Johannes 4,5-26

Johannes 4,5-26

Nicht ein Traum-Gott, sondern der wirkliche Gott, der Vater Jesu Christi | 2. So. n. Epiphanias | 14.01.2024 | Joh 4,5-26 (dänische Perikopenordnung) | Mikkel Tode Raahauge |

Komm, du guter Heiliger Geist, und rede das Wort Gottes, so dass wir uns bekehren – und glauben. Amen.

Es ist nicht leicht zu sagen, was mit uns geschehen ist. Ob es an einem wachsenden Gefühl von Unsicherheit im Leben liegt, ob es nur ein Modeerscheinung ist, oder ob es vielleicht daran liegt, dass wir langsam zu ahnen beginnen, dass wir es mit etwas anderem und mehr zu tun haben als uns selbst.

Vielleicht ist es gar etwas noch anderes, aber nichtsdestoweniger habe ich in den letzten paar Jahren bemerkt, dass immer mehr Menschen beginnen, sich in ihren Gedanken der Religion zuzuwenden. Das ist für mich einerseits eine große Hilfe in der Begegnung mit all den verschiedenen Menschen, mit denen ich in meinem Beruf zu tun habe, dass hier ein Ausgangspunkt zu bestehen scheint, an den man anknüpfen kann. Es ist aber überhaupt durchaus erfreulich, dass etwas von unserer dänischen Verlegenheit in diesem Punkt langsam verschwindet, wenn auch nicht sehr, so doch wenigstens ein wenig.

Und eines der Bekenntnisse, die man immer wieder hört, lautet etwa so: „Ich glaube jedenfalls, dass es etwas gibt, das größer ist als wir selbst“. Diese Formulierung taucht überall auf, wenn man denn darauf achtet. Im Gespräch am Mittagstisch, in den weichen Sofas in Fernsehsendungen, und sie hat sich wie so viel anderes dieser Art in die Volkskirche eingeschlichen. Es ist nicht lange her, dass ich an einem Fortbildungslehrgang teilnahm, wo ich fast inquisitorisch gefragt wurde, ob ich an etwas glaube, das größer ist als ich selbst – worauf ich antwortete, dass ich einmal mit eigenen Augen einen richtigen Elefanten gesehen habe.

Diese Antwort gefiel nicht! Kein Wunder, denn das war schnodderig gesagt, wo ich doch sehr wohl wusste, was gemeint war – auch wenn ich natürlich meine, dass das eine tief mystische Frage ist in einer Versammlung von Pastoren, die das Pfarrergelübde unterschrieben haben, „im Angesicht des allwissenden Gottes“ und „mit dem Jüngsten Gericht vor Augen“, wie es im dänischen Pfarrergelübde so pathetisch heißt. Und wenn ich mich nun dennoch kritisch mit der Formulierung „etwas, was größer ist als uns selbst“ auseinandersetze, so natürlich nicht deshalb, weil ich nur Lachen übrig hätte für das Suchen der Menschen oder ihre Zweifel. Wie gesagt, das kann ein ausgezeichneter Ausgangspunkt sein für ein weiteres Gespräch darüber, was – oder wer – dieses „Größere“ wohl ist. Es ist eher deshalb, weil man mit einem solchen Bekenntnis, das so luftig ist, dass es entweder bei einer Mahlzeit ausgelegt werden kann oder andererseits sich wenden und beugen lassen kann, je nachdem wie der Wind bläst, und damit Gefahr läuft, den Bezug zum Leben zu verlieren.

Alle – auch wir, die heute hier in der Kirche sitzen – können uns sicher darin einig sein, dass es sehr schön ist, wenn nun Gott nicht allzu konkret wird. Denn dann kann man ja auch selbst Gott so formen, wie man es für gut hält und wie ein Gott zu sein hat. Und so kann man dann sich daran machen, eine eigene hausgemachte Dogmatik zusammen zu stricken, etwa etwas in diesem Stil: „Dem Menschen muss es gut gehen, und das findet Gott auch. Gott ist lieb und möchte, dass es uns gut geht und dass wir auch allen anderen gönnen, dass es ihnen gut geht, so dass alles gut geht und Gott der Allerliebste ist. Und Erlösung ist dasselbe wie Sicherheit, denn wir meinen ja, dass es schade ist, dass wir es mit einem so unsicheren Leben zu tun haben. Und das findet Gott auch, deshalb will Gott uns helfen, die Welt zu einem angenehmeren Ort zu machen, indem er über allem schwebt und daran appelliert, dass wir uns anständig aufführen und nicht so unangenehm zueinander sind“.

