Matthäus 27, 57 – 61

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Matthäus 27, 57 – 61

Predigt zu Matthäus 27, 57 – 61, verfasst von Provinzialpfarrer Paul Kluge


Jesu Grablegung

57 [a] Am Abend aber kam ein reicher Mann aus Arimathäa, der hieß Josef und war auch ein Jünger Jesu.
a) (57 und 58) 5. Mose 21,22-23 

58 Der ging zu Pilatus und bat um den Leib Jesu. Da befahl Pilatus, man sollte ihm ihn geben.
59 Und Josef nahm den Leib und wickelte ihn in ein reines Leinentuch
60 und legte ihn in sein eigenes neues Grab, das er in einen Felsen hatte hauen lassen, und wälzte einen großen Stein vor die Tür des Grabes und ging davon.
61 Es waren aber dort Maria von Magdala und die andere Maria; die saßen dem Grab gegenüber.

Liebe Geschwister,

als Jesus gestorben war, verzogen sich die Schaulustigen allmählich,
und mit ihnen verzogen sich die Jünger. Die beiden Frauen waren
auf Golgatha geblieben, um zu klagen, wie es Sitte war. Vor allem aber,
weil ihren Herzen nach Klagen war. Der, von dem sie so viel erwartet
hatten, war wie ein Verbrecher, ja, als Verbrecher hingerichtet worden.
Für sie war eine Welt zusammengebrochen, ihre Hoffnung hatten sie
verloren. Nun fühlten sie sich verloren, waren es wohl auch: Alle
Verbindungen zu ihren Familien und Freunden hatten sie und hatten jene
abgebrochen, sie konnten nicht zurück. Und wie es weitergehen könnte,
sahen sie nicht. Schmerz, Trauer, Dunkel füllte sie aus. Mal saßen
sie schweigend auf der Erde, dann wieder schüttelte sie tiefes Schluchzen,
das in lautes Klagen überging.

Sie waren die einzigen auf dem Hügel. Um die anderen Hingerichteten
klagte niemand; einsam, außerhalb der Gemeinschaft hatten sie gelebt
und einsam waren sie gestorben. Arme Menschen. Doch die beiden Frauen
dachten nicht über sie nach, sondern – soweit ihr Schmerz
das zuließ – darüber, wie es ohne Jesus weitergehen
könnte. Doch solche Gedanken erzeugten ein Gefühl großer,
dunkler Leere. Sie sprachen darüber miteinander, Tränen begannen
zu fließen, sie umarmten einander, um sich an einander zu trösten.

So bemerkten sie nicht die kleine Schar, die den Hügel hinaufkam.
Erst als sie gedämpfte Stimmen hörten und die Tritte eines
Esels, blickten sie auf. Auf dem Esel saß ein gut gekleideter Mann,
zwei andere in schäbigen Fetzen liefen nebenher. Der Mann auf dem
Tier kam ihnen bekannt vor, auf ihrer Wanderung mit Jesus mußten
sie ihn irgendwo getroffen haben. Er grüßte, nannte seinen
Namen: Joseph aus Arimathäa. Sie erinnerten sich. Der Mann war einmal
zu Jesus gekommen, nachdem er in einer Synagoge gepredigt hatte. War
von dem Gehörten so beeindruckt gewesen, daß er am liebsten
mitgezogen wäre. Doch weil er diesen Schritt nicht wagte, hatte
er eine großzügige Spende überreicht. In Jerusalem hatten
sie ihn wiedergetroffen, und womöglich war es eines seiner Häuser
gewesen, in dem sie das Passahmahl gefeiert hatten. Was wollte der jetzt
hier?

Die Frauen erwiderten seinen Gruß, und als ob er ihre Fragen ahnte,
sagte Joseph, er wolle Jesus begraben. Schließlich müsse man
einen Hingerichteten vor Sonnenuntergang begraben, so sage es die Schrift.

Inzwischen hatten die beiden anderen Männer den Leichnam Jesu vom
Kreuz genommen und in ein Leinentuch gewickelt, dann legten sie ihn auf
den Esel. Er habe ein Felsengrab, erzählte Joseph, dort wolle er
Jesus bestatten. Ob sie ihn begleiten wollten, fragte er die Frauen.

