1. Korinther 2, 12-16

1. Korinther 2, 12-16

Getragen vom Geist der Liebe | Pfingstsonntag 28.05.2023 | 1 Kor 2, 12-16 | Peter Schuchardt |

Die Gnade unsere Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen! Amen

Liebe Schwestern und Brüder,

heute feiern wir das Pfingstfest. Es ist das Fest, das uns mit Liebe beschenkt. Es ist das Fest, das uns in die Welt schickt. Und es ist das Fest, das uns zum Gegenüber für die Welt macht. Heute sind es 50 Tage nach dem Osterfest. Wieder kommen wir zusammen und feiern. Pfingsten bedeutet ja erstmal genau das: der Fünfzigste. Aus dem griechischen Wort für 50, pentekoste, wurde im Laufe der Zeit unser Pfingsten. Die Zahlen in der Bibel haben ja oft eine besondere Bedeutung. 50 meint 7 mal 7 plus 1. Sieben ist die Zahl der Vollkommenheit. 7 mal 7 ist also richtig vollkommen. Das da noch eins dazukommt bedeutet: Jetzt fängt etwas Neues an. Jetzt schenkt Gott uns seinen Heiligen Geist. Und das ist ganz wichtig. Gott beschenkt uns. Die Jünger, wir haben es in der Lesung aus der Apostelgeschichte[1] gehört, müssen nichts dazu tun, müssen keinen Test bestehen. Nein, Gottes Geist kommt, weil Jesus ihn angekündigt. Sie haben auf sein Wort vertraut. Sie sind in Jerusalem geblieben, so wie er es ihnen vor seiner Himmelfahrt gesagt hat. Und nun erfüllt er sein Versprechen. Und das so überfließend, so reichlich, in so großer Fülle, dass es sie nicht mehr im Haus hält. Sie strömen hinaus auf die Straßen, sie erzählen jedem von den großen Taten Gottes. Alle Menschen sollen, dürfen, können es hören: Gottes Liebe, sie gilt allen. Und alle heißt wirklich alle: Frauen, Männern, Queeren, Alten, Jungen, Fröhlichen, den vom Leben Enttäuschten, denen, die an Gott glauben und denen, die nichts mit Gott anfangen können. Seine Liebe kennt keine Grenze.

Denn Gott ist Liebe[2]. Der Geist, der nun auf die Jünger kommt, der ist voll von dieser Liebe. Und dieses wunderbare Wort der Gottesliebe soll ja nicht nur in Jerusalem erzählt werden. Nein, auf der ganzen Welt sollen sie es hören. Darum setzt Gottes Geist immer wieder Menschen in Bewegung. So wie die Jünger ihr Haus verlassen und auf die Straßen gehen, so sind seitdem unzählige Männer und Frauen losgegangen, haben anderen Menschen von dieser Liebe erzählt, haben aus diesem Geist Gottes gehandelt und Gutes getan. Zu allen Zeiten, auf allen Kontinenten, in Frieden, im Krieg, bedrängt, ermutigt, vor allem aber: in allem getragen von Gottes Geist der Liebe.

Heue wird Lia Sophie getauft, und das passt wunderbar zu diesem Pfingstfest. Denn sie wird heute auch beschenkt, mit der Taufe und mit dem Heiligen Geist. Auch die Taufe ist Gottes Geschenk, auch Lia Sophie muss nichts dafür tun. Sie ist einfach da. Wir freuen uns über euren Wunsch, liebe Johanna, lieber Leon, eure Tochter taufen zu lassen. Am Anfang ihres Lebens steht Gottes großes „Ja“, und dieses Ja wird sie begleiten, ihr Leben lang. Am Anfang stehen gute Worte, wie ihr Taufspruch, und am Anfang steht ihr, liebe Paten. So wird Lia Sophie heute zur Christin – das ist Gottes Geschenk. Und sie wird aufgenommen in die große Gemeinschaft der Christen, die die Welt und die Zeiten umspannt. Dafür seid ihr das Zeichen, liebe Paten.

Zur Kirche zu gehören, das ist etwas besonders. Ja, es ist Gottes Geschenk. Und zugleich verändert Gottes Geist unser Denken und auch unser Handeln. Davon erzählt uns der Predigttext aus dem 1. Kor 12, 12-16 (Übersetzung aus der Basisbibel):

Wir haben aber nicht den Geist dieser Welt empfangen, sondern den Geist, den Gott selbst uns schickt. So können wir erkennen, was Gott uns geschenkt hat. Davon reden wir nicht in Worten, wie sie die menschliche Weisheit lehrt. Sondern wir reden in Worten, die der Geist Gottes lehrt. Mit seinen Worten erklären wir, was er selbst uns offenbart. Der Mensch nimmt mit seinen natürlichen Fähigkeiten nicht das an, was vom Geist Gottes kommt. Er hält es für Dummheit und kann damit nichts anfangen. Denn nur mithilfe des Heiligen Geistes kann es richtig eingeschätzt werden.  Aber ein von Gottes Geist erfüllter Mensch kann das alles richtig einschätzen. Dabei kann sich kein anderer ein Urteil über ihn anmaßen. Denn wer kann feststellen, was der Herr im Sinn hat, und ihn beraten? Aber was wir im Sinn haben, das kommt von Christus her.

