1. Samuel 2,1-2.6-8a

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1. Samuel 2,1-2.6-8a

 


Göttinger Predigten im Internet
hg.
von Ulrich Nembach und Johannes Neukirch


Ostersonntag
23.4.2000
1. Samuel 2,1-2.6-8a

Heinz Janssen


Predigttext (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984,
außer dass HERR mit GOTT wiedergegeben wird):

Lobgesang der Hanna

2,1 Und Hanna betete und sprach: Mein Herz ist fröhlich in
GOTT, mein Haupt ist erhöht in GOTT. Mein Mund hat sich weit aufgetan
wider meine Feinde, denn ich freue mich deines Heils.

2 Es ist niemand heilig wie GOTT, außer dir ist keiner, und
ist kein Fels, wie unser Gott ist.

[3 Lasst euer großes
Rühmen und Trotzen, freches Reden gehe nicht aus eurem Munde; denn der
GOTT ist ein Gott, der es merkt, und von ihm werden Taten gewogen.

4 Der Bogen der Starken ist zerbrochen, und die Schwachen sind
umgürtet mit Stärke.

5 Die da satt waren, müssen um Brot dienen, und die Hunger
litten, hungert nicht mehr. Die Unfruchtbare hat sieben geboren, und die viele
Kinder hatte, welkt dahin.]

6 GOTT tötet und macht lebendig, führt hinab zu den
Toten und wieder herauf.

7 GOTT macht arm und macht reich; er erniedrigt und erhöht.

8 Er hebt auf den Dürftigen aus dem Staub und erhöht den
Armen aus der Asche, dass er ihn setze unter die Fürsten und den Thron der
Ehre erben lasse. [Denn der Welt Grundfesten
sind GOTTES, und er hat die Erde darauf gesetzt.
]

Liebe Gemeinde!

Ein alttestamentlicher Text aus der Zeit um Elfhundert vor Christi
Geburt für eine Osterpredigt – ist das nicht ein Anachronismus? Dieser
vorchristliche Bibeltext kann ja Ostern und damit Jesus von Nazareth noch nicht
im Blick haben. Aber klingt darin nicht schon der Grundton der Osterbotschaft
an? Wir hören in diesem Abschnitt aus dem zweiten Kapitel des Ersten
Samuelbuches von einem Gott, der

(4) starken Männern die Waffen zerbricht;
Schwachen und
Entmutigten neue Kraft gibt…
(6) der tötet und lebendig macht, …

und aus dem Tod ins Leben zurückruft…
(8) die Armen aus der Not
holt,
die Hilflosen heraus aus ihrem Elend…“ (Übersetzung nach Gute
Nachricht Bibel 1997)

I. Ein wirklich österlicher Predigttext! Tod und Leben
klingen an, Stärkung des Schwachen, Aufrichtung des Erniedrigten – und es
ist Gott, der die Wende vom Tod zum Leben, von der Menschenverachtung zur
Menschenwürde herbeiführt, wie es seinem Schöpfungswillen
entspricht. Tragende Töne der Hoffnung – voller dankbarer Freude über
die Erfahrung einer grundlegenden, Leben schaffenden Wende! Da stimmt jemand
einen kräftigen Lobgesang auf Gott an: „Es ist niemand heilig wie GOTT,
außer dir ist keiner, und ist kein Fels, wie unser Gott ist“ (Vers 2), so
hören wir. Es ist eine Frau, Hanna, die diesen Psalm singt. Ihr Gotteslob
erinnert an das noch frühere Lied der Mirjam, die Schwester Moses, als das
biblische Israel den Boden der Freiheit betrat, und nicht zuletzt an Maria, die
Mutter Jesu, die in ihrem Magnificat die Worte jener Hanna aufgriff. Was wissen
wir von Hanna? Sie war die Frau eines Ephraimiters Namens Elkana. Sie musste
ihre Liebe zu ihrem Mann, wie es damals üblich war, mit einer anderen
Frau, Peninna, teilen. Von ihr musste Hanna so manche Kränkung erleiden,
denn Peninna hatte Kinder, und Hanna hatte keine. Die Kränkung, der Hanna
damit ausgesetzt war, wurde dadurch noch schlimmer, weil in der damaligen
Gesellschaft Kinderlosigkeit wie ein Gottesfluch empfunden wurde. Dass Elkana
seine Frau trotzdem liebte, konnte Hanna nicht über ihre Kinderlosigkeit
hinwegtrösten. Da – im Zusammenhang der jährlichen Wallfahrt der
Familie zum Tempel in Silo – brach es aus ihr heraus: in ihrem Kummer weinte
sie sich vor Gott aus, klagte IHM ihre Not, und Gott erhörte ihr Gebet.
Jetzt konnte Hanna singen: Mein Herz ist fröhlich in GOTT…

II. Vom Tod zum Leben, von der Erniedrigung zur
Erhöhung – so erlebte Hanna die Wende ihres Schicksals. Welch eine
Begeisterung und Lebensfreude klingt aus ihrem Lied! Kann Hanna damit nicht
auch in uns die Freude an Gott und die Begeisterung über sein Tun wecken,
die heute so viele in unserer Kirche vermissen?

