Predigt zu Johannes 1:(14)15-18

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Predigt zu Johannes 1:(14)15-18

Epiphanias, 06.01.2011 | Predigt zu Johannes 1:(14)15-18 | verfasst von Friedrich Seven |

Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.
Johannes gibt Zeugnis von ihm und ruft: Dieser war es, von dem ich gesagt habe: Nach mir wird kommen, der vor mir gewesen ist; denn er war eher als ich.
Und von seiner Fülle haben wir alle genommen Gnade um Gnade.
Denn das Gesetz ist durch Mose gegeben; die Gnade und Wahrheit ist durch Jesus Christus geworden.
Niemand hat Gott je gesehen; der Eingeborene, der Gott ist und in des Vaters Schoß ist, der hat ihn uns verkündigt.

Liebe Gemeinde,

heute Abend noch das Fest der Heiligen Drei Könige, und dann sind wir mit Weihnachten durch!  Endlich, möchten viele sagen. Denn auch dieses Weihnachten hat wieder alles gebracht, was wir uns schon lange vorher davon versprechen mussten: Überfüllung in den Geschäften – aber keine Fülle, Chaos auf Straßen und Bahnhöfen – und damit banges Warten, ob der Besuch überhaupt pünktlich zu den Feiertagen eintreffen wird. Dazu Weihnachtsgrüße, mit denen man nicht mehr gerechnet hat und bei denen sich die Freude über den, der uns doch ganz vergessen zu haben schien, mit der Frage mischt, ob man nun noch schnell seinen Gruß erwidern müsse.
Der Gabentisch ist schon abgeräumt, und bevor der Weihnachtsbaum nadeln könnte, werfen wir ihn heute spät noch raus, damit wir die Abholung durch die Stadtreinigung nicht versäumen.
Auch in den Kirchen scheinen wir mit dem heutigen Tag mit Weihnachten durch zu sein: Ab Sonntag feiern wir im Pfarrsaal. Dann ist wieder die Zeit der Winterkirche.

Mit einem lebenslang geschulten Blick hatten wir seit dem Advent – und viele schon lange vorher – immerzu geprüft, ob alles da war oder geschah, was zum Fest und seiner Vorbereitung dazugehört: das Aussprechen oder Verschicken von Einladungen; Terminabsprachen, wer wann wo und mit wem dabei sein könnte; Einkäufe und Beschaffungen. Dann geschmückte Weihnachtsstuben, Lichterbäume, schöne und weniger schöne Bescherungen. Gottesdienstbesuche in vollen und nicht mehr so vollen Kirchen, sowie Festmahle, Fernsehen oder ein Konzertbesuch.
Nicht alles davon, aber immerhin das meiste, war auch an diesem Weihnachtsfest dabei, und schon seit dem Neujahrstag hat das Aufatmen beginnen können, denn „die Karawane zieht weiter“.

Spricht uns da nicht unser heutiger Predigttext aus dem Herzen, trifft er es nicht genau, wenn er sagt: „Niemand hat Gott je gesehen“?

II.

Die Geschichte, die wir gerade im Evangelium gehört haben, erzählt uns von einer Karawane, die nicht einfach weiterzieht. Jetzt, am Tag der Heiligen Drei Könige, können wir dieser Karawane begegnen, und der Predigttext aus dem Johannesevangelium kann uns dazu anleiten.

Auch die Weisen, von denen wir annehmen können, dass es drei waren, haben einen beschwerlichen Weg und Umweg hinter sich. Zunächst haben sie nur einen Stern gesehen, aber weil ihre Augen geschult und ihr Wissen um Sterne und ihre Bedeutung groß war, haben sie aus dem, was sie sahen, den richtigen Schluss gezogen. „Wo ist der neugeborene König der Juden!“, fragen sie, als sie meinen, schon am Ziel zu sein.

Doch in der Hauptstadt treffen sie nur den alten König, der sich brennend dafür interessiert, wer ihm den Thron streitig machen könnte, den Weisen aber seine wahren Absichten verbirgt. Von seinen Schriftgelehrten hört er, dass Gottes Gnade wirklich werden wird in einem neuen König, und er muss diese Gnade fürchten, könnte ihn der Begnadete doch von seinem Thron stürzen. Von der Fülle der Gnade in Bethlehem möchte er gerade nicht nehmen, sondern sie vernichten.

Die Weisen erkennen seine wahre Absicht nicht, als er sie bittet, bei ihm auf dem Rückweg wieder vorbeizukommen, um ihm zu sagen, wo das Kind zu finden ist. Sie machen sich auf den Weg, und der Stern führt sie zum Kind.

