Apostelgeschichte 9, 1-9

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Apostelgeschichte 9, 1-9

I. Stellen Sie sich vor: Osama bin Laden, der den Westen und seinen amerikanischen Lebensstil haßt und der die Position des Islams in der Welt mit Gewalt stärken will, –

Stellen Sie sich vor, dieser Osama bin Laden würde in seiner einsamen Bergwelt zwischen Afghanistan und Pakistan eine religiöse Bekehrung erleben, die ihn tief erschütterte, ja aus der Bahn würfe: Schlagartig würde ihm aufgehen: Der christliche Glaube ist der wahre Glaube.

Ein paar Tage später würde er in Karachi in einer Kirche der assyrischen Christen auftauchen. Diese wären zunächst entsetzt, aber dann würden sie ihn aufnehmen. Osama würde sich taufen lassen und hätte kurze Zeit danach in Rom beim Papst eine Privataudienz. Er würde seine weiteren Pläne absegnen lassen. Denn nun würde Osama sich mit aller Energie für seine neue Mission einsetzen: Seine früheren muslimischen Brüder vom Christentum zu überzeugen.

Unmöglich? – Aber so ähnlich muß es den Juden vor fast 2000 Jahren vorgekommen sein: Saulus – der später unter dem Namen Paulus bekannt wurde – war völlig überraschend zu den Christen übergegangen: Mit dem selben Eifer, mit dem er bisher die Christen verfolgt hatte, verbreitete er nun ihre Botschaft: Jesus von Nazareth – das ist der lang erwartete Messias.

Dazu der Bericht aus der Apostelgeschichte Kapitel 9:
(Zunächst die Verse 1 – 9. – Dann als Einschub🙂

Saulus, der bisher mit blindem Fanatismus Treibjagd auf Christen gemacht hat, kann nun gar nichts mehr sehen. Er, der die Christen gefesselt nach Jerusalem führen wollte, muß sich nun selbst nach Damaskus führen lassen. – Die Fortsetzung beginnt auch mit einer Erscheinung: (Die Verse 10 – 20.)

Man kann sich vorstellen, wie viel Gottvertrauen dieser Hananias aufbringt, wenn er in die ‚Höhle des Löwen’ geht und nach Saulus fragt. Er tut, was ihm aufgetragen ist und bringt sogar die Anrede “Lieber Bruder Saul“ über die Lippen. Paulus gehen endgültig die Augen auf, er lässt sich taufen und fängt sofort mit der neuen Missionsaufgabe an. Damit beginnt der angekündigte Leidensweg: Er gerät seinerseits ins Visier der jüdischen Religions-Behörde. Sie trachten ihm nach dem Leben. Seine neuen Freunde helfen ihm, bei Nacht und Nebel aus Damaskus zu fliehen und lassen ihm in einem Korb die Stadtmauer hinunter.

II: Was fangen wir nun mit dieser Geschichte an? – Zunächst einmal: Es geht nicht um uns, sondern um Paulus. Es geht darum, wie Gott aus einem Saulus einen Paulus macht – wie es heute noch sprichwörtlich heißt (vergl. aber Kap. 13,9). Es geht um ein außerordentlich einschneidendes Ereignis für die noch sehr junge Christenheit: Der, der sie bisher „über alle Maßen“ verfolgt hat – so schreibt es Paulus im Galaterbrief, wird nun selbst zum Apostel berufen. Lukas berichtet davon gleich drei mal in seiner Apostelgeschichte (siehe auch 22, 6 – 16; 22, 12 – 18). Paulus ist in seinen Briefen immer wieder darauf zurück gekommen, ohne allzu sehr auf Einzelheiten einzugehen (vergl. z.B. 1.Kor 15, 8; Gal 1, 11 – 24).

Paulus ist nicht irgendein Apostel, er ist der wichtigste. Seine Rolle lässt sich eigentlich nur mit der des Mose im Alten Testament vergleichen. Der hatte am brennenden Dornbusch in der Wüste seine Berufung erlebt und das Volk Israel aus der Sklaverei in Ägypten geführt. Während der langen Wüstenwanderung wurde er zum Munde Gottes: er verkündigte seinen Willen.

Paulus ist zum Mose des Neuen Testaments geworden. Er hat das neue Gottesvolk aus den engen Grenzen Palästinas hinaus geführt in die weite Welt. Nicht nur Juden, nein alle Menschen sollen zu diesem Gottesvolk gehören. Mit großem Eifer macht sich Paulus an die ihm gestellte Lebensaufgabe, das Evangelium von Jesus Christus in die ganze Welt zu tragen:

> Alle sollen davon wissen! – Deshalb versucht Paulus in einer gigantischen Anstrengung alle Völker des römischen Reiches mit seiner Mission zu erreichen. Er kommt nach Arabien, Syrien, Kleinasien, Griechenland und Italien. Nur nach Spanien hat er es wohl nicht mehr geschafft.

