1. Korinther 2,1-10

1. Korinther 2,1-10

Gemeinsam unterwegs | 2.So.n.Ep.| 16.1.2022 | Predigt zu 1. Kor 2,1-10 | verfasst von Suse Günther |

Predigt für den zweiten Sonntag n. Epiphanias – 16.1.2021 – IV-

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit euch allen. AMEN

1.Kor 2,1-10

Ich bin zu euch nicht mit hohen Worten oder mit großer Weisheit gekommen, um das Geheimnis des Glaubens zu verkündigen. Denn ich hielt es für richtig, unter Euch nichts zu wissen als allein Jesus Christus, den Gekreuzigten. Und ich war bei euch in großer Schwachheit, in Furcht und Zittern.

Und mein Wort und meine Predigt geschahen nicht mit überredenden Worten menschlicher Weisheit, sondern in Erweisung des Geistes und der Kraft.

Damit Euer Glaube nicht stehe auf Menschenweisheit, sondern auf Gottes Kraft.

Wovon wir reden, das ist dennoch Weisheit bei den Vollkommenen, nicht eine Weisheit dieser Welt, auch nicht Herrscher dieser Welt, die vergehen. Sondern wir reden von der Weisheit Gottes, die im Geheimen verborgen ist, die Gott vorherbestimmt hat vor aller Zeit zu unserer Herrlichkeit. Die keiner von den Herrschern dieser Welt erkannt hat, denn wenn sie die erkannt hätten, so hätten sie Jesus nicht gekreuzigt.

Sondern es ist gekommen, wie es geschrieben steht: Was kein Auge gesehen hat und kein Ohr gehört hat und in keines

Menschen Herz gekommen ist, was Gott bereitet hat denen, die ihn lieben. Das hat uns Gott offenbart durch seinen Geist.

Gott, gib uns ein Herz für Dein Wort und nun ein Wort für unser Herz. AMEN

Liebe Gemeinde!

Sie wundern sich vielleicht, dass ich hier stehe, viele von Ihnen werden mich nicht kennen. Ich bin sozusagen ausgeliehen. Ausgeliehen vom Nachbardekanat, wo ich in Sankt Ingbert und Zweibrücken tätig bin als evangelische Pfarrerin. „Ausgeliehen, weil es an Personal fehlt im eigenen Dekanat?“, so fragen Sie sich vielleicht.

Ja, Personal wird wertvoller in der Kirche, das wissen wir alle. Aber das ist nicht der Grund, warum ich heute hier bei Ihnen bin. Der Grund, warum ich hier bin ist der, dass wir Kollegen und Kolleginnen uns entschieden haben, auf die Personalknappheit zu reagieren, indem wir enger und besser zusammenarbeiten und uns ergänzen.

Ich habe meine erste Pfarrstelle 1990 angetreten, also vor über dreißig Jahren mit damals mal gerade 27 Jahren. Die Anzahl der Aufgaben, die mir bei meiner Ordination vorgelesen wurde, verschlug mir fast den Atem. Für drei Gemeinden sollte ich Schule halten und Konfirmandenunterricht, Gottesdienste und Kasualien, Kindergottesdienste und Frauenkreise, Jugend – und Kindergruppen. Sieben Gebäude waren zu verwalten und zu renovieren, drei Presbyterien zu leiten, ein Altenheim zu betreuen, Seelsorge und Besuche, es wollte einfach kein Ende nehmen. Eigentlich hätte ich die Kirche sofort wieder verlassen müssen und den angestrebten Beruf an den Nagel hängen müssen, wenn nicht, ja wenn ich nicht mich auf meine Vorfahren im Glauben besonnen hätte. Einer davon Paulus, von dem unser heutiger Predigttext stammt. Nicht, dass ich mich in Bedeutung und Fähigkeiten mit ihm vergleichen würde. Aber es hat mich doch getröstet, dass es schon von allem Anfang an so war, dass Mitarbeitende in Gottes Landwirtschaft ihre Kräfte einteilen mussten. Dass sie vertrauen mussten auf Gottes guten Geist, der zur richtigen Zeit mit einem kräftigen und liebevollen frischen Wind antreibt. Dass sie sich aufeinander verlassen konnten und füreinander eintraten.

Paulus schreibt an seine Gemeinden. In Rom, in Galatien, in Philippi, in Thessaloniki und dieses Mal in Korinth. Weit auseinanderliegende Gemeinden mit ihren je eigenen Problemen in einer Zeit, als es keine Flugzeuge und kein Internet gab. Gemeinden, die nur deshalb von Jesus Christus erzählen und in seinem Sinn handeln konnten, weil es eben viele gab, die mithalfen. Wenn Paulus sich auf den Standpunkt gestellt hätte: „Ich bin euer Gemeindeleiter, ich sage wo es lang geht“, dann wäre die Sache wohl gründlich schief gegangen. Stattdessen hat er sich auf seine Mitarbeitenden verlassen. In seinen Briefen grüßt er sie ausdrücklich in den Schlussworten. Im ersten Korintherbrief, aus dem ja unser Predigttext heute stammt, zum Beispiel  mit folgenden Worten: „Darum, liebe Geschwister, seid fest, unerschütterlich und nehmt immer zu im Werk des Herrn, weil ihr wisst, dass eure Arbeit nicht vergeblich ist“ (1.Kor. 15,58) .

