1. Korinther 2, 12-16

1. Korinther 2, 12-16

 


Göttinger Predigten im Internet
hg.
von Ulrich Nembach und Johannes Neukirch


Pfingstsonntag
11.6.2000
1. Korinther 2, 12-16

Heinz Janssen


Die Gabe des Geistes Gottes – Leben in seiner Geistesgegenwart
Predigttext (nach der Übersetzung Martin Luthers, Rev.
1984)

12 Wir aber haben nicht empfangen den Geist der Welt, sondern den
Geist aus Gott, daß wir wissen können, was uns von Gott geschenkt
ist.

13 Und davon reden wir auch nicht mit Worten, wie sie menschliche
Weisheit lehren kann, sondern mit Worten, die der Geist lehrt, und deuten
geistliche Dinge für geistliche Menschen.

14 Der natürliche Mensch aber vernimmt nichts vom Geist
Gottes; es ist ihm eine Torheit, und er kann es nicht erkennen; denn es
muß geistlich beurteilt werden.

15 Der geistliche Mensch aber beurteilt alles und wird doch selber
von niemandem beurteilt.

16 Denn »wer hat des Herrn Sinn erkannt, oder wer will ihn
unterweisen« (Jesaja 40,13)? Wir aber haben Christi Sinn.

Predigt

Liebe Gemeinde!

„Wir aber haben nicht empfangen den Geist der Welt, sondern den
Geist aus Gott, daß wir wissen können, was uns von Gott geschenkt
ist“ – so ruft der Apostel Paulus seiner Gemeinde in Erinnerung, was sie von
Gott empfangen hat.

Wissen w i r, was Gott uns geschenkt hat?
– Den Geist von
Pfingsten!
Flammen der Begeisterung, die hoch schlagen können,

Licht, das die Wahrheit enthüllt,
Feuer, das Wärme
verbreitet, und um das man sich gern versammelt,
Glut der Liebe, die nicht
verlöscht…

I. Der Geist Gottes, den wir nicht fassen, nicht greifen
und be-greifen können, ist – neben anderen Symbolen, z.B. der Taube –
besonders im Symbol des Feuers veranschaulicht (wir hörten davon in der
Pfingstgeschichte).

Glut der Liebe – welch ein Geschenk, nach dem wir uns alle sehnen!
Haben wir dieses Ge-schenk, erfahren wir Liebe, verändert sich unser
Leben. Von Liebe erfüllte Menschen können wieder lieben, Liebe selbst
weitergeben, austeilen, weiterschenken von ihrer Fülle. Aus der kleinsten
glimmenden Glu kann immer wieder ein Feuer entstehen, Feuer, das Wärme
verbrei-tet, um das man sich gern versammelt – ein Zentrum, eine Gemeinschaft
von Menschen in die-sem Licht, in e i n e m Geist.

II. Fünfzig Tage nach dem (Sabbat des) Passah-Fest
versammelten sich schon die Mitglieder der jüdischen Gemeinde, um nach der
eingebrachten Ernte ein großes Erntedankfest zu feiern. Spä-ter,
nach der Zerstörung des Tempels wurde das Fest als „Wochenfest“ (Schawuot)
mit der dankbaren Erinnerung an die Gabe der Gebote auf dem Berg Sinai
verbunden.

Wir stehen mit unserem Pfingstfest, das wir als Gründung
unserer christlichen Kirche begreifen, am gleichen wärmenden Feuer wie die
israelitisch-jüdische Gemeinde. Der Geist Gottes, der im brennenden
Dornbusch schon Mose erschien, hat uns als Christen auf einem anderen Weg in
die Gemeinschaft der weltweiten Familie Gottes geführt. In brennender
Liebe hat uns Gott Jesus, seinen Sohn, geschenkt, geboren aus seinem Geist, aus
seiner Schöpferkraft, der Macht, mit der Gott alles am Leben und in
Bewegung hält. In diese Bewegung hat Gott uns durch Jesus von Nazareth,
seinen Christus, mit hineingenommen. Gott hat uns ein Licht aufgehen lassen, um
seine Wahrheit zu entdecken, sie zu erkennen: wer wir sind, wer Gott ist, wie
unser Weg in der Welt von Gott gedacht ist. Das Flammenrot des Heiligen Geistes
– in keinem christlichen Gotteshaus fehlt das symbolische Rot – weist auf die
Umformung und Gestaltung der Welt aus der Kraft der Liebe Gottes hin. Durch das
Rot der Flamme sollen wir wie Mose am brennenden Dornbusch mit dem sich nicht
verzehrenden Feuer den unserem menschlichen, „natürlichen“ Geist
verborgenen Gott erkennen. Dieses Flammenrot will uns nicht verbrennen, sondern
anstecken für ein Leben in der Geistesgegenwart Gottes voller Flammen der
Begeisterung.

