Offenbarung 2, 7

Offenbarung 2, 7

Viele sind der Meinung, das Christentum sei eine Wortreligion.
Es geht darum, daß das Wort verkündigt wird. Und daß jemand
hört. Das Christentum ist für das Ohr. „Wer Ohren hat
zu hören, der höre“. Aber jedes Mal, wenn Jesus etwas
sagte, dann fragten sie nachher, ob sie nicht ein Zeichen sehen können.
Menschen wollen die Dinge mit eigenen Augen sehen.

Wir hören nicht immer gleich gut. Sogleich kommen wir mit Entschuldigungen,
wenn wir etwas gut hören. Wie die Leute in der Erzählung des
heutigen Evangeliums. Sie hörten, aber sagten nein danke. Wir hören
und hören dennoch nicht.

Und was für das Ohr gilt, gilt auch für unsere Sinne. Manchmal
ist unsere Wahrnehmung wahr, andere Male ist sie falsch. Vielleicht sollten
wir uns gar nicht auf unsere Wahrnehmung verlassen. Dafür gibt es
in unser abendländischen Kultur eine gute Tradition. Wir haben u.a.
von den Griechen die Auffassung geerbt, daß man sich vor den Sinnen
hüten und sich nur auf den Geist verlassen soll. Die Sinne verleiten
uns nur. Führen uns auf Abwege. Dagegen war der reine Geist, der
nicht von den niedrigen Sinnen des Körpers besudelt ist, der einzige
Zugang zur Wahrheit über unser Leben.

Aber so leicht geht es nicht in der christlichen Auffassung, wie man
zur Wahrheit kommt. Wir wurden geschaffen mit unseren Sinnen, und wie
sehr wir auch mißverstehen und mißdeuten, übersehen,
nicht wahrnehmen, so sind wir doch unseren Sinnen überlassen. Wo
die Griechen geistig waren, sind wir Christen geistige Materialisten.
Der Geist sitzt im Körper. Wir sollen hören, sehen, merken,
schmecken und riechen, bevor wir verstehen.

So ist es auch in der Kirche. Hier hören wir das Wort und sehen
den Altar, hier singen wir das Lied und schmecken den Wein. Und lassen
uns von der Musik mitreißen. Aber wir gebrauchen nicht die Nase.
Denn wir haben den Weihrauch abgeschafft in unserer Kirche – zur Not
haben wir noch ein paar Kerzen. Und doch, wie einmal einer gesagt hat:
Es ist als sitze der Geruch der Kirche und all ihrer Gemeinschaft in
seinen Kleidern, wenn er nach Hause kommt.

Und heute, wo die meisten Menschen den Geruch gespürt haben in
allen anderen geistige Bäckereien und gemerkt haben, daß wir
allmählich in einer geruchsfreien Welt leben, da ist es vielleicht
an der Zeit, daß wir zurückkehren, zurück zur Kirche.
Zurück zur Gemeinschaft. Hier, wo es auch kühl sein kann, still
und ruhig. Und mit dem Duft des Himmelreichs.

Und wenn man erst einmal die Nase nach Hause zur Kirche gewendet hat,
bekommt man Sinn für mehr. Da will der Mund auch das Seine haben.
Das wußte Jesus ganz genau. Deshalb liebte er die Mahlzeit. Er
ging zu einem Mahl nach dem anderen. Er hatte eine gute Nase für
die Freuden und Vergnügungen des gesellschaftlichen Lebens. Welche!
Die Gemeinschaft trotz der Einsamkeit, die Einheit trotz der Unterschiede,
die Gleichwertigkeit trotz der Ungleichheit. Wovon handeln die Entschuldigungen
im heutigen Evangelium: Felder, Ochsen, die Frau? Sie handeln von den
Unterschieden. Und deshalb wollen sie wohl nicht zum Fest. Sie wollen
nicht all das aufgeben, was sie von anderen unterscheidet.Ihre Entschuldigungen
entlarven sie. Sie verweisen gerade auf das, was sie von den anderen
unterscheidet, das, was sie besitzen und was sie zu etwas macht. Im Gegensatz
zu den Gästen, die statt dessen kamen – die Armen, Krüppel,
Blinde und Lahme. Sie hatten nämlich keine besonderen Kennzeichen,
die sie gerne gebrauchten, um sich von allen anderen zu unterscheiden.
Im Gegenteil. Sie wollten gern ihre belastenden Kennzeichen loswerden
– Krankheit und Armut – und mit anderen gleich werden. Sie wußten,
daß es hier nichts bedeuten würde, wer sie waren, denn das
Fest galt nicht ihnen.

