Matthäus 7:21-23

Matthäus 7:21-23

Aschermittwoch, 21.02.2007

Predigt zu Matthäus 7:21-23, verfasst von Andreas Pawlas


Christus spricht: Es werden nicht alle, die zu mir sagen: Herr, Herr!, in das Himmelreich kommen, sondern die den Willen tun meines Vaters im Himmel. Es werden viele zu mir sagen an jenem Tage: Herr, Herr, haben wir nicht in deinem Namen geweissagt? Haben wir nicht in deinem Namen böse Geister ausgetrieben? Haben wir nicht in deinem Namen viele Wunder getan? Dann werde ich ihnen bekennen: Ich habe euch noch nie gekannt; weicht von mir, ihr Übeltäter!

Liebe Gemeinde!

Was sind das für harte und zunächst unverständliche Worte Christi! Da versammelt man sich an diesem Aschermittwoch zum Gottesdienst, um Christus in Gebet und Anbetung zu verehren – und dann bekommt man solche Droh-Worte förmlich um die Ohren geschlagen! Und das, wo wir doch alle wissen, dass es nicht mehr so viele evangelische Kirchengemeinden hier im Norden Deutschlands gibt, in denen am Aschermittwoch Gottesdienst gefeiert wird.

Dagegen scheint es doch auf katholischer Seite am Aschermittwoch alles ganz anders zu sein. Sollte etwa deshalb dieser Predigttext ausschließlich für all’ die rheinischen Narren und Jecken bestimmt sein, die damit nun gefälligst aus dem Karnevalstaumel wach gerüttelt werden sollen? Denn mit dem Aschermittwoch endet nun einmal der überdrehte Karneval und die Passionszeit beginnt. „Am Aschermittwoch ist alles vorbei!“ Und dann gibt es auch in den Karnevalsgebieten gewichtige Bischofspredigten, denen man in gut besuchten Gottesdiensten zum Aschermittwoch gut zuhört. Und vielleicht ist es ja wirklich so, dass derjenige besser fasten kann und damit bewusster in die Passionszeit hineingehen, und sich nach der Beichte im Aschermittwochsgottesdienst ein Aschenkreuz auf die Stirn machen lassen kann, der vorher ausgiebig gefeiert hat, der es also vorher wirklich hat knallen lassen.

Wenn dieser Predigttext deshalb wirklich nur Karnevals-Narren den Kopf waschen soll, dann haben wir nüchterne Nordlichter mit ihm natürlich nichts mehr zu tun! Jedoch Vorsicht! Das entscheidende Motiv an der katholischen Weise, den Aschermittwoch zu begehen, betrifft uns Evangelische genauso. Und das ist eben das Motiv der Beichte. Das ist der Satz vom Gericht Jesus Christi über unser ganzes Leben, das ist das Bekenntnis zu Jesus Christus als dem Richter über Lebende und Tote. Und dieses eindringliche Motiv nötigt auch Evangelische, am Beginn der Passionszeit innezuhalten und sich zu besinnen, ehe man sich bedächtig auf den vierzigtägigen Weg auf das Kreuzes- und Osterereignis macht.

Aber worauf sollen wir uns da eigentlich besinnen oder worüber mit Hilfe unseres Predigttextes sogar Rechenschaft geben? Das kann man gut erkennen, wenn man berücksichtigt, dass dieses Wort Christi zu den Schlussworten seiner Bergpredigt gehört, dieser alles entscheidenden Rede mit ihren Seligpreisungen und ihrem unendlich tröstlichen Zuspruch. Allerdings betont Christus an Ende auch, wie schmal der Weg zum ewigen Leben ist, und dass man sich vor falschen Propheten hüten soll.

Ich höre darum unseren Predigttext so, dass ich ganz persönlich befragt werde: Habe ich diese wunderbaren Seligpreisungen und ihren seelischen Zuspruch wirklich ernst genommen und haben sie mein Leben nachhaltig verändert? Ja, in unserem Predigttext, da fragt mich Jesus Christus, der Bergprediger, nach ganz konkreten Einzelheiten, so, ob ich vielleicht in seinem Namen nur fromme Worte gemacht habe und damit seinen Namen missbraucht, oder ob ich gar als falscher Prophet seinen wunderbaren und machtvollen Zuspruch nach eigenem Gutdünken ausgenutzt hätte.

