1. Könige 8,22-24.26-28

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1. Könige 8,22-24.26-28

Nirgendwo und überall | Christi Himmelfahrt | 18.5.2023 | 1. Könige 8,22-24.26-28 | Rudolf Rengstorf |

Salomo trat vor den Altar des HERRN angesichts der ganzen Gemeinde Israel und breitete seine Hände aus gen Himmel und sprach:

HERR, Gott Israels, es ist kein Gott weder droben im Himmel noch unten auf Erden dir gleich, der du hältst den Bund und die Barmherzigkeit deinen Knechten, die vor dir wandeln von ganzem Herzen; 24 der du gehalten hast deinem Knecht, meinem Vater David, was du ihm zugesagt hast. Mit deinem Mund hast du es geredet, und mit deiner Hand hast du es erfüllt, wie es offenbar ist an diesem Tage.

Nun, Gott Israels, lass dein Wort wahr werden, das du deinem Knecht, meinem Vater David, zugesagt hast. Denn sollte Gott wirklich auf Erden wohnen? Siehe, der Himmel und aller Himmel Himmel können dich nicht fassen – wie sollte es dann dies Haus tun, das ich gebaut habe? Wende dich aber zum Gebet deines Knechts und zu seinem Flehen, HERR, mein Gott, auf dass du hörst das Flehen und Gebet deines Knechts heute vor dir:

(1. Könige,8,22-24.26-28)

Liebe Leserin, lieber Leser!

Ein eigenartiger Widerspruch kennzeichnet diesen Tag: himmelhochjauchzende Freude in seinen Liedern. Über der bekanntesten Himmelfahrtsgeschichte aber liegt eine gewisse Ratlosigkeit. Eine Wolke – so heißt es da – nahm Jesus vor den Augen seiner Jünger weg. Und als sie ihm noch nachschauten, standen bei ihnen zwei Männer in weißen Gewändern, die sagten: Ihr Männer von Galiläa – was steht ihr da und seht zum Himmel? Von großer Freude bei den Jüngern zeugt das nicht gerade.

Verdattert sind die Jünger – nicht etwa, weil hier elementare Naturgesetze vermeintlich durchbrochen wurden. Auch damals wusste man natürlich, dass ein Mensch aus Fleisch und Blut sich nicht einfach in die Lüfte erheben und in den Himmel entschwinden kann. Nein, das war von Anfang an n i c h t das Problem von Himmelfahrt. Denn seit Ostern war den Jüngern klar: Jesus gehört nicht mehr zu dieser Welt, hat keinen Leib mehr aus Fleisch und Blut. Zwar tauchte der Auferstandene noch unversehens in ihrer Welt auf, aber sie konnten ihn nicht halten. Er kam, wann er wollte und wo er es für angebracht hielt und ging dabei durch Wände und verschlossene Türen. Wer das erlebt hat, dem bereitet eine Wolke kein Kopfzerbrechen. Der Grund für ihre Ratlosigkeit war die Erde, die der Auferstandene verlassen hatte, auf der er sich nicht mehr zeigte, wie er es zu Ostern und in den Tagen danach getan hatte.

Was Himmelfahrt schwierig macht, ist das Aufhören von Ostern. Die Erscheinungen des Auferstandenen sind so nicht weitergegangen. Das Leben des Auferstandenen, das so triumphierend in den Osterliedern besungen wird: „schwingt fröhlich hier und da sein Fähnlein als ein Held, der Feld und Mut behält“ – es verflüchtigt sich immer mehr. Das Bild von Himmelfahrt will zeigen: Jesus gehört nicht mehr zu dieser Welt. Dafür gehört er zu ihm da oben. Von ihm ist er aufgenommen, bei ihm ganz aufgehoben. Das ist der Punkt. Und darüber können seine Leute sich von Herzen freuen.

