Unser tägliches Brot gib uns heute

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Unser tägliches Brot gib uns heute

Predigt zu „Unser tägliches Brot gib uns heute“, verfasst von Irene Mildenberger


Liebe Gemeinde,

Unser tägliches Brot gib uns heute, so beten wir im Vaterunser.
In dieser Bitte steckt viel mehr, als die Sorge um die Nahrung, die wir
zum Leben nötig haben.

„Versorge uns mit allem, was für Leib und Leben nötig
ist. Lehre uns dadurch erkennen, dass du allein der Ursprung alles Guten
bist und dass ohne deinen Segen unsere Sorge und unsere Arbeit wie auch deine
Gaben uns nichts nützen. Lass uns deshalb unser Vertrauen von allen
Geschöpfen abwenden und es allein auf dich setzen.“ So heißt
es im der Heidelberger Katechismus. Und Luther sagt: „Gott gibt das tägliche
Brot auch ohne unsere Bitte allen bösen Menschen; aber wir bitten
in diesem Gebet, dass er’s uns erkennen lasse und wir mit Danksagung
empfangen unser tägliches Brot.“

Gott, Vater, Schöpfer des Himmels und der Erde, gib mir Brot und
alles, was für Leib und Leben nötig ist, so bete ich, und erkenne
damit meine Abhängigkeit von Gott, dem Ursprung alles Guten. Erkenne
an, dass ohne seinen Segen meine Sorgen und meine Arbeit wie auch seine
Gaben nichts nützen.

Unser tägliches Brot gib uns heute, so bete ich und zeige damit
zugleich meine Dankbarkeit für den, der das tägliche Brot auch
ohne Bitten allen bösen Menschen gibt, sage ihm Dank für das,
was ich von ihm empfange.

Wenn Jesus uns lehrt zu beten: Unser tägliches Brot gib uns heute!
so lehrt er uns also zugleich, hinter der Gabe den Geber zu sehen, auf
ihn zu vertrauen, an ihn zu glauben. Mit dieser Bitte wird uns immer
wieder neu bewusst, dass wir von Gott leben, von ihm abhängig sind.

Und darum geht es auch in dieser Geschichte, die Johannes uns erzählt,
der Geschichte von der Speisung der 5000, von der wunderbaren Brot- und
Fischvermehrung. Es geht um den Geber und seine Gabe, um den Geber, der
mehr als ausreichend, der überreichlich gibt. Der gibt, wie er auch
in vergangenen Zeiten gegeben hat, den Geber, der in der Wüste den
Vätern und Müttern Himmelsbrot gab.

Gott gibt das tägliche Brot auch ohne unsere Bitte, so sagt Luther.
Und so ist es Jesus, der sich als erster Gedanken um das Brot macht.
Noch bevor die Jünger das Problem sehen. Noch bevor die Menge am
Ende eines langen Tages hungrig geworden ist. Sobald er die Menschen
sieht, sorgt er sich um sie. „Da hob Jesus seine Augen auf und sieht,
dass viel Volk zu ihm kommt, und spricht zu Philippus: Wo kaufen wir
Brot, damit diese zu essen haben? Das sagte er aber, um ihn zu prüfen;
denn er wusste wohl, was er tun wollte.“

Philippus hat vielleicht noch nicht oft genug das Unservater gebetet,
um die Lektion vom Ursprung alles Guten wirklich zu lernen – und
damit steht er ja nicht allein da. Ich selber jedenfalls hätte die
Prüfung durch Jesus sicher genauso wenig bestanden. Philippus fängt
an, sich Gedanken und Sorgen zu machen. Er antwortet Jesus ganz menschlich:
„Für zweihundert Silbergroschen Brot ist nicht genug für
sie, dass jeder ein wenig bekomme.“ Und wenn schon, dann sollen ja alle
mehr
als nur ein wenig bekommen.

Das findet auch Andreas, der darum auch einen anderen Weg verwirft:
„Es ist ein Kind hier, das hat fünf Gerstenbrote und zwei Fische;
aber was ist das für so viele?“ Da brauchen wir doch gar nicht anzufangen.