Diese Nachfrage, zumal auch mit diesen harten Verurteilungen unseres Predigttextes, mag zunächst überraschend für uns klingen. Allerdings, wenn man einen kleinen Moment darüber nachdenkt, dann könnte man einerseits recht beruhigt sein. Denn was das „Herr, Herr sagen“ anbelangt, so ist das ja heutzutage unter uns kaum mehr ein Problem. Gewiss, in früheren Zeiten, da hatte man oft den Gottesnamen im Munde geführt mit so vielen „O Gott o Gotts“, „Herrjes“ und „Herjemines“, oder „Ach du lieber Gotts“ usw.; und damit hatte man dann ganz offenkundig gegen das zweite Gebot verstoßen. Kein Wunder, dass Christus das scharf anprangert. Allerdings entschwindet heute offenbar dieses missbräuchliche „Herr, Herr sagen“ langsam aus der Gesellschaft. Und das ist ja keineswegs schlecht.

Aber wie ist das mit dem Weissagen im Namen des Herrn? Das geht gegen falsche Propheten! Und mit dem Austreiben von bösen Geistern in Jesu Namen? Oder gar mit Wundern im Namen Gottes? Das geht gegen anmaßende Wunderheiler! Allerdings, Hand aufs Herz! Damit haben wir hier unter uns doch wirklich nichts zu tun! Denn das wissen wir doch alle, dass wir die Erstellung von Zukunftsprognosen in die Hände entsprechend kompetenter Forschungsinstitute legen. Und für das Austreiben von bösen Geistern, da haben wir unsere Psychiatrien. Und aufregende technische Wunder werden doch am laufenden Band von unseren Ingenieuren produziert. Da kommt doch unter uns niemand darauf, etwas im Namen Jesu Christi zu tun.

Genau so ist das doch bei uns! Und weil das offensichtlich so ist, so wäre das doch im Blick auf unseren Predigttext kolossal erleichternd: Denn dann könnten wir alle doch von den ganzen schlimmen Drohungen Christi keinesfalls betroffen sein. Und dann müsste doch in Bezug auf uns diese schroffe Abweisung Christi entfallen: „Ich habe euch noch nie gekannt; weicht von mir, ihr Übeltäter.“ Wie sind wir also hier und heute gut heraus aus aller schwieriger Aschermittwochsselbstbesinnung und können uns fröhlich und selbstbewusst wieder das Gesicht waschen! Ja, wie sind wir hier in Mitteleuropa doch wirklich gut dran! Nein, wir sind hier nun einmal nicht im afrikanischen Busch, wo an jeder Ecke geweissagt wird, böse Geister ausgetrieben werden oder über Wunder gestaunt wird. Nein, durch das helle Licht der Aufklärung ist doch hier in Mitteleuropa alles in gute Ordnung gebracht –

aber vielleicht deshalb auch so träge und blutleer und ohne jede Begeisterung! Vielleicht würde uns Christus darum hier und heute im Vergleich zu anderen geistbewegten Gegenden und Zeiten ganz anders befragen. Wie wäre es, wenn seine Frage an uns hier und heute die Frage nachdemFeuer und der Begeisterung über seine Botschaft wäre, und wenn er dann angesichts unserer Trägheit und Zögerlichkeit am Ende zu der Verurteilung käme: „Ich habe euch noch nie gekannt; weicht von mir, ihr Übeltäter?“ Wie wäre es, wenn Christus heute hinsichtlich der Konsequenz aus der Bergpredigt Dir und mir in die Augen schaute und fragte: „Wo hast du dich denn jemals zu mir bekannt und laut und vernehmlich >Herr, Herr!< gesagt? Und warum hast du Dich denn nicht getraut, die Bibel so zu lesen, dass Du aus ihr Gottes Weg mit Dir und Euch in die Zukunft erkennen konntest und hast dann daraufhin Wege gewiesen? Und wo bleibt denn Dein Engagement gegen die vielen bösen Geister, die uns von so vielen öffentlichen Veranstaltungen, oder aus den Fernsehern und Spielkonsolen dummdreistanglotzen? Und wo bleibt denn Dein Glaube, sodass Du nicht mehr mit Wundern rechnest, eben dass Du nicht mehr damit rechnest, dass unser Gott mehr tun und wirken kann, als wir uns je vorstellen könnten?“

O, solche Fragen, die würden am Aschermittwoch wirklich stechen. Solche Fragen, die würden Wunden schlagen. Und das Schlimme ist, dass unsere sonst so perfekte Medizin dagegen keine Mittel hätte. Denn es ist einfach peinlich, wenn entlarvt würde, dass wir die Seligpreisungen zwar gehört, aber doch ihren Zuspruch überhaupt nicht in unser Leben hinein genommen haben. Ja, es ist einfach peinlich, wenn damit offen unser Halbglauben und Zweifel zu Tage treten würde und unsere so vagen Vorstellungen über das, was uns und den ganzen Kosmos letztlich halten und tragen kann.

