1. Korinther 1,26-31

1. Korinther 1,26-31

„Christus für uns …“ | 1. Sonntag nach Epiphanias | 07.01.24 | 1 Kor 1, 26 – 31 | Michael Plathow |

Lied: „An dunklen, kalten Tagen …“, in:“Wo wir dich loben wachsen neue Lieber“. Anhang ELK in Baden, NL 107, 1 – 6

  1. Gern erinnere ich mich gern daran. Es traf sich ein Kreis der jungen Gemeinde. Man tauschte sich aus über „Mein Leben sinnvoll gestalten“. Besonders an zwei Studierende erinnere ich mich. Da war die Studentin im Fach Sozialpädagogik. Mehr stockend erzählte sie: „Eigentlich gäbe es mich gar nicht“; große Komplikationen erlitt ihre Mutter während der letzten Schwangerschaftswochen mit ihr. „Doch nun bin ich da“, „gesund“, fügte sie an. Nach dem Abitur half sie in einer Behinderteneinrichtung der „Diakonie“ aus. Tief beeindruckt war sie von der Tätigkeit der Pfleger und Helfer. „Mir wurde bewusst, dass ich zum Dienst für und mit behinderten Kindern berufen bin“. Und dann, kaum hörbar, sang sie versonnen den weihnachtlichen Liedvers: „Da ich noch nicht geboren war, da bist du mir geboren und hast mich dir zu eigen gar, eh ich dich kannt, erkoren“.

Die anschließende Stille wurde erst unterbrochen, als ein Student der Theologie zu berichten begann: nicht aus einem christlichen Elternhaus stamme er. Als Schüler nahm er aber gern an Taize-Fahrten teil. „Die geistlichen Lieder, gesungen in konzentrierter Gemeinschaft, sprachen mich ganz persönlich an. Und plötzlich wurde mir deutlich: „Ich möchte Pfarrer werden; zum Theologiestudium fühlte ich mich berufen“. Er flüsterte noch einen Bibelvers, ein Wort Jesu: „Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt“ (Joh 15, 16, 19).

Auch andere sprachen noch. Aber diese beiden blieben mir im Gedächtnis. Ihre Worte nahm ich an, erkannte sie an. Vollmundige Selbstinzenierung ist mir ohnehin zuwider. Noch schärfer verurteile ich die Arroganz derer, die sich durch Geld, Macht oder Geburt besser als andere fühlen. Die sog. „Führer“ des „Dritten Reiches“ etwa waren gegen die, die anders waren und dachten als sie; Anerkennung verweigerte man; man verfolgte sie.Wie völkischer Größenwahn,  so kommunistische Gesellschaftsideologie und liberal-kapitalistischer Fortschrittsglaube, heute auch posthumanistische Vision grenzen die Anderen aus. Nur sich selbst kennend und anerkennend, rühmt man sich, u. zw. total. Wie wir wissen, kommen diese nur um sich selbst kreisenden Utopien über kurz oder lang zu Fall im „Steingeröll der Weltgeschichte“.

Anders war es bei der erwähnten Studentin im Fach Sozialpädagogik und beim Theologiestudenten.  Ihr Erzählen ließ Demut spüren. Und da redete noch etwas, besser ein Anderer mit. Sie sprachen von erkennen, weil erkannt und darum anerkannt; wählen, weil erwählt; erfahren, weil widerfahren da, wo ihr Lebensprojekt ganz offen war. Christus war in ihr Leben getreten, wie ich heraushörte. Erkannt, widerfuhr ihnen Anerkennung.

  1. Davon gibt der Apostel Paulus den Christen in der Korinthischen Gemeinde Zeugnis: Gott ist es, der euch kennt und anerkennt, der euch wählt und erwählt hat in Korinth. Und Gott sieht und ersieht gerade den, der nichts Rühmenswertes vorzuweisen hat, der nichts zur eigene Wertschätzung oder ergangenen Wahl beitragen kann. Gott entwertet das, was ohne Gott aus sich selbst mächtig, ja, allmächtig zu sein meint: den „homo faber“, der selbstherrlich alles schaffen will, den „homo Deus“, der sein will wie Gott. „Wir aber sollen Menschen sein und nicht Gott; das ist die summa“ (M. Luther). Gerade dem Sünder, der Gott zu vergessen droht, vergisst Gott nicht. Gott geht ihm vielmehr entgegen (Lk 15); die Verkrümmte richtet er auf (Lk 13, 10ff); den Unansehnlichen sieht er und schätzt ihn wert; aus dem, was nichts ist, schafft er neues Leben. Gottes Umwertung menschlicher Wertigkeiten. Welch eine Zusage an uns! Und was wäre, wenn Gott nicht wäre?

Wir werden – weil wir heute mit der Schriftlesung an die Taufe Jesu denken – auch an unsere Taufe erinnert. Mit der Taufe durch Johannes nahm Jesus direkt am alltäglichen Leben von uns Menschen Anteil – am Schmerz über den Tod der Kinder von Bethlehem, die durch die Gier weltlicher Potentaten immer wieder die Leidenden und Opfer sind (Mt 2, 6ff); am erwartungsvollen Gebet des „Hauptmanns von Kapernaum“ für sein krankes Kind und Jesu Zuhören, Helfen und Heilen (Mt 8, 5ff).

