Matthäus 24

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Matthäus 24

Heute ist der letzte Sonntag im Kirchenjahr. Die
Zeit verrinnt. Der Ton wird härter. Hier wird zu Erwachsenen geredet. Und zu Erwachsenen
kann man vom jüngsten Gericht reden. Und hier handelt es sich in
der Tat um einen Text vom jüngsten Gericht. Auch wenn das Gleichnis
von einer Hochzeit erzählt.

Das Besondere und Eigenartige am Evangelisten Matthäus ist, daß mehrere
seiner Gleichnisse, die von einem Fest als Rahmen erzählen, mit
einer Katastrophe enden. So werden Gäste herausgeworfen, weil sie
nicht richtig angezogen waren. Und heute: Es soll Hochzeit gefeiert werden,
aber einige sind nicht mit dabei. Das ist bedrohlich, katastrophal. Das
liegt schon in der Einleitung des Gleichnisses: „Dann wird das Himmelreich
gleich sein …“. Dieses drohende „dann“. Ein Verhängnis über
der Zukunft, ein Damoklesschwert über dem Kopf. Nicht ein: Wenn
du dies tust, …. dann!. Denn dann kannst du dich ja retten, indem du
etwas tust! Nein, da liegt etwas Unwiderrufliches in diesem „dann“!.
Es weist nach vorn – in eine Zukunft. Eine Ankündigung, daß es
zu spät sein könnte. Es gibt Dinge, die man nicht aufschie­ben
kann. Dinge, die man nicht ändern kann. Es ist etwas Unwiderrufliches
im Dasein. Das ist das Gericht des Evangeliums: Es gibt ein „zu
spät“.

Es ist vielleicht gut zu wissen, daß das Gleichnis von den Brautjungfrauen
eng mit einer orientalischen Hochzeitsszene zusammenhängt und nicht
mit einer dänischen oder europäischen. Bei einer orientalischen
Hochzeit – auch heute noch kann man das bei einer muslimischen Hochzeit
erleben – geschieht dies, daß sich die Gäste früh am
Abend versammeln und gemeinsam essen und trinken, während man auf
den Bräutigam wartet. Er kommt erst zur Nachtzeit, die Höhepunkt
und Abschluß des Hochzeitsfestes ist: Der nächtliche Einzug
des Bräutigams in das Haus seiner Eltern. Nach stundenlangem Warten
kommt dann endlich eine halbe Stunde vor Mitternacht der Bräutigam,
um die Braut zu holen, begleitet von seinen Freunden in einem Lichtmeer
von brennenden Kerzen, er wird von den Gästen empfangen, die ihm
entgegengehen. In einem festlichen Umzug macht sich die Hochzeitsgesellschaft
dann auf, wieder in einem Meer von Licht, zum Haus des Vaters der Braut,
wo die Heirat und ein erneutes Gastmahl stattfindet.

Wenn wir die Erzählung des Matthäus hören, hören
wir ja nicht nur vom Hochzeitsfest – die Feier der Vereinigung zwischen
Braut und Bräutigam, das gemeinsame Essen und Trinken, die Reden,
der Tanz. Nein, hier ist es der Auftakt zum Fest, die Vorbereitung und
der spezielle Teil der Vorbereitung – nämlich das Warten auf das
Kommen des Bräutigams. Und wieder geht es Matthäus darum zu
betonen, daß dann das Himmelreich gleich sein wird den zehn Jungfrauen.
Es ist die Zeit vor dem Fest, die wichtig ist. Hier in der Wartezeit
entscheidet sich die Zukunft. Jetzt trifft das bedrohliche „zu spät“ ein.

Auch die Braut und der Bräutigam stehen nicht im Mittelpunkt der
Geschichte. Von ihnen hören wir nichts. Im Mittelpunkt stehen indessen
die Brautjungfern. Und sollen ja nicht den Bräutigam heiraten. Das
soll dagegen die Braut, von der wir gar nichts hören. Die Jungfrauen
aber sollen mit beim Fest dabeisein. Sie sind dabei als Gefolge. Als
jemand, der als Diener dabei ist, als Helfer, zur Unterstützung.
Und dann natürlich als Festteil­nehmer. Der Bräutigam kommt
unter allen Umständen – plötzlich und überraschend.

Stellen wir uns einmal vor, daß wir die Brautjungfern sind. Wir,
die wir hier versammelt sind. Wir sind das Volk der Erwartung. Es geht
darum, in der Erwartung zu leben, jetzt. Der

Sinn des Wartens. Aber mit dem drohenden „zu spät“ als
ein Damoklesschwert über dem Kopf. Die Klugen leben in der Erwartung,
die Törichten nicht. Die Klugen bleiben der Erwartung treu. Die
Dummen verraten sie – und deshalb haben sich nicht Teil am Fest.

Die Erwartung ist ein Morgenlicht in uns. Die Sonne schafft ja auch,
noch ehe sie sich über den Horizont erhoben hat und den neuen Tag
ermöglicht hat, die Morgenröte am Himmel. So ist es, wenn die
Sonne kommt. Und so ist es auch mit allem, was kommt: Noch ehe es in
die Gegenwart reicht und den Augenblick, hat es bereits ein Morgenlicht
der Erwartung in uns angezündet.

