Matthäus 7, 13-16a – Konfirmationsgottesdienst

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Matthäus 7, 13-16a – Konfirmationsgottesdienst

Predigt zur Konfirmation, Mai 2003
über Matthäus 7, 13-16a, verfaßt von Sibylle Reh


Geht durch das enge Tor! Denn das Tor
ist weit, das ins
Verderben führt, und der Weg dahin ist breit, und viele gehen auf ihm. Aber das
Tor, das zum Leben führt, ist eng und Weg dahin ist schmal, und nur wenige finden
ihn.

Hütet euch vor den falschen Propheten, sie kommen zu euch kommen
zu euch wie Schafe, in Wirklichkeit aber sind sie reißende Wölfe. An
ihren Früchten werdet ihr sie erkennen.

Liebe Gemeinde,

Ein Tor, das zum Leben führt.

Das ist gut zu hören, denn wir haben ja hier 17 junge Menschen in der
Kirche, die heute konfirmiert werden und die eine Zukunft vor sich haben.
Und sehr viele Eltern, Verwandte und Freunde sind hier, die sie hier
mit guten Wünschen begleiten.

In so einer Situation haben die Eltern Pläne für ihre Kinder, wollen
ihnen einen guten Start ins Leben ermöglichen. Die Jugendlichen haben
auch Pläne. Sie wollen natürlich vieles anders und besser machen, als
ihre Eltern.

Aber wie das Leben so spielt, liebe Gemeinde: einen Moment glaubt man,
das Leben in der Hand zu haben, auf einem guten Weg zu sein, im anderen
Moment ist alles anders. Plötzlich sieht man sich von einer in eine Richtung
gedrängt, in die man nie wollte. Das ist so wie in einer großen Menschenmenge,
beispielsweise im Fußballstadion, in der man mitgerissen wird, man kann
nicht in eine andere Richtung laufen als die Menge.

Diese Situation kommt im Leben so häufig vor, dass sie in Science-Fiction-
oder Horror– Filmen oft beschrieben wird.

Mir fällt dazu auch eine Erzählung von Friedrich Dürrenmatt ein, sie
heißt „der Tunnel“.

Ein Zug fährt in einen Tunnel. Das ist nichts Ungewöhnliches, es gibt
viele Tunnel in der Schweiz. Aber der Tunnel hört nicht auf. Nach einer
Weile geht das Licht an und die Fahrgäste gehen wieder ihren Beschäftigungen
nach. Der Zug fährt weiter durch den Tunnel. Ein Fahrgast fragt den Schaffner
nach dem Tunnel. Er glaubt zunächst, im falschen Zug zu sein, weil er
die Strecke kennt und der Tunnel nur kurz sein dürfte. Der Schaffner
sagt, der Zug fahre planmäßig und werde in 15 Minuten den nächsten Bahnhof
erreichen. Der Fahrgast glaubt ihm nicht, er sucht den Zugführer. Er
findet den Zugführer im Speisewagen. Der Zugführer sagt ihm, es sei kein
Grund zur Beunruhigung, der Zug fahre ja auf Schienen, der Tunnel müsse
also irgendwo hinführen. An dem Tunnel sei nichts Ungewöhnliches, außer,
dass er nicht aufhöre. Als der Fahrgast vorschlägt, die Notbremse zu
ziehen, führt ihn der Zugführer nach vorne, durch den Packwagen zur Lokomotive.

Vorne im Führerstand ist niemand, der Zug rast führerlos unaufhaltsam
in einem Abgrund. Der Zugführer fragt den Fahrgast: „Was sollen wir tun.“ Dieser
antwortet, fasziniert vom Abgrund: „nichts!“

 

Liebe Gemeinde, das ist die Situation, die ich vorhin beschrieben habe. Plötzlich
merkt jemand, dass er sein Leben nicht mehr in der Hand hat, dass er
von dem Weg in den Abgrund nicht mehr abbiegen kann.

