1. Korinther 10, 16.17

1. Korinther 10, 16.17

Testament der Frohen Botschaft: Geschenktes Leben | Gründonnerstag | 14.04.22 | 1. Kor 10, 16.17 | Rainer Kopisch |

„Abendmahl“, 1909 Öl auf Leinwand 86 x 107 cm von Emil Nolde                     © Nolde Stiftung Seebüll

Liebe Gemeinde,

Im heutigen Predigttext aus dem 1. Korintherbrief, Kapitel 10, Vers 16 und 17 schreibt der Apostel Paulus: „Der Kelch des Segens, den wir segnen, ist der nicht die Gemeinschaft des Blutes Christi? Das Brot, das wir brechen, ist das nicht die Gemeinschaft des Leibes Christi? Denn ein Brot ist’s. So sind wir, die vielen, ein Leib, weil wir alle an einem Brot teilhaben.“

Diese Worte zeigen uns, wie sorgfältig Paulus die Überlieferung aufnahm, von der er im nächsten Kapitel 11 dieses Briefes  schreibt: „Ich habe vom Herrn empfangen, was ich euch weitergegeben habe.“ Paulus ist sehr dicht am Geschehen des letzten Mahles, das Jesus mit seinen Jüngern feiert. Es ist das Passahmahl, dass sie gemeinsam nach dem jüdischen Ritus begehen.

Dort gibt es im Ablauf des Mahles einen dritten Becher, den Segensbecher. Emil Nolde gibt diesen Moment im Ablauf des gemeinsamen Passahmahles wieder, als Jesus den Segensbecher in die Hände nimmt. Der Maler erinnert uns, dass es alle Juden sind, die hier das Passahmahl feiern.

Jesus hebt den Kelch ein wenig in die Höhe. Seine Hände mit dem Kelch stehen im Mittelpunkt des Bildes. Mit der Stiftung des Abendmahles als Sakrament geht es als Vermächtnis in die Hände der Jünger über. Emil Nolde hat zwei dieser Hände gemalt. Die Hand des Jüngers im roten Gewand liegt mit festem Griff auf der Schulter seines dunkel gekleideten Nebenmannes, der seinerseits die Hand auf die Hand seines Nachbarn legt. So wird die Gemeinschaft der Jünger deutlich. Jesus weiß, dass es wichtig ist, seinen Jüngern die künftige Feier des Abendmahles als ein Gedächtnis- und Erinnerungsmahl zu empfehlen. Dabei wird die liebevolle Gemeinschaft untereinander, die von der Liebe Gottes gespeist wird, eine entscheidende Rolle spielen. Die Kraft der Liebe Gottes wird in diesem Bild Emil Noldes in der Gestalt Jesu sichtbar. Sein Gesicht hat eine deutliche Verbindung zur liebenden Kraft Gottes. Wir sehen sie gleichsam als Segen in den Kelch fließen. Wir dürfen uns von der Darstellung Emil Noldes nicht täuschen lassen. Es ist der Jesus, der die Leiden und das Sterben am Kreuz noch vor sich hat. Es ist der Jesus, der weiß, dass sein Verräter zu den Jüngern gehört. Judas wird noch vor Jesus den Tod finden.

Wir sehen sein Gesicht in Noldes Bild im Teil-Profil am Rand des Jüngerkreises.

Als Emil Nolde dieses erste religiöse Bild malte, war er gerade von einer Krankheit genesen, die ihm fast den Tod gebracht hätte. Er hatte verunreinigtes Trinkwasser getrunken und rang mehrere Tage mit dem Tod. Dieses Bild ist wie ein Dank an Gott für sein neu geschenktes Leben.

Liebe Gemeinde,

Jeder und jede von uns lebt unter dem Segen der Liebe Gottes. Die Botschaft Jesus kündet von dieser Liebe Gottes. Sie geschah auch und gerade durch das Handeln Jesu. In seinem Leben ist er – erlebbar für andere Menschen – als Geliebter und Liebender Gottes sichtbar geworden. Kurz vor seinem Tod am Kreuz hat er seine Jünger seine Botschaft von der Liebe Gottes noch einmal erlebbar werden lassen. Der Ort des Geschehens war die gemeinsame Feier des traditionell-jüdischen Passahmahles. Es steht für Bewahrung und Geborgenheit, die Gott den Seinen schenkt. Es steht aber auch für die Stärkung vor einem Aufbruch in einen neuen Lebensabschnitt. Wir sind uns als Menschen oft nicht bewusst, dass leben fortschreiten heißt. Die Gelegenheiten, die die Gegenwart uns anbietet, achtsam zu nutzen, ist unsere Möglichkeit, die Liebe in unserem Handeln zu erfahren.

Wichtig ist stets, dass wir uns nicht wie automatisch nur in gewohnten Bahnen bewegen. Innehalten, Neues sehen und dann in Liebe einen neuen Schritt gehen, der uns lebendig und liebevoll macht, das mag manchmal Mut und Zuversicht erfordern. Am Ende des Tages werden wir uns freuen und dankbar sein können für die Liebe Gottes und seinen Segen in unserem Leben.