Wir haben in der Kirche in den vergangenen Jahrhunderten oft anders gearbeitet. Der Mann – und später dann auch die Frau – auf der Kanzel war in der Kirchengemeinde sehr oft zum Alleinherrscher, zur Alleinherrscherin gekürt, hat manches Mal vielleicht auch darunter gelitten, konnte oder wollte die vorgegebenen Strukturen aber kaum ändern: Pfarrer hatten eben Einzelkämpfer zu sein.

Ein Blick in die Bibel hätte uns da eines Besseren belehren können. „Ich bin zu Euch gekommen in Schwachheit, in Furcht und in Zittern“ schreibt der große Paulus. Paulus, der es bereits in seinem ersten Leben als jüdischer Schriftgelehrter gelernt hatte, den Ton anzugeben. Paulus, der dann Jesus begegnet ist und sich von ihm persönlich berufen weiß. Paulus, der in der ganzen damals bekannten Welt herumgekommen ist. Der Wunder erlebt hat, der Gemeinden gegründet hat, auf den so viele ihre Hoffnung setzen. Dieser Paulus hat ganz offensichtlich auch seine schwachen Momente. Viele Ausleger haben versucht Paulus eine Krankheit zu diagnostizieren, die diese Schwächen begründen könnte. Aber ist es nicht normal, dass einer, der so unermüdlich arbeitet, auch einmal krank wird? Dass er sich selbst als schwach erlebt, als jemand, der auf die Stärke Jesu Christi bauen muss? Wie auch immer. Auffällig ist nicht, dass Paulus diese schwachen Zeiten hatte. Auffällig ist viel mehr, dass er davon im Brief schreibt. Er hätte es ja auch verschweigen und damit weiter am Mythos Paulus stricken können: Der Mann, dem einfach alles aus eigener Kraft gelingt. Aber an diesem Mythos ist Paulus selbst offensichtlich nicht nur gar nicht interessiert, sondern er hat ihn auch nicht nötig. Denn es gibt Menschen, die für ihn einspringen. Die mit ihm gemeinsam an der Sache Jesu arbeiten und sich berufen fühlen. Und es gibt Jesus, der mit ihm unterwegs ist.

Vielen  Pfarrern und Pfarrerinnen geht es heute ähnlich. Personal wird knapp und Geld auch. Das führt aber nun zum Glück nicht dazu, den Kopf in den Sand zu stecken. Sondern dazu, dass wir uns in den Gemeinden ganz neu überlegen, was uns möglich ist. Wer hat welche Gaben und kann sie auch für andere übernehmen? Glücklicherweise gibt es, wie auch schon in den Gemeinden des Paulus, Menschen, die mit am Strang ziehen, die ehrenamtlich oder mit stundenweiser Bezahlung ihre Kräfte einbringen. Ob im Kindergottesdienst oder bei Besuchen, als Sekretärin, Organist oder im Besuchsdienstkreis, im Chor oder Frauenkreis, in der Jugendarbeit oder im Presbyterium…

Viele treten aus in der heutigen Zeit, wir wissen das. Aber etwas anderes soll auch betont werden: Viele arbeiten mit, lassen sich beauftragen von Gott und den Menschen. Anders als noch vor 50 Jahren, so ist mein Eindruck, gehört man heute nicht mehr der Kirche an, weil es schon immer so war. Sondern deshalb, weil man sich gerufen fühlt und bewusst dazu entschieden hat. Ich möchte der Kirche angehören, weil ich mit anderen zusammen unterwegs sein möchte auf den Spuren Jesu in dieser Welt. So könnte man übersetzen, was Paulus im heutigen Predigttext schreibt: „Ich bin zu euch gekommen, weil ich es für richtig hielt, unter euch nichts zu wissen als Jesus Christus…“

Paulus möchte denen, die ihm am Herzen liegen, seinen Gemeinden, erzählen von dem, was ihn bewegt und antreibt: Gottes guter Geist und seine Kraft.

Paulus ist nicht der, der auf der Kanzel steht und allen sagt, wo es lang geht und wie Glaube funktioniert. Er sagt von sich selbst, dass er immer wieder schwach ist und dass vieles an Gott ihm Geheimnis ist und gerade deshalb wertvoll. Wäre Gott in allen Facetten ausgeleuchtet und in Formeln gefasst, würde ihm das Wunderbare fehlen, würden uns keine Wunder geschehen. So aber begegnet Gott uns immer wieder neu, überraschend, bewegend.

Ja, warum bin ich heute hier bei Ihnen?

Weil wir Kollegen und Kolleginnen uns entschieden haben, uns miteinander auf den Weg zu machen, als Freunde, als die, die sich gegenseitig unterstützen. Weil wir  gerne mit Ihnen in der Gemeinde unterwegs sind. Weil wir uns gemeinsam von Gottes gutem Geist bewegen lassen  möchten. Weil es auch in Zukunft noch so viel zu tun gibt mit Gott und zu sagen von Gott, der uns leben lässt.

Und weil wir mit Paulus darauf vertrauen, dass Gott uns am Ende das bereitet, was noch kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat. Und uns  mit offenen Armen begegnet. AMEN


Suse Günther, *1963, verheiratet, zwei Töchter
1990-2002 Gemeindepfarrerin in Bruchmühlbach
2002-2009 Krankenhaus Pfarrerin im Krankenhaus Landstuhl
2009-2017 Krankenhaus Pfarrerin in Zweibrücken
Seit 2016 systemische Therapeutin (SGsT)
Seit 2017 Krankenhaus Pfarrerin in St. Ingbert und Beratung „Zeit für Dich“ im Dekanat Zweibrücken

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