Johannes 3, 1 – 16

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Johannes 3, 1 – 16

Predigt zu Johannes 3, 1 – 16, Trinitatis, Predigt zum Kirchentag in Berlin, verfasst von Sup. Dr. Detlef Reichert


Liebe Gemeinde,

Pfingsten haben wir gefeiert, der ökumenische Kirchentag liegt hinter
uns und die Eindrücke sind bei vielen, ob sie als Einzelne oder
in Gruppen die Tage und Abende in Berlin zugebracht haben, noch lebendig,
zum Teil auch noch unsortiert und „verarbeitungsoffen“.
Und nun schon – zumindest, wenn wir ein wenig dem Kirchenjahreskalender
folgen – schon wieder ein Fest: Trinitatis.
So ein richtiges Fest im breiten Bewußtsein ist Trinitatis nie
geworden.
Gewiß, wir zählen im evangelischen Raum die Sonntage von da
an bis gegen Ende des Kirchenjahres durch; die Sache mit der „drei“ kann
man auch bei Konfirmandinnen und Konfirmanden immer noch herausbekommen
lassen; dann wird es schon schwieriger und festlich wird es kaum.
Nun muss man Trinitatis deswegen als Fest noch nicht streichen, auch
wenn es sich nicht als Ausgangsrahmen zu Grill und Hüpfburg-Ereignissen
eignet, und auch nicht, weil zum Beispiel Fachlexika zu Gottesdienst,
Kirchenjahr und Liturgik sich zum Stichwort von Trinitatis knapp oder
gar nicht verhalten.
Dem nachzuspüren, dass es nicht nur irgendwie Gott gibt,
erfahrbar vielleicht oder zu fürchten oder zu ahnen oder wie immer,
irgendwo zwischen Naturerlebnis und Innerlichkeit,
sondern dass das zu dem Gott unserer Bibel gehört, dass er Mensch geworden
ist in Jesus Christus, und dass er wirksam ist im Heiligen Geist,
und zu fragen zu versuchen, wie das zusammengeht und wo wir selbst uns dabei
und dazwischen befinden, – daran festzuhalten lohnt schon.
Wenn es, wie zugegeben, mit dem Festfeiern oder feste Feiern mit Trinitatis
nicht so gut klappt, scheint mir immerhin das eine gute Möglichkeit, es
nicht als „Folgefest“ (so vorgeschlagen in einer „Einordnung“ in
Anschluss an `Weihnachten/Ostern/Pfingsten´) zu sehen, sondern als „Festvorbereitung“,
– eben mit der Frage, wo sind wir dazwischen zwischen Gottes Heilswillen, seiner
Liebestat in Jesus Christus und seinem leitenden Handeln durch den Heiligen Geist.
Und dann mag es wie bei mancher Festvorbereitung im Anfang vielleicht erst
einmal etwas verwirrend gemischt bis anfangschaotisch zugehen.

Der Predigttext also zur Festvorbereitung für den Glauben, für
den Trinitatissonntag, steht im Johannesevangelium, dort im Kapitel 3
in den Versen 1 bis 16. Die Lutherbibel überschreibt diese Verse
mit der Überschrift „Jesus und Nikodemus“. Man könnte
sie auch bis zum Vers 21 weiterlesen. Aber ich bleibe bei den ersten
16 Versen.
Sie reden vom Wiedergeborenwerdenmüssen, wenn es um das Reich Gottes geht,
vom Geist, der weht, wo er will, vom Zeugnis, das nicht angenommen wird, von denen, die es hören,
von uns also, und am Schluss und vor allem vom ewigen Leben.
Lassen Sie uns erst einmal hineinhören, Johannes 3,1-15 (Text)

Ich denke, es geht dabei nicht so sehr um den Nikodemus und auch nicht
um die Qualität eines Gespräches, in dem jemand eine Antwort
bekommt auf eine Frage, die er so nicht oder noch nicht gestellt hat
und auch nicht um Mißverständnisse oder wie man mit ihnen
umgehen könnte und auch nicht darum, wie man das nun einschätzen
muss, dass im Verlauf eines Gespräches einer der beiden so in den
Hintergrund tritt, Nikodemus, dass er praktisch fast verschwindet.
Das sind Hilfsmittel und stilistische Handgriffe des Evangelisten, mit
denen er darstellt und erzählt, was er erzählen will und muss.
Und erzählen kann Johannes schon.

