Predigt zu 2. Korinther 1,3-7

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Predigt zu 2. Korinther 1,3-7

In dir ist Freude | Laetare | 27.03.2022 | Predigt zu 2. Korinther 1,3-7 | verfasst von Rudolf Rengstorf |

Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der Vater der Barmherzigkeit und Gott allen Trostes, der uns tröstet in aller unserer Bedrängnis, damit wir auch trösten können, die in allerlei Bedrängnis sind, mit dem Trost, mit dem wir selber getröstet werden von Gott. Denn wie die Leiden Christi reichlich über uns kommen, so werden wir auch reichlich getröstet durch Christus. Werden wir aber bedrängt, so geschieht es euch zu Trost und Heil; werden wir getröstet, so geschieht es euch zum Trost, der sich wirksam erweist, wenn ihr mit Geduld dieselben Leiden ertragt, die auch wir leiden. Und unsre Hoffnung steht fest für euch, weil wir wissen: Wie ihr an den Leiden teilhabt, so habt ihr auch am Trost teil.

Liebe Leserin, lieber Leser!

Trost und trösten. An keiner anderen Stelle der Bibel – ja wohl auch an keiner anderen Stelle der Weltliteratur – kommen diese Worte so oft vor wie hier im Eingang des zweiten Briefes an die Korinther. In den nur fünf Versen werden sie gleich zehnmal genannt. Es ist, als würden einem damit die Ohren vollgestopft, sodass man anderes schon gar nicht mehr mitbekommt als immer nur dieses rost und trösten.

Trost meint Beistand

Und ich kann gut verstehen, wenn jemand dabei schnell abschaltet: Nee, das muss ich nicht haben. So böse und bedrückend die Zeit auch ist, nach „trostreichen Worten“ steht mir nicht der Sinn. Doch eine Predigt, die menschliches Leid mit schönen aber kraftlosen Worten zudeckt, hat Paulus auch nicht im Sinn. Denn das Wort, das er für Trost und trösten gebraucht, bleibt nicht auf den Mund beschränkt. Es hat sozusagen Hand und Fuß. Es bringt den Tröstenden mit wie den Hirten, der ein Lamm auf seinem Arm trägt, oder die Mutter, die ihr weinendes Kind auf den Schoß nimmt. Das klingt bei dem griechischen Wort für trösten immer mit. Am treffendsten geben wir es wieder mit den Worten „Beistand“ und „beistehen“. In ausweglos erscheinender Lage jemanden zu haben, der nicht vorbeischaut, um schöne Sprüche zu klopfen, sondern der bleibt und nach Kräften hilft – darum geht es.

Die Korinther waren auf anderes aus

Und warum ist Paulus das so wichtig, dass er den ganzen langen Brief mit insgesamt 13 Kapiteln unter dieses Vorzeichen stellt? Weil die von ihm gegründete Gemeinde mit ihrem Glauben an Jesus Christus ganz andere Erwartungen verbindet, als in der Not Beistand zu erfahren. Gar nicht erst in Not geraten, stark werden und immun sein gegenüber dem, was andere schwach macht. Das suchten die Korinther im Glauben an den Auferstandenen. Endlich loskommen und frei werden von einem Leben, das im Schatten des Todes liegt und sich deshalb nicht voll und dauerhaft entfalten kann. Das war die Atmosphäre, von der die Gottesdienste in Korinth erfüllt waren. Den Himmel auf Erden erleben. Dazu war christlicher Glaube da. Und dazu wurden die Christen in Korinth von den Missionaren, die nach Paulus in die Gemeinde gekommen waren, angestiftet. Hinzureißen vermochten sie die Gottesdienstbesucher zu unaussprechlichem Entzücken. Da ging wirklich die Post ab in der Kirche. Mann und Frau waren stolz darauf, dazu zu gehören. und spirituelle Erfahrungen zu machen, von denen andere nur träumen konnten.

