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Karfreitag, 13. April 2001 Predigt über Matthäus 27, 33-54, verfaßt von Matthias Petersen |
begrüßung so sehr hat gott die welt geliebt leitwort karfreitag was das bedeutet herzlich willkommen um
mein gott so viel gewalt mein gott gott
aus der tiefe gott von ganz unten aus der tiefe gott rufen wir zu dir unbescheiden drängend anmaßend rufen wir und bitten komm zu uns gott in unsere dunkelheiten in unsere fragen in unsere zweifel in unser golgota und überlaß uns nicht den mächten des todes maranatha unser herr komm amen
als an jenem morgen die sonne aufgeht über jerusalem als gleichzeitig eine atemlose aufgeregte menge juden und jüdinnen aus der ganzen bekannten welt sich bereit machen für peschach das heilige fest der freiheit erinnerung an die befreiung aus sklaverei und entwürdigung da also da taumelt schleppt sich ein erbärmlicher geschundener ein geprügelter blutender mensch umringt von johlenden horden getrieben von einer rohen soldateska beschwiegen von verzagten freunden nicht bemitleidet von selbstgerechten frommen schleppt sich so ein armer geschundener mensch durch die gassen jerusalems auf den blutenden schultern den querbalken eines kreuzes drückend rissig unmenschlich schwer vor allem aber absolut tödlich und nicht im entferntesten ähnlich den silberkreuzen und künstlerischen kruzifixen einer frommen schmuck und devotionsindustrie zu diesem zeitpunkt die wenigsten wußten das damals ja lag hinter diesem menschen bereits ein langer weg der höhen und tiefen freunde die ihn nicht verstanden gegner die ihm fallen stellten sensationshungrige die nur das mirakel suchten ängstliche die sich jeder veränderung entgegenstemmten aber dann doch immer wieder auch die atemlose erfahrung der liebe gottes die ahnung einer neue freiheit die anbrach wie ein strahlender frühlingsmorgen wunden die heilten brot das hunger stillte menschen die neuen lebensmut erfuhren augen und ohren die sich öffneten tote und totgeglaubte die aufstanden auferstanden gar aufbruchstimmung der morgen einer neuen schöpfung angebrochen mitten unter uns und das ganze einzig und allein aus dem ganz ganz tiefen abgrundtiefen vertrauen heraus daß gott diese welt liebt groß und klein keiner ist zu schwach keiner zu unfromm keiner zu verzweifelt als daß gott ihn nicht wahrnahm tief und innig liebte wie ein guter vater wie eine zärtliche mutter ihre kinder der frische wind der freiheit durchwehte das land einer freiheit die aus dem vertrauen wuchs und gerade das war vielen suspekt die furcht vor der freiheit ist groß in den seelen der mächtigen denn auch sie sind ja gefangene gefangene ihrer gier ihrer beharrung ihrer angst vor veränderung und so folgt folgerichtig der leidensweg des befreiers die einsamkeit im garten gethsemane die gefangennahme die flucht der angstgeplagten getreuen die rechtsbeugung durch einen rückgratlosen richter verhöhnung folter durch verrohte subalterne und dann die letzten schleppenden schritte zum tod der befreier gefangen aber die angeblich freien allesamt miteinander handelnde und gaffende sind nicht weniger gefangen in ihren rollen unfähig die eingeübten muster zu durchbrechen da kommt einer vom feld simon von kyrene ist müde von der arbeit kommt gerade rechtzeitig wird dienstverpflichtet von rohen proleten zum kreuz geschubst nimm das los mach schon wird’s bald und nimmt das kreuz auf simon wird gezwungen ein sehr symbolisches bild keiner kann abseits stehen angesichts des leidens es gibt da keine neutralität wir belügen uns wenn wir meinen wir hätten ja nur dabeigestanden und auch wer befehlsnotstand geltend macht reicht doch die hand zur folter alle beteiligten beziehen auf diese weise position eine position der angst eine position die nicht mit gott rechnet eine position in der vertrauen nicht mehr vorkommt und in der nun folgerichtig die welt so sein muß als gäbe es gott nicht mit wein und galle will man sich entlasten man ist ja kein unmensch ich hab mein möglichstes getan um das schlimmste zu verhindern wein und galle man sagt daß das die schmerzen lindert aber was soll man tun wenn der nicht mitspielt ist doch wahr wir haben unser bestes versucht ist er doch selber schuld hier ist sie wieder die stimme der unfreiheit die angst vor dem eigenen handeln ich habs ja gar nicht gewollt hab mein bestes getan und wenn ich nicht dann hätte ein anderer die stimme der sklaverei ein vielstimmiger chor der angst wir laut die melodie der offiziellen inri könig der juden so eine vermessenheit hat selbst schuld der hochstapler der schrille diskant der spötter wenn du gottes sohn bist dann herunter mit dir siehst du das kannst du nicht du lügner der schweigende baß der soldaten und der trommelwirbel der würfel feierabend das geht uns nichts mehr an wohlgemerkt das ganze findet statt am tage des beginnenden passah des festes der befreiung und auf der bühne bewegen sich nur gefangene doch da sind auch zwei räuber so heißt es untergrundkämpfer partisanen zwei die pech hatten und sich erwischen ließen zwischen denen hängt jesus der heruntergekommene gott tiefer kann ein mensch nicht