Worum es geht, auch gerade im Anschluss an das Pfingstfest mit der Frage
unserer Festvorbereitung, worum es geht zwischen Wiedergeborenwerden
aus Wasser und Geist, dem Reich Gottes und dem ewigen Leben,
das hat, und ich mute Ihnen jetzt ein längeres Zitat zu, -aber auch
das ist gut zu hören-, Johannes Calvin so umschrieben:
`Jesus Christus beweist, dass uns allen das Reich Gottes verschlossen
ist und bleibt, wenn uns nicht durch die Wiedergeburt, durch das Neu-Werden,
der Zugang geöffnet wird. Jesus nimmt als zweifelsfrei ausgemacht,
dass wir nicht in das Reich Gottes eingehen können, wenn wir nicht
geistlich sind. Von Geburt her bringen wir nichts anderes als die fleischliche
Natur mit. Also sind wir so, wie wir sind, von Natur aus vom Reich Gottes
ausgeschlossen. Wir sind Fremde, wir haben kein himmlisches Leben, wir
leben unter der Herrschaft des Todes. Christus spricht es aus, dass unser
Inneres und unsere Vernunft grundverkehrt sind, weil sie fleischlich
sind und nicht geistlich, und auch, dass alle Regungen des Herzens verdorben
und verworfen sind, weil auch sie selbst fleischlich sind. Denn alles,
was dem Menschen an Wissen von Gott übriggeblieben ist, ist nichts
anderes als ein schrecklicher sprudelnder Quell von Götzendienst
und Aberglauben. Und deswegen mahnt Jesu Christus den Nikodemus, nicht
sich selbst und seinem Scharfsinn zu vertrauen. Denn kein Mensch kann
von sich selbst aus in den Himmel eindringen, sondern nur, wenn er sich
von dem Sohn Gottes dahin leiten läßt. Denn mit „Aufstieg
in dem Himmel“ -wie es bei Johannes steht- sind die reinen Geheimnisse
Gottes gemeint und das Licht des geistlichen Verständnisses. Also
insgesamt: Alle unsere Sinne und Fähigkeiten sind untauglich, wenn
es um Gott geht.
Aber nachdem Christus uns so den Himmel verschlossen hat,
bietet er uns gleich danach das Heilmittel, indem er hinzufügt,
dass dem Menschensohn, ihm, gegeben ist, was allem anderen versagt ist,
denn die Auferstehung ist nicht für ihn allein geschehen, sondern
damit er uns Führer und Leiter sein kann. Also: Christus, der im
Himmel ist, ist deswegen Mensch geworden, damit er uns mit seiner uns
hingestreckten brüderlichen Hand mit sich selbst in den Himmel empor-führt.´ (Kommentar
zum Johannesevangelium, leicht geändert zitiert nach H.Stoevesandt,
GPM 33/3, 1979, S 261)

Über unsere menschlichen Möglichkeiten ist Deutliches damit
genug gesagt. Über Christus, den Menschensohn, -ob wir „das
Zeugnis annehmen“ oder nicht- auch.