Erinnert werden wir an unsere Wahl und Erwählung in Jesu Taufe: „Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe“. Hineingenommen in Jesu Taufe ist unsere Taufe das Tor für den Lebensweg mit Christus. Gott nimmt uns in  das Kraftfeld seiner Gnade und in die Verheißung seiner Liebe. Nichts tun wir zu diesem unserm Lebenselexier. Wir antworten im Glauben auf diese Verheißung mit unserem Leben als Christenmenschen.

  1. Denn, wie der Apostel Paulus schreibt, Christus ist für uns.

Christus ist „für uns geworden zur Weisheit, zur Gerechtigkeit, zur Heiligung und zur Erlösung“; d.h. Christus ist ganz für uns. Er erkennt und anerkennt – unabhängig von unseren eigenen Fähigkeiten, Tun und (politischen) Einstellungen –  uns an als Person. Christus total für mich. „Wer ich auch bin, dein bin ich, o Gott“ (D. Bonhoeffer). Die Verheißung des Paulus wurde für Luther zur Quelle des Evangeliums; immer wieder in Predigten und Bibelauslegungen  verkündigt er diese Botschaft als Dreh- und Angelpunkt, als Kern der alles „neu“ machenden Gnade durch Gottes Liebe zu uns (2 Kor 5, 17). Christen leben durch den Glauben in der Gemeinschaft mit Jesus Christus, befreit und frei.

Unser Glaube, dieses grundlegende, Leben bestimmende Vertrauen auf Gott, „dessen wir uns versehen alles Guten und bei dem wir Zuflucht haben in allem Schweren“, ist da im Werden, bei mancher Ungewissheit – Anfechtungen und Zweifel – auch im Wachsen. Glaube wird gelebt, befreit und frei. Der Glaube an „Christus für uns“ meint eben nicht eine Position oder einen Standpunkt.

Glaubende sind gewiss ihres und des Heils, weil der gekreuzigte und auferstandene Christus für sie – wie Paulus sagt – zur Weisheit, zur Lebens- und Erkenntnisquelle, geworden ist. Weiter ist ihnen widerfahren die Gerechtigkeit, die allein Gottes Gnade in Jesus Christus schenkt, neuschaffend, zur Freiheit und Gerechtigkeit ermächtigend. Zu einem Leben nach dem guten Willen Gottes hat Christus sie damit befähigt, eben zum Glaubensvollzug im Machtbereich der Liebe, die da ist für den Anderen. Schließlich ist ihnen Erlösung, „letztes“ Heil bei und mit Gott, verheißen auf ihrem Weg dem Zu-kommen Gottes entgegen.

Christus ist für uns geworden zur Weisheit, zur Gerechtigkeit, zur Heiligung und zur Erlösung. „Christus für uns“ ganz. So handelt Gott. Menschen der Zuversicht und Hoffnung sind wir; die Zukunft Gottes ist uns zugesagt.

Was für eine Verheißung! Was für eine Verheißung an die, denen Christus Helfer und Bruder geworden ist, in deren Lebensweg Christus eingetreten ist und mit auf dem Weg ist als Kyrios, als Herr!

Es ist der Weg, den Gottes Liebe schon lange in Jesus Christus erdacht hat, ein Weg der Gemeinschaft und Nachfolge mit Christus. Das gilt für die erwähnte Studentin im Fach Sozialpädagogik und für den Theologiestudenten, die in der Studentengruppe darüber sprachen, wie sie ihr Lebensprojekt sinnvoll gestalten wollen. Das gilt für die Gemeindeglieder in Korinth, denen unklar blieb und die vergessen hatten, dass Gott sie durch die Predigt des Paulus gewählt und erwählt hat. Das gilt für uns Getaufte, die für Gott in Jesus Christus unermesslich viel wert sind: den, der selbst nichts vorzuweisen hat, dessen er sich rühmen könnte, erkennt er an, nimmt er an, schätzt er wert als Unikat.

Und Gottes Umwertung jener ohne Gott vom Menschen gemachten, selbstbezogenen Werte führt die Glaubenden hin zu „guten Werken“ der Liebe und der Gerechtigkeit, zu einem Leben aus dem Geschenk der Taufe nach Gottes Willen. „Denn Christus ist für uns geworden zur Weisheit und zur Gerechtigkeit und zur Heiligung und zur Erlösung“, zum Leben in der Nachfolge Christi, der uns zur Verantwortung für andere ruft und beruft. Ihm sei Dank, Ruhm und Ehre!

Diese Verheißung gilt am Beginn des Neuen Jahres mit dem anerkennende und wertschätzenden, darum ermutigenden und ermächtigenden Gruß des Apostel Paulus, der Jahreslosung 2024: „Alles was ihr tut, geschehe in der Liebe“ (1 Kor 16, 14). Denn Christus ist für uns.

Und die Gnade Gottes in Jesus Christus, die höher ist als menschliche Vernunft und Macht, bewahre unsere Herzen und Sinne und unser Tun im Glauben an Jesus Christus, unserem Bruder und Herrn. Amen.

Lied: EG 410, 1 – 4

Prof. Dr. Michael Plathow, Pfr. i. R., Beintweg 41, 69181 Leimen, michael@plathow

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