Von Hannas Lobgesang und der darin aufklingenden Hoffnung
möchte ich mich anstecken lassen: Hoffnung gegen alle Todesmächte,
Ermutigung zum Leben, zum Aufstehen. Aufstehen (auch in diesem Gotteshaus), das
bedeutet: sichtbarer, leiblicher Ausdruck der Hoffnung, zu der Gott uns Anlass
gibt, dankbare Antwort auf die österliche Botschaft der Auferstehung Jesu
Christi von den Toten. Ostern – der schwere Stein ist weggewälzt. In einem
Gedicht unter der Überschrift „Auferstehung“ spricht:Marie-Luise
Kaschnitz diese Lebens-Erfahrung mitten im ganz gewöhnlichen Lebensalltag
aus:

Manchmal stehen wir auf
stehen wir zur Auferstehung auf

Mitten am Tage
Mit unsrem lebendigen Haar
Mit unsrer atmenden Haut.

Nur das Gewohnte ist um uns.
Keine Fata Morgana von Palmen
Mit
weidenden Löwen
Und sanften Wölfen.

Die Weckuhren hören nicht auf zu ticken
Ihre Leuchtzeiger
löschen nicht aus.
Und dennoch leicht
Und dennoch unverwundbar

Geordnet in geheimnisvolle Ordnung
Vorweggenommen in ein Haus aus
Licht.

Hören wir nocheinmal auf Hanna. Sie hat sich mit ihrem
Lebensschicksal nicht abgefunden, sie blieb nicht die stumm Duldende – im
Gegensatz zu bestimmten Frömmigkeitstraditionen, die ein stilles
Sich-Ergeben oft als besonders vorbildlich erklären. Hanna hat ihr Herz
vor Gott ausgeschüttet. Von IHM wusste sie aus ihrem israelitischen
Glauben: es ist ein Gott, der das Elend sieht, der befreit und aus dem Tod zum
Leben führt. Vor diesem Gott sein Herz ausschütten ist Ausdruck
österlicher Hoffnung.

III. Die persönliche Lebens-Erfahrung Hannas in
vorchristlicher Zeit möchte auch uns anregen, unsere eigenen Erfahrungen
auszusprechen, unsere „Ostergeschichte“ zu erzählen und vielleicht zu
besingen. Hier einige persönliche Äußerungen, die ich aus einer
Umfrage in der Fußgängerzone der Heidelberger Altstadt
zusammengestellt habe (kann von anderen Personen gelesen werden):

– Ostern ist für mich nicht kalendarisch einzuordnen. Ostern
bedeutet für mich Leben in seiner ganzen Vielfalt. Ostern ist für
mich z.B. im Lächeln eines Kindes, in einer Geste der Liebe, im Gebot der
Liebe zu Gott und zum Nächsten….

– Nach dem traurigen Geschehen des Karfreitags bedeutet Ostern
für mich das absolute Fest der Freude, vor allem die totatale Offenbarung
der Liebe Gottes zu uns Menschen…

– Ostern bedeutet für mich Hoffnung, daß Jesus auch
für mich gestorben und auferstanden ist…

– Es ist für mich eine ganz große Freude, dass nicht
der Tod das Letzte ist, sondern das Leben. Jesus hat gesagt: Ich lebe, und ihr
sollt auch leben…

Seit Ostern gilt: Der Tod und damit alle Resignation haben keine
letzte Macht mehr. Darum ist Ostern für alle Trauernden ein ganz
besonderer Tag der Hoffnung, aber auch für alle, um die wir trauern.

Leben ist angekündigt und Hoffnung, die mehr sind als
Illusion und Vertröstung. Was damals zwischen Karfreitag und Ostern
geschah, ist und bleibt ein Geheimnis, Gottes Geheimnis – „Geheimnis des
Glaubens“. Vielleicht ist das der tiefste Sinn der vielfältigen
Osterbräuche, die wir zum Teil aus vorchristlicher Zeit übernommen
haben, die wir aber als Christen nicht verdächtigen müssen: dass sie
auf dieses Geheimnis hinweisen und uns die Osterfreude veranschaulichen wollen.
Gott lässt uns an seinem Geheimnis teilnehmen. Gott bestärkt uns
durch die Auferstehung Jesu Christi die österliche Botschaft allem
Tödlichen entgegenzusetzen. Darum stimmen wir mit Hanna – und allen, die
ihr wie Mirjam vorausgingen und wie Maria folgten – in das Lob Gottes ein
(Hier kann das von Jacques Berthier, Taizé, vertonte Magnificat
gesungen werden
).

Weitere Liedvorschläge:
EG 100 Wir wollen alle fröhlich sein, EG 99 Christ ist erstanden, EG 103
Gelobt sei Gott, EG 117 Der schöne Ostertag, EG 116,4+5 …Geht und
verkündigt

Heinz Janssen
Pfarrer an der Evangelischen Providenz-Kirche
zu Heidelberg und Lehrbeauftragter für Altes Testament an der
J.W.Goethe-Universität zu Frankfurt/M.
e-mail: providenz@aol.com


de_DEDeutsch