Matthäus 25,4-29 + 16,26

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Matthäus 25,4-29 + 16,26

Predigt zu Matthäus 25,4-29 + 16,26, verfasst von Eberhard Hauschildt

Liebe Schlosskirchengemeinde!

Im 1. Brief an seine Gemeinde in Korinth schreibt der Apostel Paulus in Kap. 9 folgendes:
… daß ich das Evangelium predige, dessen darf ich mich nicht rühmen; denn ich muß es tun. Und wehe mir, wenn ich das Evangelium nicht predigte! Täte ich’s aus eigenem Willen, so erhielte ich Lohn. Tue ich’s aber nicht aus eigenem Willen, so ist mir doch das Amt anvertraut. Was ist denn nun mein Lohn? Daß ich das Evangelium predige ohne Entgelt und von meinem Recht am Evangelium nicht Gebrauch mache.
Denn obwohl ich frei bin von jedermann, habe ich doch mich selbst jedermann zum Knecht gemacht, damit ich möglichst viele gewinne. Den Juden bin ich wie ein Jude geworden, damit ich die Juden gewinne. Denen, die unter dem Gesetz sind, bin ich wie einer unter dem Gesetz geworden – obwohl ich selbst nicht unter dem Gesetz bin -, damit ich die, die unter dem Gesetz sind, gewinne. Denen, die ohne Gesetz sind, bin ich wie einer ohne Gesetz geworden – obwohl ich doch nicht ohne Gesetz bin vor Gott, sondern bin in dem Gesetz Christi -, damit ich die, die ohne Gesetz sind, gewinne. Den Schwachen bin ich ein Schwacher geworden, damit ich die Schwachen gewinne. Ich bin allen alles geworden, damit ich auf alle Weise einige rette. Alles aber tue ich um des Evangeliums willen, um an ihm teilzuhaben.
Wißt ihr nicht, daß die, die in der Kampfbahn laufen, die laufen alle, aber einer empfängt den Siegespreis? Lauft so, daß ihr ihn erlangt. Jeder aber, der kämpft, enthält sich aller Dinge; jene nun, damit sie einen vergänglichen Kranz empfangen, wir aber einen unvergänglichen. Ich aber laufe nicht wie aufs Ungewisse; ich kämpfe mit der Faust, nicht wie einer, der in die Luft schlägt, sondern ich bezwinge meinen Leib und zähme ihn, damit ich nicht andern predige und selbst verwerflich werde.

I. (Gewinnen bringt Spaß)

Gewinnen bringt Spaß! Wer wollte das nicht: Als erste oder erster durchs Ziel kommen, oben auf dem Treppchen stehen, den dicksten Fisch fangen! Wer wollte das nicht: Den Job kriegen, um den man sich beworben hat. Wer wollte das nicht: Als erste, als erster die neue wissenschaftliche Idee herausbringen – oder die neue Geschäftsidee umsetzen. Wer wollte das nicht, dass der eigene Garten der gepflegteste ist oder der natürlichste.

Gewinnen gibt einem ein gutes Gefühl: Ich habe es geschafft – oder: wir haben es geschafft. Und selbst, wenn nur im Fernsehen meine Mannschaft gewinnt, vermag dies noch Glücksgefühle en masse zu verbreiten. Ums Gewinnen geht es im Weltmeisterschaftssport. Ums Gewinnen geht es auch in der Wirtschaft und in der Wissenschaft und im Alltag.

Die Orientierung am Gewinn ist wohl schon eingebaut in das biologische Programm der Verbreitung der optimalen Gene. Und es findet sich beim Menschen kultiviert zu einer Tugend: Ohne Fleiß kein Preis. Wer wagt, gewinnt. Ich erinnere mich daran, wie ich in der Schulzeit in die Poesiealben, die heute Freundschaftsbücher heißen, immer einen bestimmten Spruch geschrieben habe (der war so lang und den hatte sonst keiner drauf; ich weiß nicht, wo ich ihn herhatte). Der Spruch lautete: „Musterhaft und meisterhaft wirst du nie in allen Dingen, dennoch: nach der Meisterschaft musst du unaufhörlich ringen.“

Wenn schon nicht das Gewinnen können immer möglich ist, so wird doch das Gewinnen wollen gefordert. Dabei sein wollen. Dabei sein ist alles. Es ist Tugend, nach der Meisterschaft zu ringen. Kultiviere dich dahin.