Paulus erzählt uns hier vom Geist Gottes. Und er sagt ganz klar: dieser göttliche Geist ist anders als der Geist der Welt. Der Geist der Welt, das sind die Regeln, die ungeschriebenen Gesetze, die in der Welt herrschen. Da geht es darum: Was kann ein Mensch leisten? Wozu bist du zu gebrauchen? Wer etwas leisten kann, ist gut, wer nichts leistet, eine Last. Das Leistungsvermögen bestimmt deinen Wert – oder es sagt dir: Du bist wertlos als Mensch. Das Gesetz der Welt sagt auch: Du bist jung, hübsch, stark und fröhlich? Super, dann können wir dich brauchen! Bist du aber alt, vom Leben gezeichnet, schwach und traurig, dann ist hier kein Platz für dich. Liebe Schwestern und Brüder, ich sehe mit Sorge, dass dieser Geist der Welt sich mehr und mehr ausbreitet, in so vielen Bereichen. Unsere Zeit ist geprägt von den Sozialen Medien. Dort geht es oft um unser Erscheinungsbild, wie wir uns darstellen. Und wehe, ich passe nicht mehr zu dem Schönheitsideal, werde zu alt oder bin krank! Erbarmungslos brechen dann die Shitstorms über mich herein. Das ist oft grausam und niederträchtig. Und das Äußere ist bloß ein Aspekt, ein Teil der Welt, in der wir leben. Ich erlebe, dass auch andere Meinungen, Gedanken, die anders sind als der Mainstream, an den Pranger gestellt werden. Auch das ist nicht gut.

Gut ist, dass wir bei uns in der Kirche, bei uns Christen ein anderer Geist herrscht. Hier herrscht der Geist Gottes. Und dieser Geist ist geprägt von Barmherzigkeit, von Gnade, von Freiheit und von Liebe. Jesus Christus, unser Herr, war vollkommen erfüllt von diesem Geist[3]. Dieser Geist spricht aus allen Worten, die er sagt, aus allem, was er tut. Seit Jesus auferstanden und wieder zum Vater in sein himmlisches Reich zurückgekehrt ist, wissen wir: Er ist der wahre Herrscher und Herr der Welt. Denn er regiert nicht mit Gewalt, sondern mit Liebe. Das hat er ja schon mit seinem Tod am Kreuz gezeigt, den er ohne Gegenwehr auf sich nahm[4]. Und nun gibt er uns seinen Geist, den Geist der Liebe. Denn er will doch, dass diese Welt ein Ort ist für alle Menschen. Dieser Geist lässt uns ganz anders auf uns und auf unsere Nächsten gucken. Wir erkennen nun in jedem und jeder ein Kind Gottes. Das ist das Entscheidende, nicht seine Herkunft, nicht seine Hautfarbe, nicht seine Schönheit und Jugend, nicht das, was er leisten kann. Ja, wenn jemand wegen solcher Dinge angefeindet und diskriminiert wird, dann protestieren wir im Namen Gottes dagegen.

Denn letztlich macht erst Gottes Geist unsere Welt zu einer menschlichen Welt. So leben wir als Christen natürlich in dieser Welt, aber wir stehen dem Geist der Welt immer kritisch und mahnend gegenüber. Und wir versuchen, so weit es uns möglich ist, aus dem Geist Gottes heraus zu leben und zu handeln. Ich weiß: Damit kann die Welt oft nichts anfangen. Warum sollten Menschen mit Behinderungen, Alte, Schwerkranke, oder eben so kleine Kinder wie Lia Sophie denn unterstützt und besonders geschützt werden? Wenn ich etwa die Leistungsfähigkeit zum Kriterium mache, dann fallen ganz viele Menschen da heraus. Für die Welt klingen Worte wie Barmherzigkeit, Fürsorge und Gnade oft wie dummes Geschwätz. Aber das wäre eine schreckliche Welt, eine Welt, in der ich nicht leben möchte.

Darum baue ich auf Gottes Geist. Der malt schon jetzt das Bild von einer Welt, in der die Starken die Schwachen stützen, schützen und ihnen helfen. Das ist eine Welt, in der das Herz eines Menschen zählt und nicht sein Äußeres. Das ist eine Welt, deren Grundpfeiler Barmherzigkeit, Versöhnung, Frieden und Liebe sind. Eine Welt, die durchwoben ist von Gottes Geist der Liebe. Eine Welt, in der der Sünder Vergebung erfährt, die Kranke Heilung, der Schwache Schutz, die Traurige Trost. Ich weiß: Auch in der Kirche herrscht nicht immer Gottes Geist, sondern der Geist der Angst vor Bedeutungslosigkeit, der Eitelkeit, des Aufrechnens. Aber immer wieder bricht Gottes Geist sich Bahn und erzählt uns von der anderen Welt. Von Gottes Welt.