Und auf diese Weise kann man ja leicht sich selbst erheben, sowohl über Gott als auch über die Verantwortung, die aus einem Verhältnis zu ihm folgt, aber auch über die Welt und die Verantwortung, die daraus folgt, dass wir in ihr eine bestimmte Aufgabe haben. Das Problem ist nur, dass man dann weder mit Gott oder der Welt zu tun hat. Vielmehr ist das ein Traum-Gott und eine Traum-Welt, eine entartete Verlängerung eigener Träume.

Im Evangelium, wie wir es heute gehört haben, draußen am Brunnen von Sychar, da werden wir also zusammen mit der samaritanischen Frau aus unserer Ratlosigkeit gerissen, heraus aus den höheren Lüften, und werden an unseren rechten Platz verwiesen, nämlich eben hier in der Welt, die wirklich die unsrige ist. Hier wo wir in sie gestellt sind an einem bestimmten Ort mit einer bestimmten Aufgabe und einer bestimmten Verantwortung, aus der wir uns nicht einfach wegträumen können – etwas, woran uns unsere Königin Margrethe übrigens sehr gut erinnern konnte, und wir können nur hoffen, dass der kommende König dies auch tun wird! Und was genauso wichtig ist: Wir stehen in dieser Verantwortung vor Gott.

Und eben nicht der Gott als „irgendetwas, was größer ist als wir selbst“. Nicht als eine unkonkrete und ferne kosmische Kraft, die wir nicht kennen, sondern als der Gott, der zu uns gekommen ist – als einer von uns –mit dem Körper eines Menschen und dem Namen eines Menschen, um das Leben eines Menschen zu leben mit all dem, was dazu gehört, so dass wir also Gott kennen und wiedererkennen können, eben hier in dem unsicheren Leben, das nun einmal unser Leben ist. So wie Gott uns kennt und wiedererkennt – außen und innen und alles inklusive – und sich dennoch zu uns bekennt als seine geliebten Kinder.

Und das bedeutet natürlich nicht, dass das Leben aus diesem Grund dann dennoch weniger unsicher wird. Dann wären wir zurück in der Traumwelt, aber Gott will ja gerade, dass wir dieses Leben leben. Indem Gott uns am Konkreten festhält, am Verhältnis zu Gott und am Verhältnis zu unserem Nächsten, will er verhindern, dass wir in diesem Leben den Halt verlieren, so dass wir nicht plötzlich abheben und uns im Kreise drehen – z.B. um uns selbst. Hoch fliegen und tief fallen, wie es in Dänemark heißt. Denn dann haben wir auch die Freiheit, die uns gegebene Aufgabe und Verantwortung auf uns zu nehmen, nämlich das Leben so zu leben, wie es ist, einander zu lieben so gut, wie wir er vermögen. Im Vertrauen darauf: Wenn es uns nun nicht gelingt, wenn wir erkennen müssen, dass wir gar nicht so lieb sind, wenn es darauf ankommt, und wenn sich einmal der Tod über uns senkt und das seine fordert, dass wir dann nicht uns selbst und unseren eigenen Träumen überlassen sind. Dass wir vielmehr unsere Vergebung der Sünden in Jesus Christus haben. Der für uns lebte und starb und auferstand, der noch heute zu uns spricht, und der uns eines schönen Tages herausrufen wird aus dem Grabe zu einem ewigen Leben im Reiche Gottes, wo wir ihn sehen werden, wie er ist, und wo wir jubeln werden:

„Seht, welch eine Liebe hat uns der Vater erwiesen, dass wir Gottes Kinder heißen sollen – und wir sind es auch“ (1. Joh. 3,1).

Im Namen Jesu. Amen.

Pastor Mikkel Tode Raahauge

Skovshoved, DK 2930 Klampenborg

Email: mitr(at) km.dk

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