Psalm 84 und Lukas 2, 41-52

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Psalm 84 und Lukas 2, 41-52

Das Bild vom balancierenden Clown
Der dänische Zeichner Storm P. hat einen Clown gezeichnet, der auf einem Seil geht. Das Seil ist zwischen zwei Masten aus­gespannt. An Jedem Mast steht eine Leiter. An dem einem Mast sehen wir eine Wiege. Von der hat sich der Clown seinerzeit erhoben, eher er auf das Seil kletterte. Am anderen Mast finden wir ein offenes Grab. Das wartet auf den Clown. Wie man sagt: Es gibt zwei Häfen, uns namentlich bekannt, der eine ist unsere Wiege, der andere unser Grab.
Nach der Geburt die erste schwere Zeit, wo einem die Leiter Stütze und Hilfe gibt. Am Ende gibt die Leiter wieder Hilfe, um ins Grab zu kommen. Aber zwischen der Kindheit und dem Alter balancieren wir. Immer drauf und dran, das Gleichgewicht zu verlieren und abzustürzen.

Ein Bild von uns und der Weise, in der wir leben
Das ist ein Bild von uns und unserem Leben. Wir wollen das Leben selbst meistern – und wir haben Möglichkeiten wie nie zuvor. Wir wollen gerne frei und selbständig sein. Niemand soll sich zum Herrn über uns aufschwingen. Es geht darum, nicht das Gleich­gewicht zu verlieren. Einige stürzen ab und man muß ihnen wieder aufs Seil helfen. Deshalb geht es darum, daß einem das Leben gelingt und man gut durchs Leben kommt.

Das alte Christentum
Das Christentum ist fast zweitausend Jahre alt, und die Kirchen sind mit die ältesten Gebäude überhaupt in Dänemark. Aber die Kirchen sind keine Museen über die guten alten Tage, damals als Dänemark noch ein christliches Land war. Die Kirche ist ein lebendiges Haus. Ein Haus, das für den Gottesdienst gebaut ist. Ein Raum, wo lebendige Menschen sich heute versammeln können Ein Raum, wo wir mit all dem kommen können, was uns anrührt und bewegt. Alle unsere Sorgen und Freuden. Und wo wir Hilfe erfahren, mit beidem zu leben.

Die Zeit Jesu und unsere Zeit
Auch wenn es zweitausend Jahre her ist, daß Jesus hier auf Erden umherging, und auch wenn wir anders mit einander reden als damals, so treffen uns seine Worte aus dem heutigen Evangelium heute mitten in unserem Leben. Sie sind aktueller als die Zeitung von heute morgen.
Man kann sich manchmal darüber wundern, wie sehr sich die Zeit Jesu und unsere Zeit gleichen. Wie balancieren auf dem Seil zwischen Wiege und Grab. Und wir wollen selber bestimmen. Das ist unser Leben. Ich bin niemandem untertan. Und vielleicht fügen wir hinzu: Ich brauche keine Religion oder keinen Erlöser. Ich komme selbst zurecht.
Als Jesus den Leuten erzählte, daß er von Gott gesandt und daß sein Wort das Wort Gottes sei, kamen viele zum Glauben an ihn. Aber als er dann sagte, daß die Wahrheit, der Glaube an ihn, sie frei machen werde, da reagierten sie heftig. Da kam das freiheitliche Selbstbewußtsein in ihnen auf. Was sollten sie mit Freiheit? Die hatten sie ja schon. „Wir sind Abrahams Nachkommen und waren niemandem untertan. Wie kannst du sagen: Ihr sollt frei sein?“ Und da antwortet Jesus mit Worten, die hart und brutal zu sein scheinen. Er sagt ihnen, daß sie Sünder sind. Sie sind Knechte der Sünde. Und sie können erst wirklich frei sein, wenn der Sohn sie frei gemacht hat.

Religion und Freiheit
In Nordirland kämpfen Protestanten und Katholiken gegeneinander. Beide Seiten sind Christen, aber die Religion wird dazu benutzt, sie gegen einander aufzubringen. In Nigeria stehen Christentum und Islam vielerorts scharf einander gegenüber. Einige der islamischen Teilstaaten Nigerias haben die Scharia eingeführt, das islamische Gesetz. Dieses Gesetz ermöglicht es, Frauen zu Tode zu steinigen im Namen der Religion. Und in Indien bekämpfen Moslems und Hindus einander so heftig, daß es viele Menschenleben kostet.
Die Welt hat die Wunden nach dem 11. September noch nicht verwunden, wo islamische Fanatiker in ihrem Kampf gegen die USA tausende unschuldige Bürger mit sich in den Tod rissen. Und neulich schrieb ein Pfarrer einen Leserbrief gegen einen Menschen, der sich sehr einseitig ausgedrückt hatte: „Das klingt so, als sei der Mann in einem Bethaus aufgewachsen“. Ja, wir kennen die Vorurteile gegeneinander auch bei uns.

Schaff die Religion ab, und du wirst frei
Es scheint, als seien Religion und Freiheit zwei Gegensätze. Es scheint als besetze die Religion einen Menschen, übernehme einen Menschen und mache diesen Menschen zu einem Knecht, einem Sklaven der Religion.
Oder anders gesagt: Wenn wir gerne frei sein wollen, wenn wir Vorurteile zwischen Menschen vermeiden wollen, dann müssen wir die Religion abschaffen und unter unseren eigenen Bedingungen leben. Dann können wir jeweils ungestört auf unserem Seil tanzen und die Balance in der Zeit zwischen unserer Wiege und unserem Grab halten. Mach dich frei von Gott. Dann wirst du wirklich frei sein. Das scheint der unausgesprochene Grundton in diesen Jahren zu sein. Und wenn wir an die grauenvollen Taten und die unmenschlichen Einstellungen denken, die die Religion in einem Menschen hervorbringen kann, verstehen wir vielliecht gut, daß man so reden kann.

