1. Thessalonicher 5,12-24

1. Thessalonicher 5,12-24

Segensworte aus der christlichen Reiseapotheke | 14. Sonntag nach Trinitatis | 05.09.2021 | Predigt zu 1. Thess 5, 12-24 | verfasst von Ralf Reuter |

Im Reiserucksack des Paulus muss es auch so eine kleine Tasche mit allerlei nützlichen Dingen gegeben haben. Taschenlampe, Thermoskanne, Landkarte, Handcreme, das habe ich meist dabei, manchmal auch Bibel und Gesangbuch. In den Koffer gehören ja nicht nur Kleider und Wäsche, gerade diese kleinen Hilfsmittel sind wichtig. Da sitzt er also in Korinth und schreibt seiner Gemeinde in Thessaloniki einen Brief. Es ist tatsächlich das älteste Dokument des Neuen Testamentes. Paulus ist noch jung, er erzählt ihnen von den großen Themen des Glaubens, der Liebe, der Hoffnung. Ganz zum Schluss packt er noch einige Worte als Gastgeschenke hinein. „Seid allezeit fröhlich, betet ohne Unterlass, seid dankbar in allen Dingen.“ Er hat offenbar einen ganzen Vorrat von diesen Ratschlägen oder Maximen. „Achtet, die sich unter euch mühen“ und „tröstet die Kleingläubigen, tragt die Schwachen“.

So ganz genau kann ich diese Sprüche am Ende des Briefes gar nicht einordnen. Sind es tatsächlich Ermahnungen? Mir erscheinen sie eher wie gute Worte, kleine ethische Rationen aus der paulinischen Hausapotheke. „Haltet Frieden untereinander“, und „meidet das Böse in jeder Gestalt.“ Kürzer und klarer kann es gar nicht gesagt werden, worauf es ankommt, bei uns zuhause und auf der ganzen Welt. „Seht zu, dass keiner dem anderen Böses mit Bösem vergelte, sondern jagt allezeit dem Guten nach, füreinander und für jedermann.“ Und wunderbar in unseren Gemeinden zu gebrauchen, für die Aufbrüche ins Leben, die Neubesinnung auf das, was Gott mit seiner Kirche vorhat: „Den Geist löscht nicht aus. Prophetische Rede verachtet nicht. Prüft aber alles und das Gute behaltet.“ Das alles spricht er den Seinen zu, „denn das ist der Wille Gottes in Christus Jesus für euch.“

Mit meinem Gepäck war ich in diesem Sommer im Süden Frankreichs unterwegs. Dabei waren auch Bücher der Schriftsteller, die dort ab 1940 im französischen Exil waren, wie Anna Seghers und ihr Roman Transit. Wo kann man sonntags zur Kirche gehen? Mir viel nur der Dom in Marseille ein, wo ich noch nie war. Um 10 waren wir nach eineinhalb Stunden Fahrt entlang an der Küste tatsächlich am Hafen, doch im Dom gab es nur Touristen. Zwei Männer in dunkler Kleidung, die wir uns trauten anzusprechen, sagten: Die Messe ist in der Kirche St. Laurent, in einer viertel Stunde. Die alte Seefahrerkirche von 1153 ist beim systematischen Zerbomben der alten Häuser des Hafens durch die deutsche Besatzung Gott sei Dank unversehrt geblieben. Nach der Messe sprach ich den Priester an und stellte mich als deutscher Pastor vor. Ja, sagte er, ich habe einen lutherischen Freund, der hat mir viel von Dietrich Bonhoeffer erzählt. Er gab mir damit das richtige Wort mit auf den Weg.

Mit diesem Namen war nicht nur die gesamte historische Situation erfasst, diese schreckliche Zeit damals, sondern auch eine Orientierung am Wort Gottes, an der Aufgabe der Versöhnung.  Und ich konnte antworten und ihm zum Abschied sagen: „Von guten Mächten wunderbar geborgen erwarten wir getrost, was kommen mag“. Es war ein Spruch aus meinem persönlichen Vorrat. Ich trage ja wie viele Menschen eine Reihe solcher Glaubenssätze in meinem Herzen und kann sie jederzeit herausholen. Hier hat mich die eigene Ergriffenheit aktiv werden lassen.

Oft genug unterbleibt das Auspacken dieser Schätze. Ich vermute, so geht es Vielen. Wir trauen uns nicht, sie herauszuholen und anderen zukommen zu lassen. Doch im Nachhinein, zuhause von der Reise, wieder mitten in den Tagen des Arbeitens, da denke ich oft daran. Wie ein Gastgeschenk, ein wunderbares Mitbringsel, eine Reliquie des Glaubens erscheint mir der Name von Bonhoeffer, den ich in Marseille hörte, als Deutscher von einem französischen Priester. Und gut, dass ich mich zu antworten traute, leise zwar, aber hoffentlich vernehmlich, von guten Mächten.