Und wer das ist – der da oben –, was wir von ihm haben und was wir nicht von ihm haben, das kommt sehr hilfreich in Worten des König Salomo zum Ausdruck: Sie sind ein Teil des Gebetes, das der König aus Anlass der Tempelweihe in Jerusalem gesprochen hat. Mit Himmelfahrt direkt hat das nichts zu tun. Es hat aber alles zu tun mit dem Gott, den Jesus uns als den Vater unser im Himmel nahegebracht hat, und spricht ihn an auf das, was typisch ist für ihn – nämlich:

Zum einen: „Es ist kein Gott weder droben im Himmel noch unten auf Erden dir gleich.“ Mit nichts und niemand ist der Gott Israels und Vater Jesu Christi vergleichbar. Und wenn Juden und Christen ihn mit dem Himmel in Verbindung bringen, dann vor allem, weil der Himmel dem Zugriff des Menschen entzogen war. Und wenn der Himmel seine Unerreichbarkeit auch verloren hat, Gott bekommen wir damit nicht in den Griff. Nichts von dem, was sich da oben abspielt – etwa zwischen den Gestirnen – nichts davon spiegelt etwas wider vom Schöpfer des Himmels und der Erde. Sonne, Mond und Sterne – den Menschen des Altertums, aber ebenso modernen Esoterikern gelten sie als göttliche Mächte. In der Bibel aber werden sie gleich im Anfang entgöttert. Dort sind die, den anderen so heiligen Gestirne nichts als von Gott gemachte Lampen für die Nacht. Und auch hier unten auf der Erde, nicht einmal tief drinnen in uns Menschen gibt es etwas, was göttlichen Charakter hätte. Kein Seelenfunke, keine innere Balance, kein Erleuchtungszustand hat etwas mit Gott gemein. Juden und Christen können nichts in der Welt vorweisen, was ihrem Gott nahekommt und womit man ihn darstellen könnte. Darum hat man sie im Altertum sogar als „atheoi“ – Atheisten – bezeichnet. Das von Juden und Christen geprägte Abendland erscheint im Vergleich mit anderen Zivilisationen als gottesleer. Das erzeugt die Ratlosigkeit, die zu Himmelfahrt gehört.

Doch – das ist das zweite – ist das nur der Schatten des Lichtes, das von ihm ausgeht und in unser Leben hineinscheint. Denn – so fährt Salomo fort – „du hältst den Bund und die Barmherzigkeit„. Ein Gott, der nicht für sich bleiben, sondern mit Menschen im Bunde leben will. Daran zeigt er sich, dass er sich uns einprägt in einem Herzen, das nicht aufhören kann, nach ihm zu fragen, auch wenn der Kopf ihn nicht feststellen kann. Er hört nicht auf, uns anzusprechen in dem, was uns befreit aufatmen und “Gott sei Dank“ sagen lässt. Ebenso spricht er uns in dem an, was unser Gewissen, Verantwortungsbewusstsein weckt und schärft. Und er ist es, der unsere Sehnsucht nach Leben, das gelingt und gut wird, wachhält und unser Herz empfänglich macht dafür, dass da einer ist, der sich um uns sorgt und nicht ruht, bis er uns in den Verstrickungen von Sachzwängen und Eigensinn, Angst und Rechthaberei gefunden hat. Ein Gott, den wir nicht ergreifen, ergründen, festhalten können – auch nicht mit der größten Frömmigkeit und der reflektiertesten Theologie. Aber er ergreift uns und hält uns fest. Er lässt uns das auch spüren in allem, was uns aufrichtet, tröstet und am Leben hängen und festhalten lässt.

Und das dritte: „Wende dich zum Gebet deines Knechtes und zu seinem Flehen, Herr, mein Gott – so begründet der König Salomo den Bau des Tempels. Du, Gott, brauchst zwar keinen Tempel und keine Kirchen. Aber wir brauchen Orte, die über uns und unsere Welt hinausweisen auf den, von dem wir alles haben und der um unseretwillen alles gibt. Wir brauchen Orte, wo das Gebet – die Zwiesprache mit dem unfassbaren Gott – sich nicht zu verstecken braucht. Orte, an denen wir damit rechnen können, dass von ihm die Rede ist. Im normalen Leben da draußen erzeugt das ja meist Peinlichkeit, weil der Name Gottes da nicht hinpasst. Aber wir sind darauf angewiesen, von ihm zu hören, bestätigt zu werden in dem, was er uns ins Herz legt und mit hineingezogen zu werden ins Klagen und Bitten, Loben und Danken. Wir brauchen unsere Kirchen auch als den Ort, wo uns der Segen Gottes, seine Treue und wache Liebe auf den Leib zugesprochen wird. Damit wir gewiss werden: Er, der nirgends zu finden ist, er hat uns längst gefunden und lässt uns nicht mehr los! Amen.

de_DEDeutsch