1. Korinther 2, 12-16; Psalm 63

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1. Korinther 2, 12-16; Psalm 63

 


Göttinger Predigten im Internet
hg.
von Ulrich Nembach und Johannes Neukirch


Pfingstsonntag
11.6.2000
1. Korinther 2, 12-16
und Psalm 63

Jan Christian Vaessen,
Groningen, Niederlande


Bemerkungen, Gebete,
Gottesdienstablauf

Gemeinde von unserem Herrn Jesus Christus!

„Deine Güte ist besser als Leben“ (Psalm 63). Was bringt so
eine Aussage, wenn du von einer Katastrophe nach der anderen getroffen wirst?
Wenn das Leben ein bittere Aneinanderreihung von Elend ist, fühlst du dann
überhaupt noch etwas von der Güte Gottes? Manchmal hast du das
Gefühl, dass die Welt überspült wird von dem Bösen in all
seinen Formen. In Enschede explodiert eine Feuerwerksfabrik und
hinterläßt Bilder, die du sonst nur irgend woanders in der Welt
erwartest oder die aus dem Zweiten Weltkrieg stammen könnten.

Auf den Philippinen entwarf ein kranker Geist ein Computervirus,
daß innerhalb eines Tages die ganze Welt infiziert wird – mit der Folge,
daß eine ganze Reihe neuer Viren erscheinen und die Welt verunsichern. So
kommt das weltweite Böse mittels des Bildschirmes in dein Wohnzimmer
hinein, und beinflußt dort dein Funktionieren. Auch Arbeitsdruck und
Stress können deine innere Ruhe völlig verschwinden lassen, so
daß du rastlos bist. Aber noch viel schlimmer kommt es, wenn du
plötzlich ins Krankenhaus aufgenommen werden mußt und hörst,
daß – durch deine Krankheit- dein Leben nie wieder so sein wird wie es
war, oder daß du nicht mehr gesund werden kannst und nur noch sehr kurze
Zeit zu leben hast.

Und wenn dein Leben sich fortschleppt von einem
Krankenhausaufenthalt zum nächsten, was ist dann das Leben noch wert?
„Deine Güte ist besser als Leben“. Jawohl, das hört sich gut an, aber
davon fühle und bemerke ich nichts. Was bringt so eine Aussage, wenn das
Leben schwierig ist? Wie kommt der Psalmist dazu dieses zu sagen, und kann der
Brief des Paulus an die Korinther da vielleicht noch Erhellung bringen?

Der Zustand der Gemeinde in Korinth war nicht gerade rosig. Der
erste Brief des Paulus ist eigentlich eine Reaktion auf den Zustand. Was war
los? Innerhalb der Gemeinde gab es eine ganze Menge Strömungen die
einander bekämpften. Manchen riefen: ich gehöre zu Paulus. Andere:
ich gehöre zu Kefas, oder: ich gehöre zu Apollos. Wieder andere: ich
gehöre zu Christus. An sich ist das nicht verwunderlich, weil die Gemeinde
in Korinth noch nicht so lange bestand, und der christliche Glaube begann
gerade Form anzunehmen. Viel Klarheit darüber wie es genau dort zuging,
gab es nicht. Es gab denn auch verschiedene Lehrmeister, die allemal
verschiedene Akzente legten. Und um die Lehrmeister bildeten sich Gruppen, die
allemal von sich selbst behaupteten, daß sie recht hätten und die
anderen per Definitionem also unrecht hätten. Manchmal denke ich, es gibt
nicht neues unter der Sonne, auch schon zur Zeit des Paulus gab es
Gegensätze in der Kirche. Aber gut, wie reagiert Paulus nun darauf?

Das erste was Paulus macht, ist, die Gegensätze innerhalb der
Gruppe zu benennen. In dem Glaube geht es meist um Dinge, denen du als Mensch
nie ganz sicher sein kannst, und dann ist es ganz menschlich, dich dann nicht
mehr auf die Liebe des Allerhöchsten, sondern auf deine eigene
Sicherheiten zu verlassen. In der Schrift kannst du lesen, daß Gott die
menschliche Sicherheiten oft zerstört und danach auch in neuen Situationen
seine Liebe spüren läßt. Dann entstehen wieder neue
Sicherheiten, in denen der Mensch mit dem Allerhöchsten leben kann.
Eigentlich – sagt Paulus – gibt es nur eine Sicherheit, und das ist die Liebe
des Gottes Israels für die Welt, die er geschaffen hat. Aus der Liebe
heraus hat er das Böse überwunden, sogar den Tod. Durch die
Auferweckung Jesu vom Tod hat auch der letzte Feind seine vernichtende Kraft
verloren.

Wenn wir an die Auferstehung Jesu glauben und daran, daß wir
leben werden mit ihm, dann brauchen wir uns nicht mehr vor dem Tod zu
fürchten. Das einzige, was dann noch zählt, ist: dein Leben zu leben
aus der Liebe des Herrn. Und das ist auch die einzige Weise, wodurch der Streit
zwischen Menschen – auch zwischen denen in Korinth – ein Ende nehmen kann.
Streit ist sehr menschlich, kommt aber nicht von Gott. Seine Liebe
schließt den Mitmenschen ein und nicht aus!

