V7) Und führe uns nicht in Versuchung (Theologisch-hymnologische Informationen zu Liedern der Predigtreihe)

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V7) Und führe uns nicht in Versuchung (Theologisch-hymnologische Informationen zu Liedern der Predigtreihe)

Predigtreihe zum Vater Unser, Oktober 2006
Und führe uns nicht in Versuchung
Theologisch-hymnologische Informationen zu Liedern der Predigtreihe
Alexander Völker


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Und führe uns nicht in Versuchung  

In einer Reihe von Strophen des Vaterunserliedes kehrt die Vater-unser- Anrede (1,1) in stereotypen Rufen wie Herr (2,5; 5,3; 6,1; 7,1) bzw. Herr Gott (4,1) wieder: Realisieren die Beter/ die Sängerinnen, dass sie Gott anrufen, um nicht in Versuchung zu geraten? Unwillkürlich denkt man an Schalom Ben-Chorins Und suchst du meine Sünde, flieh ich von dir zu dir (EG 237, siehe unten). Mit Anfechtung (griech. peirasmos; Mt. 26,41; Lk. 8,13; 22,28; 1.Petr 1,6; Jak. 1,2.12) haben Christen in ihrem Glauben ständig zu rechnen, Luther nennt die Quelle und den „Motor“ (7,2f.): Wenn mich der böse Geist anficht, laß mich, Herr, nicht verzagen, heißt es in einem vergleichbaren Lied (EG 364,4. So konzentriert sich die eine Bitte dieser Gebetsstrophe ganz auf den Trost des Evangeliums durch den Heiligen Geist (7,7,4ff: hilf uns tun starken Widerstand – Gott, dem Richter, gegenüber!)

Der Liedanfang von Zieh an die Macht, du Arm des Herrn (EG 377) verdankt sich Jes. 51,9 und feiert den Gott Israels als Sieger, dem nichts zu widerstehen vermag und der sein Volk er- löst. Streiten (1,2; 2,3; 3,5), Kampf (1,5), der Feind (3,1), Sieg (2,2), widerstehen (3,6) weisen hin auf den geistlichen Kampf. Dass es sich um den Kampf der Glaubenden mit Gott und mit sich selbst handelt, mag man an den besonderen Gottesanreden ablesen (Arm des Herrn , 1,1; o Herr , 1,6; du starker Heiland du , 2,1; Heiligtum , 3,3; Herr, du bist Gott , 4,1). Es mag sein, dass diese und jene Sprachwendung – gerade im Ernstfall von „Anfechtung“ – „übertríeben“ erscheint (im Kampfe Tag und Nacht , 1,5; drängt um und um , 3,1; widerstehen bis aufs Blut, 3,6). Einen unbestreitbaren Vorteil hat dieses Lied: Es „atmet Gewissheit“ und überlässt das lobsingen (2,4; 4,6f.) weder den himmlischen Heerscharen noch einer zukünftigen Ewigkeit – das Lob Gott erwächst aus der Not (3,4), aus der Anfechtung.

Versuchung/ Anfechtung muss die Situation bestimmt haben, in der Friedemann Gottschick Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? (EG 381) konzipierte. Dieser Rahmenvers bringt auf einer Quinte den Aufschrei, zwei Kreisbewegungen folgen: Mit fünfmaligem So als Anfang des biblischen Beispiels (David , Ps. 22,1!) in nach oben versetzter Quinte, danach in einer synkopisch verknappten Mollterz – Ausdruck von Angst, Beklemmung -, die die Fragen verstärkt: hörtest du ihn?/halfest du ihm? (1,2) bis zum höre auf uns! (4,3). Das ‚Eli, Eli’ (Ps. 22,2a/ Mk. 15,34par) aller vier Strophen-Anfänge wird vom Urheber dieser Hiobsklage selbst übernommen: so klage auch ich (2,2), es bleibt offen, ob dieser so ferne Gott den König David , der Welten Christus und auch ihn erhört hat: Ausdrucksstark die Abwandlung zu warum gibt du keine Antwort? (2,1.4; 4,1). „Verblutet ist der Gerechte, verspottet die Liebe, verlassen die Hoffnung“(ein Ausleger). Die Wende in Versuchung und Anfechtung, denen zufolge auch in Wut und Ärger, in Bitterkeit, Ohnmacht, ja Schweigen liegt erst in Strophe 4: Du hörtest doch auf Christus … (Hebr. 5,7; 4,3). Das nicht nur musikalisch Verstörende gehört zur Sache selbst: Den letzten Ton des Ganzen bildet ein es’ statt eines d“: „Dieser unaufgelöste Schluss zwingt zur Stellungnahme – uns und auch Gott“ (so der Interpret).


Alexander Völker
asvoelker@teleos-web.de

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