Predigt zu Jona 1 und 2,1f.11

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Predigt zu Jona 1 und 2,1f.11

„Wie ein Nein zum Ja wird“ | Predigt zu Jona 1 und 2,1f.11 | Sonntag 6. Juni 2012 | verfasst von Eberhard Busch |

„Gott will, dass allen Menschen geholfen werde und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen“ (1Tim 2,4), so ist es in unsrer Bibel zu lesen. „Zur Erkenntnis der Wahrheit kommen“, das heißt eben, zur Erkenntnis dieser Hilfe kommen: der Hilfe für alle Menschen, für alles, was lebt. Das ist Gottes einer guter Willen mit seinen Geschöpfen. Und das ist die Wahrheit. Der verlesene Text, ja das ganze Buch Jona mit seinen vier Kapiteln ist eine beachtenswerte Erläuterung zu diesem Satz: „Gott will, dass allen geholfen werde.“ Dafür kann er gut einen Gehilfen brauchen. „Wem Gott will recht Gunst erweisen, den schickt er in die weite Welt.“ Ihn, den Jona, den Vertreter seines mit ihm verbundenen jüdischen Volkes, schickt er hin zu den Anderen, hin zu den Völkern, hin nach Ninive. Dem getreu, dass Israel im ganzen  berufen ist „zum Bundesmittler für das Menschengeschlecht.“ (Jesaja 42,6)

Ninive! Dorthin zu gehen, das ist jedoch, weiß Gott, kein Schleck. Ninive eine Riesenweltstadt, in der ein wildes Leben bei Tag und Nacht pulsiert. Eine Stätte „voll Lügen und Räuberei“, sagt der Prophet Nahum (3,1). Oder sagen wir: ein Ort, wo die Nachrichten versteckt sind unter einem Wust von „fake news“, ein Ort, wo man in manchen Quartieren seines Lebens nicht sicher ist. Ninive – eine Art „Durcheinandertal“, wie es der Dichter Friedrich Dürrenmatt beschrieben hat. Dort herrscht ein Lotterleben, in dem es drunter und drüber geht.

O, diese Anderen, die mir Fremden! – die leben nicht so, wie ich es für richtig halte, die führen sich nicht auf, wie sie sollten. Mehr noch: die leben jenseits der von Gott geliebten Schar. Soll man sich zurückziehen vor ihnen? Mit dem Spruch: Was gehen mich die Andren an! Ich bin mir selbst der Nächste. Oder soll man tolerant sein? Nach der Devise: Soll halt jeder nach seiner Façon selig werden. So oder so, man geht diesen Fremden am besten aus dem Weg. Und nun redet Gott seinem Jona gut zu, dass er das nicht machen soll. „Nein, gehe geradewegs auf sie zu! Bitte, geh denen nicht aus dem Weg! Genau dorthin gehörst du jetzt.“

Warum muss das sein? Darum, so wird ihm von Gott aufgetragen: „Predige wider sie! Denn ihre Bosheit ist heraufgekommen vor mich.“ Das überrascht uns. Ist Gott denn nicht „der liebe Gott“? Doch, das ist er. Aber das ist er nicht, ohne das Verkehrte in unserm Leben und in der Welt zu verabschieden. Gott will das stoppen. „So geht’s nicht weiter, ihr Leute! So lauft ihr dem Abgrund entgegen.“ Das ist Gottes heiliger Ernst, dem Irrweg der Niniviten und ihrer Gesinnungs-Freunde ein Ende zu bereiten: „Bis hierher und nicht weiter!“ Das ist seine Strenge: sein striktes Nein dazu, dass wir die Giftbrühe auslöffeln müssen, die wir uns selbst eingebrockt haben.

Ich denke, dass Jona klug genug war, in diesem strikten Nein das zu wittern, womit er am Ende der Geschichte den Höchsten in bitteren Worten anklagt: O nein, „ich wusste ja, dass du ein gnädiger und barmherziger Gott bist“ (Kap.4,2). Da hat er trotzdem recht. Soll denn dieser Höchste Böses mit Bösem vergelten? Soll er dreinschlagen?  O nein, sagt nun Gott: „Mein Herz ist andren Sinnes, all mein Mitleid ist entbrannt“ (Hosea 11,8). Gott fällt sich selbst in den Arm und sagt Ja zu denen, zu denen er Nein sagen muss. Gott hat Gutes im Sinn. Das hat er sogar schon, als er zu den Heiden in jener Großstadt Nein sagt und als er sie zur Kehrtwende auf ihrem falschen Weg bewegt. Denn diese verdorbenen Leute, diese total verquere Volksmasse, diese uns widrigen Fremden – sie sollen nicht untergehen.

Jawohl, es bleibt dabei. Das gilt: „Gott will, dass allen Menschen geholfen werde und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen“ Oder wie der Satz in einer neuen Übersetzung lautet: „Gott der Heiland will, dass allen Menschen geholfen werde, so dass das ihnen drohende Unheil sie nicht trifft.“  Das gilt sogar für die argen Heiden in Ninive. Und tatsächlich, das Wunder geschieht – und es ist immer ein Wunder, wenn das passiert: sie kehren um von ihrem Weg ins Verderben. Sie kommen zur Erkenntnis der Wahrheit. Sie tun Buße. Buße heißt genau dies: Umkehr. Buße ist nicht bloß eine innere Angelegenheit, die ein jeder privat, in seinem Inneren mit sich selber ausmachen soll. Sie muss auch öffentlich geltend gemacht werden.