> Alle sollen es verstehen! – Deshalb übersetzt er das Evangelium in die griechische Sprache, in die Denkweise und religiösen Vorstellungen der hellenistischen Kultur; griechisch ist das Englisch von damals.

> Alle sollen davon ergriffen werden! – Deshalb setzt sich Paulus mit seiner ganzen Existenz dafür ein. Er identifiziert sich ganz und gar mit der Verkündigung Jesu, ja mit seinem Leidensweg. „Wir tragen das Sterben Jesu Christi allezeit an unserem Leibe,“ schreibt er an die Korinther (2.Kor 4,10). Es ist unglaublich, was für Strapazen er auf sich genommen hat, mit welchen Anfeindungen und mit welchem Unverständnis er es zu tun bekam. Die Worte Jesu bei seiner Berufung haben sich voll erfüllt: „Dieser ist mein auserwähltes Werkzeug, dass er meinen Namen trage vor Heiden und vor Könige und vor das Volk Israel. Ich will ihm zeigen, dass er viel leiden muß um meines Namens willen.“

Paulus ist zum wichtigsten Vertreter des Christentums geworden. Ohne ihn wären – nach menschlichen Ermessen – die “Anhänger des neuen Weges“ nicht mehr als eine jüdische Sekte geblieben: Juden, die glauben, dass der Messias schon gekommen ist. In den Wirren der ersten nachchristlichen Jahrhunderte wäre diese Splittergruppe möglicherweise untergegangen. Man kann sich schwer vorstellen, was ohne Paulus aus dem Christentum geworden wäre.

III. Liebe Gemeinde, die Berufung von Paulus ist keine x-beliebige Bekehrungs-Geschichte. Sie ist keine Beispiel-Erzählung, kein Gebrauchsmuster. Wollten wir uns diesen Anzug anziehen, er wäre uns viel zu groß.

Vielleicht ist es ja überhaupt anmaßend, wenn wir allzu schnell fragen: Was können wir mit dieser oder auch einer anderen biblischen Geschichte anfangen? Wie können wir sie nutzbringend verwerten und anwenden? Wie gesagt: Es geht zunächst einmal nicht um uns, sondern um Gottes Geschichte mit diesem Saulus-Paulus. Sie berührt einen Angelpunkt der Geschichte Gottes mit seinem Volk. Insofern geht sie auch uns an.

Wenn wir aber dann doch fragen: was können wir für uns daraus lernen? – so sind zwei oder drei Beobachtungen zu nennen:

Einmal: Paulus saß nicht am Kamin und grübelte nach: Was ist Wahrheit? Welche Religion ist wohl die passende für mich? (Das glaubte er ja genau zu wissen!) Nein, es überfiel ihn aus heiterem Himmel. Es warf ihn aus der Bahn. Er musste alles aufgeben, was ihm bis dahin wichtig, ja unverzichtbar erschien – auch seine alten Freunde. So etwas ist immer mit einer Krise verbunden.

Weiter: Was Paulus erlebte war mehr als eine innere Erleuchtung, mehr als ein tiefes religiöses Erlebnis, das ihn zwar spirituell bereicherte, aber im übrigen völlig unverbindlich blieb: Er wurde in die Nachfolge Jesu gerufen. Und das tat weh. Das war mit neuen Aufgaben und Herausforderungen verbunden. Jesus sagt einmal zu Petrus, er werde dahin geführt, wohin er eigentlich nicht wolle. Das gilt auch für Paulus (vergl. Joh. 25, 18f).

Schließlich: Das war nicht sein privater, ein rein persönlicher Weg, auf den Paulus gestellt wurde. Ab sofort gehörte er zusammen mit anderen Christen. Er gehörte zu einer Gemeinschaft, die er sich nicht aussuchen konnte. Man freute sich nicht unbedingt über diesen neuen Bruder, dessen Vorgeschichte ja nur zu gut bekannt war. Außerdem: sie hießen zwar die „Heiligen“, aber es ging bei ihnen keineswegs immer heilig zu –so wenig wie bei uns (Heilig hießen sie ja nicht, weil sie sich so verhalten hätten, sondern weil sie von Gott beschlagnahmt, geheiligt worden waren). Auch Paulus ließ sich bald in Hahnenkämpfe verwickeln, besonders mit den Uraposteln. Ein Engel ist aus ihm nicht geworden.

Und doch hat er keinen Moment daran gezweifelt, dass er den richtigen Weg eingeschlagen hatte. Denn „unser Bürgerrecht haben wir im Himmel,“ schreibt er einmal. Und ein andermal: „Unsere Trübsal, die zeitlich begrenzt und vergleichsweise leicht ist, schafft eine ewige und über alle Maßen gewichtige Herrlichkeit“ (Phil 3, 19f und 2.Kor 4, 17).

Wenn wir das doch aus vollem Herzen nachsprechen könnten! – Amen

Wilhelm v. der Recke, Cuxhaven
Pastor im Lektorendienst
e Mail: Wilhelm.v.der.Recke@t-online.de

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