Über den Geist, der wiedergeboren werden läßt, in Textnähe
vielleicht so:
Es steckt, bis hin zu den Worten des „also hat Gott die Welt geliebt“,
für Johannes dahinter die Erfahrung eines schrankenlos weit geöffneten
Tores, eines `göttlich-übermenschlichen´ und doch tief
menschlichen vergebenden Erbarmens, das als befreiender und lebens-schaffender
Geist uns entgegen kommt. Es ist der Widerspruch Gottes gegen alles verzweifelte,
gnadenlos ungültige. leere, unterworfene Leben in Abhängigkeiten.
Dieser Widerspruch ist zum Geist geworden und ruft neues Leben unter
Menschen wach, unter denen, die sich verloren geben oder die wir verloren
geben. Diesen Geist kann niemand von uns aus sich selbst entwickeln oder
machen. Er ist `über die Menschheit gekommen´ so wie die Geschichte
des Menschensohns, der vom Himmel herabstieg, – wie der Sturmwind, dessen
Wehen alle spüren, aber niemand in den Griff bekommen kann.
Zu ihm gehört, dass die Geschichte des Menschensohns sagt, wo dieser
Wind herkommt, wo er hinfährt und wo er uns hinführt.
Zu diesem Geist gehört offensichtlich auch, dass wir schnell und
in `arg-menschlicher Weise´ benennen und aufzählen können,
wo er jeweils immer nicht ist, wo andere Geister herrschen, aber glücklicherweise
dann auch immer wieder dies, dass wir doch von ihm wahrnehmen.

Zur Begleitung der Festvorbereitung noch dieses:
In meinem Zimmer habe ich ein Holzkreuz hängen, das ich vor Jahren
einmal geschenkt bekommen habe. Es ist einfach und ungelenk geschnitzt,
einen Meter ungefähr hoch und stammt aus dem Indonesischen Gebirgsland.
Es ist nicht besonders alt, nur eben von weit her. Am langen Stamm ein
kurzer Querbalken, den der Gekreuzigte mit seinen Händen am Ende
umfasst. Es sieht mehr danach aus, als trügen die Hände den
Balken, als dass Christus an ihm hinge. Glatt, wie ins Holz hineingewachsen
ist der Körper in Umrißlinien in den Stamm geschnitzt. Er
hat ein lachendes, ein strahlendes Gesicht in der Art von „Punkt-Punkt-Komma-Strich“ Kinderzeichnungen.
Es hat eine ganze Weile gedauert, bis ich einen Zugang zu dieser Art,
den Gekreuzigten darzustellen, fand. Es sind die Farben, die ich noch
beschreiben muß: Auf dem naturdunkel-farbigen Braun des Holzes
ein Weiß -wie Leichenfahlheit und Tod- und ein Rot -wie pulsierendes
Leben. Sie sind eingetragen in die Schnitzlinien von Körper und
Kopf. Es sieht so aus, als ob der Körper sich vom Holz löst
und aus ihm heraustritt. Beide Farben sind in einem einfachen, faszinierenden
Schema eingesetzt: Sie stehen sich immer gegenüber, Arm gegen Arm,
Körperseite gegen Körperseite, Bein gegen Bein, und gehören
immer zusammen, bilden erst miteinander das Ganze. Und ebenso der Kopf,
im Umriß weiß, wie vom Tod umgeben, das Innengesicht rot;
Leben inmitten des Todes, – ein Tod, der das Zentrum, die Mitte nicht
erreicht.
Der Menschensohn, der erhöht werden muss, wird in diesem Holzkreuz
für mich zum Bild des Leben – so wie Leben und Tod in mir sind und
doch Leben bleiben.

Was immer Nikodemus aus dem Nachtgespräch mit Jesus mitnahm, Johannes
erzählt es nicht. Vielleicht war es etwas von der Fröhlichkeit
dieses lachendes Gesichtes des Holzkreuzes an meiner Zimmerwand, das
durch das Miteinander von Leben und Tod hindurchstrahlt und das sich
von der Vielfalt des Lebens nicht wegreißen und von der Angst des
Todes nicht brechen läßt. Es weist auf den Schöpfer des
Leben hin, der auch mein Schöpfer ist und mein Erhalter, – er, nicht
ich,
und weist so auf das ewige Leben.

Und jetzt lassen Sie uns die Johannesverse noch einmal hören: (Joh.3.1-15)
Amen.


Sup. Dr. Detlef Reichert
Gneisenaustr.76
33330 Gütersloh
E-Mail: SuperintendentGT@aol.com

de_DEDeutsch