Auf der Reise des Lebens begleiten uns nicht nur die großen Themen, nicht nur der Weltfriede, die Erderwärmung, die Suche nach Gott, die Bewältigung der Zeit. Sie haben wir alle in unseren Koffern. Für sie kleidet Paulus seine Gemeinde deshalb mit dem Kleid des Glaubens, der Liebe, der Hoffnung ein. Doch ebenso hilfreich, gerade für den Tag und die Woche, sind die guten Wünsche, die er den Glaubenden in allen seinen Briefen am Schluss zuspricht. Immer wieder anders in den einzelnen Briefen, je nach der konkreten Situation. Es ist zu spüren, wie er sich Mühe gibt, sie weiterzuentwickeln, anzupassen, er feilt an ihnen sein Leben lang weiter.

Es sind Segensgrüße, so wie wir Kinder aus dem Hause zur Schule schicken, „komm gut wieder“, „pass auf die Straße auf“, und wir winken, sprechen in Gedanken ein „bleib behütet“. Dies neu zu lernen, sich trauen, dies auch auszusprechen, das wünsch ich mir. In Briefen und Mails aus dem Bereich der Kirche finden wir manchmal solche Sprüche, in den persönlichen Gesprächen dürfen sie beim Abschied mehr werden. In diesen Zeiten der Pandemie-Einschränkungen sind wir vieles nicht mehr gewohnt, aber auch früher schon fehlten die Segensworte. Ein neuer Aufbruch in die kommende Zeit, so wie Paulus aufgebrochen ist, seine Reisen machte und hilfreiche Briefe schrieb. Ein Aufbruch, in dem wir die frohe Botschaft Gottes anderen schenken. Nicht nur in großen Reden, viel mehr mit kleinen Trostworten, liebevollen Sätzen, die ihnen guttun und helfen. In denen schon die große Liebe Gottes enthalten ist, der ganze Glaube an Jesus Christus, und die tragende Hoffnung auf dem Weg in die Ewigkeit.

Meist sind es Worte, die trösten, die wachrütteln, die helfen, die gutes Geleit geben. In den Orten des Lebens, in den Begegnungen mit Menschen, im Urlaub in Marseille, im Alltag zuhause. Neben den Bibelsprüchen treten Verse aus Liedern dazu, die Namen von Menschen, die uns inspirieren, Ereignisse, die prägen. Sie sind wichtig für die Navigation von Zukunft. Dann auch Zeichen des Segens, Gesten der Zuwendung, wohltuende Blicke, wo das Händereichen und in den Arm nehmen nicht möglich ist. Miteinander unterwegs sein, auf dem Weg in die Zukunft Gottes, in den Gemeinden unserer Kirche ist dies vielleicht das Wichtigste. Es gilt aber auch für die Unternehmen und Betriebe, in denen Menschen arbeiten und Geld verdienen. Sicherlich noch einmal anders, aber ohne Worte und Zeichen der Orientierung und Verbundenheit wird es dauerhaft auch dort nicht gehen. Und für unsere Welt bleibt es eine Aufgabe, die wir Christen mit vielen anderen Menschen verantwortungsvoll angehen, mit allen, die hilfreiche Worte kennen und auf der Zunge tragen.

Mit der christlichen Reiseapotheke des Paulus auf Reisen gehen, mit den Gastgeschenken und Mitbringseln am Ende seiner Briefe, wunderbar ist das. Prüft alles, und das Gute behaltet, wie mit dem Licht der Taschenlampe aus meinem Rucksack; wie die Thermoskanne, die die Schwachen mit einem stärkenden Trunk wärmt und tröstet; die Landkarte, um dem Bösen aus dem Wege zu gehen und es zu meiden; die Handcreme Gottes, mit der der Frieden gehalten wird, die Hände und Herzen ergriffen werden; die Freude, die im Gesangbuch klingt, die uns neue Lieder singen lässt; der Geist, den die Bibel verbreitet, der aus dem Rucksack springt und Segen verbreitet.

Ja, es sind Segensworte aus der christlichen Reiseapotheke, nach Anlass und Situation zusammengestellt und ein Leben lang weiterentwickelt. In ihnen ruft Gott durch uns in seine Zukunft. Diese seine und unsere Worte sind es, die dann Kraft geben, Mut und Stärke zusprechen, zu Leuchttürmen werden im unruhigen Meer der Zeit, zu Geist vom Himmel, als Kompass der Seele. Wir tragen sie an unserem Leib, hüten sie im Herzen, führen sie auf der Zunge. Aktivieren so die Kommunikation von Gott zu seinen Menschen und den Menschen untereinander, verbreiten Segen wie Paulus seiner geliebten Gemeinde in Thessaloniki und allen, die das Wort Gottes hören und aufnehmen: „Er aber, der Gott des Friedens, heilige euch durch und durch und bewahre euren Geist samt Seele und Leib unversehrt, untadelig für das Kommen unseres Herrn Jesus Christus. Treu ist er, der der euch ruft; er wird’s auch tun.“

Pastor Ralf Reuter

Göttingen

E-Mail: Ralf.Reuter@evlka.de

Ralf Reuter ist Pastor für Führungskräfte der Wirtschaft in der Ev. Luth. Landeskirche Hannovers und zugleich Pastor an der Friedenskirche Göttingen.

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