Liebe Konfirmanden, ich hoffe, dass ihr das Leben nicht so begreift,
wie diese Zugfahrt.

Der Weg zum Abgrund, ist nicht der einzig mögliche Weg. „Geht durch
das enge Tor.“
diese Aufforderung Jesu, wäre sinnlos, es dieses
enge Tor nicht geben würde. Wir sitzen nicht in einem Zug, der in den
Abgrund führt. Jesus redet noch von einer anderen Tür, einem anderen
Weg, eine Tür, die ins Leben führt. Diese Tür öffnet Jesus den Menschen.

Diese Aussage von der Tür ins Leben steht in der Bergpredigt. Die Bergpredigt
ist eine lange Rede Jesu, die uns Matthäus überliefert hat. In dieser
Rede preist Jesus seine Anhänger glücklich und verspricht ihnen das Himmelreich.
Er erwartet aber auch eine ganze Menge von ihnen: Nicht zurückschlagen,
wenn sie jemand schlägt, – niemanden zu beschimpfen, – im Streit nachzugeben,
– nicht auf seinem Recht beharren. Er fasst dies alles in der goldenen
Regel zusammen: „Alles, was ihr von anderen erwartet, das tut auch
ihnen“ (Mt 7, 12a).
Das heißt: behandelt die Menschen nicht so, wie
sie euch behandeln, sondern so, wie ihr gerne behandelt werden möchtet.
Orientiert euch an denen, die es schlecht machen. Das sind die Dinge,
die uns Jesus auf dem Weg zum Leben mitgibt.

Liebe Konfirmanden- Eltern und -Großeltern, sie merken nun, dass ihre
Kinder erwachsen werden, sie gehen eigen Wege, und wir Erwachsenen denken
das eine oder andere Mal, sie gehen falsch. Wir können sie leider nicht
mehr vor allem bewahren, manche Fehler müssen sie selber machen. So wie
wir das auch getan haben und noch tun. Jeder muss seinen Weg zum Leben
selber finden.

Liebe Konfirmanden, ihr seid nun auf eurem Lebensweg und ihr seid auf
der Suche nach Leben. Ich denke zurück an mich in eurem Alter. Damals
war ich, wie viele andere Jugendliche, davon überzeugt, dass die Menschheit
dabei sei, sich selber zu zerstören, so wie der Zug, der in den Abgrund
fährt. Entweder durch Atombomben oder durch das Ozonloch. Außerdem gab
es da auch schon das Problem der Ungleichheit in der Welt, von Arm und
Reich, und auch dass konnte auf Dauer nicht gut gehen.

Wir Jugendlichen hatten damals viele Vorschläge an die Erwachsenen,
wie die Menschheit zu retten sei. Ihr Konfirmanden habt das auch, und
das ist gut so.

Es gibt vieles, was euch nicht gefällt, in dieser Welt, wie sie die
anderen Generationen gestaltet haben. Ich weiß, es gibt so vieles, was
ihr gerne ändern würdet, wenn ihr etwas zu sagen hättet.

Die meisten Erwachsen haben sich an die Ungerechtigkeiten in der Welt
gewöhnt. Die Welt ist, wie sie ist. Es geht eben nicht anders, es gibt
keine bessere Welt. Die großen sozialen Unterschiede in unserer durch
Marktwirtschaft geprägten Welt will hoffentlich keiner mehr ersetzen
durch eine sozialistische Diktatur. Alle „dritten Wege“ haben sich inzwischen
dem einen oder anderen genähert.

Und doch spricht Jesus von einer Tür, die ins Leben führt!

Und natürlich gibt es viele, die gute Ratschläge verkaufen. Es ist leider
oft so, dass diese Ratschläge nur den Interesser dieser „Verkäufer“ dienen.
Jesus nennt solche Leute falsche Propheten. Und falsche Propheten trifft
man viele heute, religiöser und weltlicher Art. Ob sie nun unser Geld
oder unsere Seele wollen, Vorsicht ist nötig. Auch darum habe ihr Konfirmandenunterricht.
Er soll euch etwas helfen, euch zumindest in religiösen Dingen, nicht
ein X für ein U vormachen zu lassen. Ich hoffe er hilft auch, die schmale
Tür zu finden.