Leben aus Gottes Geist heraus bedeutet: leben aus Seiner Liebe.
Dieses ist die Antwort des Paulus auf die Zustände in Korinth. Das
heißt nicht, daß damit aller Streit verschwunden ist. Der Streit
wird jetzt mehr ein persönlicher Kampf um die Frage: willst du dein Leben
in den Dienst des Herren und Seiner Liebe stellen, oder in den Dienst der Welt
und deiner eigenen beschränkten Sicherheiten darin?

Im Grunde stellt Paulus einen jeden von uns persönlich vor
den Allerhöchsten Gott. Wir können uns nirgendwo verstecken. Kein
Lehrmeister, keine Gruppe, keine Sekte, keine Kirche. Wenn du das nämlich
tust, dann kannst du dir sicher sein, daß du in mancherlei sinnlose
Gefechte verwickelt wirst.

Aber wenn du dich sehr persönlich von Gottes Geist ansprechen
läßt, dann wird dein Herz mit seiner Liebe gefüllt. Dann wirst
du mit Vertrauen deiner Zukunft entgegen sehen – deinem Leben und auch deinem
Sterben, wenn deine Zeit da ist. Natürlich wirst du mit Argwohn von der
Welt betrachtet, wenn du dich nicht mehr in allerlei Scheingefechte einmischen
willst, die die Menschen nun einmal führen. Vielleicht wirst du wohl als
Verräter des eigenen Glaubens oder der eigenen Tradition bezeichnet. Das
ist schwierig und oft schmerzhaft. Aber, sagt Paulus, wenn du aus der Liebe des
Herren lebst, dann tust du, was Sein Geist dir eingibt.

Es gibt keinen Club, der dich dann noch im Griff hat und dich in
allerlei sinnlose Scheingefechte einbeziehen kann. Du durchschaust all die
hinterhältigen Pläne auf der Stelle und gehst nicht darauf ein. Der
geistliche Mensch beurteilt alle Dinge, selbst wird er von niemanden beurteilt.
Durch die Liebe des Allerhöchsten durchschaust du viel eher, was Menschen
beschäftigt, weil Gott die Menschen liebt und er die Liebe in dir leben
läßt, ohne dass du in einen sinnlosen Machtstreit verwickelt wirst.

Das Leben aus der Liebe des Herren formt dich zu einer
Persönlichkeit, die alles bewältigen kann und in jeder Situation
Seine Liebe weitergibt. Das Heilige soll verschwinden, und die Liebe des Herren
wird strömen.

Wollen wir in unseren beschränkten menschlichen Sicherheiten
leben, die oft auch nur Schein-Sicherheiten sind und sie mit Zähnen und
Klauen verteidigen oder aber wollen wir leben aus der allumfassenden Liebe
unseres Dreieinigen Gottes?

Die Frage legt Paulus jedem Gläubigen persönlich vor,
und er ermahnt uns, die Liebe zu wählen. Und letztendlich ist das auch die
Frage, die unseren Psalmdichter beschäftigt. Er sucht seinen Gott in einer
Wüste. Das Leben hier und jetzt ist mühsam für ihn, sowohl
psychisch als auch körperlich. Er erinnert sich, wie sehr der
Allerhöchste ihm hilfreich gewesen ist in der Vergangenheit, und auch
jetzt will er wieder sein Vertrauen auf Gott richten. Aber das geht nicht ohne
Kampf. Vor allem in Momenten, in denen das Leben mühsam ist, ist der
Glaubensstreit am heftigsten. Sicherheiten, woran Menschen sich normalerweise
festhalten können und für die sie streiten können, verschwinden
wie Schnee in der Sonne. Und dann stehst du da mit leeren Händen vor dem
Allerhöchsten. Darum ist der letzte Grund, das tiefste Fundament des
Glaubens die Aussage: „Deine Güte ist besser als Leben“. Ganz im Geiste
des Paulus sagt der Psalmdichter: Deine Treue, Deine Liebe ist
größer, umfassender als das Leben, welches wir mit unserem
beschränkten menschlichen Vermögen begreifen können. Du bist der
Gott des Himmels und der Erde. Aus Deiner Liebe heraus ist alles entstanden.
Deine Liebe durchdringt alles, auch mein unsicheres Bestehen. Und darauf will
ich in all meiner Unsicherheit vertrauen. Schau, so kommt unser Psalmdichter
schon viel näher zu uns, vor allem wenn das Leben schwer ist.

Leben aus dem Geist und aus der Liebe Gottes. Fällt es dir
schwer? Das ist nicht so verwunderlich. Wir halten uns fest an alles weltliche
und sind darin so menschlich wie wir nur sein können. Aber wenn das Leben
schwierig ist, alles wegfällt, woran du dich immer festklammern konntest,
wenn du konfrontiert wirst mit Krankheit, Tod und Unsicherheit, dann stehst du
da, nur mit einer Frage: Was nun?