Demgegenüber erschien der Gemeindegründer Paulus als armselige Gestalt. Seine Predigten waren trocken und belastend. Da war kein Elan, kein Feuer. Immer wieder kam er zurück auf das, was der Auferstandene doch längst überwunden und hinter sich gelassen hat. Ob Paulus

sich wirklich zu Recht als Apostel bezeichnete? Ob man ihm überhaupt noch Aufmerksamkeit und Gehör schenken sollte? Derartige Fragen und Zweifel wurden immer lauter.

Nicht nur die Korinther

Nun haben wir uns in der Kirche lange angewöhnt, die Korinther als Schwärmer, als Enthusiasten abzutun. Doch wäre das damals nur eine Verirrung der ersten Christenheit gewesen, die längst überwunden ist, dann könnten wir diesen Brief getrost zu den Akten legen und ihn aus dem Kanon biblischer Schriften entfernen. Er ist nicht entfernt worden, weil die korinthische Variante des christlichen Glaubens auch unter uns, ja in uns lebendig ist.

Mir jedenfalls ist die Sehnsucht nach ungetrübtem Glück, nach unbeschwerter Freude, nach todüberwindendem Leben sehr sympathisch. Und ich bekenne freimütig, dass mir unsere Gottesdienste oft auch viel zu armselig und schwunglos sind. Gut verstehen kann ich, wenn mir gesagt wird: „Ich mag es nicht, mich immer gleich als Sünder bekennen zu müssen. Und dazu gehe ich nicht in die Kirche, um das zu hören, was niederdrückt und was ich doch gerne hinter mir lasse.“ Und ich weiß, was für eine Zumutung das ist, fast zwei Monate lang vor Ostern – im beginnenden Frühling – Sonntag für Sonntag und oft auch noch mit Andachten dazwischen mit dem Leiden Christi konfrontiert zu werden. Und natürlich singe ich die Lob- und Danklieder unseres Gesangbuches viel lieber als das, was unter „Passion“ oder „Angst und Vertrauen“ zu finden ist.

Und wenn ich von Heilungsgottesdiensten höre und davon, dass Menschen durchs Beten wieder gesundgeworden sind, dann denke ich bei aller Skepsis: Ach, was für ein Segen wäre es, mit dem Evangelium, mit Predigt, mit Gottesdienst und Seelsorge so viel Kraft und Gewissheit vermitteln zu können, dass die Menschen in Scharen kämen und gesunder an Leib und Seele wieder gingen!

Und was den Paulus angeht, der hat auch unter Protestanten längst seine unumstrittene Autorität verloren. Aus der einfachen und anschaulichen Lehre Jesu hat er – so heißt es bei vielen – mit dem Pochen auf Leiden und Kreuz eine lebensfeindliche Theologie gemacht. Damit erschwert er den Menschen den Zugang zum Evangelium.

Das also schallt dem Paulus damals wie heute entgegen: Du machst das Evangelium zu klein. Bei dir verschwindet die Kraft des Evangeliums hinter dem, was die Menschen mühselig und beladen macht und sein lässt. Stark und herrlich ist unser Herr Jesus Christus, und seine Herrlichkeit können und wollen wir jetzt schon sehn in unsrer Zeit!

Wo Gott zu finden ist

Paulus schrieb diesen zweiten Brief an die Korinther, um sich gegen ihre Vorwürfe zur Wehr zu setzen. Doch schon zu Beginn des Briefes ist er wieder da mit allem, was uns in dieser Welt belastet. Von Bedrängnis schreibt er, von Trübsal und Leiden. Bedrängnis – das Wort trifft unsere Lage genau. Bedrolich umstellt werden wir von allen Seiten: Von der nicht endenwollenden Pandemie, den Schrecken des nahen Kriegs in der Ukraine und der Not der Flüchtlinge. Und dann der unaufhaltsame Klimawandel mit absehbaren Katastrophen für die Pflanzen-, Tier- und Menschenwelt. Und damals? Paulus und die Korinther wie all seine Gemeinden lebten in einer Welt, in der die Römer mit eiserner Faust dafür sorgten, dass keiner aus der Reihe tanzte. Und kein Pardon kannten sie, wenn ihrem Gottkaiser ein Messias oder Christus entgegengesetzt wurde. Damit geriet das ganze römische Wertesystem in Richtung auf Menschenrechte ins Rutschen. Ständig mussten Christen damit rechnen, verhört und in abschreckender Weise schikaniert zu werden.