Und Jesus möchte gerne Gesellschaft haben – koste es, was es wolle.
Er weiß, daß wir auf Erden den Himmel wahrnehmen sollen.
Vielleicht hatten ihm das die Engel ins Ohr geflüstert. Denn die
brauchen keinen Mund. Sie können sich direkt einander mitteilen.
Wenn der eine nur etwas denkt, weiß der andere, was das ist. Sie
leben miteinander kraft der Gedankenübertragung oder Telepathie.

Aber wenn wir Menschen uns einander verständlich machen sollen,
müssen wir Worte gebrauchen. Jedes Mal, wenn wir reden, sollen unsere
Worte ‚Fleisch‘ werden – Worte auf Lippen, die gesprochen und von einem
Ohr gehört werden. Das wurde Gott klar, daß es sich mit uns
Menschen so verhält, deshalb schickte er seinen Sohn. Wir sollten
schmecken. Deshalb ist das Abendmahl so, wie es ist. Wir können
nur gedenken mit sichtbaren Zeichen: Brot und Wein. Wir können uns
nicht begnügen mit Worten und Meinungen allein. Deshalb haben wir
eine Kirche. Weil wir nicht Engel sind. Engel brauchen keine Rituale,
Lieder, das Bad der Taufe oder den Tisch des Herrn, Orgel und Kirchenbänke.
Aber wir Menschen brauchen das. Als Zeichen für das Himmelreich.

Und er setzte diese Zeichen des Himmelreichs – die Taufe, das Abendmahl,
die Predigt, die Lieder – als Zeichen dafür, daß dort, wo
sie realisiert und verwirklicht werden, sein Geist und sein Leben, seine
Liebe gegenwärtig ist.

Ehe ich auf die gute Mahlzeit zu sprechen komme, möchte ich doch
auch etwas über die schlechte Mahlzeit sagen. Die erleben wir oft,
denn unsere Medien pflegen die Mahlzeit. Früher war es die Talkshow,
die sie Seherquote retten sollte, nun scheint es die Fernsehküche
zu sein.

Zwei Dinge sind es, die die Mahlzeit in den Medien kennzeichnet: Erstens
wird die zubereitete Mahlzeit immer von außen beurteilt, ob sie
gesund und ernährungsrichtig ist. Sie wird wissenschaftlich beurteilt.
Eine gute Mahlzeit, die Mahlzeit des Reiches Gottes, wird danach beurteilt,
ob sie Gemeinschaft und Einheit herstellt. Ob ich allein oder mit anderen
essen soll. Ob die Mahlzeit Leben und Lust bringt oder Langeweile und
Traurigkeit.

Das andere, was merkwürdig ist an der Mahlzeit, die einem in den
Medien präsentiert wird, ist dies: Wir sehen alle Ingredienzen,
die Vorbereitungen und zuletzt, bevor die Sendung schließt, erhalten
wir das Rezept, währen die Kamera über einen Tisch mit einem
Teller fährt. Ohne Menschen. Keine Gäste, keine, der die Mahlzeit
genießt, keine Worte. Kur Schweigen … Die gute Mahlzeit – die
Mahlzeit des Reiches Gottes – ist ein Genuß für die den Wirt
und die Gäste, wo geredet wird und gelacht.