Diese Welt ist möglich. Gott macht sie möglich. Denn er gibt uns ja seinen Geist. Und so wie damals in Jerusalem gibt er uns ihn überfließend, reichlich und in so großer Fülle, dass wir keine Sorge haben müssen, er könnte einmal versiegen. Nein, so wie Gottes Liebe ewig ist, ist auch sein Geist ewig. Das ist gut für unsere Welt. Gut für uns. Gut für alle, die von den Gesetzen der Welt zermalmt werden würden. Denn Gottes Geist erst lässt uns leben, frei, geborgen und getragen von seiner Liebe. Mit dieser Liebe sind wir beschenkt. Wir sind geschickt in diese Welt, von seiner Liebe zu erzählen. Und wir sollen wachsam sein gegenüber der Welt, die viel zu oft nicht nach Gottes Wort lebt.

Ich wünsche euch frohe und gesegnete Pfingsten!

Amen


Liedvorschläge:

EG 130 O Heilger Geist, kehr bei uns ein

EG 133 Zieh ein zu deinen Toren (bes. Strophen 5-7)

EG 136 O komm, du Geist der Wahrheit

HELM (Himmel, Erde Luft und Meer= Beiheft zum EG in der Nordkirche) 31 Unser Leben sei ein Fest

HELM 83 Wo Menschen sich vergessen


Fürbittgebet

Dreieiniger Gott,

dein Geist des Lebens macht uns Mut. Öffne unsere Augen und Herzen für deine Gegenwart. Schenke uns das Staunen über die Wunder deiner Schöpfung. Wecke uns auf, wenn deine kostbaren Gaben missachtet und zerstört werden.

Wir bitten dich:

G: Komm Heiliger Geist und erfülle alle Welt.

Dein Geist der Liebe schenkt uns neues Leben. Lenke die Herzen derjenigen, die Macht über andere Menschen haben. Schenke Frieden, wo Gewalt herrscht. Mache alle stark, die den Frieden schützen und wiederherstellen wollen. Wir bitten dich:

G: Komm Heiliger Geist und erfülle alle Welt.

Dein Geist der Barmherzigkeit tröstet uns. Gib Hoffnung, wo Verzweiflung herrscht. Tröste die Traurigen und Besorgten. Wir bitten dich:

G: Komm Heiliger Geist und erfülle alle Welt.

Dein Geist der Versöhnung öffnet neue Wege. Begeistere deine Kirche. Mach sie über alle Grenzen hinweg eins in dem, was sie sagt und tut. Lass sie im Vertrauen auf dich dein Wort den Menschen sagen. Wir denken besonders an die Christen, die verfolgt und bedrängt werden. Schenke der Kirche Träume von deiner wunderbaren Zukunft. Wir bitten dich:

G: Komm Heiliger Geist und erfülle alle Welt.

Wir danken dir, dass du Lia Sophie in der Hl. Taufe als dein Kind angenommen hast. Begleite sie mit deinem Segen auf ihrem Weg. Lass sie erfahren, dass sie bei dir Geborgenheit, Trost und Kraft findet für ihr ganzes Leben. Lass auch uns daran denken: Wir gehören durch die Taufe zu dir. Wir sind deine Kinder. Wir bitten dich:

G: Komm Heiliger Geist und erfülle alle Welt.

Wir danken dir. Du bist mit deinem Geist bei uns bist. Du machst uns Mut zum Leben. Dir, dem ewigen dreieinigen Gott, sei Lob und Dank von Ewigkeit zu Ewigkeit.  Amen


Pastor Peter Schuchardt

Bredstedt

E-Mail: peter.schuchardt@kirche-nf.de


Peter Schuchardt, geb. 1966, Pastor der Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland (Nordkirche), seit 1998 Pastor an der St. Nikolai Kirche in Bredstedt/Nordfriesland (75%), seit 2001 zusätzlich Klinikseelsorger an der DIAKO NF/Riddorf (25%).


[1] Apg 2,1-21

[2] 1 Joh 4,16b

[3] Ulrich H.J. Körtner, Dogmatik. LETh 5; Studienausgabe Leipzig 2020, S. 456; Ulrich Wilckens, Theologie des Neuen Testaments, Band II, Teilband I, 2. Auflage Göttingen 2014 (=1. Auflage der Studienausgabe), S.64

[4] Gottfried Voigt, Die himmlische Berufung. Homiletische Auslegung der Predigttexte. Neue Folge: Reihe IV, S. 256f, 1. Auflage Berlin 1981

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