Johannes 4,5-30

Johannes 4,5-30

Johannes 4,5-30 (dänische Perikopenordnung) | 2. Sonntag nach Epiphanias | Von Anne-Marie Nybo Mehlsen |

Müde und durstiger Gott sucht menschliche Nähe – hier sitzt er am Brunnen und streckt die Hand aus nach einem Mitmenschen, einer Frau, die kaum damit rechnet, als ein Mensch angesehen zu werden, der etwas zu geben hat. Sie erwartet nur, ausgegrenzt zu werden.

Hört einmal hinein in ihr Gespräch, das Jesus beginnt:

  • Gib mir etwas zu trinken! (Ein grundlegendes menschliches Bedürfnis).
  • Wer bist du, dass du mich für einen Mitmenschen hältst und mich um Hilfe bittest? (Was willst du von mir, niemand rechnet mit mir!)
  • Wenn du Gottes Gabe kennen würdest und wüsstest, wer ich bin, würdest du mich bitten, dir Quellenwasser zu geben. (Wir könnten die Rollen tauschen?)
  • Ja, und in diesem Falle brauchtest du einen Eimer – oder was? (Ich kann in der Tat mehr als du – ich habe nämlich den Eimer!)
  • Das Wasser, das ich gebe, löscht den Durst für immer und wird zu einer Quelle, aus der Wasser zum ewigen Leben strömt! (Da ist etwas, was wichtiger ist als Wasser!)
  • Ja, sicher, dann brauche ich nicht hierher zu kommen. (Das kannst du ja sagen, du hast nicht die Mühen des Alltags. Ich habe gehört, dass du „Gott“ und „ewiges Leben“ gesagt hast, aber das hier ist die wirkliche Welt!)

Nun wechselt das Gespräch das Thema, und Jesus sagt:

  • Geh hin und rufe deinen Mann! (Was nun, wenn ich sage, dass ich dich gesehen habe?)
  • Ich habe keinen Mann! (Ich kann gut selbst, danke!)
  • Darin hast du Recht, du hast fünf Männer gehabt, und der, den nu nun hast, ist nicht dein Mann. (Ich habe dich gesehen, und ich bin immer noch da!)

Und nun reden sie wirklich miteinander, die Frau sagt:

  • Herr! Du siehst und verstehst mehr als die meisten, dann weißt du auch, dass ich über Gott nachgedacht habe und über das, was uns als Menschen mit verschiedenem Glauben trennt. Ist das hier auf dem Berg oder ist es in Jerusalem, wo Gott uns begegnen wird?
  • Nun greifst du zu Schrift und Regeln, und dann ist es vielleicht mehr in Jerusalem als hier, aber Gott ist Geist und begegnet Menschen, die ihn ehrlich anrufen. Ich habe übrigens gerade die Grenze überschritten, von der du gerade sprichst?
  • Ja, das weiß ich wohl, dass Christus kommt – dann wissen wir Bescheid über Gott. Ich will es sehen, ehe ich es glaube!
  • Ich bin es! Ich bin ja hier!

Im biblischen Universum treffen Männer ihre Zukünftige am Brunnen. Hier ist es Gott selbst, der müde und durstig mit einer Frau Theologie diskutieren muss – die hoffentlich vielseitig ist und dafür gesorgt hat, ihm Wasser zu geben, während sie reden.

Im Jahr 2022 begegnen wir uns noch immer manchmal in der Küche am Wasserhahn – selbst nachdem wir viele Jahre zusammengelebt haben, bringt uns der Bedarf an Wasser zusammen.

Manchmal begegnen wir uns im Gespräch, aber doch selten in einem so intensiven Gespräch über Gott.

Jesus insistiert auf dem Menschlichen als dem, was uns gemeinsam ist, er offenbart seinen Durst, dass er Hilfe braucht, bittet um ihre Mitmenschlichkeit. Und schließlich endet es damit, dass er ihre Gemeinschaft im Geist behauptet, ihre gemeinsame Sehnsucht nach Ewigkeit, Heimat, Erlösung.

Er schafft mit seinem Körper und seinem leiblichen Durst eine Nähe, die Mauern einreißt, Grenzen und Formen überwindet und damit direkt zu Herzen geht.

Sie dagegen verschanzt sich hinter dem Materiellen, dem Formellen, das sie trennt. Sie behauptet eine unüberwindliche Distanz.

Er nennt sie erst Mitmensch, Helferin.

Sie nennt ihn einen Juden und einen Mann.

Wo begegnen sich Gott und Mensch in Geist und Wahrheit?

Eine Frau begegnete ihm einmal an einem Brunnen. Mitten in ihrem Alltag. Mitten in ihrer Finsternis – geprägt von der Verwerfung ihrer Menschenwürde durch andere und auch sie selbst. Sie tut ihr Bestes, um unscheinbar zu sein, und sie geht zur Mittagszeit zum Brunnen, was niemand sonst tut. Sie antwortet dem Fremden, so dass er weiß, dass sie nur seine Verachtung und Verwerfung erwartet.

Jesus spricht zu ihrer Sehnsucht, zu ihrer Seele. Er spricht die Sprache des Herzens. Die Sprache des Herzens ist das, was uns wirklich voreinander bloßstellt, bevor wir auch nur etwas preisgegeben haben.

Das Gespräch am Rande von Jakobs Brunnen ist das Gespräch der Liebe, der Dialog der Seele mit dem Gott, der sieht.

Wussten wir es schon – oder ahnten wir es nicht? Dass da so viel Liebe, so viel Nähe und ehrliche Zärtlichkeit darin liegt, das Wort Gottes zu hören? Wussten wir das vielleicht einmal, ahnten es – aber wir haben es vergessen oder wagten nicht, es zu glauben?

Der Weg zurück zur Quelle, aus der Wasser zum ewigen Leben quillt, beginnt in Offenheit. Ein Zuhören, ein wenig Aufmerksamkeit und ein Verzicht auf Fassaden, Bollwerke der Abwehr, die allmählich zu einem Instinkt werden, mit dem wir das Leben auf Abstand halten. Das ist ein Dialog. Gott ruft – das bin ich – du kannst antworten, ganz nahekommen – die Distanz aufgeben und wie die Frau am Brunnen alle Waffen niederlegen.

Gott und Mensch begegnen sich – in einer Begegnung der Liebe. Sie verwickeln sich, ja es ist als tauschten sie die Rollen! Und das ist die große Pointe. Gott wurde Mensch, um in unserem Alltag – unserem Leben gegenwärtig zu sein. Gott insistiert auf Vereinigung über Regeln und Häuser und heilige Stätten und allen Strophen des Gesangbuches hinaus. Er will uns nämlich auch begegnen, wenn wir draußen sind, weit weg von allem, was richtig ist. Wenn wir verworfen sind von uns selbst und von anderen. Wenn das Leben austrocknet, hart ist und leer. Er sieht uns, er kennt uns und ist noch immer hier.

Er sitzt am Rande eines Brunnens, durstig, müde und verletzlich. Er insistiert auf der Nähe, auf dem Gespräch in Geist und Wahrheit. Er hat uns gesagt, wer er ist. Er sagt, was wir auch sind, und was wir in der Ewigkeit werden können, wenn die Sehnsucht befreit und erfüllt werden darf. Wenn wir uns zur Menschheit bekennen und ihm als dem Gott begegnen, der die Quellen der Liebe frei in uns strömen lässt. Amen.

Pastorin Anne-Marie Nybo Mehlsen

DK-4100 Ringsted

Email: amnm(a)km.dk

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