Liebe Gemeinde,

heute ist der Tag des Kirchenjahres, der uns im Gottesdienst an die Weisung Jesu erinnert, das Abendmahl zu seinem Gedächtsnis zu feiern. Unsere Feier des Heiligen Abendmahles  geht auf die Überlieferung der Praxis der ersten Gemeinden zurück, von der der Apostel Paulus Kenntnis bekam. In unserer Liturgie des Abendmahles hören wir nachher die Einsetzungsworte aus dem elften Kapitel des ersten Korintherbriefes des Paulus, wenn wir das Abendmahl gemeinsam feiern. Der Text ist der der vermutlich älteste Text über das Abendmahl, wahrscheinlich etwa zwanzig Jahre nach Jesu Tod geschrieben. Brot und Wein stehen für Leib und Blut Jesu. Leib und Blut Jesu stehen für das vergängliche Leben des geschichtlichen Jesu. Seine Jünger kennen dieses Leben aus ihrem eigenen Erleben. Emil Nolde stellt uns in seinem Bild vom Abendmahl seine Vision des gemeinsamen Lebens Jesu mit seinen Jüngern dar. So verschieden die Jünger auch sind, sie nehmen auf ihre Weise das Geschehen war, das sich gerade ereignet. Das gehört zum Leben in der Gemeinschaft, einander wahrzunehmen und sich einander zuzuwenden. Die Aufmerksamkeit aufeinander und das Geschehen stärkt das Gefühl der Gemeinschaft. Gebannt hören die Jünger, wie Jesus wie ein Testamentsgeber ihnen sein Vermächtnis eröffnet und ihnen eine Schenkung bei Lebzeiten gibt.Es ist das Geschenk des Lebens in Gemeinschaft mit Gott, das er ihnen vorgelebt hat. Die Zeichen dieses Lebens sollen den Jüngern Brot und Wein sein. Immer, wenn sie das Abendmahl später selbst feiern werden, sollen sie sich dankbar an dieses Geschenk erinnern.

Das Abendmahl, das wir feiern, ist kein magisches Ritual, das uns ohne unser Zutun in einen anderen Menschen verwandelt. Unsere Teilnahme am Abendmahl ist eine Handlung, die uns mit Gott und untereinander verbindet. Wir entscheiden uns bewusst zur Teilnahme und stellen uns auf ein besonderes Erleben ein.  Jesus Christus wird gegenwärtig sein. Er wird bei Ihnen und den anderen sein im Kreis um den Altar. Achten sie auf den, der gegenwärtig wird. Ihm in Demut und Dankbarkeit zu begegnen, wird die beste Haltung sein. Aber nehme Sie auch das Gefühl der Gemeinschaft auf. Sie dürfen es auch mit anderen Menschen teilen, wenn Sie Blicke austauschen. Es mag vielleicht ungewöhnlich sein, aber es täte dem Miteinander in der Gemeinde gut, wenn wir achtsam miteinander umgehen und unsere liebevolle Seite nicht unter Verschluss halten.

Emil Nolde zeigt uns in seinem Bild verschiedene Gesichter, die uns anrühren können und Gefühle hervorrufen können. Elf der Jünger werden zukünftig das Abendmahl nach Jesu Weisung feiern können. Judas, dessen Gesicht Nolde halb verdeckt und halb abgewendet in den Kreis der Gesichter malt, wird vor Jesu in den Tod gehen, nachdem er seine letzte Aufgabe erfüllt hat. Jesus wusste, dass Judas ihn seinen Gegnern ausliefern wird. Für Jesus ist diese gemeinsame Feier des Abendmahls damit in doppelter Hinsicht ein Abschiedsmahl. Er wird sich gleich mit seinen Jüngern auf den Weg machen, um im Gebet mit Gott über das baldige und schmerzvolle Ende seines irdischen Lebens zu ringen: „Abba, mein Vater, alles ist dir möglich; nimm diesen Kelch von mir; doch nicht, was ich will, sondern wie Du willst!“  Die drei Jünger, deren unmittelbare, wachende Gegenwart er sich wünscht, schlafen ein. Noch in dieser Nacht wird er gefangen genommen und von seinen Jüngern getrennt.

Wir feiern heute am Gründonnerstag die Einsetzung unseres Abendmahles durch Jesus als ein Mahl der liebenden Gegenwart Gottes und der Gemeinschaft miteinander.

Der heutige Predigttext des Paulus konzentriert unsere Aufmerksamkeit auf das ihm überlieferte Verständnis des Abendmahls. Die anderen überlieferten Geschehnisse des Gründonnerstags treten zur Seite. Doch werden auf Grund des qualvollen Leidens und Sterbens von vielen Menschen in dieser Welt unsere Gedanken auch heute bei ihnen sein. Die Ukraine ist uns besonders nah. Die Älteren von uns, die noch den Einmarsch der Russen im Osten erlebt haben und schließlich aus ihrer Heimat vertrieben wurden, haben mit den Menschen in der Ukraine Mitleid. Ihre eigenen damaligen Todesängste sind ihnen gegenwärtig. Jesus sagte in den genannten Abschiedsreden des Johannes-Evangeliums (16,33): „In der Welt habt ihr Angst, aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.“