Ich will noch eine Geschichte erzählen:

Als ich konfirmiert wurde, da gab es in den Dörfern um Göttingen herum
einen merkwürdigen Konfirmationsbrauch. Ich habe ihn nicht mitgemacht,
denn ich war ein Stadtkind, aber meine Klassenkameraden erzählten mir
ausführlich davon. Am Konfirmationstag, am Nachmittag, trafen sich die
frisch konfirmierten Jugendlichen, um gemeinsam von Haus zu Haus zu ziehen
und sich beglückwünschen zu lassen. Und die Erwachsenen sagten zu den
Jugendlichen: „Jetzt seid ihr erwachsen und dürft Alkohohl trinken!“ Diejenigen
Jugendlichen, die so unvorsichtig waren, alles zu trinken, was ihnen
angeboten wurde, kamen natürlich nicht weit. Sie torkelten irgendwann
im Straßengraben, sehr zur Schadenfreude der Erwachsenen. Das waren keine
Erlebnisse, mit denen die Betroffenen prahlen konnten, es war eher beschämend.
Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen! Ich weiß nicht,
ob dieser Brauch einen Sinn hatte, ich denke auch nicht, dass Konfirmation
unbedingt ein Anlass ist, Alkohol an Jugendliche unter 16 Jahren zu verteilen.
Aber die einige Jugendliche lernten etwas daraus: sie lernten, dass es
nicht klug ist, alles zu tun, was erlaubt ist.

Das ist auch so eine Situation, in der einigen Jugendlichen etwas aus
der Hand glitt. Ihnen wurde erzählt, in der Erlaubnis Alkohol zu trinken
läge Freiheit. Aber wenn sie das taten, gingen sie gerade nicht ihren
eigenen Weg, sondern den Weg, den ihnen einige Erwachsene vorgaben. Dieser
Weg führte zum Glück nicht ins Verderben, er führte aber doch in den
Straßengraben.

Und ihr Konfirmanden, ihr werdet solche Erfahrungen in Zukunft öfter
machen. Es wird euch immer mehr Selbstverantwortung zugetraut, und ihr
müsst immer mehr selbst entscheiden. Und ihr werdet es bald merken: nicht
alles, was so toll klingt, wenn man noch zu jung dafür ist, ist wirklich
gut, wenn man alt genug dazu ist. Ihr müsst lernen, nein zu sagen, wenn
ihr merkt, etwas tut euch nicht gut. Ihr müsste euren Weg finden. Ich
habe gesehen, dass viele von euch schon jetzt sehr verantwortungsvoll
mit ihrer Freiheit umgehen.

Liebe Konfirmanden, ich möchte euch Mut machen, nach der Tür zu suchen,
die zum Leben führt. Es gibt sie, dass hat uns Jesus versprochen, er
hat sie für uns geöffnet, weil Gott nicht möchte, dass unser Leben wie
ein Zug ist, der in den Abgrund fährt. Es gibt einen schmalen Weg zum
Leben. Wir als Gemeinde können nicht den Weg für euch gehen, das müsst
ihr selber tun. Aber wir können den Weg alle gemeinsam suchen. Auf dem
Weg sind wir zum Glück nicht allein. Wir haben Gottes Beistand.

Da geht jemand mit, wo wir auch hingehen. Er hält einen auch mal an
der Hand, wenn es nötig ist.

Liebe Konfirmanden, liebe Gemeinde, es ist auch Sinn einer Konfirmation:
die jungen Leuten zu diesem Zeitpunkt, an der Schwelle zum Erwachsenwerden,
an Gottes Beistand zu erinnern, für sie zu beten und ihnen Gottes Segen
zuzusprechen.


Pastorin Sibylle Reh
Jenaer Str. 58
38444 Wolfsburg
E-Mail: sreh@gmx.de

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