Aber Jesus fängt an. Er fängt damit an, Gott zu danken. Wie
er das getan hat, wissen wir nicht, aber wir wissen, wie fromme Juden
das heute tun. Mit Worten, die Jesus auch schon gesprochen haben könnte: „Gepriesen
seist du, Ewiger, unser Gott, König der Welt, der du Brot aus der
Erde hervorbringst.“ „Jesus aber nahm die Brote, dankte und gab
sie denen, die sich gelagert hatten; desgleichen auch von den Fischen,
soviel sie wollten.“

Und es reicht für alle, jeder bekommt genug, bekommt, soviel er
will, alle werden satt. So wie in der Wüste alle satt wurden von
dem Himmelsbrot, alle genug bekamen, auch die, die wenig gesammelt hatten.

Und gesammelt werden kann und soll auch jetzt wieder. Als sie aber satt
waren, sprach Jesus zu seinen Jüngern: „Sammelt die übrigen
Brocken, damit nichts umkommt.“

Das gehört ja zu der Dankbarkeit gegenüber dem Geber, mit
den Gaben sorgfältig umzugehen, die wir bekommen. Nicht um sie für
uns allein zu horten und anderen damit wegzunehmen – das lehrt
uns das Manna, das verdarb, wenn es aufgehoben wurde, das nicht gehortet
werden konnte und gerecht verteilt wurde. Nein, sorgfältig umgehen
mit den Gaben, damit noch andere satt werden können.

„Da sammelten sie und füllten von den fünf Gerstenbroten
zwölf
Körbe mit Brocken, die denen übrig blieben, die gespeist worden
waren.“ Wie überreichlich ist hier gegeben worden, ohne jedes
Bitten. Es bleibt genug übrig für alle zwölf Stämme,
für
ein ganzes Volk.

Grund genug, nach dieser Speisung zu danken, zu danken für mehr
als das Brot.

Fromme Juden tun das nach jeder größeren Sättigungsmahlzeit
mit einem feierlichen Tischgebet, das Gott nicht nur für die gerade
empfangene Nahrung dankt. „Gelobt seist du, Ewiger, unser Gott,
König der Welt, der du die ganze Welt in deiner Güte speist
mit Gunst, Gnade und Barmherzigkeit.“ Vergangenheit und Zukunft
kommen da dann in den Blick: „Durch deine große, immerwährende
Güte hat uns nie die Speise gefehlt und möge uns niemals fehlen
in Ewigkeit.“ Aber mehr als Speise hat Gott gegeben, so wird ihm
nun auch gedankt für alle seine Heilsgaben, für Gabe des Landes,
für die Befreiung aus der Sklaverei in Ägypten, „für
deinen Bund … und deine Lehre, die du uns gelehrt …für Leben,
Gunst und Gnade, mit denen du uns beglückt“ hast. Die Bitte
um Erbarmen für Jerusalem, die folgt, ist heute so dringend wie
in der Zeit nach der Zerstörung des Tempels vor fast 2000 Jahren.
Das Gebet endet nach weiteren Bitten – unter anderem um das Kommen
des Messias – schließlich mit der Bitte um Frieden: „Der
da Frieden stiftet in seinen Höhen, er stifte Frieden über
uns und über ganz Israel.“

Grund genug gibt es, Gott zu danken – und auch für die Zukunft
zu bitten – nach jeder Mahlzeit, so lehrt dieses Gebet. Denn es
geht um mehr als um Brot.

Auch die Menschen um Jesus merken das ja. Ein Zeichen ist es für
sie, was Jesus da tut, als er sie speist, ein Zeichen, das auf anderes
hinzeigt. „Als nun die Menschen das Zeichen sahen, das Jesus tat, sprachen
sie: Das ist wahrlich der Prophet, der in die Welt kommen soll.“

Es sieht so aus, als erkennten sie dieses Zeichen recht. Der Prophet,
der kommen soll, das ist ja der, der mehr ist als Moses, der bisher der
größte Prophet war. Mehr als Moses, unter dessen Führung
das Volk mit Manna gespeist wurde. Der Prophet, der kommen soll, ist
mehr als Elia, dem zusammen mit der Witwe aus Zarpat und ihrem Sohn das
Mehl im Topf und das Öl im Krug nicht ausging. Mehr erst recht als
Elischa, der Schüler des Elia, der mit 20 Gerstenbroten hundert
Menschen speiste und es blieb noch etwas übrig.

