Markus 16,1-8

Markus 16,1-8

 


Ostersonntag,
31. März 2002
Markus 16,1-8, verfaßt von Enno Junge
Predigt im Fernsehgottesdienst am Ostersonntag 2002 in Eschede


Gnade sei mit
Euch und Friede von Gott, unserem Vater und unserem Herrn Jesus Christus.
Amen.

Liebe Gemeinde
hier in Eschede und an den Fernsehgeräten daheim,

wir hörten
in der Lesung den Predigttext für diesen besonderen Sonntag, den Ostersonntag.
Kurz skizziert ereignet sich folgendes:

Drei Frauen
machen sich früh morgens, als die Sonne aufgeht, auf den Weg zum Grabe
Jesu. Sie wollen ihm einen letzten Liebesdienst tun und ihn salben. In
welcher Verfassung mögen sie dorthin gehen?

Zwischen der
Kreuzigung und dem Tag von Jesu Auferstehung lag der Sabbat. Ein Tag der
Stille und der Vorbereitung. Wenn Sie so wollen, liebe Gemeinde, dann
nimmt das Ostergeschehen dort am Tag vorher seinen Anfang. Das Wichtigste
an Ostern ist die Vorbereitung: Es musste dunkel werden am Karfreitag,
dem Tag, an dem das ganze Land in Finsternis gehüllt war.

Es musste dunkel
werden, damit Stille einkehren konnte, jene Stille, in der es kein verbales
Getöse gab, in der der Mensch zu sich kommt, wirklich zu sich, losgelöst
von dem, was ihn
sonst umtreibt und beschäftigt. Darin liegt nun das Geheimnis von Ostern:
In der Zeit der Vorbereitung.

Da hatten unsere
drei Frauen Gelegenheit, noch einmal zu spüren, wie das ist, den Menschen,
den sie geliebt haben, der ihnen so viel bedeutet hat, loszulassen. Ich
frage: Brauchen wir das selber nicht auch manches Mal: Zeit, Stille und
innere Einkehr, um Wesentliches zu bedenken, das eigene Leben, die Zeit,
die wir schon erlebt haben, und die Zeit, von der wir denken, dass sie
noch vor uns liegt?

Wir brauchen
auch die Erfahrung, dass es den Unterschied gibt zwischen Dunkel und Hell,
zwischen niederdrückender Trauer und begeisternder Freude. Genau das erleben
auch die drei Frauen. Sie machen sich auf den Weg und bleiben somit nicht
in der Trauer stecken. Bemerkenswert ist dabei schon ihre Frage: Wer wälzt
uns den Stein von des Grabes Tür? – die erste wörtliche Rede im Predigttext.

Mit einer Frage
beginnt die Bewegung, die Veränderung an Ostern.

Mit Fragen
beginnen auch bei uns Erlebnisse, die bewältigt werden müssen. Das kennen
Sie auch, liebe Gemeinde: Wenn wir Großes vor haben, etwa eine Ausbildung
und eine Prüfung oder eine große Operation mit ungewissem Ausgang, kommen
Fragen. Fragen, die etwa so lauten: Wie wird es werden? Wie geht es aus?
Kann ich das überhaupt schaffen? Und dann kann es sein, dass wir solche
Fragen stellen und nicht weiterwissen, weil wir die Antwort nicht kennen.
Die drei Frauen machen es anders: Sie wissen um das Hindernis, denn sie
haben ja gesehen, wie das Grab Jesu verschlossen wurde, aber sie stellen
die richtige Frage. Sie wollen wissen: Wer wälzt uns den Stein?
Genauso kann man fragen: Wer hilft uns? Wer hilft mir, die Hindernisse
in meinem Leben zu überwinden? Es ist keine Schande, sich darüber Gedanken
zu machen und sich Hilfe zu holen.