Das spricht Paulu gleich am Anfang seines Briefes an. Er tut das aber nicht, um seine Korinther und uns nach unten zu ziehen. Er schreibt so – wir haben es noch im Ohr -, dass alles durchsetzt ist vom Gott des Trostes, der uns in allen Bedrängnissen und Belastungen

beisteht und uns dazu anstiftet, einander ebenso beizustehen. Wenn es euch, liebe Korinther und Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser heute, darum geht, Gott, sein Reich, seine Kraft, seine Herrlichkeit zu erleben: Hier könnt ihr ihn finden. Jesus hat in seinem Namen den Bedrängten, den Betrübten, den Leidenden beigestanden und ihnen nach Kräften geholfen. Denen, die am Rande standen und sich schon verloren gegeben hatten, hat er gezeigt: Das Reich Gottes ist mitten unter uns im Kommen. Und ihr gehört dazu. Gekrönt hat er sein Leben damit, dass er Leiden und Tod auf sich genommen hat. Damit bezeugt er: Auch dort sind wir nicht von Gott getrennt und verlassen. Im Tod ist er nicht geblieben. Mit seinen Worten und Taten bringt er Menschen dazu, sich innerlich aufrichten zu lassen in dem, was sie niederdrückt, und einander beizustehen. Das ist es, was eine christliche Gemeinde ausmacht, was sie belebt und zusammenhält. Nicht an geistlichen Kraftmeiereien wird sie erkannt. Sondern daran, dass sie in dem, was sie schwach macht, Widerstandskraft erhält.

Laetare, freue dich!

Und deshalb steht dieser Briefeingang über Beistand im Leiden unter dem strahlenden Vorzeichen seines ersten Satzes; „Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus.“ Lob und Dank für einen Gott, der aufrichtet, wo wir am Ende sind. Das kommt im Namen dieses Sonntags mitten in der Passionszeit zum Ausdruck. Laetare heißt er. Zu Deutsch: Freue dich!

Freue dich, dass wir bei allem Jammer den zur Seite haben, der sagt: „Ich lebe, und ihr sollt auch leben!“ Freue dich, dass ihm deine Niederlagen nicht peinlich sind und er dir zusagt: „Fürchte dich nicht: Meine Kraft ist in dem Schwachen mächtig!“

Was für ein Segen, dass es bis heute Menschen wie Paulus gibt, die sich an den Beistand Gottes in der Tiefe halten und das in Wort und Tat, in Musik und in Bildern weitergeben.

Gott sei Lob und Dank dafür, dass ich in der Kirche einen Ort habe, an dem das angesprochen und angenommen wird, womit wir keinen Eindruck machen können und was wir draußen lieber verbergen.

Gelobt sei Gott dafür, dass sein Beistand mich in aller Bedrängnis aufrichtet und mich, sensibler für die Not meiner Mitmenschen macht und mich dazu anstiftet, mich immer von neuem in der Nächstenliebe zu üben.

Gott weiß, wie oft ich dabei versage. Er weiß, wie oft Menschen enttäuscht und allein gelassen aus der Kirche kommen. Gott sei Lob und Dank dafür, dass er sie nicht aus den Augen lässt und weiter daran arbeitet, dass sie ihn finden und sich freuen können. Amen.

de_DEDeutsch