Ihre Überraschung muss groß gewesen sein, als sie auf die Familie und das neugeborene Kind treffen, das ein König sein soll. Da schimmert nichts durch vom Glanz, den man von einem Königskind schon jetzt erwarten dürfte, und von der Macht, in die es doch nur hinein wachsen müsste.

Da liegt das Neugeborene – sie sehen ein gerade geborenes Kind, mehr sehen sie nicht. Aber sie ziehen nicht enttäuscht weiter, sind damit nicht fertig, nicht durch. Sie begreifen das Wunderbare, dass hier an diesem Ort Gott Mensch geworden ist.

Zu sehen ist eben nicht mehr als dieses Kind, als dieses arme Fleisch und Blut, aber zu finden war – und ist – der Glaube daran, dass Gott dieses schwache, verletzliche Kind liebt und es seinen Sohn nennt. Ja, Gott lässt sich dieses schwache, kleine Menschenkind nicht einfach nur gefallen in dem göttlichen Vorauswissen, daraus einen mächtigen unverletzlichen, gottgleichen König machen zu können, sieht also in diesem Kind nicht nur gerade mal einen Anfang, sondern der Anfang Gottes mit diesem Menschen liegt darin, dass er ihn in seiner Verletzlichkeit und Schwäche liebt. Die neue Botschaft besteht nicht darin, dass Gott angefangen hätte mit seinem Werk, sondern dass Gott selbst hier angefangen hat, wie eben das Leben eines Menschen nur anfangen kann.

„Niemand hat Gott je gesehen!“ – Die Weisen sehen Gott, aber sie sehen nicht viel Herrliches und nichts, was ihnen göttlich vorkommen könnte. Doch sie erkennen in ihrem Glauben den Gott, dessen Macht so groß ist, dass er die Liebe zum Schwachen und Geringen stark machen kann.
Das macht auch sie stark und bereit, vor diesem Kind (und in dieser ärmlichen Umgebung und mit einer zufälligen Gesellschaft) auf die Knie zu fallen. Sie sind, als sie sich auf den Rückweg machen wollen, weiß Gott, nicht fertig mit der Heiligen Nacht. Schon begegnet ihnen Gott im Traum, in einem Traum, den sie alle drei zu träumen scheinen, und sie folgen seiner neuen Wegweisung.

Mit dieser Nacht sind sie auch am Tage ihres Aufbruchs nicht durch und werden es auch die weiteren Nächte und Tage ihres Lebens nicht sein. Denn sie haben Geschenke gebracht – und selber den Glauben geschenkt bekommen.

III.

Liebe Gemeinde, vielleicht sind wir in der Meinung, nun mit Weihnachten endlich wieder durch zu sein, noch gar nicht an der Krippe angekommen. Es wäre nicht das erste Weihnachten, an dem wir uns bei allem Aufwand für die Feiertage selbst vergessen und uns am Heiligen Abend gefragt haben: „War’s das schon wieder?“
Gelegentlich haben wir uns an den Adventstagen ja darauf besinnen wollen, von der Erlösung diesmal zu Weihnachten nicht nur zu hören, sondern sie auch zu bemerken. Das Eingeständnis, dass es uns nicht so gut gelingt, wie wir und andere es gern hätten, ist uns in solchen nachdenklichen Augenblicken nicht gerade leicht gefallen und hat die Sehnsucht nach der Heiligen Nacht noch verstärkt.

Als dann die Botschaft wieder von der Kanzel zu hören war „Euch ist heute der Heiland geboren“ und ich an der Krippe unter dem Weihnachtsbaum von der Fülle des Herrn bald hätte nehmen können, da müssen wohl die Worte wieder durch mich hindurchgegangen sein, so dass ich einmal mehr mit leeren Händen dastehe. Der Sog zum Fest ergreift mich immer, aber am Ende ist er so stark, dass ich mich und die anderen darin ganz vergesse.

Mit den Königen anzukommen, das würde doch bedeuten, einmal dieses Weihnachten wirklich sein zu lassen und nicht schon an den folgenden Tag und bald schon wieder an das nächste Weihnachten zu denken. Dieser Abend, Epiphanias, Fest der Erscheinung des Herrn, könnte mir endlich Weihnacht genug werden.

Amen

Pfarrer Dr. Friedrich Seven
Scharzfeld
E-Mail: friedrichseven@t-online.de

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