alles drunter und drüber gehen.“ Nicht, dass diese Sätze objektiven Wahrheitsgehalt hätten. Die Worte wirken. Das eigene Selbstwertgefühl wendet sich zum Guten. Ich bedeute jemandem etwas. Ohne eine solche Wertschätzung lässt es sich schwer leben. Und sie bewirkt viel. Sicherheit schafft sie und eröffnet neue Möglichkeiten. Mit einen guten Selbstwertgefühl versehen wage ich mich auch auf ungewohnte Wege, lasse mich auf Neues ein, traue mir zu, mein Leben zu leben auch bei allen Unwägbarkeiten. Und es gelingt, dieses Leben.
Viel Gutes bewirken solche wertschätzenden Aussagen.
Wie anders ist jedoch der Alltag. Menschen hören, Menschen spüren: Ich bin nichts mehr wert, werde nicht gebraucht, werde abgeschoben, werde freigestellt oder gar nicht erst übernommen. Der raue Ton unter Jugendlichen erschreckt mich immer wieder: Nicht nur Schimpfwörter, sondern mehr noch die vernichtenden Aussagen berühren mich: Du bist ein Stück Dreck, du bist eine Null, was bist du schon. Sind das Signale, die sie auch bekommen in unserer Gesellschaft, die sie weitergeben, weil sie es hautnah so erleben?

In der Taufe haben wir einmal von Gott gesagt bekommen: Du gehörst zu mir. Du bist mein Kind. Wer so angesehen wird, der strahlt das aus, der gibt diese Wertschätzung weiter.
Mein Wort, sagt Gott, richtet aus, wozu ich es sende! Seine Worte wollen etwas bewirken in uns, ja sie bewirken es ohne unser Zutun. Allein der Glaube, so hat es Luther immer wieder betont, allein der Glaube, die Bereitschaft, dass in mir und durch mich etwas geschieht, lässt wirklich Großes geschehen.
Wie gut kann es sein, solche Worte von Gott zu hören: Fürchte dich nicht, ich habe dich erlöst. Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein. Oder: Ich will dich segnen und du wirst ein Segen sein. Oder auch: Ich bin bei dir alle Tage bis an das Ende der Welt. Oder: Ich will euch tragen, bis ihr grau werdet. Worte zum Leben. Worte die wirken, die Leben erst möglich machen. Mit solchen Worten im Lebensgepäck sind auch Aufbrüche zu neuen Ufern möglich.“ In Freuden sollt ihr ausziehen, und in Frieden geleitet werden.“, sagt Gott.


Antje Marklein
Wöhlerstr. 22
30163 Hannover
Antje.Marklein@evlka.de

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