III. Die Flammen der Begeisterung – wo sind sie mir
geschenkt? Entbrenne ich vor Begeister-ung für eine gute Sache? Ich
weiß von vielen Engagements in der Kirche, in unserer Gesell-schaft, wo
Menschen mit Feuereifer bei der Sache sind: wenn sie z.B. dort helfen, wo
Dunkel-heit sich auszubreiten droht – in den Krankenhäusern, in der
Betreuung krebskranker Kinder, in der Begleitung Sterbender (der wahren
„aktiven Sterbehilfe“!), in der Telefonseelsorge; oder dort, wo ein Feuer der
Liebe, der Zuwendung und guten Umganges angezündet werden kann – in der
Familie, in der Schule, im Verein, in unseren Kirchen und Gemeinden.

Die Flammen der Begeisterung fordern zur Tat, sie wollen
überspringen, weitergegeben wer-den. Dieses Tätigsein im Sinne des
Geistes Gottes und Jesu findet nicht nur Beifall, es kann auf Ablehnung
stoßen und als unsinniges oder peinliches Handeln abgetan werden. Dass
z.B. im Jahre 2003 evangelische und katholische Christen zu einem gemeinsamen
Kirchentag einladen und – wie es sich viele schon lange wünschen –
gemeinsam in der Einmütigkeit des Heiligen Geistes und im Glauben an die
Gegenwart des lebendigen Christus das Abendmahl, die Eucharistie, feiern
wollen, nehmen viele mit flammender Begeisterung auf, aber es wird auch Streit
und Ringen um die Wahrheit bedeuten.

Der Heilige Geist, der Geist von Pfingsten, bewirkte damals einen
hoffnungsvollen, Grenzen überschreitenden Aufbruch, einen Aufbruch, der
bis in unsere Zeit immer wieder erfahrbar ist. Die Flamme des Geistes Gottes
ist noch nicht verlöscht, und wir können mit diesem Geschenk Gottes
getrost weiter – ins Leben, in die Zukunft – gehen, denn „Gott hat uns nicht
gegeben den Geist der Furcht, sondern den Geist der Kraft und der Liebe und der
Besonnenheit“ (2.Timotheus 1,7). Darum lasst uns immer wieder bitten: „Komm,
Heiliger Heist, erfülle die Herzen deiner Gläubigen und entzünde
in ihnen das Feuer Deiner göttlichen Liebe, der Du in Mannigfaltigkeit der
Zungen die Völker der ganzen Welt versammelt hast in Einigkeit des
Glaubens“. Amen.

Exegetisch-homiletische Vorbemerkungen

Der Apostel Paulus gibt mit seinem ersten Brief an die Korinther
Einblick in die Auseinander-setzungen, Spal-tungen und Mißstände der
jungen christlichen Gemeinde. In den ersten vier Kapiteln erinnert er sie an
das Spaltungen überwindende Band der Einigkeit, mit dem Gott sie durch das
Evangelium von Jesus Christus verbunden hat. Die Gemeinde erweckt bei ihm den
Eindruck, dass sie ver-gessen hat, was ihr von Gott geschenkt ist. In Kap.
2,12-16, unserm Predigttext, hebt der Apostel hervor, was die Gemeinde von Gott
empfangen hat: „nicht den Geist der Welt, sondern den Geist aus Gott, daß
wir wissen können, was uns von Gott geschenkt ist“ (V.12). – Wissen w i r
heute in Kirche und Gemeinden, was uns von Gott geschenkt ist? Es ist in
gewisser Hinsicht entlastend und wegweisend für die Art und Weise des
(kritischen) Umgangs mitein-ander in unseren Gemeinden, wenn Paulus schreibt,
dass wir es aus uns selbst nicht wissen können, weil – so das Argument des
Apostels – „der natürliche Mensch“ vom Geist Gottes nichts vernimmt
(V.14). Dem „natürlichen“ Menschen stellt Paulus den „geistlichen“
gegenüber, es ist der Mensch, der den Geist aus Gott empfangen hat, mit
Gottes Geist begabt, beschenkt worden ist (V.15). Gott lässt uns durch
seinen Geist wissen, wer Jesus Christus für uns ist: die
(Lebens-)Weisheit, Gerechtigkeit, Heiligung und Erlösung in Person, damit
wir durch ihn Anteil an einem Leben „in Fülle“ bekommen (1.Kor. 1,30 vgl.
Joh 10,10). Pfingsten als dankbare Feier der Bega-bung mit dem
schöpferischen, Leben und Frieden schaffenden Geist Gottes sollte für
die christliche Kirche heute Anlass sein, auch an die Wurzeln dieses Festes in
der israelitsch-jüdischen Gemeinde zu erinnern und das Wirken des Heiligen
Geistes „ubi et quando visum est Deo“ bezeugen.

Pfarrer Heinz Janssen,
und Lehrbeauftragter für
Biblische Theologie (Altes Testament)
Anschrift: Karl-Ludwig-Str.8a, 69117
Heidelberg
e-mail: providenz@aol.com

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