Psalm 25, 6

Psalm 25, 6

Der Hauptmann von Kapernaum hatte großes Vertrauen
zur Macht des Wortes. Er kannte es von sich selbst, er wußte es
aus seinem eigenen Alltag als Offizier. Wenn er zu einem seiner Soldaten
sagte: „Geh!“, dann ging er, sagte er: „Komm!“, so
kam er. Aber der Hauptmann kannte auch die Grenzen seiner eigenen Macht.
Es gab Dinge, die er nicht konnte, und das wurde besonders deutlich jetzt,
wo sein Knecht daheim lag und krank und gelähmt war. Er konnte den
Knecht nicht selber heilen. Er verfügte nicht über sein Leben.
Das tat ein anderer. Hier mußte Gott helfen. Er, der die Macht über
Leben und Tod hatte. Der Hauptmann kannte also seine eigene Macht, aber
auch deren Grenzen, und das machte ihn zu einem selbstbewußten,
zugleich aber auch demütigen Menschen. Nicht nur demütig in
dem Sinne, daß er nicht wollte, daß Jesus ihn in seinem Haus
aufsuchte, denn, wie er sagte: „Herr ich bin nicht wert, daß
du unter mein dach gehst“, sondern er war auch demütig gegenüber
seinem eigenen Können und Vermögen. Es gab eine Grenze für
seine Macht und seine Einsicht.

Das bedeutete nicht, daß der Offizier sich nicht durchaus seiner
Macht bewußt war, denn er wußte sehr wohl, daß er viel
mit seinen Worten ausrichten konnte: Wenn er den Mund aufmachte und Befehle
erteilte, wurden sie befolgt. Dennoch gab es eine Grenze. Das wußte
er, und das machte ihn demütig. Und damit kam in seiner Demut sein
Glaube zum Vorschein. Seine Demut zeigte seine Verbundenheit mit einer
göttlichen Macht. Sie machte ihn zu einem gläubigen Menschen.

Demut ist eine der christlichen Tugenden, von denen wir nicht viel sprechen.
Ihr haftet etwas Langweiliges an. Es ist eine Tugend, die nicht sehr modern
ist. Denn wir leben in einer Zeit, wo Demut einen unglücklichen Klang
hat und nach Selbstverleugnung klingt. Und sich selbst verleugnen, das
ist fast das Schlimmste, was man tun kann. Denn was oder wer ist man dann
in einer Zeit, in der wir so viele Kräfte darauf verwenden, sichtbar
zu sein? Wo wir so viele Kräfte darauf verwenden, uns selbst zu exponieren,
uns selbst in dem Mittelpunkt zu stellen. Nein, Demut, das ist nicht etwas,
nach dem wir streben. Vielleicht weil wir das mit Unterdrückung verbinden;
vielleicht weil wir allzu gut wissen, daß Demut oft die harte Lehre
aus einem harten Schicksal ist, oder weil wir sehr wohl wissen, daß
wir alle durch all das, was das Leben uns antut, demütig werden können.
Demut im positiven Sinne, dazu können wir uns vielleicht aufschwingen,
wenn wir vor großen gefühlsmäßig entscheidenden
Ereignissen in unserem Leben stehen wie z.B. der Geburt eines Kindes.
Ansonsten aber lebt die Demut ziemlich unbeachtet wie ein Relikt aus fernen
Zeiten. Denn wozu ist sie eigentlich da?

Die christliche Demut ist aber eng mit Glauben verbunden. Sie lebt vom
Glauben. Sie lebt davon, daß wir uns dazu verhalten, daß Gott
uns geschaffen hat und daß Gott über unser Leben verfügt.

Das Christentum ist in den letzten Jahrhunderten im protestantischen
Teil Europas so sehr verinnerlicht und privatisiert worden, daß
es für uns nahezu unsichtbar geworden ist. Es ist als hätten
wir etwas zu wörtlich das Christentum angenommen, so daß der
Glaube nun zu etwas geworden ist, das wir für uns behalten. Wir zeigen
ihn nicht, ja am liebsten verstecken wir ihn ganz. Verstecken ihn in unseren
Herzen und sorgen dann dafür, die Tür hinter ihm nachdrücklich
zuzumachen, so daß er sich nicht allzu sehr bemerkbar macht und
uns Schwierigkeiten bereitet. Aber ein solcher Glaube schwindet, er verwelkt,
er bekommt Atemnot, er ist nicht am Leben zu erhalten. Er wird geschwächt,
weil wir etwas von dem Wichtigsten von dem vergessen haben, was Glaube
ist. Darum ist es vielleicht an der Zeit, die Tür aufzustoßen,
so daß der Glaube wieder ins Freie kommen kann.

Denn Glaube ist nicht etwas, was man für sich selbst oder in sich
selbst hat. Glaube ist nicht eine persönliche Eigenschaft, die mit
unserer Person verknüpft ist. Glaube ist auch nicht eine der heutzutage
so gefragten psychischen Ressourcen. Glaube ist eine Offenheit, eine Aufmerksamkeit,
Glaube heißt, sich verbunden wissen, und ja, wir kommen nicht darum
herum, Glaube heißt demütig sein, die Grenzen seiner Macht
kennen. Glaube ist – anders gesagt – die Herzenstür offenhalten.
Für Gott und für den Mitmenschen. Denn Glaube hat auch mit Gemeinschaft
zu tun.

Das wußte der Hauptmann, und deshalb war es auch gar nicht notwendig,
daß Jesus in sein Haus kam. Jesus brauchte nicht in dieser Weise
zu zeigen, wie er das Heil in das Haus des Offiziers brachte. Er brauchte
nicht zu zeigen, daß er imstande war, die Grenze zwischen dem Göttlichen
und dem Menschlichen zu überschreiten. Das war bereits gegeben. Denn
der Hauptmann wußte, was Glaube ist. „Sprich nur ein Wort“,
sagte er zu Jesus. Die Aufmerksamkeit, die Offenheit und die Verletzbarkeit
waren da. Die Tür stand offen. Weit offen.

Aber wir anderen, wir sind so vergeßlich geworden. Zwar haben
wir das Wort Gottes Generation für Generation gehört. Die Worte
und die Erzählungen haben ihre Wirkung getan und unsere Kultur geprägt,
aber das ist noch lange nicht dasselbe wie die herzenstür offenzuhalten,
werden viele sagen. Und das ist wohl wahr. Denn wir haben es nicht vermocht,
daran festzuhalten, daß Glaube etwas ist, das wir gemeinsam haben.
Wir haben nicht vermocht festzuhalten, daß Glaube eine gemeinsame
Aufmerksamkeit und Demut ist. Aber auch in einer vergeßlichen und
von sich selbst eingenommenen Zeit spricht Gott mit seinem Wort. Es ergeht
immer wieder. das Wort, das die verschlossenen Türen öffnet.
das Wort, das uns den Glauben gibt, daß Gott uns in unserem leben
trägt. Den Glauben daran, daß Gott uns eine Zukunft eröffnet.
Daß Gott uns aus der Finsternis ruft. Deshalb ist unser gebet dasselbe
wie das des Hauptmanns: „Sprich nur ein Wort“, denn dann ist
unser Leben wieder möglich. Amen.

 

Asta Gyldenkærne
Skoven
DK-Jærgerspris
Tel: ++ 45 – 47 53 00 33
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