So setzte sich ein kleiner Trauerzug in Bewegung, Joseph führte
den Esel, dahinter die beiden Männer, von Joseph gedungene Tagelöhner,
und dann die beiden Frauen. „Ich erinnere mich, unter welchem Jubel
Jesus vor wenigen Tagen in die Stadt eingezogen ist,“ sagte Joseph
mehr zu sich als zu den anderen, „und jetzt tragen wir ihn fast
heimlich zu Grabe. ..“ Die Frauen schluchzten auf. Schweigend ging
der Zug weiter, bis er das Familiengrab des Joseph erreicht hatten. Die
beiden Männer legten den Leichnam auf eine steinerne Bank, Joseph
und die beiden Frauen standen in der Höhle und beteten still. Dann
stimmte Joseph ein Lied an. Mit leiser, klarer Stimme sang er:

„Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. Er weidet mich
auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser. Er
erquicket meine Seele. Er führet mich auf rechter Straße um
seines Namens willen. Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte
ich kein Unglück; denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten
mich. Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde. Du
salbest mein Haupt mit Öl und schenkest mir voll ein. Gutes und
Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang, und ich werde bleiben
im Hause des Herrn immerdar.“

Es wurde still im Grab, und mit der Stille kam Ruhe in die Trauernden.
Der Psalm tat seine Wirkung. Maria aus Magdala küßte den Leichnam
durch das Tuch, die andere Maria berührte ihn zart mit der Hand,
Joseph verfluchte die römischen Besatzer. Die drei verließen
das Grab, und die beiden Männer verschlossen es mit dem Rollstein.
Joseph drückte ihnen einen guten Lohn in die Hand, dann hatte er
es plötzlich eilig, und auch die beiden Männer gingen davon.
Die Frauen waren wieder allein.

Doch jetzt, nach dem Begräbnis, waren sie ruhiger. Sie setzen sich
dem Rollstein gegenüber auf einen Stein und blickten auf das verschlossene
Grab. Das hatte etwas erschreckend Endgültiges, trennte sie für
immer von Jesus. Nur die Erinnerung blieb ihnen, die Erinnerung an das,
was er für sie gewesen war, was sie von ihm gelernt, mit ihm erlebt
hatten. Sie begannen, einander davon zu erzählen, auch, wie sich
ihr Leben durch ihn verändert hatte und wie sie vor der Begegnung
mit Jesus gelebt hatten. Manches wußten sie von einander, anderes
hatten sie bisher lieber für sich behalten. Doch hier, am Grab dieses
geliebten Menschen, wuchs eine neue Vertrautheit zwischen ihnen. Sie
spürten, daß sie sich auf einander verlassen konnten.

Mit dem Erzählen kam auch die eine oder andere Erinnerung an heitere
Erlebnisse mit Jesus, und sie merkten, daß sie wieder schmunzeln
konnten. Das tat ihnen gut, erhellte die dunkle Leere in ihnen ein wenig.
Sie konnten den Gedanken an ein Leben ohne den Verstorbenen wenigstens
für Momente aushalten, obwohl sie noch keine Vorstellungen davon
hatten. Das verschlossene Grab aber zeigte es ihnen fast schmerzhaft
deutlich, daß sie nun auf sich gestellt waren.

„Wir haben so viel von Jesus gelernt, haben so viel von ihm gehört
und gesehen – das ist unser Erbe. Laß es uns gut verwalten!“ sagte
Maria aus Magdala etwas unerwartet in ein friedliches Schweigen hinein, „laß uns
zu den anderen gehen und mit ihnen darüber reden, wie es nun weitergeht.“ Die
andere Maria konnte sich noch nicht trennen, wollte noch bleiben und
dem Vergangenen nachtrauern, während die aus Magdala begann, sich
um die anderen Jüngerinnen und Jünger zu sorgen. Schließlich
schlug sie vor, gleich am nächsten Morgen wieder zum Grab zu gehen.
Mit einem Seufzer erhob sich die andere Maria, und beide gingen wie gute
Schwestern zurück zu den anderen. Amen


Mögliche Gesänge: Wir danken dir, Herr Jesu Christ, EG 79;
Nun gehören unsre Herzen, EG 93; Mögliche Gesänge: Ich
steh vor dir mit leeren Händen, EG 382; Meinen Jesus laß ich
nicht, EG 402


Paul Kluge, Provinzialpfarrer im Diakonischen Werk
in der Kirchenprovinz
Sachsen
E-Mail:
Paul.Kluge@t-online.de

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