Aber was sollen wir da jetzt tun an diesem Aschermittwoch? Etwa schnell den Gottesdienst verlassen? Oder sicherheitshalber erst einmal ein wenig Aufgeschlossenheit oder Begeisterung heucheln?

Aber wie sollten wir denn damit vor Christus, der uns ins Herz schaut, bestehen können? Darum: Um Himmels willen, was sollten wir denn tun, um den Willen Vaters im Himmel zu erfüllen? Was sollten wir denn tun, um uns wirklich ausrichten zu können nach der bedingungslosen Liebe zu Gott und zu unserem Nächsten, so wie sie Christus uns gepredigt hat? Denn wir kennen doch uns und unsere Schwäche, und dass wir das doch allein nicht schaffen!

Aber halt! Vielleicht ist genau diese Erkenntnis in der Aschermittwochsselbstbesinnung der Beginn jenes Umdenkens, das Christus hier und heute in uns einleiten will, nämlich der Beginn der bedingungslosen, Leib und Seele umschließenden Ausrichtung auf das Wirken und Wachsen des Reiches Gottes! Und natürlich schaffen wir das nicht allein, das sollen wir auch gar nicht, denn Christus ist es, der in uns, mit uns und durch uns wirken will: in Arbeit und Beruf, im Ruhen und Feiern, im Wachsen und Vollendetwerden. Selig ist, wer so Christi Wirken erfahren darf. Das ist freudige und überströmende Lebenserfüllung. Selig aber auch, wer so sein Leid tragen kann, und dabei klar empfinden, wie er hinein genommen ist und bleibt in den Weg Christi, an dem zu sehen ist, wie Gottes Liebe auch durch Schmerz und Tod hindurch und zu österlichem Leben zieht.

Wenn wir nun bereit sind, so umzudenken und umzufühlen, und so Christus nachzufolgen in Gedanken, Worten und Werken, dann tun wir genau damit den Willen Vaters im Himmel und dann tun wir genau damit so ganz von allein das Gerechte und Notwendige für uns und unseren Nächsten und für Gottes ganze Schöpfung!

Und wenn wir dann so ausgerichtet einmal bösen Geistern entgegentreten oder auf Wunder hoffen, dann tun wir es im Namen Jesu Christi und sind uns dabei ganz sicher, dass allein Gott aller Bosheit entgegen tritt oder Wunder dann tut, wann und wo er will. Aber er tut sie! Und dann sind wir keine falschen Wundertäter, sondern schlicht erwartungsvolle Kinder Gottes!

Oder wenn wir dann einmal Kluges voraussagen, dann tun wir es im Namen Jesu Christi und sind uns dabei ganz sicher, dass alles allein nach der Klugheit Gottes geschieht. Und so geschieht es! Und dann sind wir keine falschen Propheten, sondern schlicht vertrauensvolle Kinder Gottes!

Und wenn wir damit hier an diesem Aschermittwoch wie Kinder stehen und staunend und dankbar erfahren dürfen, wie unser himmlischer Vater uns trotz unserer persönlichen Schwachheit auf diese Weise mit hinein nimmt in sein Wirken und Gestalten dieser Welt, dann beginnen wir wirklich umzudenken und den Weg Christi richtig zu erkennen. Ddann tun wir wirklichBuße. Und dann können wir am Ende gar nicht mehr anders als Gott zu loben und ihm zu danken – in diesen irdischen Zeiten beginnend bis in alle Ewigkeit im Himmelreich. Amen.


Pastor Dr. Andreas Pawlas
Ev.-luth. Kirchengemeinde Barmstedt
Eichenweg 24
25365 Kl. Offenseth-Sparrieshoop
Andreas.Pawlas@web.de

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