„Das ist wahrlich der Prophet“, da sagen und sehen die Menschen etwas
richtiges. Aber die Folgerung, die sie daraus ziehen, die ist verkehrt.
„Als Jesus nun merkte, dass sie kommen würden und ihn ergreifen,
um ihn zum König zu machen, entwich er wieder auf den Berg, er selbst
allein.“ Nicht König will er werden, der da alle gespeist hat,
nicht der größte Politiker aller Zeiten. So ist sein Zeichen
falsch verstanden.

In der Fortsetzung unserer Geschichte sagt er mehrmals, worum es bei
diesem Zeichen geht, worauf dieses Zeichen hinzeigt: „Ich bin das Brot
des Lebens.“

Vieles steckt in diesen Worten und der langen sogenannten „Brotrede“ Jesu,
die seiner Brotvermehrung folgt. Das Abendmahl „Nehmet hin und
esset“, Jesu Tod für uns Menschen „mein Leib, für
euch hingegeben“.

Aber wir können das ja nicht alles auf einmal hören und verstehen,
wie es auch die Menschen damals nicht alles auf einmal hören und
verstehen konnten. Zu viel und zu schwer war ihnen das. Für heute
reicht es zu bitten: „Unser tägliches Brot gib uns heute“.
Und damit auch, wie es der Heidelberger Katechismus sagt, zu beten: „Lass
uns unser Vertrauen von allen Geschöpfen abwenden und es allein
auf dich setzen. Auf dich, unser Vater, Ursprung alles Guten. Auf dich,
Christus, Brot des Lebens.“ Amen


Irene Mildenberger
Liturgiewissenschaftliches Institut der VELKD
Otto-Schill-Str. 2
04109 Leipzig
liturgie@uni-leipzig.de


 

Texte zur Predigt

Heidelberger Katechismus Frage 125
Was bedeutet die vierte Bitte: „Unser tägliches Brot gib uns
heute“?
Damit beten wir:
Versorge uns mit allem, was für Leib und Leben nötig ist.
Lehre uns dadurch erkennen, dass du allein der Ursprung alles Guten bist
und dass ohne deinen Segen unsere Sorge und unsere Arbeit
wie auch deine Gaben uns nichts nützen.
Lass uns deshalb unser Vertrauen von allen Geschöpfen abwenden
und es allein auf dich setzen.

Kleiner Katechismus
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Was ist das?
Gott gibt das tägliche Brot auch ohne unsere Bitte allen bösen
Menschen;
aber wir bitten in diesem Gebet, dass er’s uns erkennen lasse
und wir mit Danksagung empfangen unser tägliches Brot.
Was heißt denn tägliches Brot?
Alles, was not tut für Leib und Leben,
wie Essen, Trinken, Kleider, Schuh, Haus, Hof, Acker, Vieh, Geld, Gut,
fromme Eheleute, fromme Kinder, fromme Gehilfen,
fromme und treue Oberherren, gute Regierung
gut Wetter, Friede, Gesundheit, Zucht, Ehre,
gute Freunde, getreue Nachbarn und desgleichen.

Aus dem jüdischen Tischgebet:
Vor dem Essen:
Gelobt seist du, Ewiger, unser Gott, König der Welt, der du Brot
aus der Erde hervorbringst.

(Gelobt seist du, Ewiger, unser Gott, König der Welt, der du die
Frucht des Weinstocks erschaffen)

Nach dem Essen:
Gelobt seist du, Ewiger, unser Gott, König der Welt, der du die
ganze Welt in deiner Güte speisest mit Gunst, Gnade und Barmherzigkeit,
du gibst Brot allem Fleisch, denn ewig währt deine Gnade. Durch
deine große, immerwährende Güte hat uns nie an Speise
gefehlt und möge uns niemals fehlen in Ewigkeit um deines großen
Namens willen. Denn du speisest und ernährst alle, bist gütig
gegen alle und bereitest Speise für alle deine Geschöpfe, die
du erschaffen. Gelobt seist du, Ewiger, der du alle speisest.