Wir müssen,
wenn wir Ostern in seiner ganzen Tiefe erfassen wollen, mit dem Anfang
anfangen, will sagen, wir dürfen das, was uns als Hindernis in unserem
Leben aufgegeben wird, anschauen und uns Hilfe holen. Manchmal ist es
die Hilfe unserer Mitmenschen, manchmal ist es aber auch die Hilfe Gottes,
den wir nicht sehen und dem wir deswegen auch so wenig zutrauen und zumuten.
In jedem Fall aber ist es eine Tatsache, dass wir nicht ohne Hilfe bleiben.
Das, liebe Gemeinde, ist meine persönliche Erfahrung und ich wünschte
mir, dass jeder von Ihnen solche Hilfe erfährt.

Allerdings
müssen wir die Fragen, die uns und unser Leben betreffen, richtig stellen,
und wir dürfen wissen, dass wir uns an Menschen und ganz bestimmt an Gott
wenden können. Die drei Frauen stehen nun vor Jesu Grab:

Es ist schon
wunderbar, was hier geschieht: Der Stein, um den sie sich gesorgt haben,
ist weg. Jesus, den sie in der Grabeshöhle vermuten, ist nicht dort. Dort,
wo ein Ende vermutet wurde, erwartet die Frauen nun etwas ganz anderes,
etwas ganz Neues.

Denn alle ihre
Erwartungen werden nicht erfüllt, im Gegenteil: der, der tot war, ist
nicht an seinem Ort und statt seiner wartet ein Bote Gottes mit einer
Nachricht auf die Ankömmlinge: Entsetzt euch nicht! Ihr sucht Jesus
von Nazareth, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden, er ist nicht hier.

Die drei Frauen
sind erschrocken und entsetzt. Sie sagen zunächst niemandem etwas über
ihr Erlebnis. Früher oder später – wir wissen nichts Genaues – hat sich
ihr Schrecken aufgelöst und ist der Freude gewichen. Der Osterfreude über
die Auferstehung Jesu! Die drei Frauen konnten diese Freude nicht für
sich behalten, sondern sie haben sie mitgeteilt und verkündigt. Weil das
so ist, meine ich: Diese Freude nahm damals ihren Anlauf, um sich hier
in dieser Gemeinde und bei ihnen zuhause entfalten zu können:

Das, was ganz
sicher zu sein schien, dass das Leben mit dem Sterben vorbei ist, das,
was bis dahin als Horizont menschlichen Denkens empfunden wurde, wird
aufgelöst. Der Horizont wird durchbrochen für eine neue und ganz andere
Sichtweise. Er ist auferstanden, er ist nicht hier. Sein Ort hat ihn nicht
gehalten. Aus der dunklen, muffigen Grabeshöhle heraus geht es in den
neuen, vom Sonnenlicht durchfluteten Tag.

MUSIK

Können Sie
das fassen, liebe Gemeinde? Ist das für Sie nachvollziehbar: Ostern als
Beginn einer Veränderung.

Es gibt sicherlich mehrere Möglichkeiten, mit dieser Osterbotschaft:
Er ist auferstanden umzugehen. Eine Sichtweise lautet: Das mit
der Auferstehung ist alles Unfug, gibt es nicht, kann nicht bewiesen werden,
und außerdem ist auch noch keiner wiedergekommen von denen, die gestorben
sind und hätten erzählt, ob denn das alles wahr ist. Und das, was in der
Bibel steht, sind doch allenfalls Bilder, mehr nicht!

Mindestens
eine weitere gibt es aber auch. Es gibt Menschen, denen bin ich auch schon
begegnet, die sagen: Nee, nee das Leben, das wir hier haben, kann ja nicht
alles sein. Es gibt ein Leben nach dem Tod, und zwar ein Leben, von dem
wir glauben, das wir es bei Gott verbringen werden. Ein neues Leben, wo
Leid, Klagen, Schmerzen und Jammer weit überwunden sein werden, ein Leben,
für das es nur ein Wort gibt: Wunderbar!

Vorgestern,
Karfreitag, besuchte ich eine alte Frau, die im Sterben liegt. „Auf Wiedersehen!“,
sagte sie am Ende des Gespräches. Sie hält sich fest an dem Wort Jesu:
„Heute noch wirst Du mit mir im Paradies sein.“

Bei Menschen,
die so etwas sagen, sehe ich dann solch ein Glänzen in den Augen, ein
Glänzen, das mit Freude zu tun hat, das vom Trost genährt wird, dass mit
diesem Leben nicht alles aus ist.