Dem Jesus, den Emil Nolde im Abendmahl malt, können wir ansehen, dass er die Welt überwunden hat. So sehen wir Christinnen und Christen heute wie damals der Evangelist Johannes Jesus als Christus, den Erlöser, der von Gott kam. Die Eingangsverse des Johannes-Evangeliums bestätigen das. „Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater voller Gnade und Wahrheit.“ Emil Nolde kannte auch diesen Vers 14 seit Kindertagen. Er schreibt in seinen Erinnerungen, dass er beim Malen religiöser Bilder in die Visionen seiner Kinder- und Jugendzeit eintauchte. So wird er als Maler zum Botschafter des Evangeliums, das er früh mit Hingabe gelesen hat. Die Botschaft des Evangeliums haben Menschen an Menschen weitergegeben. Mit etwas ganz Wichtigem ist bei der Weitergabe des Evangeliums zu rechnen. Die persönliche Ergriffenheit vom Inhalt der Botschaft und die Gestalt der jeweils persönliche Beziehung zu Gott wirken sich auf die Weitergabe des Inhaltes aus und sind Seiten des persönlichen Glaubens. Sie kennen das Sprichwort „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“. Angewandt auf unsere Text- und Bild-Predigt und ihre Weitergabe der Botschaft, heißt das Zweierlei. Der Predigttext ist kurz und seine Aussage ist, dass wir alle zu einem Leib gehören, dem Leib Christi. Das Bild „Abendmahl“ von Emil Nolde zeigt uns die Gemeinschaft, die der Ursprung unserer Gemeinschaft mit Jesus Christus ist. Der Kreis der Jünger ist der Nährboden und die Stiftung des Abendmahles durch Jesus ist der Same, der Frucht tragen wird. Beim Betrachten des Bildes erleben wir mehr als beim Hören oder Lesen des Textes. Wenn Sie die Möglichkeit haben, sich das Bild auf einem Bildschirm in Ruhe zuhause anzusehen, finden sie es im Internet. Zum Beispiel bietet das staatliche Museum für Kunst ein Abbild des Bildes aus seinem Besitz zum persönlichen Betrachten an. Lassen sie sich Zeit dafür. Ihr eigener Glaube wird ihnen helfen, die Botschaft des Bildes lebendig werden zu lassen. Sie werden in Gespräche kommen, in den Austausch mit Personen, die sie sehen. Es ist ein lebendiges Bild. Es macht uns darauf aufmerksam, dass wir in der Gemeinschaft der Menschen sterblich sind, aber in der Gemeinschaft mit Jesus Christus am neuen Leben teilhaben und in der Liebe Gottes bleiben werden. Dieser Glaube wird uns helfen, einmal das persönliche Ende unseres irdischen Lebens anzunehmen, auch wenn es qualvoll und schmerzlich sein wird. Jesus ist uns diesen Weg vorangegangen. Wir wissen und glauben, dass er in das himmlisches Reich Gottes führt. Im Vaterunser bitten wir darum.

Der Segen Gottes und seine Liebe bleiben bei uns; was auch immer geschieht.

Amen

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Pfarrer i. R. Rainer Kopisch

Braunschweig

E-Mail: rainer.kopisch@gmx.de

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Rainer Kopisch, Pfarrer in Ruhe der Evangelisch-lutherische Landeskirche in Braunschweig,

Seelsorger mit logotherapeutischer Kompetenz,

letztes selbstständiges Pfarramt: Martin Luther in Braunschweig,

in der Vergangenheit:

langjähriger Vorsitzender der Vertretung der Pfarrer und Pfarrerinnen in der Landeskirche,

Mitglied in der Pfarrervertretung der Konföderation der Landeskirchen in Niedersachsen,

Mitglied in der Pfarrvertretung der VELKD, Mitglied in der Fuldaer Runde.

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Seit Beginn meines Ruhestandes vor 15 Jahren schreibe ich Predigten im Portal der Göttinger Predigten im Internet. Diese Arbeit ist mein Dank für die Liebe Gottes, die mich in meinem Leben begleitet hat.

Roonstr. 6
38102 Braunschweig
rainer.kopisch@gmx.de

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zum Bild:

Zur Erstellung der Exegese des Textes habe ich das Theologische Wörterbuch zum Neuen Testament von Kittel in der ersten Auflage und die Interlinearübersetzung von Ernst Dietzfelbinger in der dritten Auflage benutzt.

Meine Predigt zu Pfingsten 2022 wird die Botschaft des Bildes Pfingsten von Emil Nolde enthalten.

Das Bild hat Emil Nolde im gleichen Jahr 1909 gemalt. Es schließt an das Bild Abendmahl an.

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Bildnachweis: „Abendmahl“, 1909 Öl auf Leinwand 86 x 107 cm (Wvz. Urban 316) von Emil Nolde   © Nolde Stiftung Seebüll

Bild in Kopenhagen: die Seiten des Statens Museum for Kunst in Kopenhagen

https://open.smk.dk/artwork/image/KMS6202?q=Nolde%2C%20Emil&page=2

 

de_DEDeutsch