Und ich kann dann nur noch eins sagen: Folge dem Ratschlag des
Paulus und auch dem des Psalmdichters. Öffne dein Herz für die Liebe
des Herren und erfahre das Wunder innerer Ruhe, die daraus folgt. Vertraue dich
dem Allerhöchsten Gott des Himmels und der Erde im Leben und im Sterben an
und du wirst deiner Zukunft mit Vertrauen entgegen sehen. Schmerz, Mühe,
Krankheit, Sorgen: Du wirst lernen, damit zu leben und neue Perspektiven im
Leben sehen, das er für dich bestimmt hat.

So erfahre ich das. Laß dich formen von seiner Liebe aus dem
Wissen heraus, daß aus der Liebe das Leben entstanden ist und daß
durch die Liebe das Böse überwunden wird. Jawohl, Deine Güte,
Herr, ist mehr als das Leben allein. Und wir, wir wollen die Güte gern
erfahren.

Amen.

Gottesdienst in dem Krankenhaus Refaja.
Liturg: Pf. J.C. Vaessen.

Dieser Gottesdienst wird in einem Krankenhaus gehalten. Darum ist
1. Kor. 2, 12-16 in dieser Predigt vor allem auf seine pastoralen Aspekte
zugespitzt, und das wiederum mit Hilfe von Psalm 63. Die Auslegung von 1. Kor.
2, 12-16 ist prägend gewesen für die Wahl der Verse des Psalmes, die
gelesen werden.

Das Problem dieser Predigt ist, daß Menschen die glauben
daraus Trost bekommen, während für Ungläubige vielleicht noch
mehr Fragen aufkommen. Aber dieses Problem wird von Paulus selbst schon in 1.
Kor. 2, 13-14 vorhergesehen.

Lesungen: 1. Kor. 2, 12-16 und Ps. 63, 1-8.

Gebet

Herr unser Gott, heiliger Gott, verborgener Gott und trotzdem
unser Gott, wir kommen zu Dir mit dem, was wir nicht verstehen,
unauflösbare Rätsel, unbeantwortete Fragen, Meere voller Elend, das
Leid von Unzähligen, Gewalt von Mächten, verblühtes Leben,
Krankheit, Einsamkeit, Brandherde. Versengte Stellen, nicht nur in Enschede,
sondern überall auf der Erde und wir rufen Dich an: Herr, erbarme Dich.

Herr, und auch für unsere eigene Existenz, unsere Ohnmacht
und unseren Unwillen, unsere Fragen und Zweifel, unsere Trotzigkeit und unseren
Konservativismus – doppelzüngige Leute, sprachlose Zeugen, Wörter
ohne Taten, Taten ohne Liebe – auch für unsere eigene Existenz rufen wir
Dich an: Herr, erbarme Dich.

Gott wir warten auf Dich, weil wir Dir vertrauen, trotz allem,
trotz uns selber, wir warten auf die Erzählungen, auf die Wunder, auf
Jesus, Deinen Sohn, und auf Deinen Geist in unserer Mitte. Herr, Dein Name ist
Immanuel, Gott mit uns. Darum sei uns so nahe, daß wir fähig sind,
uns aufrecht zu halten in der Tiefe als Menschen mit Dir. Und darum rufen wir
Dich an: Herr erbarme Dich. Durch Jesus Christus, unseren Herrn.

Fürbitte.

Lieber Gott,
Wenn wir unseren Lebensweg gehen müssen, auf
dem Krankheit uns klein macht, unsicher und abhängig, laß unser
Leben dann nicht im Schatten der Angst verlaufen.

Laß Menschen da sein, die uns festhalten und beistehen. Tue
Deinem Namen Ehre und laß Dich finden, wenn wir Dich suchen. Peinlich
erfahren wir oft den Verfall unserer Körper, sowohl unserer Freunde als
auch unserer Feinde.

Laß uns nicht alleine sein, wenn die Sorge und die Spannung
um den unbekannten Weg von Morgen beherrschend wird. Und wenn die Stunde
unseres Todes kommt, beten wir, daß wir das Leben, das wir gelebt haben
an Dich zurückgeben können in dem Licht, mit dem Du es so lange
gesegnet hast.

So bitten wir Dich, sei mit uns und laß unser Leben im
Zeichen deiner Liebe stehen . Fülle uns auch mit Deinem Geist und vor
allem wenn wir krank sind oder einsam sind, trauern oder in psychischer Not
sind.

Mach uns bewußt, daß Deine Liebe allumfassend ist und
uns auffängt bei allem, was uns passiert. Gib uns die Fähigkeit, den
Weg zu gehen, den Du uns zeigst, wohin er auch gehen mag. Laß unseren
Glauben in Dir eine lebendige Kraft sein, der Deine Liebe in der Welt
verbreitet. Sei darum auch mit uns in der Stille und mit denen, die wir in der
Stille Dir vorbringen. Tue mit uns, Herr, nach Deinem Willen.

Dr. Jan Christian Vaessen, Groningen, Niederlande


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