Ich glaube, wir haben alle ein Gespür dafür, was eine gute
Mahlzeit ist, und dafür, daß dieses Gespür von einem
christlichen Verständnis der Mahlzeit stammt. Also von dem Sinn,
den Jesus dem gemeinsamen Essen und Trinken himmlischer Speise gab.

Wie gesagt: Jesus liebte eine gute Mahlzeit und ein gutes Essen. Ein
altes Sprichwort sagt: „Der Mund des Gastes macht den Wein gut“.
Essen heißt mit anderen Essen. Was wir bei der Mahlzeit erleben,
ist Freundschaft, Freude und Nähe. Essen verbindet. Ja so sehr,
daß wir zuweilen eine geschlossene Tischgemeinschft werden. Aber
lieber geschlossene Gesellschaft als außen vor sein.

Und die Tischgemeinschaft hat seit der Zeit Jesu zwei Dinge bedeutet:
Man hatte Teil am Leben und der Persönlichkeit des Wirtes. Wie der
Wirt am letzten Abend zu den Freunden sagte: zu meinem Gedächtnis.
Er ist in unserem Abendmahl nicht direkt gegenwärtig, sondern er
hat sich selbst ersetzt mit dem Brot und Wein. Es ist, als zeige das
Brot das in seinem Werk an, was gegenwärtig ist, wenn wir es in
unserem eigenen Leben wiederholen, Handlungen, die wir tun können
und die Gott zu seinen macht. Das Brot bringt auch zum Ausdruck, daß der,
der lebendig war, statt dessen nun an dem erkannt wird, was wir – wie
er es damals tat – weitergeben können. Wenn wir zu Tische sitzen,
nehmen wir ja auch nicht zuerst, sondern geben weiter. Wir lassen den
Nebenmann zuerst nehmen.

Und der Wein ist die von der Natur kultivierte und bearbeitete Weintraube,
die Leib und Seele verwandeln kann. Wo das Brot also die Handlung Jesu
ersetzt, so daß wir sie weitergeben können, so ersetzt der
Wein das Blut, das die Handlung zum Leben erwecken kann. Der Wein verwandelt
ist. Mit dem Wein gehen wir einen Stoffwechsel ein. Wir erhalten durch
den Wein Saft und Kraft.

Ja aber, wird vielleicht jemand sagen: Was wir am Altar erleben, das
ist doch nicht die große Gemeinschaft. Und das bißchen Brot
und Wein hinterläßt doch nicht die große Verwandlung
in Leib und Seele. Nein, das ist wohl wahr. Aber das Abendmahl ist auch
ein Bild, ein Zeichen, ein Symbol. Das Abendmahl kann nicht die Gemeinschaft
herstellen, sondern sie allein widerspiegeln, wo sie schon ist. Durch
das Abendmahl werden wir mit anderen Worten in dem bestätigt, was
die gute Mahlzeit ist, das, was wir erleben, wenn wir Mahlzeiten zusammen
mit Verwandten, Kollegen und Freunden einnehmen.

Wir kennen sowohl die Gesellschaft, wo man traurig und freudlos nach
Hause ging, mit einem Gefühl der Unerlöstheit und Einsamkeit.
Wir hatten das Gefühl von Trennung und Ferne. Aber wir kennen auch
das Gegenteil: Das gute Fest, wo die Zeit stillstand, wo die Stimmung
gut war, wo man merkte, das der Geist lebendig war, die Worte frei und
freundlich strömten zwischen mir und den anderen – und dann geht
man erleichtert nach Hause. Man fühlt sich, als sei man ein anderer
Mensch, daß Worte gesagt wurden, sie sonst nicht gesagt werden.
Man merkt, daß alle einen Sinn hatten und in dieselbe Richtung
schauten. Oder Geschwister waren.

Das kommt von der himmlischen Speise!

Pfarrer Jørgen Demant
Hjortekærsvej 74
DK-45 88 40 Lyngby
Tel.: ++ 45 – 45 88 40 75
email: j.demant@wanadoo.dk

 

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