Wir wollen dir danken, Ewiger, unser Gott, daß du unseren Vätern
ein liebliches, gutes und geräumiges Land zu eigen gegeben, daß du
uns, Ewiger, unser Gott, aus dem Land Mizraim geführt und daß du
uns aus dem Hause der Sklaven befreit, und für deinen Bund, den
du auf unserem Fleisch besiegelt, und deine Lehre, die du uns gelehrt,
deine Satzungen, die du uns kundgetan, für Leben, Gunst und Gnade,
mit denen du uns beglückt, und für den Genuß der Speise,
denn du speisest und ernährst uns immerwährend, an jedem Tage,
zu jeder Zeit und zu jeder Stunde. Für alles, ewiger, unser Gott,
danken wir dir und loben dich, dein Name sei gelobt durch den Mund alles
Lebenden immerwährend in Ewigkeit. Wie geschrieben: Du sollst essen,
satt werden und den Ewigen, deinen Gott, loben für das gute Land,
das er dir gegeben. Gelobt seist du, Ewiger, für das Land und die
Speise.

[…]

Gelobt seist du, Ewiger, unser Gott, König der Welt, Gott, unser
Vater, unser König, unser Erhabener, unser Schöpfer, unser
Erlöser, unser Bildner, unser Heiliger, Heiliger Jakobs, unser Hirt,
Hirt Israels, gütiger Gott, der du gütig gegen alle, an jedem
Tag hast du Gutes erwiesen, erweisest du uns Gutes und wirst du uns Gutes
erweisen. Du hast uns wohlgetan, du tust uns wohl, und du wirst uns wohltun
in Ewigkeit in Gunst, Gnade, Barmherzigkeit und zur Befreiung, durch
Errettung und Gelingen, Segen und Heil, Tröstung, Ernährung
und Erhaltung, Erbarmen, Leben und Frieden und alles Gute, kein Gut wirst
du uns fehlen lassen.

[…]

Der Barmherzige, er beglücke uns mit den Tagen des Gesalbten und
dem Leben der zukünftigen Welt, er macht groß das Heil des
Königs, den er eingesetzt und erweist Gnade seinem Gesalbten, David
und dessen Nachkommen bis in Ewigkeit. Der da Frieden stiftet in seinen
Höhen, er stifte Frieden über uns und über ganz Israel,
sprechet: Amen.


Aus: Sidur Sefat Emet. Mit deutscher Übersetzung von Rabbiner Dr.
S. Bamberger, Basel, S.278 284

Ein Fürbittengebet

laßt uns beten
laßt uns voll vertrauen rufen
zu unserm herrn jesus christus
der sich selbst als brot des lebens geschenkt hat

herr jesus christus
du bist im zeichen des brotes
brotnötig unter uns gegenwärtig
laß diese gemeinde
und die ganze kirche
von nichts anderem ernährt werden
als von deinem evangelium

laß deine kirche
im glauben und in der liebe
zum nächsten wachsen
und führe alle christlichen kirchen
zur vereinigung an deinen tisch

bewege die reichen dieser erde
ihren überfluß zu teilen
und an die menschen abzugeben
die zu wenig oder gar nichts
zu essen haben
mach eine neue
erdweite brotvermehrung

segne die früchte der erde
und das werk
unserer menschlichen hände
gib allen menschen arbeit
gerechten lohn
und ein menschenwürdiges dasein

tröste alle kranken
in ihrer einsamkeit
und laß dein evangelium
für alle verzweifelten
hoffnung und hilfe
und licht sein im dunkel

mach einen jeden von uns
zum lebendigen evangelium
und zum lebendigen brot des lebens

[…]

guter gott
komm uns mit deiner hilfe entgegen
ohne dich können wir nicht viel
laß jesus christus
unser licht sein
unseren weg
unser tägliches geistliches brot
amen


aus: wilhlem willms: mit gott im spiel. sprachspuren des kirchenjahres,
kevelaer 1982, S.187f

 

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