Was ist denn
nun mit der Auferstehung von den Toten?

Wir brauchen
dieser Frage nicht auszuweichen, denn wir haben vorhin zusammen das Bekenntnis
gesprochen:

Wir erwarten
die Auferstehung der Toten und das Leben der kommenden Welt.

So ein Bekenntnis
sagen wir nicht einfach daher. Täten wir das, dann wäre es nur eine leere
Hülse. Wohl gemerkt, liebe Gemeinde, es geht nicht um die leibhaftige
Auferstehung. Im Mittelpunkt steht das, was ein anderer Zeuge des Neuen
Testamentes, nämlich Paulus, sagt: Wir werden alle verwandelt werden (1.
Kor. 15, 51). Um Verwandlung geht es also.

Und das heißt
für mich konkret: Ich glaube, dass alle Ängste und Belastungen von uns
abfallen werden, um Platz zu machen für das Gefühl der Geborgenheit, für
Wärme und Licht und ein unermessliches Spektrum an Farben.

Dann wird das,
woran wir uns jetzt festmachen, – denn nichts anderes heißt Glauben –
, an uns wahr werden. Ostern, vielleicht so: Alles wird wieder gut, aber
nicht wie es einmal war.

Liebe Gemeinde,
es gibt ein Leben danach: Diese Erfahrung durften wir alle machen vor
nun fast vier Jahren, als Eschede, so titelte damals die ZEIT, zum Ort
der entgleisten Hoffnung
wurde. Es gab und gibt ein Leben nach dem
3. Juni 1998 und das haben nicht nur wir in dieser Gemeinde erfahren dürfen.
Aber wer gestaltet dieses Leben, woher kommt die Kraft weiter zu machen,
entgegen allem Anschein? Woher kam und kommt der Mut, nach vorne zu schauen
und wieder und wieder das Wort Zukunft zu buchstabieren?

Das kann nicht
aus eigener Kraft kommen. Wir bringen zwar einiges auf den Weg durch eigene
Möglichkeiten, aber dazu reicht es denn doch nicht. Ich kann sehr gut
verstehen, dass Menschen, die einen lieben Angehörigen verloren haben,
mit Gott hadern und ich wünschte mir, dass sie eine neue Erfahrung mit
Ostern machen können und dass sie erfahren, dass Auferstehung hat eine
weitere Dimension hat.

Ich nenne es
einmal „Auferstehung mitten im Leben“. Das kann vieles bedeuten. Zum einen
kann es heißen:

Daran zu glauben,
dass die Verstorbenen, die Freunde und Angehörigen, nicht ins Ungewisse
hinein gegeben wurden, sondern dass sie einzig und alleine Gott überlassen
sind.

Und das heißt
für uns Hoffnung, ein neues Licht, für unser Leben und für unseren Glauben.

Auferstehung
– das Leben geht weiter?

Wir können
diese Frage getrost mit Ja beantworten, denn wir alle dürfen damit
rechnen, verwandelt zu werden; schon jetzt in der Gegenwart und erst recht
dereinst. Und so können wir aus dem Fragezeichen ein Ausrufungszeichen
machen, denn das Leben geht weiter!

Glauben Sie
an die Auferstehung von den Toten, liebe Gemeinde hier in Eschede und
liebe Zuschauer daheim?

Der französische
Philosoph Voltaire, der bekannt war für seinen beißenden Spott über den
christlichen Glauben, gab zum Thema Auferstehung einmal eine Antwort,
die man kaum von ihm erwartet hätte. Eine Dame hatte ihn gefragt, wie
es möglich sei, dass es überhaupt Menschen gäbe, die an die Auferstehung
glauben.

Voltaire antwortete:
„Madame, die Auferstehung ist die einfachste Sache von der Welt. Der,
der den Menschen einmal geschaffen hat, kann ihn auch zum zweiten Mal
schaffen.“

Amen.

Und der Friede
Gottes, welcher höher ist als alle Eure Vernunft, der bewahre Eure Herzen
und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.

Pastor Enno Junge
An der Kirche 4
29348 Eschede
e-mail: enno@junge-net.com

 

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