Wir können durch die Erwartung erleuchtet werden, aber wir können
sie nicht schaffen. Sie wird durch die kommende Wirklichkeit hervorgebracht,
von etwas, das von außen kommt. Wenn wir selbst Licht anzünden,
dann wird das nicht Erwartung, sondern Tagträumerei und Phantasie.
Nur die Wirklichkeit, die zu uns kommt, kann in uns Erwartung schaffen.

Wie in der Erzählung sind die Brautjungfrauen voller Erwartung
gegenüber dem Bräutigam. Sie nehmen alle ihre Lampen und gehen
ihm entgegen, es gibt keinen großen Unterschied.

Wie in der Erzählung, wo die Brautjungfrauen erwartungs­voll
sind gegenüber dem Bräutigam, der kommen soll. Sie nehmen alle
ihre Lampen und gehen ihm entgegen. Es gibt keinen sonderlich großen
Unterschied zwischen dem Verhalten der Klugen und der Törichten.
Sie haben den Eifer gemeinsam, aber auch die Müdig­keit, als
es spät wird und die Nacht kommt. Der Unterschied macht sich bemerkbar,
als der Ruf erklingt: Jetzt kommt er! Da erwachen sie alle und ergreifen
die Lampen, und erst jetzt zeigt sich ein Unterschied zwischen den Dummen
und den Klugen. Die letzteren haben Öl für die Lampen, das
haben die ersteren nicht.

Das Morgenlicht der Erwartung brannte zwar in allen, aber für dieses
Morgenlicht gilt wie für alle Morgendämmerungen der Natur,
daß wir dem nicht treu sein können, indem wir nur an den Tag
denken, der kommt. Wir können der Erwartung nur treu sein, indem
wir den Tag beginnen, in dem Glauben beginnen, daß es gelingt.

So ist es mit dem Morgenlicht der Erwartung. Es fordert mich, meine
Konzentration, meine Wachsamkeit. Meinen Willen, auf das zu achten, was
kommt. Der Wirklichkeit voraussein, die mir entgegenkommt. Ich kann nicht
selbst die Wirklichkeit schaffen, die kommt, aber ich kann bereit sein,
sie zu empfangen. Meine Einstellung, meine Haltung, meine Empfänglichkeit
sind entschei­dend dafür, wie die Dinge werden. Man kann vielleicht
von einer „Erwartungs-Pflicht“ sprechen.

Wenn meine Erwartung an das Leben etwa so klingt wie ein: „Ja,
vielleicht“, gleichsam hängemäulig und hängeohrig,
aufgebend oder zweifelnd – dann wird es auch danach, wir werden dem leeren
Grabe der Langeweile überlassen, bis uns das Leben aus dem Ruder
läuft.

Ist meine Erwartung an das Leben etwa ein „vielleicht, vielleicht,
so mit einer sorgenvollen Miene, händeringend und mit vielen Reden,
ja dann ist das nichts anderes als ein Appell daran, daß die anderen
mir helfen sollen. Ich ergehe mich in der Rolle des Selbstmitleids und
des Opfers – eine Rolle, die für einen selbst sehr angenehm sein
kann, aber unerträglich für andere.

Klingt meine Erwartung etwa wie ein „Na ja, vielleicht“, überlegen,
hochmütig und arrogant, so als hätte das Leben nichts zu bieten,
was mich verwundern oder überraschen könnte – dann bleibt nichts
anderes als Spott und Hohn. Abgestumpfte Zyniker und zurückgelehnte
Betrachter des Lebens gibt es viele in unserem Lande.

Seht ihr nicht die Bautjunfrauen vor euch, die hängemäulige,
die sorgenvolle, die spöttische? Das wird ein schöner Hochzeitszug!

Aber wie kann man der Erwartung treu sein? Wie im Morgen­licht der
Erwartung leben? Das bedeutet froh und zuversichtlich dastehen, ruhend
in der Gewißheit, die sagt: Das soll geschehen. Niemals enttäuscht
sein oder aus der Bahn geworfen, weil etwas zunächst nicht so geschieht,
wie man es sich gewünscht und ausgerechnet hat. Aber immer glauben
und hoffen und sagen: Es soll geschehen! Glauben heißt stets das
Freudige, das Glückliche und das Gute erwarten.

Das ist der Tag des Gerichts. Und das Urteil lautet: Du bist zur Erwartung
verurteilt. Der Kern des Christentums ist dieses eine: Du kannst erwarten,
daß Gott zu dir kommt. Du betest darum – auch jetzt nach der Predigt
– im Vaterunser: „Geheiligt werde dein Name, dein Reich komme“.
Sein Reich komme – mit Gutem, mit Gerechtigkeit und Barmherzigkeit. Du
hörst es auch gleich beim Abendmahl: Gesegnet sei, der da kommt
im Namen des Herrn“. Und Gott spottet nie über einen Menschen
oder macht ihn lächer­lich. Er wird stets unserer Erwartung
entgegenkommen. Amen.

Pfarrer Jørgen Demant
Hjortekærsvej 74
DK-45 88 40 Lyngby
Tel.: ++ 45 – 45 88 40 75
email: j.demant@wanadoo.dk

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