Johannes 14,22-31

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Johannes 14,22-31

Pfingstsonntag | 28.05.2023 | Johannes 14,22-31 (dänische Perikopenordnung) | Elof Westergaard |

Wir sind nicht friedlos trotz all des Unfriedens

Pfingsten ist im dänischen Perikopenbuch mit zwei möglichen Lesungen aus dem Alten Testament angegeben. Man kann als Prediger entweder die Erzählung vom Turmbau zu Babel oder den Schöpfungsbericht als Lesung wählen. Beide Berichte gehören zur biblischen Urgeschichte, d.h. sie finden sich in den einleitenden Kapiteln des Alten Testaments. Wir befinden uns im ersten Buch der Bibel, d.h. bevor wir uns auf einen Mann und seine Familie konzentrieren, nämlich Abraham, dem Vorfahren Israels. Wir sind in der Zeit der Mythen, der Urzeit, wo die Menschen geschaffen werden und sich dann auf der ganzen Erde ausbreiten mit all ihren verschiedenen Sprachen.

Sowohl die Geschichte vom Turmbau zu Babel als die von der Erschaffung des Menschen können etwas beitragen zum Verständnis von Pfingsten. Die alttestamentlichen Berichte beleuchten beide das zentrale Geschehendes Pfingsttages, als der Geist Christi auf die Erde kam.

Der Heilige Geist kam mit Feuer und Sturm und setzte sich auf die Häupter der Jünger. Gottes Geist brannte in ihnen. Hatten sie sich versteckt, hatten sie in Räumen verborgen aus Furcht vor dem, was ihnen passieren könnte, und waren sie traurig über den Tod ihres Meisters und die Krisen dieser Welt, so entfachte der Heilige G eist nun das Pfingstfeuer in ihnen. Die Jünger öffneten darauf mit Leichtigkeit ihre Tore, gingen freimütig hinaus und verkündigten die frohe Botschaft vom Ende der Furcht und der Gegenwart der Freude.

In der Pfingstgeschichte, so wie sie in der Apostelgeschichte erzählt wird, hören wir, wie die Jünger mit dem Kommen des Heiligen Geistes sich in allen Sprachen verständlich machen und das Evangelium für alle Völker verkündigen konnten. Wo die Erzählung vom Turm zu Babel berichtet, wie die Menschen über die ganze Welt verstreut wurden, weil sich ihre Sprachen vermischten, so hören wir in der Pfingstgeschichte, wie die eine und dieselbe Geschichte nun alle Völker der Welt vereinen kann. Auch wenn wir Menschen in der ganzen Welt verstreut sind und so viele verschiedene Leben und Möglichkeiten haben, so ist das Evangelium für alle. Der Geist, der Geist Gottes weht, wo Menschen sind und Leben ist, und er vereint uns unter dem Vorzeichen der Freude, der versöhnenden Liebe Gottes und seiner allumfassenden Gnade.

Das, was am Pfingsttag mit dem Kommen des Heiligen Geistes geschah, erinnert zugleich auch an den Schöpfungsbericht. Das ist ein neuer Beginn, eine neue Schöpfung. Wurde der Mensch, wie der Mythos das formuliert, aus Erde und Wasser geschaffen, indem Gott ihm Lebensgeist einblies, so füllt Gott nun an Pfingsten die Jünger mit seinem Geist. Der Geist Gottes kommt mit dem Wind, und er setzt sich wie Feuerzungen auf jeden von ihnen. „Es klingt besonders für jeden einzelnen“, wie es in dem neuen Pfingstlied Hör Himmelssausen in dritter Stunde[1] heißt. Aber der Geist verwandelt sie, er überwältigt sie. Er macht Mut und schafft Hoffnung bei denen, die im Unfrieden der Welt sitzen. Sogar in einem solchen Maße, dass sie mit der Hilfe des Geistes hinausgehen und daran arbeiten, Kirche und Gemeinschaft in die Welt zu bringen. Möge das auch heute so sein!

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Jesus sagt im heutigen Evangelium: „Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt“.

Was ist das, was die Welt gibt? Woran denkt Jesus hier? Krieg und Unfriede. Wie, die Kinder dieser Welt, vergessen andere und lassen den Egoismus walten. Bosheit und Hass füllen Herz und Sinn. Wut und Zorn brechen so leicht aus.

2023: Nach Jahrzehnten, wo wir in der westlichen Welt vor allem mit uns selbst beschäftigt waren und uns über die Möglichkeiten und die große Freiheit gefreut haben, die uns die Globalisierung gebracht hat, wird nun deutlich, dass es an der Zeit ist, sich zu besinnen. Die Energiekrise und den Krieg in der Ukraine haben ujns gelehrt, dass wir in Europa jetzt und in den kommenden Jahren herausfinden müssen, wie abhängig wir uns von anderen machen dürfen. Wir haben in der Freude über die Vorteile der Globalisierung ihre Nachteile vergessen – und vielleicht haben wir auch vergessen, wie wenig friedlich es in der Welt zugeht. Nun sind wir aufgewacht und sehen, dass mehr Realismus notwendig ist und Besinnung auf die gemeinsame Verantwortung mitten in dieser unfriedlichen Welt. Das gilt nicht nur in Bezug auf den Krieg im Osten und die Energiekrise im letzten Winter. Es ist z.B. unhaltbar, dass so wenige so viel in der Welt besitzen.

Mitten in diesem Erwachen ist es jedoch unglaublich wichtig, am Wort Jesu festzuhalten, dass er uns Frieden hinterlässt und dass er uns Frieden schenkt. Wir sind nicht friedlos trotz all des Unfriedens, der wütet und der weiterhin diese Welt prägen wird.

Das Kommen des Heiligen Geistes ist eine Botschaft vom Frieden, der über den Frieden hinausreicht, den wir selbst zu schaffen versuchen, der aber so gleicht gebrochen und zerstört werden kann. Wir brauchen etwas anderes und mehr, was uns hilft und uns tragen kann. Da ist es gut, dass es Pfingsten geworden ist. Der Heilige Geist ist der Geist des Friedens, der uns noch immer ruft hinein in eine Gemeinschaft, die und von Gottes versöhnender Liebe und Gnade geschenkt wird.

Möge der Heilige Geist, indem er uns im Himmel Wurzeln schlagen lässt, dazu helfen, die Liebe und den Frieden in die Welt zu tragen. Amen.


Bischof Elof Vestergaard

Ribe – Dänemark

Email: eve(at)km.dk


[1] Nr. 285 im dänischen Gesangbuch, Jørgen Gustava Brandt 1986.

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