Ja, auch in den zwischenmenschlichen Beziehungen geht es darum, wie man sagt, Menschen für sich oder für eine Sache zu gewinnen. Und mit einem gewinnbringenden Lächeln fängt das Werben an. Welch ein Glück, wenn das Gegenüber gewonnen ist für die Sache. Und welch ein Glück, wenn es mir gelingt, die geliebte Person für mich zu gewinnen. Gewinnorientierung auch in der Liebe.

Allerdings, wo es Gewinner gibt, gibt es auch Verlierer. Und was ist mit denen? Und was ist mit denen, die sich beim Ringen um die Meisterschaft oder das Geliebtwerden kaputt gemacht haben? Und was ist mit den vielen, die doch meistens Mittelmaß sind?

II. (Der christliche Gewinn)

Auch Paulus redet von Gewinn. Worin besteht der christliche Gewinn und wie sieht darum das christliche Gewinnen aus?

Der christliche „Preis“ ist die Seligkeit. Der christliche Preis ist ein Leben mit Gott und aus Gott. Der Preis ist das Glück, von Gott geliebt zu werden. Es ist der Preis, im Leben und im Tod gehalten zu sein.

Darum ist dieser Gewinn ein unvergänglicher Gewinn (V. 25). Kein schnell verwelkender Lorbeerkranz, und auch nicht ein Titel, der nur vier Jahre hält bis zur nächsten Weltmeisterschaft. Der christliche Gewinn hält sogar nicht nur, „bis dass der Tod euch scheidet“. Er ist Gewinn für Zeit und Ewigkeit.

Und es ist ein Gewinn, der gewiss ist. Sonst geht es auch den Favoriten so, dass sie „aufs Ungewisse“ (V. 26) kämpfen. Schon eine kleine Erkältung, eine winzige Unüberlegtheit kann den Sieg vereiteln. Bloß nicht wieder zurückfallen. Es ist dann die Angst vor dem Verlust, die am meisten anspornt. Wie anders ist das, wenn ich weiß: Der Preis wird zu mir kommen, weil ihn einer in Liebe für mich bereit hält. Dann sind es Freude und Lust, die mich anspornen.

Den Ansporn braucht der Mensch. Der eigene Wille ist eher schwach und eher unsicher. Nur mit einer extra großen Portion Egozentrik oder mit härtester Selbstverleugnung können sonst Menschen sich selbst motivieren. Der christliche Gewinn wird errungen in einem übertragenen Amt (V. 17). Du kannst es, fülle es aus. Du kriegst die Kompetenz, du hast die Kompetenz zum Christenleben. Mach was draus.

Der christliche Gewinn geht nicht auf Kosten der andern. Sonst ist es ja oft so: Wenn ich gewinnen soll, müssen die anderen verlieren. Es „laufen alle, aber (nur) einer empfängt den Siegespreis.“ (V. 24) Nur eine Mannschaft erhält den Pokal. Der christliche Gewinn hingegen produziert eine – neudeutsch gesprochen – Win-Win-Situation. Wie bei der Liebe: Wenn es gelingt, das Gegenüber für sich in Liebe und zur Liebe zu gewinnen, in Freundschaft und zur Freundschaft, haben beide etwas davon.