Freiheit und Sünde
Aber Freiheit ist nicht nur Freiheit, zu tun, was man will. Dann zeigt sich nämlich immer wieder, daß wir nur zu Sklaven unserer selbst werden. Der Mensch, der sich selbst nicht in die Augen schauen kann, der Mensch, keinen anderen freien Menschen neben sich dulden kann, ist nicht frei. Wie sehr dieser Mensch auch von Freiheit redet und sie zu haben meint, so ist er dennoch an Händen und Füßen gebunden. Gebunden von dem, was Jesus Sünde nennt. Sünde ist, daß wir uns selbst wollen. Daß wir uns selbst in den Mittelpunkt stellen. Daß wir von anderen Menschen sagen, daß ihnen so geschieht, wie sie es verdienen, denn jeder ist seines Glückes Schmied.

Bischof Gunner
Vor vielen Jahren schrieb der dänische Bischof Gunner von Viborg seine berühmte Vorrede zum „jütländischen Gesetz“. Hier sagt er, warum unserer Gesellschaft Gesetze braucht: „Mit Gesetz soll man das Land aufbauen, aber wenn jeder sich mit seinem eigenen Gesetz begnügte und dem anderen dasselbe Recht einräumte, dann brauchte man kein Gesetz. Kein Gesetz ist so gut zu befolgen wie die Wahrheit, aber wo man im Zweifel darüber ist, was Wahrheit ist, da muß das Gesetz die Wahrheit zeigen. Gäbe es kein Gesetz im Lande, da hätte der am meisten, der sich am meisten zusammen­raffen kann. Deshalb muß das Gesetz den Bedürfnissen aller Rechnung tragen, damit Rechtschaffne und Friedliche und Unschul­dige ihren Frieden haben können, und Ungerechte und Böse sich vor dem fürchten können, was im Gesetz geschrieben ist, und deshalb die bösen Taten nicht verwirklichen, die sie im Sinne haben“.
So ist der Mensch. Wir wollen uns nicht mit dem begnügen, was wir haben. Wir wollen den anderen nicht dasselbe Recht zugestehen. Weil wir Knechte der Sünde sind. Wir wollen uns selbst und das was uns gehört. Und am schlimmsten: Wir wollen unsere eigenen Götter sein. So kam die Sünde in die Welt, damals als die Schlange Adam und Eva zu Fall brachte, weil er sagte: „Gott weiß, wenn Ihr von dem Baum der Erkenntnis von Gut und Böse eßt, werdet Ihr wie Gott und kennt Gut und Böse“.

Die Befreiung in Christus
Aber es gibt etwas, das Gewissen heißt. Wenn wir allein sind. Wenn sich die Dunkelheit über uns senkt und wir schlafen sollen, kommen die Gedanken zu uns. Dann spricht das Gewissen. Das Gewissen bedeutet nämlich „Mit-Wissen“. Das, was allen verborgen ist, wie ich glaube, ist Gott nicht verborgen. Er weiß es auch. Deshalb läßt uns das Gewissen nicht in Ruhe. Gott legte einen Stumpf von sich selbst in uns am Morgen der Schöpfung. Deshalb spricht das Gewissen in uns seine Sprache.
Und deshalb ist es so schwer, sich selbst in die Augen zu sehen, sich dem Alltag und dem Mitmenschen zu öffnen. Wenn wir uns selbst überlassen wären und nicht an Gott glauben könnten, dann wären wir an Händen und Füßen gebunden an uns selbst. Von dem, was die Kirche Sünde nennt. Und das Gewissen würde uns nicht in Ruhe lassen.

Vergebung
Die Freiheit in Christus bedeutet, daß das Gewissen nicht Unruhe und Unfrieden in uns schafft, sondern vielmehr Geborgenheit und Befreiung. Denn Gott sagt zu uns: Ich kenne dich vielleicht besser als du sich selber kennst. Ich kenne nicht nur alles, was du getan und gesagt hast, sondern auch all das, was du gedacht hast. Aber du bist mein Kind. Und wie ein Vater seine Kinder liebt – so liebe ich dich.
Deshalb kannst du dir selber in die Augen schauen. Da ist einer, der dich getragen hat und deine Taten und Worte, seit du in die Welt gekommen bist und getauft wurdest. Du bist nicht dir selber überlassen auf dem unsicheren Seil zwischen Wiege und Grab. Ich bin mit dir auf dem ganzen Wege. Du bist mein Kind.
Wenn du nur dem ins Auge schauen wolltest. Ob du nur aufhören wolltest, dir selbst einzubilden, daß du frei bist, daß du selber ohne mich mit dem Leben fertig werden kannst. Das ist die Befreiung, das ist das Heil für den Menschen, sein leben in Gottes Hand zu legen. Dann können wir uns für unseren Mitmenschen öffnen.
Und das ist zugleich der Unterschied zwischen dem Chri­stentum und den meisten anderen Religionen: Als Christ hängt dein Heil nicht von deinen Werken ab, sondern dein Heil ist Sache Gottes – wenn du nur darauf vertraust, daß Jesus alles vollbracht hat. Amen.

Bischof Karsten Nissen
Domkirkestræde 1
DK-8800 Viborg
Tel.: ++ 45 – 86 62 09 11
E-mail: kn@km.dk

 

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