Und so sind die Niniviten mit ihrer Umkehr nun auch Anderen, sogar über ihre Zeit hinaus, eine Lehre, ja, eine Einladung, die verhängnisvollen Wege zu verlassen, die in einer Katastrophe münden. Wir können es gerade heute sogar in der Zeitung lesen: Unsere Umkehr von bösartigen Fehlwegen tut not. … Jesus hat übrigens diese Geschichte von Jona gekannt. Er hat mit ihr unbußfertigen Menschen ins Gewissen geredet und gesagt: „Die Leute von Ninive werden auftreten im Gericht Gottes zusammen mit diesem Menschengeschlecht und sie werden es verurteilen; denn sie taten Buße nach der Predigt des Jona. Und siehe, hier ist mehr denn Jona.“ (Mt 12,41) Hören wir es bitte: So wie sich Gott vielmehr abkehrt von seinem Zorn, so antworten wir darauf mit unsrer Umkehr von unsren verkehrten Wegen.

„Gott will, dass allen Menschen geholfen werde und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen“. Also, “liebe deinen Nächsten“. Nächste, das heißt nicht: die, die uns naheliegen. Nächste sind die, die Gott uns nahelegt – nicht weil sie gute Menschen sind, sondern weil sie hilfsbedürftig sind, weil sie es brauchen, dass wir ihnen zu Nächsten werden, zu guten Nachbarn. Gott will das, aber will das auch sein Diener, sein Kind? Jona schüttelt sein Haupt. Gott sagt Ja. Jona sagt Nein. Er lässt Gott los, aber Gott lässt ihn nicht los. Er wirbt um ihn. Gott ist ihm wie eine Mutter, die sich in Liebe um das Wohlsein ihrer verschiedenen Kinder müht. Gott geht ihm nach, lässt ihm seinen Trotz nicht durch, nimmt ihn an der Hand, greift zu drastischem Mitteln, um ihn „zur Erkenntnis der Wahrheit“ zu führen, damit sein Helferwille geschehe wie im Himmel, so auf Erden. Und Gott will sein Werk nicht ohne ihn verrichten. Er will ihn daran beteiligen.

Was muss Gott alles tun, um diesen Dienstverweigerer zur Mitarbeit zu gewinnen! Doch der hat keine Lust dazu. Er pocht auf die Abschiebung der Fremden aus seinem Gesichtskreis Dass sein guter Gott auch ihnen helfen will, das will dem Glied von Gottes Gemeinde partout nicht in den Kopf. Dazu sagt Jona Nein, ein Nein ohne alles Ja. Davor nimmt er Reißaus. Ein solcher Gott, einer, der Mitleid mit den Falschen hat, wie er meint, mit den Hergelaufenen, ein solcher passt ihm nicht. Wo kämen wir da hin! Das stört seine Kreise. Kann er nicht auch seine Religion haben, ohne sie dabei zu haben? Lieber lässt er die Anderen in ihrem Sumpf stecken, als dass er auch nur einen Finger für sie rührt. Er versteckt sich vor seinem Gott, der ihm die Anderen nahelegt. Er will nichts mehr hören von solch einem Gott. Für den will er sich nicht mehr zur Verfügung stellen. Er läuft ihm davon, heuert auf einem Schiff an, das in die verkehrte Richtung fährt. Nach Tharsis. Heute heißt eine Region auf dem Mars so. Ziemlich weit weg. Nur nicht nach Ninive! Und er lässt es drauf ankommen, dadurch die Seeleute seines Boots in tödliche Gefahr zu bringen. Sie werfen ihn schließlich ins Meer, wie einen lästigen Unrat.

Ist er nun definitiv für Gott unerreichbar? Aber es heißt nicht umsonst im Psalm 139: „Nähme ich Flügel der Morgenröte und bliebe am äußersten Meer, so würde mich deine Hand doch daselbst führen.“ Gott legt Hand an, dass er nicht ertrinkt. Er lässt den Sünder leben. So wie es im Kirchenlied heißt: „Du strafst uns Sünder mit Geduld / ja endlich nimmst du unsre Schuld / und wirfst sie in das Meer.“ Für die Schuld gibt es kein Festhalten. Aber den Davongelaufenen hält Gott fest. Genau mit diesem Menschen kann er noch etwas anfangen. Jona landet wie in einer Rettungskapsel im Magen eines großen Fisches. Jetzt endlich tut er, was er zuvor auf dem schwankenden Schiff nicht getan hat – da hat er geschlafen. Jetzt wendet er sich dem zu, dem er davonlaufen wollte. Er betet. „Ich rief zu dem Herrn in meiner Angst, und er antwortete mir; ich schrie aus dem Bauch der Hölle, und du hörtest meine Stimme.“

Das alles klingt nach einem richtigen Märchen. Vor allem dies, dass das Meeresungeheuer den Flüchtigen nach drei Tagen und drei Nächten wieder ausspuckt – und zwar genau an der Stelle, wo Gott ihn haben wollte. An dem Ausgangspunkt für den Weg nach Ninive! Gott wirft ihn zurück auf die Anfänge. Ein Schritt zurück kann zuweilen Wunder bewirken. Gott versetzt Jona an den Beginn seines kuriosen Weges und gibt ihm eine zweite Chance, die eines Neubeginns, in seinem Dienst. Nunmehr stellt er sich Gott zur Verfügung, vielleicht mürrisch. Aber er tut’s. Er, der darauf besteht, dass diesen Fremden eine Rettung nicht zusteht, gerade er wird ihnen zum Gehilfen für ihre Heilung. Er, der Nein sagt, sagt nun doch Ja. Die Chance nutzt er und geht dorthin, wo Gott ihn haben will. Gott sei Dank, gibt es solche zweite Chance, die eines Neubeginns. Eine, die wir Andren gönnen. Eine, die uns gegönnt ist.

Eberhard Busch

37133 Friedland

<ebusch@gwdg.de>

 

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