So sieht der christliche Gewinn aus. Und das hat zwei ganz wichtige Folgen. Die erste. Es macht den christlichen Gewinn zu einem Gewinn der Freiheit. „Bin ich nicht frei?“ – so die selbstbewusste rhetorische Frage des Paulus am Anfang von Kap. 9 an seine Gegner (V. 1). Die Seligkeit ist die Freiheit zur Gestaltung des Lebens. Die Freiheit zur Kreativität des Ausdrucks, die Freiheit zur Modernisierung der Lebensumstände. Es ist diese Haltung, die den Paulus und seine Gemeinden die Grenzen der Tradition und des einen Volkes übersteigen ließen. Beschneidungsregeln und Essensgebote und Volkszugehörigkeit bekommen darum für die frühen Christen einen anderen Stellenwert. Es ist die Freiheit von der Fixierung auf das, was Paulus als das tötende Gesetz herausstellt. Es ist die Freiheit davon, einer Norm zu folgen, nur weil sie als Norm besteht, auch wenn sie unter veränderten Umständen den lebensfördernden Sinn nicht mehr erfüllt.

Es ist diese Freiheit, die der Reformation ihre Dynamik gab, die Traditionen und Hierarchien auf den Prüfstand zu stellen. Noch einmal also: Die Seligkeit ist die Freiheit zur Gestaltung des Lebens. Die Freiheit zur Kreativität des Ausdrucks, die Freiheit zur Modernisierung der Lebensumstände.

Die zweite Folge: Dieser Gewinn, die Freiheit ist eben nicht eine Freiheit auf Kosten der anderen, sondern sie hat eine ganz bestimmte Ausrichtung: Die Orientierung am Nutzen für die anderen. Paulus formulierte es so: „Denn obwohl ich frei bin von jedermann, habe ich doch mich selbst jedermann zum Knecht gemacht, damit ich möglichst viele gewinne“ (V. 19) Darum wird er den Juden ein Jude, den Heiden wie einer ohne die Tora, den Schwachen ein Schwacher. Die Kreativität, die Modernisierung, die Freiheit zur Gestaltung des Lebens ist dazu da, den Menschen in ihrer Vielfalt zu nutzen. „Ich bin allen alles geworden, damit ich auf diese Weise etliche rette.“ (23). Dass auch sie den Gewinn erlangen, ist das Ziel.

III. (Die christliche Gewinnorientierung als geistliche Sportlichkeit)

Die christliche Gewinnorientierung ist also Win-Win-Orientierung. Und so kann sie sich dann auch am Sport ein Vorbild nehmen.

Christliche Gewinnorientierung ist Anstrengung. „Lauft, dass ihr den Siegpreis erlangt.“ (V 24). Eine wohltuende Anstrengung. Denn auch wer geistlich rastet, der rostet. Geist und Körper auf Trab bringen, hält fit, tut wohl. Wer sich bewegt, tut was für sich.

Zur Anstrengung der christlichen Gewinnorientierung gehört auch eine gehörige Portion Askese. „Jeder, der kämpft, enthält sich aller Dinge“ (V. 25) Wer sich anstrengt und einsetzt, setzt Prioritäten, verzichtet auf anderes. Das Amt, der Dienst der Liebe bedeutet Verzicht. Dieser Verzicht ist nicht eine Askese um ihrer selbst willen., sondern es geht um eine zielbezogene Askese. Sie ist dazu da, den Gewinn zu erreichen – für sich und für die anderen. Paulus beschreibt es so: „Ich bezwinge meinen Leib und zähme ihn, dass ich nicht den andern predige und selbst verwerflich werde.“ (27)

Darum gehört zur christlichen Gewinnorientierung auch die kritische Aufmerksamkeit auf sich selbst. Aufmerksam werden auf den eigenen geistlichen Fitnesszustand, die Zielbezogenheit der eigenen Askese prüfen. Und dazu gehört ebenso die kritische Aufmerksamkeit für die anderen: sich nach dem tatsächlichen Nutzen für sie fragen und diese danach befragen. Die für die Nächsten passenden Weisen des Ausdrucks, des Handelns finden und dafür die Nächsten erst einmal verstehen lernen. Und dann mit ihnen zusammen die passende Vorgehensweise entdecken und umsetzen.