mehr sinken selbst die verspotten ihn nein tiefer kann ein mensch nicht mehr sinken lukas der evangelist erzählt einer der beiden habe nicht gespottet sondern stattdessen gebeten um eine gnade herr wenn du in dein reich kommst gedenke meiner gott ist so tief unten daß der mensch in der gosse nicht mehr hochschauen muß zu ihm sondern ihn bitten kann um eine gnade und vielleicht gar sollte das sein ein gehenkter als vertrauender ein freier mensch unter lauter gebundenen sollte das wirklich so sein der anbruch der freiheit ausgerechnet auf golgotha dann der schrei elohi elohi l’ma sabachtani mein gott mein gott warum hast du mich verlassen ja doch das vertrauen des gehenkten ist groß warum hast du mich verlassen das ist der 22 psalm so betet jeder fromme jude im augenblick des sterbens bis heute das ist im augenblick der scheinbaren gottesferne das wahnwitzige vertrauen daß gott dennoch hört auf der intensivstation am offenen grab in der not der verzweiflung im scheitern der lebensplanung doch ja das wahnwitzige vertrauen daß gott hört zumindest hören könnte das vertrauen das den unterschied macht zwischen freiheit und gefangenschaft der jude jossel rackower am 28 april 1943 schreibt er angesichts des todes im warschauer ghetto ich glaube an den gott israels auch wenn er alles dazu getan hat mich an ihn unglauben zu machen was für ein vertrauen in tiefster not was für eine freiheit verstehen wir endlich warum jesus leiden mußte warum die ganze inszenierung notwendig war vergessen sie alles fromme geschwätz alle formeln gott hat seinen sohn für uns sterben lassen vergessen sie das es versteht doch niemand denken sie stattdessen an den gefolterten denken sie an jossel rackower an das wahnwitzige vertrauen dieser menschen vertrauen aller erfahrung zum trotz nur als leidender und dennoch vertrauender konnte jesus zum zeichen werden für alle leidenden um vertrauen ringenden nicht mehr weiter wissenden so schreibt es in unseren tagen der dichter rudolf otto wiemer keines seiner worte glaubte ich ihm hätte er nicht geschrien mein gott warum hast du mich verlassen das ist mein wort das wort des untersten menschen und weil er selber so weit unten war ein mensch der warum schreit und schreit verlassen darum will ich auch die anderen worte die von weiter oben vielleicht ihm glauben an dieser stelle so schreibt matthäus schreit jesus laut auf wirft sich seinem gott in die arme und stirbt es zerbersten die gräber es zerreißt der vorhang des tempels es weht alles dahin was gott und mensch je trennte so wird neues leben möglich so brechen die ketten so ist der zugang zu gott wieder offen ein für alle mal niemals wird der mensch mehr zurück gehen müssen hinter das beispiel des vertrauens das jesus gab ein beispiel das wegweiser bleiben wird für ewig mutmacher freiheitsfanal so daß selbst der hauptmann heide henker betroffen die botschaft der befreiung begreift wahrlich dieser ist gottes sohn gewesen was für eine szene was für eine botschaft ein mensch lebt und stirbt einzig mit dem ziel seine mitmenschen zu befreien aus der knechtschaft der angst durch das grenzenlose vertrauen in die umfassende liebe eines gütigen gottes er lebt und stirbt damit wir endlich begreifen wovon unser aller leben getragen wird: in der welt habt ihr angst aber seid getrost ich habe die welt überwunden amen
o gott so viel trennt uns gedanken die wir gedacht worte die wir gesagt taten die wir getan oder vielleicht gerade nicht gedacht nicht gesagt nicht getan haben so viel trennt uns o gott von dir und unseren mitmenschen wir haben gelebt als gäbe es dich nicht aus der tiefe unseres herzens gott aus der finsternis unserer seele bitten wir im namen jesu vater vergib amen
jesus sagt alles worum ihr nun den vater bitten werdet in meinem namen das wird er euch geben darum im namen und auftrag jesu christi sage ich einem jeden von euch der gott um vergebung bittet seiner schuld sei in frieden dir ist deine schuld vergeben + amen
jesus sagt frieden lasse ich euch meinen frieden gebe ich euch nicht gebe ich wie die welt gibt euer herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht gott hat uns seinen frieden geschenkt laßt auch uns nun einander bevor wir miteinander zum tisch des herrn gehen ein zeichen des friedens und der versöhnung geben
guter gott vater im himmel wir bringen dir unseren dank für die gemeinschaft an deinem tisch gemeinschaft über alles trennende hinweg gemeinschaft in versöhnter verschiedenheit und tiefer freundschaft als deine kinder als schwestern und brüder wir danken dir gott für die brücke die du uns baust die brücke zu dir die brücke zu uns selbst die brücke zueinander die brücke zu deiner ganzen schöpfung hilf uns sie mutig zu gehen voller vertrauen in deine zärtliche gegenwart hilf uns mutig einzutreten überall da wo auch nur eines deiner kinder auch heute noch zum opfer gemacht wird damit genug sei ein für alle mal was geopfert wurde durch unseren bruder deinen sohn jesus christus in seinem namen wagen wir es und beten zu dir vater unser im himmel Matthias Petersen, Propst
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