IV. (Gewinnorientierung in Kirche und Diakonie)

Noch ein letzter Gedanke: Christliche Gewinnorientierung gilt nicht nur für den einzelnen, sie ist auch nötig für das organisierte Christentum. Kirche und Diakonie stehen heute in Zeiten des Umbruchs. Wie mit dem demographischen und finanziellen Rückgang in der Kirche umgehen? Wie soll die Diakonie auf die Marktorientierung und neue Staatskontrolle über Leistungspakete im Sozialbereich reagieren? Hier wird christliche Gewinnorientierung gebraucht.

Anstrengungen stehen an. Und interne Auseinandersetzungen um die besten Wege. Sie werden sich im Sinne christlicher Gewinnorientierung daran messen lassen müssen, wie sie den Menschen, die sie betreffen, und ihrer Seligkeit, ihrer Freiheit nutzen. Anstrengung und Verzicht sind für Kirche und Diakonie gefragt, vor allem aber die Aufmerksamkeit, die die Freiheit zu den angemessensten Wegen führt.

Hinterher sind immer alle schlauer, wenn sich die Siege einstellen oder die Niederlagen. Das ist in Reformzeiten besonders deutlich zu beobachten. Für den Mut zum Risiko und den Mut zum langen Atem kann man sich beim Sport ein Beispiel nehmen. In diesem Sinne „Musterhaft und meisterhaft wirst du nie in allen Dingen, dennoch: nach der Meisterschaft kannst du unaufhörlich ringen.“

Zum Gottesdienst:

Lieder: 133, 1-2.6-7; 494; 140.

Lesungen: Zwei biblische Blickweisen auf das Gewinnen. Im Matthäusevangelium Kap 25 wird am wirtschaftlichen Gewinnen ein Beispiel genommen (Lesung V. 4-29). Im Kapitel 16 des Matthäusevangeliums wird herausgestellt, dass es darauf ankommt, worauf sich das Gewinnen ausrichtet (V.26)

Gebete

Confiteor: Wir wollten was erreichen. Und manche haben einiges erreicht in der vergangenen Woche, anderen ist es nicht gelungen. Wir haben gewonnen und haben verloren, haben andere gewinnen und andere verlieren sehen. Nicht nur bei Spielen auf dem Platz, sondern im Leben überhaupt ergeht es uns so. Mit Gewinn und Verlust treten wir vor Gott und rufen: …

Gnadenspruch: Gott ist der Geber der Gaben, darauf setzen wir. „Wohl dem, der auf ihn trauet.“ Und „die den Herrn suchen haben keinen Mangel an irgendeinem Gut“ (Ps 34).

Kollektengebet:

Himmlischer Geber aller Gaben. Lehre uns, deine Gaben und deine Güter zu sehen, und lehre du uns den rechten Umgang mit ihnen. Durch Jesus Christus, der mit dir und dem Heiligen Geist lebt und wirksam ist. Jetzt und allezeit. Amen.

Fürbittengebet:

Gott, du Schöpfer und Erlöser:

Wir danken dir für deine Gaben. Wir danken dir für Mut und Kreativität, für Lust am Handeln und Üben für den Erfolg. Wir freuen uns mit, wenn der Gewinn da ist. Danke für deine Fülle an Kräften und Bewegung und Gelingen.

Wir bitten für die Verlierer. Für die, denen die Aufgabe nicht gelingt, denen das Leben zerfließt, denen die Kosten für den Gewinn anderer aufgebürdet werden. Lass uns uns damit nicht zufrieden geben. Wende ab den Schaden an der Seele, lass genesen und wieder aufstehen nach der Niederlage.

Wir bitten um gutes Gewinnen. Um einen Gewinn, der das Miteinander stärkt. Um einen Gewinn, der die anderen im Blick hat. Um einen Gewinn, der zugleich ein Gewinn für die anderen ist. Lehre uns diese Kunst, jeden Tag neu und immer wieder.

Prof. Dr. Eberhard Hauschildt

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